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3 StR 481/21

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES StR 481/21 URTEIL vom 5. Mai 2022 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.

ECLI:DE:BGH:2022:050522U3STR481.21.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Mai 2022, an der teilgenommen haben:

Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berg als Vorsitzender,

Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Paul, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Erbguth, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kreicker, Dr. Voigt als beisitzende Richter,

Erster Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt als Verteidiger,

- in der Verhandlung - Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 25. August 2021 wird verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Der Angeklagte lebte seit dem Jahr 2014 mit seiner Ehefrau und deren Sohn, dem am 2. Februar 2012 geborenen L. , in häuslicher Gemeinschaft. Er war in dessen Erziehung in gleicher Weise eingebunden wie in diejenige der weiteren gemeinsamen Kinder. Anlässlich häufiger Besuche der gesamten Familie des Angeklagten auf dem Hausgrundstück seines Vaters, welches über ein Schwimmbecken verfügte, tobten der Angeklagte und der - dabei des Öfteren unbekleidete - L. im Wasser herum. Hierbei übertrieb der Angeklagte regelmäßig das Untertauchen des Jungen, so dass dieser wegen Luftmangels schrie und laut weinte. Auch zu anderen Gelegenheiten schikanierte der Angeklagte den L. , etwa indem er das Einsteigen des Kindes in das Kraftfahrzeug durch gezieltes Anfahren behinderte.

An einem solchen Besuchstag im Sommer 2019 kam es unter Anwesenheit der gesamten Familie des Angeklagten und weiterer Verwandter im Anschluss an ein Bad des L. im Schwimmbecken dazu, dass dieser unbekleidet im Garten herumlief. Der Angeklagte verfolgte das Kind und spritzte es mit einem handelsüblichen Wasserschlauch ohne Aufsatz nass. Er packte den sich wehrenden Jungen und legte ihn bäuchlings über seine Knie, drückte das Schlauchende zwischen die Pobacken und spritzte ihm - wie zuvor bereits zu anderer Gelegenheit angekündigt - für wenige Sekunden Wasser in den Anus und weiter in den Enddarm. Nachdem er ihn losgelassen hatte, rannte L. weinend davon, wobei er seinen Darm unkontrolliert auf den Rasen entleerte. Der Angeklagte verspottete ihn deswegen gegenüber den weiteren anwesenden Personen.

Ein Einführen des Gartenschlauchs in den Anus des Kindes hat das Landgericht nicht feststellen können, ebenso wenig eine sexuelle Intention oder sogar Erregung des Angeklagten.

2. Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen gemäß § 176 Abs. 1, § 174 Abs. 1 StGB in der Fassung vom 21. Januar 2015 schuldig gesprochen. Sie hat angenommen, sein Verhalten sei als sexuelle Handlung im Sinne von § 184h Nr. 1 StGB zu bewerten, weil es bereits objektiv einen eindeutigen Bezug zu entsprechenden Sexualpraktiken aufweise und deshalb die Motivation des Täters unerheblich sei. Die weiter tateinheitlich verwirklichten Tatbestände der gefährlichen Körperverletzung und der Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 2, § 225 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB träten im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück.

II.

Die Verurteilung des Angeklagten hält sachlichrechtlicher Nachprüfung stand. Zu Recht hat das Landgericht den Angeklagten des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen schuldig gesprochen. Der näheren Erörterung bedarf lediglich das Folgende:

1. Das Verhalten des Angeklagten ist als vom Vorsatz umfasste sexuelle Handlung im Sinne von § 184h Nr. 1 StGB anzusehen.

a) Anerkannt ist, dass der Begriff der sexuellen Handlung bereits unter Heranziehung ausschließlich objektiver Kriterien bestimmt werden kann, wenn die Tätigkeit objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild, einen eindeutigen Sexualbezug aufweist. Darüber hinaus können äußerlich ambivalente Handlungen dann als sexuelle Handlungen eingeordnet werden, wenn diese zwar für sich betrachtet nicht ohne Weiteres sexualbezogen sind, wohl aber aus der Sicht eines objektiven Betrachters, der alle Umstände des Einzelfalls, also auch die Zielrichtung des Täters, kennt, eine solche sexuelle Intention erkennen lassen (BGH, Beschluss vom 7. April 2020 - 3 StR 44/20, StV 2021, 363 Rn. 13; Urteile vom 8. Dezember 2016 - 4 StR 389/16, juris Rn. 7; vom 10. März 2016 - 3 StR 437/15, BGHSt 61, 173 Rn. 6; vom 9. Juli 2014 - 2 StR 13/14, BGHSt 59, 263 Rn. 19 f.; vom 14. März 2012 - 2 StR 561/11, BGHR StGB § 178 Abs. 1 Sexuelle Handlung 9 Rn. 20, 22; vom 20. Dezember 2007 - 4 StR 459/07, BGHR StGB § 184 f. Sexuelle Handlung 2 Rn. 9; BeckOK StGB/Ziegler, 52. Ed., § 184h Rn. 3 ff.; LK/Laufhütte/Roggenbuck, StGB, 12. Aufl., § 184g Rn. 5 ff.; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 184h Rn. 6 ff.; SSW-StGB/Wolters, 5. Aufl., § 184h Rn. 2; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, 2. Aufl., § 184h Rn. 5 f.; Fischer, StGB, 69. Aufl., § 184h Rn. 3 ff., jeweils mwN).

b) Nach diesen Maßstäben stellt das Verhalten des Angeklagten bereits unter Heranziehung ausschließlich objektiver Kriterien eine sexuelle Handlung dar.

In die im Einzelfall anzustellende Gesamtbetrachtung ist dabei zugunsten der Annahme eindeutigen Sexualbezugs einzustellen, dass es sich bei dem Anus des Geschädigten um einen intimen Körperbereich handelte, der zudem - wenn auch aus der Situation geschuldeten Gründen - unbekleidet war. Ebenfalls für einen eindeutigen Sexualbezug des Geschehens spricht die diesen Bereich betonende Körperhaltung des Geschädigten, der von dem Angeklagten bäuchlings über seine Knie gelegt worden war. Weiter setzte der Angeklagte den Schlauch derart fest zwischen den Pobacken an, dass Wasser in das Körperinnere eindringen konnte, was zugleich eine Penetration darstellt. Schließlich kommt die vorherige Ankündigung des Vorhabens seitens des Angeklagten hinzu ("ich steck dir den mal hinten rein"). Bei dieser Sachlage bedarf es eines Rückgriffs auf eine - hier nach den Feststellungen nicht gegebene - sexuelle Intention oder sogar Erregung des Angeklagten zur Begründung eines entsprechenden Sexualbezugs nicht mehr. Dass dem im Ausgangspunkt spielerischen Geschehen auf dem Hausgrundstück etliche weitere Personen beiwohnten, darunter die Mutter und die Geschwister des geschädigten Kindes, kann auf Grundlage ausschließlich der äußeren Gegebenheiten - der Angeklagte bezog die Anwesenden von sich aus in den Vorgang ein, indem er den Geschädigten diesen gegenüber verspottete - nicht zu einer anderen Beurteilung führen.

c) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass sich der Angeklagte des eindeutigen Sexualbezuges seines Verhaltens bewusst war. Dies genügt für den entsprechenden Vorsatz (vgl. BGH, Urteile vom 24. September 1980 - 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 10. Mai 1995 - 3 StR 150/95, BGHR StGB § 178 Abs. 1 Sexuelle Handlung 8).

2. Eine Änderung des Schuldspruchs im Hinblick auf § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB aF bzw. § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 2, § 225 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB ist nicht veranlasst. Zwar trügen die Feststellungen des Landgerichts die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten auch wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen und stünde § 265 StPO einer solchen Erweiterung des Schuldspruchs jedenfalls deshalb nicht entgegen, weil die genannten Vorwürfe sämtlich bereits mit der Anklageschrift erhoben worden waren. Allerdings macht der Senat unter Berücksichtigung der hier gegebenen Umstände des Einzelfalles von der Möglichkeit einer Schuldspruchänderung (vgl. hierzu KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 354 Rn. 15 mwN) keinen Gebrauch.

Berg Paul Erbguth Kreicker Voigt Vorinstanz: Landgericht Bad Kreuznach, 25.08.2021 - 5 KLs 1023 Js 19253/19 jug

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