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2 StR 182/25

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES StR 182/25 URTEIL vom 24. September 2025 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Cannabis u.a.

ECLI:DE:BGH:2025:240925U2STR182.25.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. September 2025, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Menges,

die Richter am Bundesgerichtshof Meyberg, Prof. Dr. Grube, Schmidt, Dr. Lutz,

Staatsanwältin als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,

der Angeklagte in Person,

Rechtsanwalt als Verteidiger,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 21. Oktober 2024 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben a) in den Fällen II.2 und II.9 der Urteilsgründe, b) im Gesamtstrafenausspruch und c) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen, soweit er einen Betrag von 56.123,71 Euro übersteigt.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen Handeltreibens mit Cannabis in neun Fällen, hiervon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von Cannabis von insgesamt mehr als 60 Gramm sowie mit Besitz von Betäubungsmitteln“, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet, dass eine Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG in Fall II.9 der Urteilsgründe unterblieben ist. Das Rechtsmittel hat im Umfang der Anfechtung Erfolg.

I.

Das Landgericht hat – soweit für die Revision von Belang – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Der Angeklagte kaufte und verkaufte spätestens seit dem 30. März 2023 Cannabisprodukte. Hierzu unterhielt er in K. eine Zwei-Zimmer-Wohnung, die sogenannte „Werkstatt“, in der er Lieferungen von Cannabisprodukten entgegennahm, diese vorrätig hielt und an verschiedene Abnehmer veräußerte.

a) Am 2. Juni 2023 und am 23. November 2023 erhielt der Angeklagte von dem gesondert verfolgten M. mehrere Kilogramm Marihuana auf Kommission, ebenso am Vormittag des 23. Januar 2024, an dem M. 4.849,50 Gramm Marihuana lieferte und vom Angeklagten für die Lieferungen vom 2. Juni 2023 und vom 23. November 2023 je 10.000 Euro erhielt (Fall II.2 der Urteilsgründe). Auch das zuletzt gelieferte Marihuana war zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt.

b) Darüber hinaus (Fall II.9 der Urteilsgründe) verfügte der Angeklagte in der „Werkstatt“ jedenfalls ab dem 22. Januar 2024 über 2.655,71 Gramm Marihuana, von dem er noch am selben Tag 1.224,74 Gramm veräußerte, sowie insgesamt rund 1.950 Gramm Haschisch, das zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war. Zudem verwahrte er dort sowie in der von ihm mit seiner Verlobten und deren Sohn bewohnten Wohnung weitere Betäubungsmittel und Cannabisprodukte, die zum Eigenkonsum bestimmt waren.

Sämtliche dieser Drogen wurden ebenso wie das am 23. Januar 2024 vom anderweitig Verfolgten M. gelieferte Marihuana im Zuge der Durchsuchung der „Werkstatt“ sichergestellt. Im Wohnzimmer der „Werkstatt“, in dem Vakuumtüten mit Marihuana, eine Verpackung mit Haschisch sowie weitere Betäubungsmittel aufgefunden wurden, befand sich auf dem Couchtisch neben unzähligen anderen Dingen ein Küchenmesser, das der Angeklagte zum Teilen der Haschischplatten verwandte. Im Schlafzimmer befand sich ebenfalls Haschisch sowie – im Bereich eines neben der Zimmertür befindlichen Hochbetts hängend – ein lederüberzogener rutenförmiger biegbarer Gegenstand von 35 cm Länge, ca. 2 cm Breite und ca. 1 cm Höhe, dessen bestimmungsgemäßen Zweck die Strafkammer nicht festzustellen vermochte. Die gesamte „Werkstatt“ befand sich in einem unaufgeräumten, chaotischen Zustand.

2. Die Strafkammer hat den Angeklagten im Fall II.2 der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 4 KCanG und im Fall II.9 der Urteilsgründe wegen – zu den anderen Fällen in Tatmehrheit stehenden – Handeltreibens mit Cannabis in Tateinheit mit Besitz von Cannabis von insgesamt mehr als 60 Gramm sowie mit Besitz von Betäubungsmitteln gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 4 KCanG, §§ 1, 3 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG, § 52 StGB verurteilt. Hinsichtlich des lederummantelten Gegenstands, der in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen und vermessen wurde, vermochte die Strafkammer nicht festzustellen, wo er genau aufgefunden wurde, wozu er bestimmt war, dass sich der Angeklagte des Aufbewahrungsorts und der Eigenschaften des Gegenstands bewusst war und dass er vom Angeklagten zur Verletzung von Personen bestimmt war.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat im Umfang der Anfechtung Erfolg.

1. Das Rechtsmittel ist zulässig erhoben und wirksam auf die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II.2 und II.9 der Urteilsgründe beschränkt.

Zwar will die Staatsanwaltschaft ausweislich ihres Antrags und der Revisionsbegründung (vgl. zur Ermittlung des Angriffsziels des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft durch Auslegung BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88 f.) lediglich die Verurteilung des Angeklagten in Fall II.9 der Urteilsgründe und den Gesamtstrafenausspruch angreifen. Diese Beschränkung ist indes unwirksam, soweit sie auch die Verurteilung des Angeklagten im Fall II.2 der Urteilsgründe ausnimmt. Denn wenn der Tatrichter die von ihm festgestellten Geschehnisse als mehrere rechtlich selbständige Handlungen bewertet hat, obwohl tatsächlich nur eine Tat vorliegt, kann die Revision nicht auf die rechtliche Bewertung einzelner dieser Geschehnisse beschränkt werden (BGH, Urteile vom 17. Oktober 1995 – 1 StR 372/95, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 11, und vom 21. November 2002 – 3 StR 296/02, NStZ 2003, 264 Rn. 1).

So verhält es sich hier, denn die – nicht näher begründete – Annahme von Tatmehrheit zwischen den Fällen II.2 und II.9 der Urteilsgründe ist ausgehend von den bislang getroffenen Feststellungen nicht nachvollziehbar. Angesichts der festgestellten Tatgeschehen, insbesondere der Auffindesituation in der „Werkstatt“, erscheint möglich, dass die Art und Weise der Besitzausübung der in Fall II.2 der Urteilsgründe gelieferten und der weiteren am Durchsuchungstag im Besitz gehaltenen Drogenmengen über eine bloße Gleichzeitigkeit hinausging und die tatsächliche Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die andere darstellte; dann wäre Tateinheit gegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2020 – 6 StR 162/20, Rn. 4). Hierzu verhalten sich die Urteilsgründe nicht; auch sind keine der Annahme von Tateinheit entgegenstehenden Feststellungen getroffen.

2. Das Rechtsmittel ist im Umfang der Anfechtung auch begründet. Die Beschwerdeführerin dringt bereits mit einer zulässig erhobenen Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) durch. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält überdies sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auf die weiteren Verfahrensbeanstandungen kommt es daher nicht an.

a) Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin, dass es das Landgericht entgegen § 244 Abs. 2 StPO unterlassen hat, den Ersteller einer polizeilichen waffenrechtlichen Beurteilung dazu zu vernehmen, dass es sich – wie darin niedergelegt – bei dem lederüberzogenen rutenförmigen biegbaren Gegenstand um einen „Schlagstock, bestehend aus einer mit Leder überzogenen Stahlfeder“, mithin um „eine (Hieb- oder Stoß-) Waffe i.S.d. § 1 (2) Nr. 2a WaffG i. V. m. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr.1.1 zum WaffG“ handele.

Die Strafkammer hat den Gegenstand in Augenschein genommen und die waffenrechtliche Beurteilung in die Hauptverhandlung eingeführt. In den Urteilsgründen hat sie hierzu ausgeführt, dass schon nicht ersichtlich sei, „woraus der Schluss folgt, es handele sich um eine Stahlfeder“. Weder sei der Lederüberzug abnehmbar noch beschädigt; weitergehende Untersuchungen seien nicht dokumentiert, der als „Stock“ bezeichnete Gegenstand überdies flexibel. Damit offenbaren die Urteilsgründe, dass es zur Beurteilung des Sachverhalts auch aus Sicht der Strafkammer wesentlich auf die Beschaffenheit und die Einordnung des Gegenstands ankam – wenn es sich bei dem Gegenstand um eine Waffe im technischen Sinn (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a WaffG) handelte, liegt die subjektive Zweckbestimmung regelmäßig nahe und bedarf keiner ausdrücklichen Erörterung (Patzak, in: Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 30a Rn. 93 mwN) – und ferner, dass die Strafkammer nicht über hinreichende eigene Sachkunde verfügte, um das Ergebnis der waffenrechtlichen Beurteilung mit waffenrechtlicher Expertise nachzuvollziehen. In dieser Situation musste sich die Strafkammer gedrängt sehen, den Ersteller der waffenrechtlichen Beurteilung zu seinen Erkenntnissen und deren Grundlagen zu befragen. Dies hat die Strafkammer rechtsfehlerhaft unterlassen.

b) Im Übrigen lassen die Urteilsgründe besorgen, dass die Strafkammer einen zu strengen Maßstab an die Überzeugungsbildung bezüglich des Mitsichführens einer Schusswaffe oder eines sonstigen Gegenstands im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG, „der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist“, gestellt hat.

Die Strafkammer hat festgestellt, dass die im Urteil näher beschriebene „Werkstatt“ ausschließlich dem Handel mit Cannabisprodukten diente, ferner, dass sich der „lederüberzogene Gegenstand“ dort „aufgehängt“ – also an der Wand hängend und nicht irgendwo am Boden liegend – im Schlafzimmer befand, in dem der Angeklagte – ebenso wie im Wohnzimmer – erhebliche Mengen von zum Handel bestimmtem Cannabis lagerte. In einem solchen Fall, in dem sich die „Waffe“ in dem Raum befindet, in dem Handel getrieben wird, ist die für das bewaffnete Handeltreiben notwendige räumliche Nähe von Betäubungsmitteln und Waffe in der Regel gegeben (st. Rspr. zu § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Januar 2020 − 3 StR 433/19, NStZ 2020, 554 Rn. 15 mwN).

Inwiefern – wie die Urteilsgründe ausführen – „die dokumentierte und von den eingesetzten Beamten bildhaft geschilderte erhebliche Unordnung in der gesamten Wohnung und insbesondere in dem Schlafzimmer“ gegen das Bewusstsein des Angeklagten sprechen könnte, diesen Gegenstand zu besitzen, bleibt jedenfalls ohne nähere Darlegung unklar. Eine solche Darlegung lassen die Urteilsgründe vermissen, ebenso wie eine Erörterung der Frage, warum es auf den exakten Ort der Aufhängung ankommt. Die Strafkammer hat auch nicht in den Blick genommen, dass der Angeklagte nach eigenen Angaben den ihm geschenkten Gegenstand behalten haben will, weil ihm das Leder so gut gefallen habe. Weshalb ihm gleichwohl der Besitz dieses (an einer Wand eines Zimmers aufgehängten) Gegenstands entfallen sein sollte, erhellt nicht. Neben dem Bewusstsein von der Verfügbarkeit einer Waffe wäre ein Wille, die Waffe auch einzusetzen, nicht erforderlich (vgl. Patzak, aaO, Rn. 89 mwN).

3. Die aufgezeigten Rechtsfehler entziehen dem Schuldspruch in den – nicht ausschließbar in Tateinheit zueinander stehendenden – Fällen II.2 und II.9 der Urteilsgründe und in der Folge dem Gesamtstrafenausspruch und der diese Fälle betreffenden Einziehungsentscheidung die Grundlage. Im Übrigen weist die Strafzumessung – was der Senat im Umfang der Anfechtung gemäß § 301 StPO zu beachten hat – einen weiteren Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten auf. Strafschärfend hat die Strafkammer berücksichtigt, „dass der Angeklagte Geld ins Ausland transferierte und es bei seinen Handelsgeschäften mit Cannabis Auslandsbezug gab“. Dies ist indes weder festgestellt noch sonst durch die Urteilsgründe belegt.

4. Der Senat hebt die zugrundeliegenden Feststellungen insgesamt mit auf, um dem neuen Tatrichter umfassende eigene, in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung.

Menges Schmidt Meyberg Grube Lutz Vorinstanz: Landgericht Köln, 21.10.2024 - 114 KLs 12/24 100 Js 2/23

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