Paragraphen in X ZR 88/19
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1 | 121 | PatG |
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES X ZR 88/19 URTEIL in der Patentnichtigkeitssache Verkündet am: 9. November 2021 Schönthal Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2021:091121UXZR88.19.0 Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2021 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bacher, die Richter Hoffmann und Dr. Deichfuß, die Richterin Dr. Kober-Dehm und den Richter Dr. Crummenerl für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 9. Juli 2019 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des deutschen Patents 10 2012 008 262 (Streitpatents), das am 25. April 2012 angemeldet wurde und eine Vorrichtung zum Verformen einer erwärmten Platte oder eines erwärmten Folienbahnabschnittes aus thermoplastischem Kunststoff zu einem Formteil betrifft. Patentanspruch 1, auf den neun weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet:
Vorrichtung zum Verformen einer erwärmten Platte (1) oder eines erwärmten Folienbahnabschnittes aus thermoplastischem Kunststoff zu einem Formteil, aufweisend eine Formstation (2) mit einer Heizeinrichtung (3) zur Erwärmung einer Platte (1) oder eines Folienbahnabschnittes aus thermoplastischem Kunststoff, einen oberen und unteren Spannrahmen (4, 5) zum Klemmen der erwärmten Platte (1) oder des Folienbahnabschnittes, einen höhenbeweglichen Formtisch (6) zur Aufnahme einer Tiefziehform (7) und Einrichtungen (8) zur pneumatischen Kühlung der verformten Platte (1) oder des verformten Folienbahnabschnittes, dadurch gekennzeichnet, dass Führungselemente (9) für Luftströme, die die Einrichtungen (8) zur pneumatischen Kühlung der Seite der verformten Platte (1) oder des verformten Folienbahnabschnittes, die von der Tiefziehform (7) abgewandt ist, mit Kühlluft versorgen, in einer Sammelstelle (10) mit einem Zuluftrohr (12), in dem mindestens eine Strömungsmaschine (11) zur Förderung der Kühlluft angeordnet ist, münden und dass die Führungselemente (9) jeweils mit Einrichtungen (16) zur Variation von Luftmengen an den einzelnen Kühlstellen in Abhängigkeit von der Ausprägung des Formteils ausgerüstet sind.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig und gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten und hilfsweise in einer geänderten Fassung verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
I. Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum Verformen einer erwärmten Platte oder eines erwärmten Folienbahnabschnittes aus thermoplastischem Kunststoff zu einem Formteil.
1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift weisen im Stand der Technik bekannte Vorrichtungen dieser Art wassergekühlte Formwerkzeuge auf.
Nach Abschluss des Formprozesses werden die Formteile auf der am Werkzeug anliegenden Seite durch das Kühlwasser gekühlt, während die vom Werkzeug abgewandte Oberseite pneumatisch gekühlt wird. Hierzu würden Ventilatoren eingesetzt, die in der Regel zu mehreren im Oberbau der Vorrichtung angeordnet seien und die Kühlluft beschleunigt und unter Druckerhöhung auf die heiße Oberseite der Formteile leiteten. Der Bediener schalte jeweils die von ihrer Position her geeigneten Ventilatoren ein und richte deren Ausblasdüsen entsprechend den Bedürfnissen für die Kühlung des betreffenden Formteils aus.
Die Ventilatoren saugten die zur Kühlung verwendete Luft aus dem Oberbau der Vorrichtung an. Wegen der Heizeinrichtung liege die Temperatur in diesem Bereich - wie in der gesamten Vorrichtung - über der Temperatur im Produktionsraum. Deshalb sei eine ausreichende Kühlung der Oberseite der Formteile nur langsam oder unter Umständen überhaupt nicht zu erreichen. Durch die asymmetrische Kühlung könne es zudem leicht zu Deformationen der Formteile kommen (Abs. 2).
2. Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, eine Vorrichtung zur Verfügung zu stellen, die eine ausreichende, schnelle und gleichmäßige Kühlung ermöglicht.
3. Zur Lösung des Problems schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 eine Vorrichtung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
1. Die Vorrichtung dient zum Verformen einer erwärmten Platte (1) oder eines erwärmten Folienbahnabschnittes aus thermoplastischem Kunststoff zu einem Formteil.
1.1 Die Vorrichtung weist eine Formstation (2) auf mit
1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 einer Heizeinrichtung (3) zur Erwärmung einer Platte (1) oder eines Folienbahnabschnittes aus thermoplastischem Kunststoff,
einem oberen und unteren Spannrahmen (4, 5) zum Klemmen der erwärmten Platte (1) oder des Folienbahnabschnittes,
einem höhenbeweglichen Formtisch (6) zur Aufnahme einer Tiefziehform (7),
Einrichtungen (8) zur pneumatischen Kühlung der verformten Platte (1) oder des verformten Folienbahnabschnittes und Führungselementen (9) für Luftströme, die
1.1.5.1 die Einrichtungen (8) zur pneumatischen Kühlung der Seite der verformten Platte (1) oder des verformten Folienbahnabschnittes, die von der Tiefziehform (7) abgewandt ist, mit Kühlluft versorgen,
1.1.5.2 in einer Sammelstelle (10) mit einem Zuluftrohr (12) münden,
1.1.5.2.1 in dem mindestens eine Strömungsmaschine (11) zur Förderung der Kühlluft angeordnet ist, und
1.1.5.3 jeweils mit Einrichtungen (16) zur Variation von Luftmengen an den einzelnen Kühlstellen in Abhängigkeit von der Ausprägung des Formteils ausgerüstet sind.
4. Zentrale Bedeutung kommt den in Merkmalsgruppe 1.1.5 definierten Elementen zur Förderung und Zufuhr der Kühlluft zu.
a) Die in Merkmalsgruppe 1.1.5 beschriebenen Elemente sind nach Merkmal 1.1.5.1 dazu bestimmt, diejenigen Einrichtungen (8) mit Kühlluft zu versorgen, die zur pneumatischen Kühlung der von der Tiefziehform (7) abgewandten Seite des Formteils (1) vorgesehen sind.
Diese Kühleinrichtungen können nach der Beschreibung des Streitpatents beispielsweise als bewegliche Düsen ausgebildet sein, die vom Bediener der Vorrichtung entsprechend den Bedürfnissen für die Kühlung des betreffenden Formteils eingestellt werden können (Abs. 7). Patentanspruch 1 enthält insoweit aber keine zwingenden Festlegungen.
Ein Ausführungsbeispiel ist in der nachfolgend wiedergegebenen (einzigen) Figur des Streitpatents dargestellt.
b) Als eines der Mittel zur Erreichung günstigerer Kühlbedingungen benennt die Beschreibung des Streitpatents die Möglichkeit, die Ansaugöffnung (20) des in Merkmal 1.1.5.2 vorgesehenen Zuluftrohrs (12) in einem Bereich anzuordnen, in dem niedrigere Temperaturen herrschen als im Oberbau der Formvorrichtung (Abs. 8).
Patentanspruch 1 gibt keine konkrete Position für die Ansaugöffnung (20) vor und enthält auch im Übrigen keine näheren Vorgaben zur Ausgestaltung des Zuluftrohrs (12).
c) Die in Merkmal 1.1.5.2.1 vorgesehene, im Zuluftrohr (12) angeordnete zentrale Strömungsmaschine (11) ersetzt die im Stand der Technik vorgesehenen lokal angeordneten Einzelventilatoren. Bei Bedarf können auch mehrere Strömungsmaschinen (11) im Zuluftrohr (12) angeordnet werden (Abs. 8).
Die Strömungsmaschine kann mit einem Regelgerät (15) ausgerüstet sein, mit dem das Volumen des Kühlluftstroms an die Bedürfnisse bei der Kühlung der Formteile angepasst werden kann (Abs. 8). Eine derartige Ausstattung ist nach Patentanspruch 1 jedoch nicht zwingend vorgesehen. Eine entsprechende Vorgabe ist lediglich in Patentanspruch 6 enthalten.
d) Die in Merkmal 1.1.5 vorgesehenen Führungselemente (9) führen die von der Strömungsmaschine (11) über das Zuluftrohr (12) in eine Sammelstelle (10) geförderte Kühlluft zu mehreren Kühleinrichtungen (8), die der Kühlung der Formteile auf deren der Tiefziehform abgewandten Seite dienen.
Vorgaben zur Position und zur näheren Ausgestaltung der Sammelstelle (10) sind in Patentanspruch 1 nicht enthalten. Merkmal 1.1.5.2 lässt insbesondere auch offen, wie die Sammelstelle (10) und das Zuluftrohr (12) miteinander verbunden sind.
Hinsichtlich der Ausgestaltung der Führungselemente (9) gibt Merkmal 1.1.5.3 lediglich vor, dass sie Einrichtungen (16) zur Variation von Luftmengen an den einzelnen Kühlstellen aufweisen. Die nähere Ausgestaltung dieser Elemente lässt Patentanspruch 1 ebenfalls offen.
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung sei nicht patentfähig. Er sei zwar neu, werde dem Fachmann, einem Diplom-Ingenieur mit Fachhochschulabschluss der Fachrichtung Maschinenbau oder Kunststofftechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Thermoformmaschinen oder in der Fertigung bei der Herstellung entsprechender Formteile, aber durch die deutsche Offenlegungsschrift 10 2005 033 014 (E3) nahegelegt.
E3 offenbare eine Vorrichtung zum Verformen einer erwärmten Platte oder eines erwärmten Folienbahnabschnittes aus thermoplastischem Kunststoff zu einem Formteil mit den Merkmalen 1 bis 1.1.5.2.
Führungselemente für Luftströme im Sinne von Merkmal 1.1.5 seien in E3 zwar nicht ausdrücklich beschrieben, aber implizit offenbart. Die Kühleinrichtung der Vorrichtung nach der E3 könne anstelle von Gebläsen auch aus mehreren gegebenenfalls als Breitschlitzdüsen ausgebildeten - Düsen bestehen, die mit einer Druckquelle oder einem externen Gebläse verbunden seien. Für diese strömungstechnische Verbindung lese der Fachmann das Vorhandensein von Rohrleitungen und damit von erfindungsgemäßen Führungselementen für Luftströme im Sinne von Merkmal 1.1.5 mit.
Eine Sammelstelle im strömungstechnischen Sinn, wie in Merkmal 1.1.5.2 vorgesehen, werde zwar ebenfalls nicht unmittelbar und eindeutig beschrieben, sei der E3 aber dennoch zu entnehmen. Der Hinweis in der Beschreibung, dass bei einer Ausführung mit Blasdüsen anstelle von Gebläsen diese mit einer Druckluftquelle oder mit einem externen Gebläse verbunden werden könnten, sei dahin zu verstehen, dass auch dann eine Verbindung nur zu einem einzigen externen Gebläse bestehe, wenn die Kühleinrichtung nicht nur eine, sondern mehrere Blasdüsen aufweise. Dass bei mehreren Düsen jede Düse für sich mit einem gesonderten Gebläse verbunden sei, könne aus der Beschreibung nicht abgeleitet werden und ergebe auch technisch keinen Sinn. Bei einer Ausführungsform, bei der mehrere Blasdüsen mit einem einzigen Gebläse verbunden seien, sei das Gebläse in Strömungsrichtung einer der Sammelstelle im Sinne von Merkmal 1.1.5.2 entsprechenden Stelle vorgelagert und über eine Rohrleitung mit dieser verbunden, während von der entsprechenden Stelle zu den Blasdüsen führende Luftleitungen im Sinne von Merkmal 1.1.5 abgingen. Eine reine Reihenschaltung sei bei mehreren Düsen jedenfalls dann nicht möglich, wenn - wie in einem der in E3 dargestellten Ausführungsbeispiele vorgesehen - einzelne Breitschlitzdüsen zu- und abgeschaltet werden könnten.
Ob der Fachmann Merkmal 1.1.5.2.1 mitlese, könne dahingestellt bleiben, da er ein mit mehreren Blasdüsen verbundenes Gebläse, wie es in E3 beschrieben werde, in der Regel mit dem Gebläse- bzw. Laufrad in ein Zuluftrohr einbauen und andere Varianten, wie ein dem Zuluftrohr vorgeschaltetes oder nur teilweise in das Zuluftrohr eingreifendes Radiallaufrad, eher nicht in Erwägung ziehen werde. Außerdem belege die US-amerikanische Patentschrift 5 620 715 (E2), dass eine Anordnung eines Gebläses in einem Zuluftrohr entsprechend Merkmal 1.1.5.2.1 zum allgemeinen Fachwissen des Fachmanns gehöre.
Merkmal 1.1.5.3 sei nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Bei den in E3 offenbarten Ausführungsbeispielen von Kühleinrichtungen seien Einrichtungen vorgesehen, mit denen die Kühlluft entweder zu- oder abgeschaltet werden könne. Sofern der Fachmann das Vorhandensein von Volumensteuerungseinrichtungen im Sinne von Merkmal 1.1.5.3 nicht ohnehin in der E3 mitlese, liege die Ausrüstung von Luftführungsleitungen mit derartigen Einrichtungen aber zumindest in seinem Griffbereich. Die Ausgestaltung ein- und abschaltbarer Ventile und Luftklappen als Steuerungsventile oder Steuerungsklappen, mit denen die Kühlluft nicht nur durch Ein- und Ausschalten der entsprechenden Einrichtungen entweder zu- oder abgeschaltet werden könne, sondern darüber hinaus auch die Volumenströme variiert werden könnten, stelle für den Fachmann eine einfache technische Maßnahme dar, die zu seinem Fachwissen gehöre und zu der ihm die E3 zudem auch Veranlassung gebe. Die Kühleinrichtung könne nach der E3 so ausgebildet sein, dass der Kühlluftstrom in Abhängigkeit der Geometrie des Formteils einseitig, über zwei rechtwinklig nebeneinanderliegende Seiten diagonal oder auch diagonal im Wechsel durch Zu- und Abschalten der Breitschlitzdüsen über die dem Formwerkzeug entgegengesetzte Seite gesteuert werden könne. Ferner sei in E3 vorgesehen, die Breitschlitzdüsen über Antriebe verschwenkbar zu gestalten. Vor diesem Hintergrund werde der Fachmann dazu angeregt, Einrichtungen vorzusehen, mit denen auch der Volumenstrom variiert werden könne. Unabhängig hiervon belege E2, dass eine Ausrüstung von Luftführungsleitungen entsprechend Merkmal 1.1.5.3 zum allgemeinen Fachwissen des Fachmanns gehöre.
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags sei ebenfalls nicht patentfähig. Das danach zusätzlich vorgesehene Merkmal 1.1.4.1, wonach die Einrichtungen zur pneumatischen Kühlung als bewegliche Düsen ausgebildet seien, die vom Bediener auf das Formteil eingestellt werden könnten, sei aus E3 bekannt. Merkmal 1.1.4.1 lasse offen, ob die Einstellung manuell oder durch eine Programmierung vorgenommen werde. In E3 werde jedenfalls eine Vorrichtung offenbart, in deren Steuerung programmiert und hinterlegt werden könne, die Blasdüsen während des Kühlvorgangs über geeignete Antriebe zu verschwenken, um die Richtung und Wirkung des Luftstroms zu ändern.
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren im Ergebnis stand.
1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung ist durch den Stand der Technik nahegelegt.
a) Das Patentgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass E3 den Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht vollständig offenbart.
aa) E3 befasst sich wie das Streitpatent mit der Aufgabe, eine gleichmäßigere und raschere Abkühlung der Oberfläche von Formteilen zu erreichen (Abs. 6).
E3 geht von bekannten Vorrichtungen mit mehreren Gebläsen aus und kritisiert daran, dass dies zu einer unterschiedlichen Temperaturverteilung führe (Abs. 3). Darüber hinaus werde die Strömungsgeschwindigkeit drastisch reduziert, wenn einzelne Gebläse gegeneinander bliesen (Abs. 4).
Zur Lösung schlägt E3 vor, die Strömungsverhältnisse zu verbessern.
Bei einem ersten Ausführungsbeispiel, das in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 2 dargestellt ist, wird hierzu eine Strömung erzeugt, die quer oder diagonal über der Oberfläche des Formteils verläuft.
Das Kühlen des tiefgezogenen Formteils erfolgt über eine Kühleinrichtung (22), die aus einzelnen Gebläsen (23) oder aus einer oder mehreren, vorzugsweise als Breitschlitzdüsen ausgebildeten Blasdüsen (24) besteht. Diese werden aus einem Hohlprofil hergestellt und mit einer Druckluftquelle oder einem externen Gebläse verbunden (Abs. 16). Als Nachteil der Gebläse (23) wird angeführt, dass diese die Luft in der Regel direkt aus der (durch die Heizeinrichtung erwärmten) Umgebung ansaugen, während Blasdüsen mit einem weiter entfernten Gebläse in Verbindung stehen (Abs. 21).
In der ersten der in Figur 2 dargestellten Varianten besteht die Kühleinrichtung (22) aus einer (am rechten Rand der Figur eingezeichneten) Breitschlitzdüse (24) (Abs. 17) und optional einer auf der gegenüberliegenden Seite angeordneten Absaugeinrichtung (25), die die Strömungsgeschwindigkeit weiter erhöht (Abs. 20).
In einer zweiten Variante wird eine (in der Figur gestrichelt dargestellte) zweite Blasdüse (24) eingesetzt, die auf der angrenzenden Seite des Formteils angeordnet ist. Dies führt zu einem Luftstrom, der diagonal über das Formteil hinweg verläuft (Abs. 18). Optional können eine oder mehrere Absaugvorrichtungen (25) vorhanden sein (Abs. 20).
In einer weiteren Abwandlung können auf allen vier Seiten des Formteils (9) Gebläse (23) oder Blasdüsen (24) angebracht sein. Dann werden beim Kühlen jeweils nur die Gebläse oder Düsen auf einer oder auf zwei aneinander angrenzenden Seiten zugeschaltet (Abs. 19).
bb) Damit sind, wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat und auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht, die Merkmale 1 bis 1.1.4 offenbart.
cc) Das Patentgericht hat ferner zu Recht entschieden, dass die Merkmale 1.1.5 und 1.1.5.1 ebenfalls offenbart sind.
Durch eine Vorveröffentlichung offenbart kann auch dasjenige sein, was im Patentanspruch und in der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt, aus der Sicht des Fachmanns jedoch für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf, sondern "mitgelesen" wird (BGH, Urteil vom 18. März 2014 - X ZR 77/12, GRUR 2014, 758 Rn. 39 - Proteintrennung; Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 26 - Olanzapin).
Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die Merkmale 1.1.5 und 1.1.5.1 gegeben.
Aus der Gegenüberstellung von Gebläsen und Blasdüsen und dem Hinweis, dass Blasdüsen mit einer Druckluftquelle oder einem externen Gebläse verbunden sind, ergibt sich ohne weiteres, dass es Bauteile geben muss, die dafür sorgen, dass die Luft von der Druckluftquelle bzw. dem Gebläse zu den Blasdüsen strömt. Dies reicht zur Offenbarung der Merkmale 1.1.5 und 1.1.5.1 aus.
dd) Nicht unmittelbar und eindeutig offenbart ist dagegen - anders als das Patentgericht angenommen hat - die Merkmalsgruppe 1.1.5.2.
In E3 ist nicht ausdrücklich offenbart, ob bei Ausführungsformen mit mehreren Blasdüsen jede Düse einer separaten Druckluftquelle bzw. einem separaten externen Gebläse zugeordnet ist oder ob es eine gemeinsame Einrichtung gibt, die zumindest eine Verteilung über eine Sammelstelle im Sinne von Merkmal 1.1.5.2 erforderlich macht. Auch wenn die Zahl der grundsätzlich in Betracht kommenden Bauprinzipien insoweit überschaubar sein mag, bedurfte es ergänzender fachlicher Überlegungen, um zu einer Ausführungsform mit einer gemeinsamen Luftquelle und einer Sammelstelle zu gelangen. Erst recht gilt dies für die Anordnung der Strömungsmaschine in dem mit der Sammelstelle verbundenen Zuluftrohr.
ee) Ebenfalls nicht offenbart ist Merkmal 1.1.5.3.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es zur Verwirklichung dieses Merkmals ausreicht, wenn einzelne Düsen gezielt zu- oder abgeschaltet werden können. Wie auch die Berufungserwiderung nicht verkennt, wäre Merkmal 1.1.5.3 auch bei Bejahung dieser Frage in E3 allenfalls für solche Ausführungsformen unmittelbar und eindeutig offenbart, bei denen mehrere Blasdüsen von einer gemeinsamen Druckluftquelle oder einem gemeinsamen Gebläse versorgt werden. Diese Ausgestaltung ist in E3 aus den oben genannten Gründen indes nicht offenbart.
b) Das Patentgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Er war jedenfalls durch eine Kombination von E3 mit E2 nahegelegt.
aa) Wie bereits oben dargelegt wurde, stuft E3 die Kombination aus Blasdüsen und einem weiter entfernten externen Gebläse als vorteilhaft ein, weil sie die Möglichkeit schafft, kältere Luft anzusaugen. Dies gab Anlass, sich mit dieser Variante näher zu befassen.
E3 enthält zwar keine näheren Hinweise zur Ausgestaltung und Anordnung der Blasdüsen und externen Gebläse. Angesichts der dort geschilderten Vorteile dieser Ausführungsform bestand aber Veranlassung, im Stand der Technik nach hierfür in Betracht kommenden Möglichkeiten zu suchen.
bb) Ob der Gegenstand von Patentanspruch 1 vor diesem Hintergrund schon durch die ergänzende Heranziehung allgemeinen Fachwissens nahegelegt war, kann dahingestellt bleiben. Hinreichende Anregungen ergaben sich jedenfalls aus E2.
(1) E2 offenbart eine als rotierende Vorrichtung ausgebildete Thermoformmaschine mit vier Stationen, zu denen eine geregelte Kühlstation (22) gehört.
In der Kühlstation (22) wird das Formteil von allen Seiten durch einen gleichmäßigen Luftstrom auf die gewünschte Temperatur abgekühlt. Die Zufuhr von Kühlluft kann durch herkömmliche Klimaanlagen erfolgen. In einer bevorzugten Ausführungsform ist ein Luftzufuhrsystem vorgesehen, das Außenluft - gegebenenfalls in Kombination mit Abluft - verwendet (Sp. 7 Z. 31-35).
Ein Ausführungsbeispiel eines solchen Systems ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 dargestellt.
Das Luftzufuhrsystem (86) weist eine Einlassöffnung (88) auf, über die Luft (90) von außerhalb des Gebäudes (92) angesaugt wird. Eine motorbetriebene Luftklappe (94) steuert den Zustrom. Das Ansaugen erfolgt mit Hilfe eines mit einem Motor (98) angetriebenen Ansauggebläses (96). Die angesaugte Luft wird auf einen oberen Luftkanal (100) und einen unteren Luftkanal (102) verteilt (Sp. 7 Z. 37-46).
Die beiden Luftkanäle (100, 102) verfügen jeweils über eine Luftklappe (104, 106), die manuell oder automatisch eingestellt werden kann und die Luftzufuhr in den jeweiligen Luftkanal reguliert (Sp. 7 Z. 46-52).
(2) Damit ist die Merkmalsgruppe 1.1.5.2 offenbart.
Das Ansauggebläse (96) ist in einem Bereich angeordnet, der als Sammelstelle im Sinne von Merkmal 1.1.5.2 fungiert, weil die vom Gebläse geförderte Luft durch zwei unterschiedliche Kanäle abfließen kann.
(3) Ebenfalls offenbart ist Merkmal 1.1.5.3.
Wie bereits oben dargelegt wurde, kann die Luftmenge in den beiden Luftkanälen (100, 102) durch Klappen (104, 106) reguliert werden.
(4) Wie die Berufungserwiderung zu Recht geltend macht, bestand ausgehend von E3 Veranlassung, die Verbindung zwischen einem externen Gebläse und mehreren Blasdüsen so auszugestalten, wie dies in E2 offenbart ist.
Anlass, E2 als Informationsquelle zur näheren Ausgestaltung dieser Verbindung heranzuziehen, bestand insbesondere deshalb, weil auch E2 hervorhebt, dass eine Anordnung der Einlassöffnung des Luftzufuhrsystems außerhalb der Vorrichtung die Möglichkeit bietet, dem System ausreichend kühle Luft zuzuführen, und damit beispielsweise in nördlichen Klimazonen die Außenluft zu nutzen (Sp. 7 Z. 55-59).
Entgegen der Auffassung der Berufung ergab sich aus E3 nicht nur Anlass, nach Lösungen für ein Luftzufuhrsystem zu suchen, bei denen jede Düse mit einem separaten Gebläse verbunden ist. Wie bereits dargelegt wurde, ist in E3 nicht ausdrücklich offenbart, ob bei Ausführungen mit mehreren Blasdüsen jede Düse einem separaten Gebläse zugeordnet ist oder eine Versorgung der Düsen durch ein gemeinsames Gebläse erfolgt. Deshalb ergab sich aus dieser Entgegenhaltung keine Vorfestlegung auf eine dieser beiden Varianten. Folglich bestand Veranlassung, auch Lösungen mit nur einem - zentralen - Gebläse in Betracht zu ziehen, zumal diese die Möglichkeit bieten, die Kühleinrichtung kostengünstiger zu gestalten.
Dass die Aufteilung in zwei getrennte Kühlleitungen (100, 102) in E2 dem Zweck dient, Kühlluft auf die Oberseite und die Unterseite des Formteils zu leiten, und dass letzteres bei der in E2 offenbarten Vorrichtung erforderlich ist, weil die Kühlung nicht auf der Form erfolgt, sondern in einer Hohlkammer, führt entgegen der Auffassung der Berufung nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Weder aus E3 noch aus E2 ergeben sich Hinweise darauf, dass die Stellen, an die die Luft geleitet werden soll, und der Strömungsweg der Luft nach Austritt aus den Düsen Einfluss haben auf die Frage, wie die Elemente für die Luftzufuhr vom Gebläse zu den Düsen beschaffen sein müssen.
Dass die Kühleinrichtung der E2 neben einem System zur Zufuhr von Außenluft auch ein System zur Nutzung der Abluft für die Kühlung des Formteils vorsieht, steht der Heranziehung der Entgegenhaltung bei der Suche nach Möglichkeiten zur Verbindung zwischen Gebläse und Düse bei der in E3 offenbarten Kühleinrichtung nicht entgegen. Die Rückführung von Abluft zur Mischung mit der Außenluft ist in E2 lediglich als Option offenbart. Schon daraus ergibt sich, dass dieses Merkmal nicht in zwingendem Zusammenhang steht mit der ausgehend von E3 im Mittelpunkt des Interesses stehenden Verbindung zwischen Gebläse und Düsen.
2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags war ebenfalls nahegelegt.
a) Nach dem Hilfsantrag soll Patentanspruch 1 folgendes Merkmal hinzugefügt werden:
1.1.4.1 wobei die Einrichtungen (8) zur pneumatischen Kühlung als eine Einstellung auf das Formteil durch den Bediener erlaubende, bewegliche Düsen ausgebildet sind.
b) Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass Merkmal 1.1.4.1 in E3 offenbart ist.
Die in E3 offenbarte Kühleinrichtung kann höhenverschiebbar ausgebildet werden, wobei die jeweils gewünschte Position über eine programmierbare Steuerung festgelegt werden kann (Abs. 23). Ferner kann die Kühleinrichtung so gestaltet werden, dass die Blasdüsen über entsprechende Antriebe auch während des Kühlvorgangs verschwenkt werden können, um die Richtung und die Wirkung des Luftstroms zu verändern. Auch diese Art der Anpassung der Düsen an die jeweiligen Erfordernisse kann in der Steuerung der Vorrichtung programmiert und hinterlegt werden (Abs. 24).
Auch bei der in E3 beschriebenen Möglichkeit, die gewünschte Position der Düsen in der Steuerung der Vorrichtung zu programmieren, werden die Düsen letztlich durch einen Bediener eingestellt. Die Programmierung wird von einem Bediener vorgenommen, der sie an den Erfordernissen des zu kühlenden Formteils ausrichten kann und damit einhergehend auch die Möglichkeit hat, die Programmierung jederzeit zu ändern. Er kann folglich auch während des Kühlvorgangs in den Ablauf eingreifen und bei Änderung der Gegebenheiten eventuell erforderliche Anpassungen vornehmen. Eine einmal hinterlegte Programmierung für ein bestimmtes Formteil soll den Kühlprozess erleichtern, muss aber nach der E3 nicht zwingend übernommen werden, sondern kann ebenfalls jederzeit nach Bedarf geändert werden.
Im Lichte dieser Ausführungen kann dahingestellt bleiben, ob Merkmal 1.1.4.1 dahin auszulegen ist, dass der Bediener die Möglichkeit haben muss, die Einstellung unabhängig von einer programmierbaren Steuerung vorzunehmen. Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt die in E3 offenbarte programmierbare Steuerung im Vergleich zu einer rein manuellen Einstellmöglichkeit eine vorteilhaftere Lösung dar. Die Rückkehr zu einer manuellen Einstellung vermag angesichts dessen nicht zur Bejahung einer erfinderischen Tätigkeit zu führen.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.
Bacher Kober-Dehm Hoffmann Crummenerl Deichfuß Vorinstanz: Bundespatentgericht, Entscheidung vom 09.07.2019 - 5 Ni 22/17 -
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