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X ARZ 317/19

BUNDESGERICHTSHOF X ARZ 317/19 BESCHLUSS vom

6. August 2019 in der Gerichtsstandbestimmungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

nein BGHR:

ja HGB § 130a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, § 177a Für Ansprüche aus § 130a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 HGB ist gemäß § 29 Abs. 1 ZPO ein Gerichtsstand am Sitz der Gesellschaft begründet. BGH, Beschluss vom 6. August 2019 - X ARZ 317/19 - OLG Hamburg ECLI:DE:BGH:2019:060819BXARZ317.19.0 Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. August 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Grabinski und Dr. Bacher sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm beschlossen:

Der Antrag auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

Gründe:

I. Der Antragsteller ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer im Handelsregister des Amtsgerichts Flensburg eingetragenen GmbH & Co. KG. Die Antragsgegner, die ihren allgemeinen Gerichtsstand in den Bezirken unterschiedlicher Landgerichte (Hamburg und Itzehoe) haben, waren Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin.

Der Antragsteller macht geltend, die Schuldnerin sei mindestens seit April 2013 zahlungsunfähig gewesen. Er beabsichtigt, die Antragsgegner gemäß § 177a und § 130a HGB auf Erstattung von Zahlungen in Höhe von 100.127,08 Euro in Anspruch zu nehmen, die diese im betreffenden Zeitraum für die Schuldnerin geleistet haben, und beantragt, das Landgericht Hamburg als zuständiges Gericht zu bestimmen.

Das vorlegende Gericht möchte diesen Antrag ablehnen, weil nach seiner Auffassung ein gemeinsamer Gerichtsstand am Sitz der Schuldnerin besteht. Es sieht sich daran durch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg gehindert und hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof vorgelegt.

II. Die Vorlage ist zulässig.

Mit der von ihm beabsichtigten Entscheidung würde das vorlegende Gericht von Entscheidungen der Oberlandesgerichte Naumburg (NZG 2018, 270, juris Rn. 8 f.) und Stuttgart (MDR 2016, 179 Rn. 9 f.) abweichen.

Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die genannten Gerichte die Frage, ob die geltend gemachten Verpflichtungen am Sitz der Gesellschaft zu erfüllen sind und deshalb ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand begründet ist, offengelassen und schon deshalb einen Gerichtsstand gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmt haben, weil sie diese Frage als rechtlich zweifelhaft angesehen haben.

Für die Zulässigkeit einer Vorlage nach § 36 Abs. 3 Satz 1 ZPO reicht es aus, wenn eine Divergenz hinsichtlich einer Rechtsfrage besteht, die eine der Voraussetzungen betrifft, unter denen eine Gerichtsstandbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO überhaupt zulässig ist (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018 - X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200 Rn. 8). Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn zwei Gerichte unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Frage haben, ob in einer bestimmten tatsächlichen Konstellation eine Gerichtsstandbestimmung im Hinblick auf das mögliche Bestehen eines gemeinsamen besonderen Gerichtsstands ausscheidet.

III. Der Antrag auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts ist unbegründet, weil für die beabsichtigte Klage gemäß § 29 Abs. 1 ZPO ein gemeinsamer Gerichtsstand am Sitz der Schuldnerin begründet ist.

1. Zu Recht hat das vorlegende Gericht eine Gerichtsstandbestimmung nicht schon deshalb als zulässig angesehen, weil die Frage, ob für eine Klage gegen den Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft auf Ersatz einer nach Eintritt der Insolvenzreife geleisteten Zahlung (§ 64 Satz 1 GmbHG, § 130a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 sowie § 177a HGB) der Gerichtsstand des Erfüllungsorts (§ 29 Abs. 1 ZPO) begründet ist, in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt wird.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine Gerichtsstandbestimmung allerdings schon dann erfolgen, wenn die Voraussetzungen für das Bestehen eines gemeinsamen Gerichtsstands nicht zuverlässig festgestellt werden können. Letzteres kommt etwa in Betracht, wenn die Zuständigkeit an bestimmte Handlungen anknüpft, die Tatbeiträge der einzelnen Beklagten unterschiedlich sind und dem Klagevorbringen nicht zweifelsfrei zu entnehmen ist, ob es einen Ort gibt, an dem die Zuständigkeitsvoraussetzungen im Hinblick auf alle Antragsgegner erfüllt sind (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2008 X ARZ 98/08, NJW-RR 2008, 1514 Rn. 11 ff.). Entsprechendes kann gelten, wenn die Beurteilung der Zuständigkeit allein von Rechtsfragen abhängt und das Gericht, bei dem ein gemeinsamer Gerichtsstand begründet sein könnte, seine Zuständigkeit bereits abgelehnt hat (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018 X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200 Rn. 15; OLG Hamm NJW-RR 2017, 94, juris Rn. 14 f.).

Der Umstand, dass eine für die Zuständigkeit erhebliche Rechtsfrage in Literatur und Instanzrechtsprechung umstritten ist, reicht für sich gesehen indes nicht aus, um hinreichende Zweifel in diesem Sinne zu begründen.

Sofern eine Divergenz im Sinne von § 36 Abs. 3 ZPO besteht, hat das zur Entscheidung berufene Gericht jedenfalls dann eine Klärung der Rechtsfrage durch den Bundesgerichtshof herbeizuführen, wenn - wie im Streitfall - die Bestimmung eines Gerichts in Betracht kommt, bei dem mit Sicherheit kein gemeinsamer Gerichtsstand begründet ist. Liegen die Voraussetzungen des § 36 Abs. 3 ZPO nicht vor, muss das zur Entscheidung berufene Gericht die Rechtsfrage grundsätzlich auch dann selbst beantworten, wenn sie in der Literatur oder in der Rechtsprechung anderer Gerichte unterschiedlich beurteilt wird.

Ob ausnahmsweise etwas Anderes gelten kann, wenn die Beurteilung der Zuständigkeit von einer besonders komplexen und schwierig zu beantwortenden Rechtsfrage abhängt, kann dahingestellt bleiben. Um eine solche Rechtsfrage geht es im Streitfall nicht.

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2. Für Ansprüche aus § 130a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 HGB ist gemäß § 29 Abs. 1 ZPO ein Gerichtsstand am Sitz der Gesellschaft begründet.

a) Ein auf diese Grundlage gestützter Anspruch beruht auf einem Vertragsverhältnis im Sinne von § 29 Abs. 1 ZPO.

aa) Zu den Vertragsverhältnissen im Sinne von § 29 Abs. 1 ZPO gehören nicht durch Gesetz begründete Verpflichtungsverhältnisse, die an eine organschaftliche Sonderbeziehung zwischen einer Gesellschaft und ihrem Geschäftsführer anknüpfen. Diese Voraussetzungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfüllt bei einem auf § 43 Abs. 2 GmbHG gestützten Schadensersatzanspruch einer GmbH gegen ihren Geschäftsführer (BGH, Urteil vom 10. Februar 1992 - II ZR 23/91, NJW-RR 1992, 800, 801).

bb) Für einen auf § 64 Satz 1 GmbHG oder § 130a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 HGB gestützten Anspruch gilt nichts Anderes.

Entgegen dem Wortlaut der Vorschrift statuiert § 130a Abs. 2 Satz 1 HGB allerdings keinen Anspruch auf Schadensersatz im herkömmlichen Sinne. Ebenso wie nach § 64 Satz 1 HGB hat der Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin eine nach Eintritt der Insolvenzreife für die Gesellschaft geleistete Zahlung vielmehr auch dann zu ersetzen, wenn der Gesellschaft im Einzelfall keine Vermögenseinbuße entstanden ist (BGH, Beschluss vom 5. Februar 2007 - II ZR 51/06, NJW-RR 2007, 1490 Rn. 7). Dies steht in Einklang mit dem Zweck der Vorschriften, der darauf gerichtet ist, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (so jeweils zu § 64 GmbHG: BGH, Urteil vom 18. März 1974 - II ZR 2/72, NJW 1974, 1088, 1089; Urteil vom 29. November 1999 - II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 186). Deshalb handelt es sich um einen "Ersatzanspruch eigener Art" (BGH, Urteil vom

8. Januar 2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 278; Beschluss vom 11. Februar 2008 - II ZR 291/06, NJW-RR 2008, 1066 Rn. 6).

Entgegen einer in Literatur und Instanzrechtsprechung vertretenen Auffassung (vgl. etwa Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, 21. Aufl., § 64 Rn. 30; BeckOKGmbHG/Mätzig, 39. Edition, § 64 Rn. 69; LG Frankfurt a.M. NZI 2019, 473) sind diese Besonderheiten im Zusammenhang mit § 29 Abs. 1 ZPO jedoch nicht ausschlaggebend. Entscheidende Bedeutung kommt vielmehr dem Rechtsverhältnis zu, aus dem der Anspruch hergeleitet wird (ebenso OLG München NZG 2017, 749 und NJW-RR 2019, 292; im Ergebnis auch OLG Düsseldorf GmbHR 2010, 591).

Ein auf § 64 Satz 1 GmbHG oder § 130a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 HGB gestützter Anspruch beruht trotz der aufgezeigten Besonderheiten auf dem organschaftlichen Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer. Passivlegitimiert sind nur Personen, die rechtlich oder faktisch (BGH, Urteil vom 11. Juli 2005 - II ZR 235/03, NZG 2005, 816) als Geschäftsführer fungiert haben. Eine ergänzende Haftung Dritter auf der Grundlage von § 830 BGB scheidet aus, weil es sich gerade nicht um einen Deliktstatbestand handelt (so zu § 64 GmbHG: BGH, Beschluss vom 11. Februar 2008 - II ZR 291/06, NJWRR 2008, 1066 Rn. 6). Vor diesem Hintergrund ist ein auf § 64 Abs.1 GmbHG oder § 130a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 HGB gestützter Anspruch aus denselben Gründen wie ein Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG als Anspruch aus einem Vertragsverhältnis im Sinne von § 29 Abs. 1 ZPO anzusehen.

b) Erfüllungsort für den Anspruch ist grundsätzlich der Ort, an dem die Gesellschaft ihren Sitz hat.

Zahlungsverpflichtungen eines Geschäftsführers gegenüber der GmbH sind grundsätzlich am Sitz der Gesellschaft zu erfüllen. Grund hierfür ist die besondere Bindung zwischen den Beteiligten, die - anders als bei reinen Austauschgeschäften - den Geschäftsführer verpflichtet, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich am Betriebssitz die gesamte betriebliche Einrichtung für die Abwicklung von Zahlungen befindet und die Bücher geführt werden (BGH, Urteil vom 26. November 1984 - II ZR 20/84, NJW 1985, 1286, 1287). Dies gilt auch für Schadensersatzansprüche aus § 43 Abs. 2 GmbHG (BGH, Urteil vom 10. Februar 1992 - II ZR 23/91, NJW-RR 1992, 800, 801).

Für Ansprüche aus § 64 Satz 1 GmbHG oder § 130a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 HGB kann auch unter diesem Aspekt nichts Anderes gelten. Für die Beurteilung solcher Ansprüche sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft sowie Umfang und Zeitpunkt der geleisteten Zahlungen sogar von besonders großer Bedeutung. Der Umstand, dass der Anspruch in erster Linie den Vermögensinteressen der Gläubiger dient, führt auch insoweit nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Meier-Beck Gröning Grabinski Bacher Kober-Dehm Vorinstanz: OLG Hamburg, Entscheidung vom 26. Juni 2019 - 11 AR 2/19 -

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9 130 HGB
8 29 ZPO
7 64 GmbHG
5 36 ZPO
3 43 GmbHG
2 177 HGB
1 830 BGB
1 1 GmbHG
1 64 HGB

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