7 W (pat) 7/17
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 7/17 An Verkündungs Statt zugestellt am: 24. April 2018 …
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
ECLI:DE:BPatG:2018:240418B7Wpat7.17.0
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betreffend das Patent 10 2009 014 012 wegen Ablehnungsgesuch hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 1. März 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch sowie der Richterinnen Püschel und Dr. Schnurr beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Am 23. März 2009 reichte die Patentinhaberin beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage“ ein. Das Patent 10 2009 014 012 wurde am Ende der Anhörung vom 8. Oktober 2013 durch die mit dem Prüfer N… besetzte Prüfungsstelle F03D erteilt. Die Patenterteilung wurde am 13. Februar 2014 veröffentlicht.
Während der laufenden Einspruchsfrist gingen beim Patentamt am 2. Mai 2014 ein Einspruch der S1… AG ein, am 6. Oktober 2014 ein später zurückgenommener Einspruch der N… GmbH und am 13. November 2014 ein dritter Einspruch der S… SE. Der Patentinhaberin teilte die Patentabteilung 1.15 in dieser Zeit lediglich unter dem 7. Mai 2014 mit, dass beim Patentamt ein Einspruch der S… AG eingegangen sei; die Einspruchsbegründung und etwaige weitere Einsprüche würden zu einem späteren Zeitpunkt gesondert übersandt.
Nach Ablauf der Einspruchsfrist übersandte die Patentabteilung 1.15 der Patentinhaberin und den weiteren Verfahrensbeteiligten unter dem 21. Januar 2015 im Wege einer formularmäßigen Mitteilung die Ladung zu einem Anhörungstermin am 16. April 2015, die der Patentinhaberin am 26. Januar 2015 zuging. Im beigefügten Ladungszusatz unterrichtete die Patentabteilung sodann über die Einlegung der drei Einsprüche gegen das Streitpatent, fügte die Schriftsätze der Einsprechenden mit sämtlichen Anlagen bei und gab eine von den Mitgliedern der Patentabteilung 1.15 N…, Dr. S… und Dr. B… stammende rechtliche Einschätzung bekannt, wonach Patentanspruch 1 des Streitpatents möglicherweise nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Mit Eingabe vom 24. März 2015 beantragte die Patentinhaberin daraufhin, den Termin zur Anhörung aufzuheben und den Spruchkörper, der die Einsprüche behandelt, „komplett neu zu besetzen“. Außerdem forderte sie die Patentabteilung auf, zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen, dass sie die Einspruchsrichtlinien nicht beachte, obwohl die Patentinhaberin diese Verwaltungspraxis bereits in einem Parallelverfahren gerügt habe; die Patentabteilung betreibe Rechtsbeugung. Diesen Vorwurf bezog die Patentinhaberin auf die Richtlinien für das Einspruchsverfahren vor dem DPMA (Einspruchsrichtlinien) vom 18. Januar 2007, BIPMZ 2007, Seite 49, Ziffer 4.3, „Zustellung von Schriftsätzen", zweiter Absatz mit folgendem Wortlaut: „Der Schriftsatz und die weiteren im Laufe des Verfahrens eingereichten Schriftsätze eines Beteiligten sind den anderen Beteiligten grundsätzlich unverzüglich zuzustellen bzw. formlos mitzuteilen (§ 14 Abs. 2 DPMAV)“.
Am 1. April 2015 hob die Patentabteilung 1.15 daraufhin den festgesetzten Anhörungstermin auf und befasste drei andere Mitglieder mit dem Ablehnungsgesuch der Patentinhaberin. Dieser wurden in der Folgezeit ein weiterer Schriftsatz einer Einsprechenden vom 31. März 2015 und die dienstlichen Äußerungen der Mitglieder der Patentabteilung 1.15 N…, Dr. S… und Dr. B… vom 14. Juni sowie vom 7. und 8. Juli 2016 zur Stellungnahme übersandt.
Hierauf erwiderte die Patentinhaberin am 9. Dezember 2016, die Stellungnahmen der Mitglieder des Spruchkörpers änderten nichts an der Besorgnis der Befangenheit. In ihrer vorläufigen Meinung sei die Patentabteilung durch ihre einseitige Meinungsbildung bereits vor Einholung einer Stellungnahme durch die Patentinhaberin festgelegt. Anfang des Jahres 2014 habe die Patentinhaberin zudem erfolglos versucht, den Einspruchsschriftsatz über die elektronische Akteneinsicht zu erhalten.
Mit Beschluss vom 15. Februar 2017, der der Patentinhaberin am 20. Februar 2017 zugestellt wurde, wies die - nun mit drei anderen Mitgliedern besetzte - Patentabteilung 1.15 des Deutschen Patent- und Markenamts das Ablehnungsgesuch der Patentinhaberin vom 24. März 2015 als unbegründet zurück, weil die Äußerung einer ausdrücklich als „vorläufig“ gekennzeichneten Rechtsansicht keine Besorgnis der Befangenheit begründe. Die Patentabteilung habe darauf vertrauen dürfen, dass die Patentinhaberin von der Möglichkeit der elektronischen Akteneinsicht Gebrauch machen werde. Die beanstandete Vorgehensweise zur Übersendung der Ladung zusammen mit den bislang eingegangenen Schriftsätzen und einer vorläufigen Einschätzung der Patentabteilung 1.15 entspreche deren ständiger Praxis. Ein Zeitraum von fast drei Monaten zwischen Zugang der Ladung und Anhörungstermin sei zur Vorbereitung durch die Patentinhaberin angemessen.
Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt. Sie hat zuletzt beantragt,
1. den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das Verfahren unter Austausch der Mitglieder des Spruchkörpers zurückzuverweisen und
2. im Falle der Zurückverweisung der Patentabteilung aufzugeben, der Patentinhaberin eine angemessene Frist zur Äußerung auf die Einsprüche zu geben;
3. festzustellen, dass mit der Art und Weise der vorliegenden Durchführung des Einspruchsverfahrens der Anspruch der Patentinhaberin auf ein faires Verfahren verletzt sei;
4. die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Nach Meinung der Patentinhaberin stellt das hier beanstandete Verwaltungshandeln der Patentabteilung 1.15 kein Versehen, sondern eine grundsätzlich falsche Praxis dar. Die Patentabteilung, die hier als solche befangen sei, habe sich regelmäßig und vorsätzlich über die Einspruchsrichtlinien hinweggesetzt. Dies stelle einen schwer wiegenden Rechtsverstoß dar. Da nicht sicher zu erkennen sei, welche Mitglieder der Patentabteilung befangen seien, betreffe die aus Sicht der Patentinhaberin bestehende Besorgnis der Befangenheit den gesamten, als solchen parteilichen Spruchkörper. Dies rechtfertige eine analoge Anwendung von § 42 ZPO. Der gerügte Verstoß gegen die Einspruchsrichtlinien wirke sich stets zu Lasten der Patentinhaberin aus. Für die Zulässigkeit der Ablehnung eines gesamten Spruchkörpers spreche auch, dass gegen einen offensichtlich voreingenommenen Spruchkörper auf andere Weise nichts unternommen werden könne, zumal unklar sei, welcher andere Rechtsweg - abgesehen von einer Dienstaufsichtsbeschwerde - bei einer Verletzung der Einspruchsrichtlinien eröffnet sei.
Zusätzlich hat die Patentinhaberin auf die Entscheidung BVerfG NJW 2007, 1670 Bezug genommen.
Bilde sich die Patentabteilung - faktisch irreversibel - auf der Basis der Argumentation der Einsprechenden eine Vormeinung, stelle dies einen strukturellen und systematischen Nachteil zu Ungunsten der Patentinhaberin dar. Sie werde so ihrer Möglichkeit beraubt, auf einen „unvorgeprägten“ Spruchkörper Einfluss zu nehmen. Durch Äußerungen im Ladungszusatz vom 21. Januar 2015 zur Zulässigkeit der Einsprüche, die das Patentamt gerade nicht unter den Vorbehalt der Vorläufigkeit gestellt habe, habe die Patentabteilung sogar bereits eine finale Entscheidung getroffen. Es liege ein Verstoß gegen das Gebot der fairen Verfahrensführung sowie gegen Art. 41, 42 des TRIPS-Abkommens vor. Zusätzlich werde die Tatsache, dass die Einspruchsfrist zuletzt von drei auf neun Monate verlängert worden sei, konterkariert, wenn die Gelegenheit zur Äußerung zu den Schriftsätzen der übrigen Verfahrensbeteiligten für die Patentinhaberin erst nach Ablauf der Einspruchsfrist beginne. Innerhalb gesetzter Äußerungsfristen seien umfangreiche Schriftsätze zur Kenntnis zu nehmen, Hilfsanträge vorzubereiten und Absprachen mit der Mandantschaft zu treffen.
Die Patentabteilung habe sich durch ihr Verwaltungshandeln gleichzeitig über Ziffer 4.7 und über Ziffer 4.2 Abs. 2 und 3 i. V. m. Ziffer 4.1 der Einspruchsrichtlinien hinweggesetzt. Dem Regelungsgehalt dieser Vorschriften entsprechend hätte die Patentabteilung 1.15 der Patentinhaberin zunächst eine Frist zur Äußerung von mindestens drei Monaten zur Erwiderung auf die Einsprüche setzen müssen. Stattdessen sei den Verfahrensbeteiligten lediglich ein - im Gegensatz zu einer Frist nicht verlängerbarer - Zeitraum zur Äußerung benannt worden, der im Übrigen keine drei Monate betragen, sondern nur die Zeitspanne zwischen dem Zugang der Ladungsverfügung am 26. Januar 2015 und dem 2. April 2015, einem zwei Wochen vor dem Anhörungstermin vom 16. April 2015 liegenden Datum, umfasst habe; in der Ladung werde nämlich der Hinweis erteilt, etwaige Äußerungen spätestens zwei Wochen vor dem Anhörungstermin einzureichen. Erst nach Ablauf der einspruchsbezogenen Erwiderungsfrist hätten die Reihenfolge der Bearbeitung und die Besetzung des Spruchkörpers durch den Vorsitzenden der Patentabteilung festgelegt werden dürfen. Zuvor gelte ein Behandlungsverbot. Die Patentabteilung 1.15 betreibe Amtsanmaßung.
Die Möglichkeit, im Wege der Online-Akteneinsicht auf die Einspruchsschriftsätze Zugriff zu nehmen, vermöge die Zustellung von Schriftsätzen an Verfahrensbeteiligte nicht zu ersetzen. Würden Schriftsätze vor Ablauf der Einspruchsfrist, wie hier, nicht einmal im Wege der Online-Akteneinsicht zur Verfügung gestellt, werde zusätzlich die Öffentlichkeit getäuscht und es liege ein Verstoß gegen § 31 PatG vor.
Die weiteren Verfahrensbeteiligten haben sich in der mündlichen Verhandlung dahingehend geäußert, dass auch nach ihrer Meinung die Beteiligten eines Einspruchsverfahrens gegnerische Schriftsätze nicht erst zusammen mit der Ladung, sondern - zur internen Abstimmung und optimalen Vorbereitung eigener Verfahrenshandlungen - stets unverzüglich erhalten sollten. Der Verstoß gegen diesen Grundsatz könne im vorliegenden Fall das Ablehnungsgesuch jedoch nicht begründen.
Ergänzend wird auf die Verfahrensakten und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Patentamt hat das Ablehnungsgesuch der Patentinhaberin zu Recht zurückgewiesen.
1. Das Begehren der Patentinhaberin in der Eingabe vom 24. März 2015, „den Spruchkörper, der diese Einsprüche behandelt, komplett neu zu besetzen“, ist als Antrag auf Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zu verstehen. Dieser Antrag ist aber offensichtlich unzulässig, soweit er sich gegen die Patentabteilung 1.15 als solche richtet und die Ablehnung des gesamten Spruchkörpers wegen Besorgnis der Befangenheit betrifft. Insoweit fehlt ihm jedes Rechtsschutzinteresse.
Wegen Besorgnis der Befangenheit können unter den Voraussetzungen des § 27 Abs. 6 Satz 1 PatG i. V. m. § 42 ZPO Prüfer und sonstige Mitglieder der Patentabteilungen abgelehnt werden, nicht jedoch Patentabteilungen als solche. Die Patentinhaberin hat ihr Gesuch auf ihrer Ansicht nach vorhandene Verfahrensverstöße im Einspruchsverfahren gestützt, ohne konkrete, auf eine Befangenheit der einzelnen Mitglieder der Patentabteilung hinweisende Anhaltspunkte zu benennen. Dies genügt - auch unter Berücksichtigung des Gebots, ein Ablehnungsgesuch vollständig zu erfassen und gegebenenfalls wohlwollend auszulegen - nicht zur Glaubhaftmachung eines Befangenheitsgrundes; denn ein solcher muss vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung geeignet sein, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines konkreten Prüfers zu wecken (vgl. BGH, Beschl. v. 1. Juni 2017 – I ZB 4/16, Rn. 14; BGH, Beschl. v. 2. Februar 2017 - III ZR 444/16, Rn. 3; BGH, Beschl. v. 8. Januar 2015 V ZB 184/14, Rn. 4; BGH, Beschl. v. 8. Juli 2015 - XII ZA 34/15, Rn. 4, jeweils veröffentlicht in juris). Auch in der von der Patentinhaberin zitierten Entscheidung BVerfG NJW 2007, 1670, richtet sich das der dortigen Verfassungsbeschwerde zugrunde liegende Ablehnungsgesuch gegen eine konkrete, dort im Adhäsionsverfahren tätig gewordene Richterin.
Die Voraussetzungen für eine von der Patentinhaberin ins Feld geführte analoge Anwendung des § 42 ZPO sind nicht gegeben. Die Ablehnung eines gesamten Spruchkörpers betreffend besteht keine im Wege der Analogie ausfüllungsbedürftige Lücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit. Denn die Prüfung eines Befangenheitsgrundes, der geeignet sein muss, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines konkreten Prüfers zu wecken, hat stets personenbezogen zu erfolgen. Die Ablehnung eines gesamten Spruchkörpers ist daher unzulässig.
2. Auch soweit sich das Ablehnungsgesuch der Patentinhaberin gegen das damals mit dem Vorsitz in der vorliegenden Sache beauftragte Mitglied der Patentabteilung 1.15, Herrn N…, richtet, bleibt es ohne Erfolg.
Denn es liegt kein Grund vor, der gemäß § 27 Abs. 6 Satz 1 PatG i. V. m. § 42 ZPO die Besorgnis der Befangenheit dieses Mitglieds der Patentabteilung begründen könnte. Zu den Gründen, die im Sinne dieser Vorschrift geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines bestimmten Prüfers oder Mitglieds der Patentabteilung zu rechtfertigen, gehören nach ständiger Rechtsprechung nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Prüfer oder das Mitglied der Patentabteilung stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 42 Rn. 9; Thomas/Hüßtege, ZPO, 37. Aufl., § 42 Rn. 9).
a) Aus dem Ablauf des Einspruchsverfahrens im vorliegenden Fall ergeben sich keine derartigen Gründe.
aa) Zwar steht das beanstandete, in der Patentabteilung 1.15 jedenfalls im damaligen Zeitraum regelmäßig praktizierte Verwaltungshandeln, mehrere Einsprüche gegen ein Schutzrecht zunächst zu sammeln und der Patentinhaberin erst am Ende der Einspruchsfrist zusammen mit einer rechtlichen Einschätzung zu übermitteln, mit Ziffer 4.3 der Einspruchsrichtlinien nicht in Einklang. Insoweit haben nicht nur die Patentinhaberin, sondern auch die weiteren Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung zu Recht auf ihr Interesse hingewiesen, gegnerische Schriftsätze zur internen Abstimmung und optimalen Vorbereitung eigener Verfahrenshandlungen stets unverzüglich zu erhalten. Ziffer 4.3, „Zustellung von Schriftsätzen“, zweiter Absatz der Einspruchsrichtlinien des Patentamts,
von der die Patentabteilung 1.15 hier abgewichen ist, trägt diesem Bedürfnis der Verfahrensbeteiligten Rechnung und ist ebenso zu beachten wie die weiteren Vorgaben in Ziffer 4.7.2 Abs. 2 i. V. m. Ziffer 4.7.1 sowie Ziffer 4.2 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Ziffer 4.1 Abs. 1 und 2 der Einspruchsrichtlinien. Danach ist dem Patentinhaber eine Frist zur Erwiderung auf den Einspruch zu setzen, deren Ablauf vor Erlass einer Entscheidung abzuwarten ist. Zwar weisen die Einspruchsrichtlinien keinen Rechtsnormcharakter auf. Jedoch dienen solche Richtlinien zur Einhaltung des in Art. 3 GG festgelegten Gleichheitsgrundsatzes (vgl. van Hees/Braitmayer, Verfahrensrecht in Patentsachen, 4. Aufl., Rn. 104/105; Senatsbeschl. v. 17. August 2017 - 7 W (pat) 29/16, Rn. 16, veröffentlicht in juris). Der Rechtsgedanke von Ziffer 4.3 Abs. 2 der Einspruchsrichtlinien kommt - ungeachtet der Frage einer unmittelbaren Anwendbarkeit einzelner Vorschriften des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums vom 15. April 1994 (TRIPS-Abkommen, BGBl. II 1438, 1730) - zusätzlich in Art. 42 Satz 2 dieses von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung erwähnten Vertragswerks zum Ausdruck.
bb) Klarzustellen ist auch, dass der verfahrensunabhängige Service einer Online-Akteneinsicht des Patentamts - in welcher die hier benötigten Einspruchsschriftsätze vor Abfassung der Ladungsverfügung möglicherweise ohnehin nicht einsehbar waren - die Übersendung von Schriftsätzen an die Verfahrensbeteiligten nicht ersetzt. Die Patentinhaberin ist nicht verpflichtet, von sich aus Nachforschungen zum Inhalt dieser Schriftsätze anzustellen (vgl. hierzu BVerfGE 17, 194, 197, juris Rn. 8; 18, 147, 150, juris Rn. 11; 50, 381, 385, juris Rn. 9; BPatGE 22, 61, juris Rn. 41).
cc) Dass die Patentinhaberin in der Ladungsverfügung keine ausreichende Äußerungsfrist erhalten hätte, ist dagegen nicht feststellbar. Die Patentabteilung hat die Einspruchsschriftsätze noch rechtzeitig vor einer möglichen Entscheidung über den Einspruch in dem ursprünglich für den 16. April 2015 anberaumten Anhörungstermin übersandt. Gelegenheit zur Äußerung bestand für die Patentinhaberin, der die Ladungsverfügung vom 21. Januar 2015 fünf Tage später zuging, jedenfalls für einen Zeitraum von neun Wochen. Hierbei ist berücksichtigt, dass die zu fertigende Erwiderung das Patentamt zwei Wochen vor dem seinerzeit anberaumten Anhörungstermin am 16. April 2015 erreichen sollte. Dass die Patentinhaberin zur Äußerung konkret mehr Zeit benötigt hätte, ist nicht ersichtlich, denn sie hat bis zu ihrer Eingabe vom 24. März 2015, die das Ablehnungsgesuch enthält, bei der Patentabteilung 1.15 nicht um eine Fristverlängerung und Verlegung des Anhörungstermins nachgesucht. Ebenso wenig hat sie behauptet, dass in dieser Abteilung Verlegungsgesuche und Fristverlängerungen stets abschlägig verbeschieden würden. Von einem Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG, ist daher nicht auszugehen.
dd) Fehler in der Rechtsanwendung als solche begründen regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit (vgl. BGH, Beschl. v. 12. Oktober 2011 - V ZR 8/10, NJW-RR 2012, 61, Rn. 7 m. w. N.). Denn anders als im Erteilungs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren steht hier nicht die Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit einer Entscheidung im Vordergrund, sondern es soll vielmehr verhindert werden, dass ein Amtsträger, der eine unsachliche innere Einstellung zu den Verfahrensbeteiligten oder zum Gegenstand des konkreten Verfahrens hat und daher begründete Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit aufkommen lässt, zur Entscheidung in der Sache berufen ist (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 42 Rn. 8). Letzteres kann hier für das Mitglied der Patentabteilung 1.15 N… nicht angenommen werden. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der praktizierte Ablauf des Einspruchsverfahrens, bei dem es sich nach dem Vortrag der Patentinhaberin um eine ständige und nicht nur ihr gegenüber ausgeübte (damalige) Praxis dieser Patentabteilung gehandelt hat, auf einer unsachlichen inneren Einstellung gerade gegenüber der Patentinhaberin im vorliegenden Verfahren beruht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Patentinhaberin zitierten Entscheidung BVerfG NJW 2007, 1670. In dieser Entscheidung ist u. a.
ausgeführt, dass es zum materiellen Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gehört, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist, und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet. Soweit sich die Patentinhaberin auf einen strukturellen und systematischen Nachteil beruft, der ihr daraus erwachse, dass die rechtliche Einschätzung der Patentabteilung 1.15 in dem Ladungszusatz zu einem Zeitpunkt vorgenommen worden sei, zu dem von ihrer Seite noch keine sachliche Stellungnahme vorgelegen habe, so könnte sich - ausgehend von der genannten Rechtsprechung - daraus ein Ablehnungsgrund ergeben, wenn Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Äußerung in dem Ladungszusatz im konkreten Einzelfall nicht mit der gebotenen Neutralität abgegeben wurde. Derartige Anhaltspunkte sind jedoch nicht erkennbar (siehe auch nachfolgend unter b).
b) Auch Äußerungen zum möglichen Verfahrensausgang, wie sie hier in dem Zusatz zur Ladung vom 21. Januar 2015 enthalten sind, stellen für sich genommen keinen Ablehnungsgrund dar (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 42 Rn. 26 m. w. N; Schulte/Rudloff-Schäffer, PatG, 10. Aufl., § 27 Rn. 43). Hinweise auf die Sach- und Rechtslage sind schon auf Grund der auch im patentamtlichen Verfahren geltenden Aufklärungs- und Hinweispflicht entsprechend § 139 ZPO (vgl. Schulte, a. a. O., Einl. Rn. 121) sowie auf Grund des Anspruchs auf rechtliches Gehör erforderlich. Hierzu gehören auch mit Gelegenheit zur Stellungnahme geäußerte Einschätzungen zur Zulässigkeit der Einsprüche sowie der Hinweis darauf, dass das Patent möglicherweise nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen könnte. Bei Äußerungen zur Sach- und Rechtslage ist nur dann die Grenze zur Befangenheit überschritten, wenn eine vorzeitige, endgültige Festlegung in einer Form erfolgt, die erkennen lässt, dass der Prüfer sich nicht mit einer Gegenmeinung auseinander setzen will, oder die jede Bereitschaft zu einer sachlichen Überprüfung vermissen lässt (vgl. näher Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 27 Rn. 64, Fn. 73 und Schulte/Rudloff-Schäffer, a. a. O., § 27 Rn. 44 je unter Hinweis auf BPatGE 24, 144, 148). Ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor.
Die Vorstellung, dass ein Entscheidungsträger, wie die Patentinhaberin meint, von einer vorläufig gefassten Meinung regelmäßig nicht mehr abzubringen wäre, erscheint fernliegend. Auch im vorliegenden Verfahren gibt es keine Anhalts-punkte für eine solche Annahme, auch wenn nicht jede einzelne Aussage im Ladungszusatz in der sprachlichen Form des Konjunktivs gehalten ist.
c) Auch aus dem übrigen Verfahrensverlauf ergeben sich keine Hinweise darauf, dass das Mitglied der Patentabteilung 1.15 N… der Patentinhaberin nicht das zukommen lassen wollte, was das Recht ihr zugesteht. Die von ihm verfassten Schriftstücke sind stets in sachlichem Ton abgefasst. Insgesamt liegt kein Grund vor, der gemäß § 27 Abs. 6 Satz 1 PatG i. V. m. § 42 ZPO die Besorgnis der Befangenheit dieses Mitglieds der Patentabteilung begründen könnte.
3. Soweit sich das Ablehnungsgesuch der Patentinhaberin gegen die weiteren Mitglieder der Patentabteilung 1.15 Dr. S… und Dr. B… richtet, hat es die Patentabteilung ebenfalls zu Recht zurückgewiesen. Zur Begründung wird auf die vorstehenden Ausführungen unter 2. Bezug genommen. Darüber hinausgehende, allein das Verwaltungshandeln der übrigen Mitglieder der Patentabteilung 1.15 betreffende Befangenheitsgründe oder tatsächliche Umstände hat die Patentinhaberin nicht geltend gemacht.
4. Der weitere Antrag der Patentinhaberin auf Feststellung, dass mit der Art und Weise der Durchführung des Einspruchsverfahrens ihr Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt worden sei, ist unzulässig, da hierfür ein Rechtsschutzinteresse fehlt. Der Verfahrensablauf als solcher ist einer Beschwerde nicht zugänglich (Senatsbeschl. v. 27. April 2015 - 7 W (pat) 93/14, unter II.1, veröffentlicht in juris). Ebenso wenig kann im vorliegenden, die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs betreffenden Beschwerdeverfahren ein gesonderter Feststellungsantrag zum Ablauf des patentamtlichen Verfahrens gestellt werden. Der Verfahrensverlauf ist nur inzidenter im Hinblick darauf zu prüfen, ob sich daraus ein Befan- genheitsgrund ergeben könnte, was hier aus den genannten Gründen nicht der Fall ist.
Ob bzw. mit welchen Erfolgsaussichten der in dem beanstandeten Vorgehen der Patentabteilung 1.15 liegende Verstoß gegen die Einspruchsrichtlinien mit Mitteln der Dienstaufsicht verfolgt werden könnte, bedarf hier keiner Erörterung.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
5. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da keiner der Fälle des § 100 Abs. 2 PatG vorliegt, insbesondere keine grundsätzliche Rechtsfrage i. S. von § 100 Abs. 2 Nr. 1 PatG zu klären ist. Grundsätzlich ist eine Rechtsfrage, wenn ein Interesse der Allgemeinheit für die Zukunft besteht, insbesondere wenn sie für eine größere Zahl gleicher Fälle entscheidungserheblich ist (vgl. Schulte, a. a. O., § 100 Rn. 17 m. w. N.). Dies ist hier weder im Hinblick auf die gefestigte Rechtsprechung zur Unzulässigkeit eines gegen einen ganzen Spruchkörper gerichteten Antrags wegen Besorgnis der Befangenheit, noch im Hinblick auf die Bewertung des in der Sache gerügten Verfahrensverstoßes geboten. Ob Fehler in der Rechtsanwendung als solche die Besorgnis der Befangenheit begründen können, ist ebenfalls bereits höchstrichterlich entschieden (s. oben unter II.2.a.dd).
III.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur gegeben, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Rauch Püschel Dr. Schnurr Pr