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V R 50/14

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 22.7.2015, V R 50/14 Zwischenurteil - Zurückweisung eines Bevollmächtigten Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 20. Juni 2013 5 K 148/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand I. Streitig ist die Zulässigkeit einer von der R-Ltd. im Namen der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) erhobenen Klage wegen Umsatzsteuer 2010 (Streitjahr).

Nachdem die Klägerin (C-Ltd.) die Umsatzsteuererklärung des Streitjahres nicht abgegeben hatte, schätzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Umsatzsteuer mit dem unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheid vom 29. September 2011. Den dagegen eingelegten Einspruch des Prozessbevollmächtigten wies das FA am 10. Februar 2012 zurück.

Am 22. Februar 2012 reichte die Klägerin die Umsatzsteuererklärung des Streitjahres nach. Dabei gab sie auf Seite 1 des amtlichen Formulars an, bei der Erstellung dieser Steuererklärung habe die R-Ltd. aus A in den Niederlanden mitgewirkt. Das FA sah in der Abgabe der Umsatzsteuererklärung einen Antrag auf Änderung der Vorbehaltsfestsetzung nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) und bat um Erläuterung sowie um Vorlage verschiedener Nachweise.

Außerdem wies das FA mit einem am 12. März 2012 zur Post gegebenen Schreiben die R-Ltd. für das Umsatzsteuer-Festsetzungsverfahren des Kalenderjahres 2010 als Bevollmächtigte der Klägerin zurück und teilte dies der Klägerin im Schreiben vom gleichen Tag mit. Zur Begründung führte das FA aus, dass die R-Ltd. durch ihr Mitwirken bei der Erstellung der Steuererklärung geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen geleistet habe, ohne dazu befugt zu sein. Alle Verfahrenshandlungen, die die R-Ltd. künftig für ihre Auftraggeberin in den o.g. Verfahren vornehme, blieben damit ohne steuerliche Wirkung.

Mit einem am 13. März 2012 beim Finanzgericht (FG) eingegangenen Fax erhob die R-Ltd. im Namen der Klägerin Klage und beantragte die Änderung des Umsatzsteuerbescheids 2010 entsprechend der eingereichten Umsatzsteuererklärung. Das FA beantragte, die Prozessbevollmächtigte in diesem Verfahren zurückzuweisen, da sie gemäß § 3a des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen nicht befugt sei. Am 4. Februar 2013 entsprach das FG dem Antrag des FA und wies die R-Ltd. als Bevollmächtigte nach § 62 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurück.

Nach Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter entschied dieser aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20. Juni 2013 durch Zwischenurteil, dass die Klage zulässig sei. Zur Begründung verwies das FG auf die Entscheidungsgründe des Zwischenurteils in dem Parallelverfahren 5 K 95/12. Danach führt eine vom FA ausgesprochene Zurückweisung nicht zum Ausschluss für das Klageverfahren. Wie der 6. Senat des FG zu Recht bereits mit Urteil vom 26. November 2009 6 K 530/08 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 541) entschieden habe, wirke die Zurückweisung eines Bevollmächtigten nur für das jeweilige Verfahren und nur für den jeweiligen Verfahrensabschnitt.

Dagegen richtet sich die Revision des FA. Entgegen dem Urteil des FG lasse sich aus der systematischen Stellung des § 80 AO im 3. Teil der AO keine Einschränkung der Wirkung einer Zurückweisungsverfügung auf das Verwaltungsverfahren entnehmen. Die Auffassung des FG, wonach unter "Verfahren" nur jeweils kleine Verwaltungsschritte zu verstehen seien, nehme der Vorschrift jede sinnvolle Funktionalität. Eine Einschränkung der Wirkung eines Zurückweisungsbescheids könne auch nicht damit begründet werden, dass der Finanzverwaltung mit einem Untersagungsbescheid nach § 7 Abs. 1 StBerG ein wirksames Mittel zur Unterbindung der unbefugten Hilfeleistung zur Verfügung stehe, da es sich hierbei um ein von § 80 Abs. 5 AO unabhängiges und völlig eigenständiges Verfahren handle.

Das FA beantragt,

das angefochtene Zwischenurteil des Niedersächsischen FG vom 20. Juni 2013 5 K 148/12 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

unter Aufhebung des Urteils die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die R-Ltd. sei vom FA im Verwaltungsverfahren zu Unrecht zurückgewiesen worden, da sie im Zeitpunkt ihrer Zurückweisung die Voraussetzungen des § 3a StBerG erfüllt habe; dies werde derzeit u.a. in dem Revisionsverfahren II R 6/14 überprüft. Gerade im Falle einer materiell-rechtlich unzutreffenden Zurückweisung dürften das FG und der Bundesfinanzhof (BFH) nicht an die Zurückweisung der Verwaltungsbehörde gebunden sein.

Abgesehen davon regele § 80 AO die Bevollmächtigung ausschließlich im Verwaltungsverfahren.

Entscheidungsgründe II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 und Abs. 4 FGO). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klage zulässig ist.

1. Das FG war zum Erlass eines Zwischenurteils berechtigt.

a) Nach § 97 FGO kann über die Zulässigkeit einer Klage durch Zwischenurteil vorab entschieden werden. Der Begriff "Zulässigkeit einer Klage" ist weit auszulegen; er bezieht sich auf alle für das Klageverfahren erheblichen Sachurteilsvoraussetzungen (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1985 IV R 1/81, BFHE 143, 223, BStBl II 1985, 368) und bedeutet nicht, dass ein Zwischenurteil nur ergehen darf, wenn sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen für die betreffende Klage geprüft und bejaht worden sind (BFH-Urteil in BFHE 143, 223, BStBl II 1985, 368).

b) Die Berechtigung eines Prozessbevollmächtigten zur Klageerhebung ist Sachurteilsvoraussetzung (vgl. BFH-Urteil vom 30. November 1988 I R 168/84, BFHE 156, 1, BStBl II 1989, 514) und betrifft damit die Zulässigkeit der Klage.

2. Die von der R-Ltd. im Namen der Klägerin erhobene Klage ist zulässig. Die Klägerin hat sich bei der Klageerhebung wirksam durch die R-Ltd. als Prozessbevollmächtigte vertreten lassen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 FGO). Dem steht weder die Zurückweisung der R-Ltd. durch das FG noch die dem vorausgehende Zurückweisung der R-Ltd. durch das FA entgegen.

a) Mit unanfechtbarem Beschluss vom 4. Februar 2013 hat das FG die Prozessbevollmächtigte (R-Ltd.) als Bevollmächtigte zurückgewiesen (§ 62 Abs. 3 FGO). Die Zurückweisung wurde mit ihrer Bekanntgabe durch den am 6. Februar 2013 zur Post gegebenen Brief wirksam.

Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in § 62 Abs. 3 Satz 2 FGO wirkt der Zurückweisungsbeschluss ex nunc. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten sind und bleiben daher bis zur Bekanntgabe seiner Zurückweisung wirksam. Da die Klageerhebung bereits mit Schriftsatz vom 13. März 2012 und damit mehr als ein Jahr vor der Bekanntgabe des Zurückweisungsbeschlusses erfolgte, steht die Zurückweisung durch das FG einer wirksamen Klageerhebung nicht entgegen.

b) Eine wirksame Klageerhebung durch die R-Ltd. konnte auch die Zurückweisungsverfügung des FA im Verwaltungsverfahren nicht verhindern.

aa) Mit Bescheid vom 12. März 2012 hat das FA die R-Ltd. für das "Umsatzsteuer-Festsetzungsverfahren des Kalenderjahrs 2010" als Bevollmächtigte der C-Ltd. gemäß § 80 Abs. 3 AO zurückgewiesen und ergänzend ausgeführt, dass alle Verfahrenshandlungen, die die R-Ltd. trotz dieser Zurückweisung künftig für ihre Auftraggeberin in den o.g. Verfahren vornimmt, ohne steuerliche Wirkung blieben. Darüber hinaus hat das FA der Klägerin mit Schreiben vom 12. März 2012 mitgeteilt, dass es die R-Ltd. für das Umsatzsteuer-Festsetzungsverfahren des Kalenderjahres 2010 als Bevollmächtigte zurückgewiesen habe und etwaige von der R-Ltd. in diesem Verfahren eingereichte Erklärungen, Eingaben oder Anträge als steuerlich unwirksam nicht mehr entgegengenommen bzw. zurückgesandt würden.

bb) Verfahrenshandlungen des zurückgewiesenen Bevollmächtigten, die dieser nach der Zurückweisung vornimmt, sind nach § 80 Abs. 8 Satz 2 AO unwirksam. Diese Rechtsfolge setzt eine wirksame Bekanntgabe der Zurückweisung voraus (§ 124 Abs. 1 i.V.m. § 122 Abs. 1 AO).

Bei der Zurückweisung eines Bevollmächtigten handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung (vgl. Rüsken in Beermann/Gosch, AO § 80 Rz 177, m.w.N.), sodass fraglich und umstritten ist, ob ihre Wirksamkeit lediglich die Bekanntgabe an den Bevollmächtigten (Rüsken in Beermann, AO § 80 Rz 178) oder ob darüber hinaus auch die Mitteilung bzw. Bekanntgabe an den Vertretenen erfordert (Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 80 AO Rz 97; Wünsch in Pahlke/ König, Abgabenordnung, § 80 Rz 106; Schwarz, AO, § 80 Rz 65).

Die Beantwortung dieser Streitfrage kann vorliegend jedoch offenbleiben, da jedenfalls die Bekanntgabe an die Bevollmächtigte (R-Ltd.) erst _nach_ der Klageerhebung erfolgte. Denn der Zurückweisungsbescheid an die in den Niederlanden ansässige R-Ltd. wurde erst am 12. März 2012 zur Post gegeben. Bei der Übermittlung eines Verwaltungsaktes im Ausland gilt der Verwaltungsakt einen Monat nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer, wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 122 Abs. 2 Nr. 2 AO). Da die Aufgabe zur Post am 12. März 2012 stattfand, wurde die Zurückweisungsverfügung am 12. April 2012 bekannt gegeben.

Da die im Namen der Klägerin von der R-Ltd. erhobene Klage bereits am 13. März 2012 per Fax eingereicht wurde, konnte die am 12. April 2012 wirksam gewordene Zurückweisung der R-Ltd. einer Zulässigkeit der Klage nicht entgegenstehen.

c) Fehlt es im Zeitpunkt der Klageerhebung an einer bekannt gegebenen und damit wirksamen Zurückweisungsverfügung des FA, bestehen keinerlei Zweifel an einer Bevollmächtigung der R-Ltd. durch die Klägerin. Auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob eine im Verwaltungsverfahren erlassene Zurückweisungsverfügung des FA überhaupt Wirkungen für das Klageverfahren haben kann, kommt es daher nicht an.

3. Die Revision ist auch insoweit unbegründet, als das FA hilfsweise die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung an das FG beantragt. Denn die Frage einer Zurückverweisung stellt sich nur bei einer --im Streitfall nicht gegebenen-- rechtsfehlerhaften Vorentscheidung.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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