9 W (pat) 5/19
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 5/19 Verkündet am 29. Januar 2020
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2009 039 337.4 …
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung am 29. Januar 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Univ. Hubert sowie der Richter Paetzold und Dipl.-Ing. Körtge und der Richterin Dipl.-Ing. Univ. Peters ECLI:DE:BPatG:2020:290120B9Wpat5.19.0 beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle E04B des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) vom 11. Februar 2015 aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt: - Patentansprüche 1 bis 7 - Beschreibungsseiten 1 bis 9 - Figuren 1 bis 5 jeweils vom 29. Januar 2020.
Gründe I.
Die Prüfungsstelle für Klasse E04B des Deutschen Patent- und Markenamts hat die, dort am 29. August 2009 eingegangene Patentanmeldung 10 2009 039 337.4 mit der Bezeichnung „Betonbauwerk“ mit Beschluss vom 11. Februar 2015 zurückgewiesen.
Die Zurückweisung vom 11. Februar 2015 ist aus den Gründen des Bescheids vom 1. April 2010 erfolgt, in dem die Prüfungsstelle sinngemäß ausgeführt hat, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht neu gegenüber der Druckschrift E1 DE 10 2005 020 795 A1 sei.
Die Prüfungsstelle hat des Weiteren folgende Druckschriften als relevant ermittelt: E2 EP 1 041 208 A2 E3 EP 1 710 453 A1 E4 DE 31 30 787 A1 E5 DE 197 43 054 A1 E6 US 6 286 270 B1 E7 EP 1 329 564 A1.
In der Beschreibungseinleitung der Patentanmeldung ist folgender Stand der Technik genannt worden:
E8 DE 10 2007 042 977 A1, E9 DE 1 534 464 A1 sowie die Druckschriften: PV1 DE 10 2009 007 442 A1, PV2 WO 03/102308 A1, PV3 DE 101 09 001 A1, PV4 EP 1 380 695 A2, PV5 DE 10 2006 024 440 B4, PV6 DE 101 07 801 A1 und PV7 WO 97/16652 A1.
Gegen die Zurückweisung, die laut Empfangsbekenntnis am 16. Februar 2015 zugestellt worden ist, richtet sich die am 16. März 2015 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingelegte Beschwerde der Patentanmelderin.
Mit ihrer Beschwerdebegründung vom 16. März 2015 hat die Anmelderin und Beschwerdeführerin eine neue Anspruchsfassung sowie eine neue Beschreibung eingereicht und sinngemäß ausgeführt, dass der Gegenstand des neuen Anspruchs 1 neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Auf den richterlichen Hinweis vom 15. Januar 2020, in dem die ursprüngliche Offenbarung des Gegenstands des Patentanspruchs 1 vom 16. März 2015 angezweifelt und die bereits zum Stand der Technik in der Beschreibungseinleitung genannte Druckschrift E8 als relevant erachtet worden ist, hat sie mit dem Schriftsatz vom
23. Januar 2020 eine neue Anspruchsfassung eingereicht und sinngemäß ausgeführt, dass der Gegenstand des neuen Patentanspruchs 1 den ursprünglichen Unterlagen zu entnehmen und neu sei sowie auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
In der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 2020 hat der Senat noch die ebenfalls ursprünglich genannte Druckschrift E9 ins Verfahren eingeführt.
In der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 2020 beantragt die Beschwerdeführerin zuletzt,
den Beschluss der Prüfungsstelle E04B des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) vom 11. Februar 2015 aufzuheben und das Patent gemäß neuem Hauptantrag vom 29. Januar 2020 mit folgenden Unterlagen zu erteilen: - Patentansprüche 1 bis 7 - Beschreibung S. 1 bis 9 - Figuren 1 bis 5 alle Unterlagen überreicht in der mündlichen Verhandlung am 29. Januar 2020.
Der Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
Betonbauwerk aus einem bestehenden Betonbauteil (20) und einem an diesem über einen Bewehrungsanschluss (10) anbetonierten Ergänzungsbetonbauteil (21), wobei der Bewehrungsanschluss (10) mindestens einen mit dem Ergänzungsbetonbauteil (21) verbundenen Bewehrungsstahlstab (1) aufweist, der mit einer Werkzeugansatzform (4, 5, 7) und mit einem mit dem bestehenden Betonbauteil (20) verbundenen Verankerungsabschnitt (2) versehen ist, welcher mit einem Außengewinde (6, 8) oder Schneidzähnen (9) versehen ist und mit diesem/diesen unmittelbar in einem in dem bestehenden Betonbauteil (20) eingebrachten Bohrloch (40) durch Drehen verankert ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Verankerungsabschnitt (2) zumindest im Bereich des Außengewindes (6, 8) oder der Schneidzähne (9) aus härterem Metall besteht als der in das Ergänzungsbetonbauteil (21) ragende Abschnitt des Bewehrungsstahlstabs (1) und dass die Werkzeugansatzform (4, 5) im Übergangsbereich zwischen dem Verankerungsabschnitt (2) und dem anschließenden, in das Ergänzungsbetonbauteil (21) ragenden Abschnitt des Bewehrungsstahlstabs (1) oder im Übergangsbereich zwischen dem Außengewinde (6) und einer Schweißverbindung (3) zwischen dem Verankerungsabschnitt (2) und dem in das Ergänzungsbetonbauteil (21) ragenden Abschnitt des Bewehrungsstahlstabs (1) angeordnet ist.
Zum Wortlaut der auf den Hauptanspruch rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 7 sowie zu weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die statthafte Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig (§ 73 Abs. 1 und 2 Satz 1 PatG, § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG). In der Sache hat die Beschwerde auch insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zu einer Erteilung gemäß Antrag vom 29. Januar 2020 führt, denn dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik am Anmeldetag der Anmeldung ist keine hinreichende Anregung für den Gegenstand nach Patentanspruch 1 zu entnehmen.
1. Gegenstand der Anmeldung Die Erfindung bezieht sich gemäß Abs. [0001] der Beschreibung der mit den Anmeldungsunterlagen identischen Offenlegungsschrift der Anmeldung (im weiteren OS genannt) auf ein Betonbauwerk aus einem bestehenden Betonbauteil und einem an diesem über einen Bewehrungsanschluss anbetonierten Ergänzungsbetonbauteil, wobei der Bewehrungsanschluss mindestens einen mit dem Ergänzungsbetonbauteil verbundenen Bewehrungsstahlstab aufweist, der mit einem mit dem bestehenden Betonbauteil verbundenen Verankerungsabschnitt versehen ist. Wie in der Beschreibung sinngemäß weiter ausgeführt wird, seien derartige Betonbauwerke aus dem vielfältig genannten Stand der Technik bekannt. Aus den Druckschriften E9 und PV1 seien jeweils Brücken mit Brückenkappen bekannt, wobei bei der erstgenannten Schrift zur Verbindung der Betonbauteile diese durchdringende Stähle vorgesehen seien, die in einer Trennfuge miteinander verschweißt seien, welche dann mit Beton ausgegossen werde. Bei der zweitgenannten Schrift würden die Brückenkappen mit selbstschneidenden Schrauben, die in Durchbrüchen eingesetzt würden, verankert (vgl. Abs. [0002] und [0003] der OS). Weitere solche Betonbauwerke würden in den Druckschriften PV2, PV3 und PV4 gezeigt, wobei jeweils unterschiedliche Befestigungsvorrichtungen aus Stahlelementen, die zum Teil verhältnismäßig aufwändig seien, verwendet würden (vgl. Abs. [0004] der OS). Die Druckschriften E8, PV5, PV6 und PV7 zeigten unterschiedlich ausgebildete schraubenartige Anker zum Befestigen von Anbauteilen in Beton oder Mauerwerk mit direkt in das Mauerwerk eindrehbarem Gewinde. Damit würde jedoch kein Bewehrungsanschluss erreicht (vgl. Abs. [0005] der OS). Außerdem seien Verbundanker bekannt, bei denen in z.B. Beton Bohrungen eingebracht und anschließend die Betonstähle mittels Reaktionsharzes in den an sich größeren Bohrlöchern verankert würden. Dabei sei es relativ schwierig, eine stabile Verbindung sicherzustellen, da das Bohrloch sehr gut gesäubert werden müsse und ungünstige Bedingungen zu einer mangelnden Befestigung führen könnten (vgl. Abs. [0006] der OS).
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Betonbauwerk der eingangs genannten Art bereit zu stellen, bei dem eine gut bestimmbare, zuverlässige Verbindung zwischen einem bestehenden Betonbauteil und einem anbetonierten Ergänzungsbetonbauteil mit Bewehrungsanschluss erreicht wird (vgl. Abs. [0007] der OS).
2. Fachmann Als mit der Lösung dieser Aufgabe betrauten Durchschnittsfachmann legt der Senat seiner Entscheidung einen Bauingenieur, mit mehrjähriger Berufserfahrung im statisch-konstruktiven Bereich, zu Grunde.
3. Auslegung Die Prüfung der Patentfähigkeit erfordert regelmäßig eine Auslegung des Patentanspruchs, bei der dessen Sinngehalt in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen sind (BGH GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum). Dies gilt auch für das Anmeldebeschwerdeverfahren.
Der mit einer Merkmalsgliederung, ansonsten wörtlich wiedergegebene, geltende Patentanspruch 1 lautet (Änderungen gegenüber der ursprünglich eingereichten Fassung sind durch Durch- und Unterstreichungen kenntlich gemacht):
(0) Betonbauwerk aus (1) einem bestehenden Betonbauteil (20) und (2) einem an diesem über einen Bewehrungsanschluss (10) anbetonierten Ergänzungsbetonbauteil (21), (3) wobei der Bewehrungsanschluss (10) mindestens einen mit dem Ergänzungsbetonbauteil (21) verbundenen Bewehrungsstahlstab (1) aufweist, der
(3.1)
mit einer Werkzeugansatzform (4, 5, 7) und
(3.2)
mit einem mit dem bestehenden Betonbauteil (20) verbundenen Verankerungsabschnitt (2) versehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Verankerungsabschnitt (2), welcher
(3.2.1)
mit einem Außengewinde (6, 8, 31) oder Schneidzähnen (9) versehen ist und
(3.2.2)
mit diesem/diesen unmittelbar in einem in dem bestehenden Betonbauteil (20) eingebrachten Bohrloch (40)
durch Drehen verankert ist,
dadurch gekennzeichnet,
(3.2.3)
dass der Verankerungsabschnitt (2) zumindest im Bereich des Außengewindes (6, 8) oder der Schneidzähne (9) aus härterem Metall besteht als der in das Ergänzungsbetonbauteil (21) ragende Abschnitt des Bewehrungsstahlstabs (1) und
(3.1.a) (3.1.b)
dass die Werkzeugansatzform (4, 5) im Übergangsbereich zwischen dem Verankerungsabschnitt (2) und dem anschließenden, in das Ergänzungsbetonbauteil (21) ragenden Abschnitt des Bewehrungsstahlstabs (1) oder im Übergangsbereich zwischen dem Außengewinde (6) und einer Schweißverbindung (3) zwischen dem Verankerungsabschnitt (2) und dem in das Ergänzungsbetonbauteil (21) ragenden Abschnitt des Bewehrungsstahlstabs (1) angeordnet ist.
Der vorstehend definierte Fachmann entnimmt dem Patentanspruch 1 gemäß Merkmal (0) ein Betonbauwerk aus einem bestehenden Betonbauteil (Merkmal (1)) und einem an diesem über einen Bewehrungsanschluss anbetonierten Ergänzungsbetonbauteil (Merkmal (2)). Ein Betonbauwerk besteht für den Fachmann aus dem Material Beton, vorrangig zur Übertragung von Druckkräften, und darin eingebetteter Bewehrung aus beispielsweise gerippten Bewehrungsstahlstäben, die hauptsächlich der Übertragung von Zugkräften dient. Den Abs. [0002] bis [0004] der OS ist allesamt zu entnehmen, dass ein bestehendes Betonbauteil nach Merkmal (1) ein fertiges, abgebundenes Bauteil ist, an das gemäß Merkmal (2) ein Ergänzungsbetonbauteil über einen Bewehrungsanschluss anbetoniert ist. Bei direkt aneinander angrenzenden Betonierabschnitten stehen dazu normalerweise Bewehrungsstahlstäbe aus dem ersten Betonierabschnitt heraus, die dann an die vorgesehenen Bewehrungsstahlstäbe des zweiten Betonierabschnitts durch Überlappung, Schweißung oder über Muffen angeschlossen und in diesen direkt einbetoniert werden. Das ist bei dem in Rede stehenden bestehenden Betonbauwerk nicht möglich, da dies ein fertiges Betonbauteil ist, an das zu einem späteren Zeitpunkt das Ergänzungsbetonbauteil anbetoniert wird.
Gemäß Merkmal (3) weist der Bewehrungsanschluss mindestens einen mit dem Ergänzungsbetonbauteil verbundenen Bewehrungsstahlstab auf, nach Abs. [0026] der OS in der Regel eine Vielzahl von Bewehrungsstahlstäben, die z.B. aus geripptem Baustahl bestehen können. Auf der Seite des Ergänzungsbetonbauteils ist der OS u.a. an der genannten Stelle also ein zum Einbetonieren vorgesehener Abschnitt des Bewehrungsstahlstabs als eine Seite des Bewehrungsanschlusses zu entnehmen. Auf der Seite des bestehenden Betonbauteils wird der Bewehrungsstahlstab gemäß der Gesamtoffenbarung der OS mit dem mit Merkmal (3.2) definierten Verankerungsabschnitt im bestehenden Betonbauteil verankert. Eine Bewehrung im bestehenden Betonbauteil als andere Seite des Bewehrungsanschlusses, wie im vorangehenden Absatz erläutert, ist der gesamten OS nicht zu entnehmen. In Abs. [0026] der OS wird weiter ausgeführt, dass die Bewehrungsstahlstäbe des Bewehrungsanschlusses auch aus Gewindestangen mit Muttern oder anderen Halteelementen bestehen können. Die Begriffe „Bewehrungsanschluss“ im Merkmal (2) und „Bewehrungsstahlstab“ im Merkmal (3) sind deswegen breit auszulegen, denn bei der Auslegung ist zu ermitteln, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt, wobei der Fachmann auch die Beschreibung und Zeichnung heranzuziehen hat (BGH GRUR 2007, 859 – Informationsübermittlungsverfahren). Dies darf allerdings weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung).
Der in Rede stehende Bewehrungsanschluss wird dadurch weitergehend definiert, dass der mindestens eine Bewehrungsstahlstab gemäß Merkmal (3.1) mit einer Werkzeugansatzform und gemäß Merkmal (3.2) mit einem mit dem bestehenden Betonbauteil verbundenen Verankerungsabschnitt versehen ist. Insbesondere aus der Forderung „Bewehrungsstahlstab, der mit einer Werkzeugansatzform und mit einem (…) Verankerungsabschnitt versehen ist“, geht für den Fachmann hervor, dass der Bewehrungsstahlstab mit der Werkzeugansatzform und dem Verankerungsabschnitt ein einteiliges Bauteil bildet, das nicht erst auf der Baustelle zusammengebaut wird. Weiter gestützt wird die Einteiligkeit des Bewehrungsanschlusses durch Abs. [0009] der OS, wonach die Bewehrungsstahlstäbe mit den Verankerungsabschnitten stabil (…) in dem bestehenden Betonbauteil festgelegt werden, und Abs. [0027] der OS, wonach die jeweils mit einem Verankerungsabschnitt versehenen Bewehrungsstahlstäbe mit dem Verankerungsabschnitt (…) durch Drehen verankert werden.
Abb. 1: Figur 3 der OS In den Ausführungsbeispielen werden für die Werkzeugansatzform zwar mögliche Ausgestaltungen angeführt (z.B. eine Sechskantform gemäß Abb. 1 und Abs. [0029] der OS oder gemäß Fig. 4 und Abs. [0030] der OS eine Form mit parallelen Flachseiten), die jedoch für den Gegenstand nach Patentanspruch 1 nicht einschränkend sind, denn allein aus Ausführungsbeispielen darf nicht auf ein engeres Verständnis des Patentanspruchs geschlossen werden (BGH GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe).
Mit den Merkmalen (3.2.1) und (3.2.2) wird der Verankerungsabschnitt dahingehend weiter ausgebildet, dass er mit einem Außengewinde oder mit Schneidzähnen versehen ist, mit dem/denen er unmittelbar, also ohne Zwischenschaltung anderer Dinge, wie Klebstoff, in einem in dem bestehenden Bauteil eingebrachten Bohrloch durch Drehen verankert ist. Wie oben bereits festgestellt, geht aus Abs. [0009] der OS damit hervor, dass bei der Montage zuerst der Bewehrungsstahlstab durch den Verankerungsabschnitt an dem bestehenden Betonbauteil in dem Bohrloch festgelegt wird, und danach das Ergänzungsbauteil anbetoniert wird. Der Verankerungsabschnitt muss so hergerichtet sein, dass er dabei letztlich – nach vorherigem Einschrauben bzw. Einschlagen – durch Drehen verankert werden kann. Gemäß Abs. [0027] der OS weist die in das bestehende Betonbauteil eingebrachte Bohrung einen geringeren Durchmesser als der Gewindedurchmesser, bzw. der Durchmesser des Schneidzahnabschnitts auf, wodurch für den Fachmann ebenfalls die „unmittelbare“ Verankerung verdeutlicht wird. Gemäß Merkmal (3.2.3) besteht der Verankerungsabschnitt zumindest im Bereich des Außengewindes oder der Schneidzähne aus härterem Metall als der in das Ergänzungsbetonbauteil ragende Abschnitt des Bewehrungsstahlstabs. Dies kann zum einen nach Patentanspruch 7 (= geltender Patentanspruch 6) und Abs. [0015] der OS durch einen Überzug aus gehärtetem oder härterem Stahl geschehen. Zum anderen kann alternativ oder zusätzlich der gesamte Verankerungsabschnitt mit dem Außengewinde aus einem härtbaren oder härteren Metallmaterial gefertigt sein, denn der Bewehrungsstahlstab ist entsprechend üblichen Bewehrungsstahlstäben aus relativ weichem Baustahl hergestellt (vgl. Abs. [0029] der OS).
Mit den Merkmalen (3.1.a) und (3.1.b) wird die mit Merkmal (3.1) geforderte Werkzeugansatzform am Bewehrungsstahlstab verortet. Nach Merkmal (3.1.a) ist sie im Übergangsbereich zwischen dem Verankerungsabschnitt und dem anschließenden, in das Ergänzungsbetonbauteil ragenden Abschnitt des Bewehrungsstahlstabs angeordnet, was dem Ausführungsbeispiel der Fig. 4 bis 6 i.V.m. Abs. [0030] der OS entspricht. Alternativ ist die Werkzeugansatzform gemäß Merkmal (3.1.b) und Abb. 1 i.V.m. Abs. [0029] der OS im Übergangsbereich zwischen dem Außengewinde und einer Schweißverbindung zwischen dem Verankerungsabschnitt und dem in das Ergänzungsbetonbauteil ragenden Abschnitt des Bewehrungsstahlstabs angeordnet.
4. Zulässigkeit Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 wurde gegenüber dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 in seiner ursprünglich eingereichten Fassung mit den Merkmalen (3.1), (3.2.3) sowie (3.1.a) oder (3.1.b) beschränkt.
Das Merkmal (3.1), wonach der Bewehrungsstahlstab mit einer Werkzeugansatzform versehen ist, entspricht dem ursprünglichen, abhängigen Patentanspruch 9 und ist darüber hinaus in Abs. [0017] der OS offenbart. Das in den geltenden Anspruch 1 aufgenommene Merkmal (3.2.3), wonach der Verankerungsabschnitt zumindest im Bereich des Außengewindes oder der Schneidzähne aus härterem Metall besteht als der in das Ergänzungsbetonbauteil ragende Abschnitt des Bewehrungsstahlstabs, entspricht dem ursprünglichen, auf den ursprünglichen Anspruch 1 rückbezogenen Patentanspruch 2 und ist darüber hinaus in Abs. [0010] der OS offenbart. In den Ausführungsbeispielen nach Fig. 4 bis 6 und Abs. [0030] der OS ist Merkmal (3.1.a), wonach die Werkzeugansatzform im Übergangsbereich zwischen dem Verankerungsabschnitt und dem anschließenden, in das Ergänzungsbetonbauteil ragenden Abschnitt des Bewehrungsstahlstabs angeordnet ist, offenbart. Die alternative Ausgestaltung, wonach sich die Werkzeugansatzform im Übergangsbereich
- 14 zwischen dem Außengewinde und einer Schweißverbindung zwischen dem Verankerungsabschnitt und dem in das Ergänzungsbetonbauteil ragenden Abschnitt des Bewehrungsstahlstabs befindet, ist im Ausführungsbeispiel nach Figur 3 und Abs. [0029] der OS offenbart. Den ursprünglichen Unterlagen ist somit jeweils ein Betonbauwerk in beiden Ausgestaltungen des geltenden Patentanspruchs 1 zu entnehmen. Die für den geltenden Patentanspruch 1 vorgenommenen Änderungen sind daher zulässig. 5. Patentfähigkeit Das offensichtlich gewerblich anwendbare Betonbauwerk nach dem geltenden Patentanspruch 1 erfüllt die gesetzlichen Patentierungsvoraussetzungen. Es ist neu i. S. des § 3 PatG und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit i. S. des § 4 PatG.
Abb. 2: Figur 1 aus der Druckschrift E1 Die nächstkommende Druckschrift E1 zeigt ein Betonbauwerk gemäß Merkmal (0) aus einem bestehenden Betonbauteil 15 gemäß Merkmal (1) und nach Merkmal (2) einem an diesem über einen Bewehrungsanschluss 1 anbetonierten, als Brückenkappe ausgeführten Ergänzungsbetonbauteil 17, vgl. Anspruch 10 sowie Abb. 2.
Dabei weist nach Merkmal (3) der Bewehrungsanschluss 1 mindestens einen mit dem Ergänzungsbetonbauteil 17 verbundenen Bewehrungsstahlstab auf, denn der zylindrische Kern 2 im Bereich der Brückenkappe 17 entspricht diesem im Sinne der oben ausgeführten, breiten Auslegung des Merkmals (3), vgl. Abb. 2. Gemäß den Merkmalen (3.1) und (3.2) ist der Bewehrungsstahlstab 2 mit einer Werkzeugansatzform 7 und einem mit dem bestehenden Betonbauteil 17 verbundenen Verankerungsabschnitt (= Gewindeabschnitt mit Länge AG) versehen, vgl. Abb. 2 und Abschnitt [0012], Zeilen 14-19. Der Verankerungsabschnitt ist Merkmal (3.2.1) folgend mit einem Außengewinde 8 versehen, vgl. Abb. 2 und Abschnitt [0013], und nach Merkmal (3.2.2) mit diesem unmittelbar in einem in dem bestehenden Betonbauteil 15 eingebrachten Bohrloch 20 durch Drehen verankert, vgl. Abb. 2 und Abschnitt [0016].
Im Sinne einer breiten Auslegung der Merkmale (2) und (3) zeigt die Druckschrift E1 somit einen Bewehrungsanschluss mit einem Bewehrungsstahlstab. Allerdings besteht der Verankerungsabschnitt nicht aus einem härteren Metall als der in das Ergänzungsbetonbauteil ragende Abschnitt des Bewehrungsstahlstabs, auch nicht im Bereich des Außengewindes. Außerdem ist die Werkzeugansatzform 7 am Ende des „Bewehrungsanschlusses“ 1, das in das Ergänzungsbetonbauteil 17 ragt, als Ankerkopf 7 ausgebildet, jedoch nicht in einem Übergangsbereich gemäß einem der Merkmale (3.1.a) oder (3.1.b). Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheidet sich somit von demjenigen der Druckschrift E1 durch die Merkmale (3.2.3), (3.1.a) oder (3.1.b).
Der Gegenstand nach geltendem Anspruch 1 ist somit neu gegenüber demjenigen der Druckschrift E1.
Abb. 3: Figur 1 aus der Druckschrift E6 Aus der Druckschrift E6 ist dem Fachmann gemäß den Merkmalen (0), (1teilweise) und (2) ein Betonbauwerk aus einem abgebundenen Betonbauteil 21 eines ersten Betonierabschnitts und einem an diesem über einen Bewehrungsanschluss anbetonierten Ergänzungsbetonbauteil eines zweiten Betonierabschnitts („next pour“) bekannt, vgl. Abb. 3 sowie Spalte 2, Zeilen 26 – 30. Das abgebundene Betonbauteil 21 stellt zwar in gewissem Sinn auch ein bestehendes Betonbauteil dar, aber es handelt sich dabei nicht um ein bestehendes Betonbauteil gemäß der Auslegung von Merkmal (1) unter Abschnitt 3, s. ebenda.
Der Bewehrungsanschluss weist den Merkmalen (3), (3.2teilweise) und (3.2.1) folgend einen mit dem Ergänzungsbetonbauteil verbundenen Bewehrungsstahlstab 29 auf, der (im Endzustand) mit einem mit dem abgebundenen Betonbauteil 21 verbundenen Verankerungsabschnitt 20 versehen ist, welcher mit einem Außengewinde 33 versehen ist, vgl. Abb. 3. Weder ist jedoch der Bewehrungsstahlstab 29 mit einem Werkzeugansatzform versehen, noch ist der Verankerungsabschnitt 20 in einem in dem bestehenden Betonbauteil 21 eingebrachten Bohrloch durch Drehen verankert, er ist auch nicht dazu geeignet.
Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheidet sich somit von demjenigen der Druckschrift E6 durch die Merkmale (1teilweise), (3.1), (3.1a), (3.1b), (3.2teilweise), (3.2.2) und 3.2.3).
Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 ist somit neu gegenüber demjenigen der Druckschrift E6.
Die Gegenstände der weiteren im Prüfungsverfahren eingeführten Druckschriften, die entweder Befestigungsanker analog zum Befestigungsanker nach der E1 zeigen, wie die Druckschriften E2 (vgl. Figur 2) und E7 (vgl. Figur 4), oder Schraubanker und -dübel zum Befestigen von Stahlbauteilen o.ä. am Beton, wie die Druckschriften E3 (vgl. Figur 1), E4 (vgl. Anspruch 1 und Figur 3) und E5 (vgl. Anspruch 1, Spalte 1, Zeilen 7 – 14 sowie Figur 1), liegen der Erfindung erkennbar nicht näher als der zuvor abgehandelte Stand der Technik. Sie können daher den Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ebenfalls nicht vorwegnehmen.
Auch der gesamte, in der Beschreibungseinleitung genannte Stand der Technik, inklusive der E9, die einen klassischen geschweißten Bewehrungsanschluss in einer nachträglich vergossenen Fuge zwischen einem Betonfertigteil und einem betonierten Betonbauteil zeigt (vgl. dort Figur 5 sowie dazugehöriger Text auf Seite 5, letzter Absatz), liegt nach Überzeugung des Senats weiter ab. Auch dieser Stand der Technik kann daher den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nicht vorwegnehmen.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist demnach neu. Er beruht darüber hinaus auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungswegs nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann nahegelegt anzusehen, bedarf es – abgesehen von den Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist – in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH, Urteil vom 30. April 2009 – Xa ZR 92/05 –, BGHZ 182, 1-10, BPatGE 51, 289, Betrieb einer Sicherheitseinrichtung).
In der Druckschrift E1 findet sich selbst kein Anlass oder eine Anregung, der bzw. die es dem Fachmann nahelegt, die Werkzeugansatzform 7 gemäß Merkmal 3.1.a im Übergangsbereich zwischen dem Verankerungsabschnitt und dem anschließenden, in das Ergänzungsbetonbauteil ragenden Abschnitt des Bewehrungsstahlstabs anzuordnen. Zwar ist das Betonbauwerk nach der Druckschrift E1 auf den Gegenstand des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 lesbar, jedoch wird der Fachmann bei dem dort eigentlich einen klassischen Befestigungsanker darstellenden Bewehrungsanschluss die Werkzeugansatzform 7 am Ende des Ankers belassen, denn der Übergangsbereich zwischen dem bestehenden Betonbauteil 15 und dem anbetonierten Ergänzungsbetonbauteil 17 ist zumeist anderen Maßnahmen vorbehalten, wie beispielsweise den in Abs. [0014] gezeigten Abdichtungsmaßnahmen. Außerdem handelt es sich bei einem solchen Befestigungsanker 1 um ein relativ kurzes Bauteil aus einem relativ harten Stahl, der problemlos mit einem Werkzeug über die endseitige Werkzeugansatzform 7 in das bestehende Betonbauteil 15 eingedreht werden kann. Ausgehend von der Druckschrift E1 kommt der Fachmann somit nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1.
Auch ausgehend von der Druckschrift E6 ist der Gegenstand nach Patentanspruch 1 nicht nahegelegt. Beim Betonbauwerk nach der Druckschrift E6 wird der Verankerungsabschnitt 20 in das Betonbauteil 21, das einen ersten Betonierabschnitt darstellt, vor dem Betonieren eingelegt und dort mit der übrigen Bewehrung einbetoniert. Anschließend wird der Betonstahlstab 29 in den Verankerungsabschnitt 20 eingedreht und dann das Ergänzungsbetonbauteil als nächster Betonierabschnitt anbetoniert („next pour“),
vgl. Spalte 3, Zeilen 38 – 50. Der Bewehrungsanschluss nach der Druckschrift E6 wird also mehrteilig montiert und erst im endgültig verbauten Zustand ist der Verankerungsabschnitt 20 mit dem Bewehrungsstahlstab 29 tatsächlich versehen. Auch in Kenntnis eines beispielsweise in Form der Druckschrift E8 aus dem Stand der Technik bekannten, mit einer Werkzeugansatzform 33 versehenen Schraubankers 30, vgl. dort Figuren 3a, 3c und 3e sowie Abs. [0002] und [0025], erhält der Fachmann keine Anregung, den Bewehrungsanschluss einteilig auszubilden und ihn gesamt nach dem Betonieren des abgebundenen Betonbauteils 21 zu montieren. Denn das Betonbauwerk der Druckschrift E6 wird mit seiner Bewehrung geplant und wie beim Betonieren üblich, in mehreren Betonierabschnitten betoniert, wobei in jedem Betonierabschnitt erst die Bewehrung mit den Anschlüssen zum nächsten Abschnitt verlegt wird, bevor der Beton des jeweiligen Abschnitts gegossen wird. Die Bewehrung kann dabei exakt so verlegt werden, wie vom Fachmann vorgesehen. In den Beton eingegossene Bewehrung, egal ob in Form eines Verankerungsabschnitts oder eines Bewehrungsstahlstabs, ist dabei die zuverlässigste und sicherste Variante, das geplante Tragwerk aus dem Verbundbaustoff Stahlbeton auszubilden. Der Fachmann hat daher keinerlei Veranlassung davon abzurücken und den in der Druckschrift E6 gezeigten Bewehrungsanschluss dahingehend zu verändern, den Verankerungsabschnitt erst nach dem ersten Betonguss in das abgebundene Betonbauteil einzubringen. Somit kann auch die Druckschrift E6, einzeln oder in Verbindung mit der Druckschrift E8, den Gegenstand nach Anspruch 1 nicht nahelegen.
Die Gegenstände der sonstigen im Verfahren befindlichen Druckschriften, die entweder im Prüfungsverfahren eingeführt oder in der Beschreibungseinleitung genannten wurden, kommen an den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nicht näher heran, als die bereits abgehandelten Gegenstände der Druckschriften E1, E6 und E8. Diese Gegenstände können daher ebenfalls keine Anregung zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 geben.
Aus alledem folgt, dass der insgesamt in Betracht gezogene Stand der Technik – in welcher Art Zusammenschau auch immer – dem Fachmann einen Gegenstand mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 nicht hat nahelegen bzw. vorwegnehmen können. Das in dem geltenden Patentanspruch 1 beanspruchte Betonbauwerk ist daher patentfähig. Mit ihm sind es auch die ursprünglich offenbarten konkreten Weiterbildungen des Betonbauwerks nach den darauf rückbezogenen Patentansprüchen 2 bis 7.
Die vorgenommenen Änderungen der geltenden Beschreibungsunterlagen und Zeichnungen betreffen neben der Beseitigung von offensichtlichen Unrichtigkeiten vor allem die Anpassung an den nun beanspruchten Gegenstand im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung. Derartige Änderungen sind ohne weiteres zuzulassen.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht dem am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Hubert Paetzold Körtge Peters Fa