5 StR 593/23
BUNDESGERICHTSHOF StR 593/23 BESCHLUSS vom 14. Februar 2024 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ECLI:DE:BGH:2024:140224B5STR593.23.0
-2Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Februar 2024 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, entsprechend § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. September 2023 a) im Schuldspruch dahin berichtigt, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln schuldig ist; b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln „in nicht geringer Menge“ zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und Einziehungsentscheidungen getroffen.
Die Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge hin zur Korrektur des Schuldspruchs und zur Aufhebung der Unterbringungsentscheidung; im Übrigen erweist sie sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch ist dahin neu zu fassen, dass es des Zusatzes „in nicht geringer Menge“ nicht bedarf, weil der Qualifikationstatbestand des bewaffneten Handeltreibens nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG stets voraussetzt, dass die Tat eine solche Menge betrifft (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 – 3 StR 632/14 Rn. 3).
2. Die Maßregelanordnung hat keinen Bestand. Der Senat hat seiner Entscheidung gemäß § 354a StPO die zum 1. Oktober 2023 in Kraft getretene Neufassung des § 64 StGB (BGBl. 2023 I Nr. 203) zugrunde zu legen. Die dort normierten und nach § 2 Abs. 6 StGB auch für Altfälle geltenden Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt werden durch das Urteil nicht hinreichend belegt. Das gilt namentlich für den erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Substanzkonsum des Täters und der Begehung von Straftaten und die Erfolgsaussicht der Unterbringung.
a) Die Anlasstat muss nun „überwiegend“ auf den Hang zurückgehen, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Nach dem Willen des Gesetzgebers reicht eine bloße Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat nur noch dann aus, wenn sie andere Ursachen quantitativ überwiegt. Das Vorliegen dieses Kausalzusammenhangs ist durch das Tatgericht – gegebenenfalls unter sachverständiger Beratung – positiv festzustellen (BT-Drucks. 20/5913 S. 69 f.; vgl. hierzu bereits BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2023 – 5 StR 246/23).
Das Landgericht hat bei seiner Prüfung lediglich – den Sachverständigen zitierend – ausgeführt, der symptomatische Zusammenhang zwischen Hang und Delinquenz „liege […] in Bezug auf die verfahrensgegenständliche Tat auf der Hand“. Ob es dabei aber vom zum damaligen Zeitpunkt zutreffenden Maßstab ausgegangen ist, nach dem eine einfache Mitursächlickeit ausreichte, oder ob die Tat des Angeklagten überwiegend auf seinen Hang zurückging, bleibt offen, weil die Strafkammer den nun geltenden, strengeren Anordnungsmaßstab nicht vor Augen gehabt und deshalb ihre Feststellungen nicht daran ausgerichtet hat.
b) Nach dem anwendbaren neuen Recht darf die Maßregel im Übrigen nur angeordnet werden, wenn aufgrund „tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten ist“, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist des § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3 StGB zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen. Die Anforderungen an eine günstige Behandlungsprognose sollten durch die Neufassung im Sinne einer hierfür bestehenden „Wahrscheinlichkeit höheren Grades“ angehoben werden (BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2024 – 5 StR 509/23; vom 22. November 2023 – 4 StR 347/23, NStZ-RR 2024, 48 mwN).
Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen der Strafkammer wiederum nicht. Sie hat insoweit erneut lediglich die Angaben des Sachverständigen referiert und sich dessen Beurteilung angeschlossen. Danach habe der Angeklagte „bereits erste motivationale Ansätze dafür aufgezeigt, dass durch eine Behandlung Veränderungen in seinem Substanzkonsum und Lebensstil zu erreichen seien, er bringe zudem ausreichende Sprachkenntnisse mit und aufgrund der erfolgreichen Beschulung in seinem Heimatland sei zu erwarten, dass er seine kommunikativen Fähigkeiten im Rahmen des Therapieprozesses schrittweise werde erweitern können.“ Eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für eine erfolgreiche Behandlung ist damit nicht dargetan.
c) Die Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf nach alledem erneuter Prüfung und Entscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.
Cirener Gericke Köhler Resch von Häfen Vorinstanz: Landgericht Berlin, 04.09.2023 - (533 KLs) 273 Js 70/23 (9/23)