19 W (pat) 68/17
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 68/17 Verkündet am 23. Juli 2018
…
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2012 021 827.3 …
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Ing. J. Müller und Dipl.-Ing. Matter beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
ECLI:DE:BPatG:2018:230718B19Wpat68.17.0 Gründe I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt – Prüfungsstelle für Klasse H 02 J – hat die am 8. November 2012 von Herrn S… in B…, eingereichte Anmeldung am Ende einer mündlichen Anhörung am 18. Januar 2017 zurückgewiesen. In der schriftlichen Begründung ist ausgeführt, die jeweiligen Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß Hauptantrag sowie Hilfsantrag beruhten nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Erfindung trägt die Bezeichnung „System zur Be- und Entladung von Energiespeichern“.
Gegen den Zurückweisungsbeschluss richtet sich die Beschwerde des ursprünglichen Anmelders vom 2. März 2017. Mit Wirkung vom 2. November 2017 ist die Anmeldung auf die E… SE in E…, umgeschrieben worden, die das Beschwerdeverfahren fortführt. Sie beantragt:
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 02 J des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Januar 2017 aufzuheben und das nachgesuchte Patent aufgrund folgender Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 12 gemäß Hauptantrag vom 22. Dezember 2017,
Beschreibung, Seiten 1 bis 8, vom 8. November 2012,
Zeichnungen, Figur 1 vom 8. November 2012,
Figur 2 vom 22. Dezember 2017, Figur 3 vom 10. Dezember 2012,
hilfsweise,
Patentansprüche 1 bis 11 gemäß Hilfsantrag vom 22. Dezember 2017,
übrige Unterlagen wie Hauptantrag.
Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag vom 22. Dezember 2017 lautet:
System (1) zur Ladung und Entladung von mindestens einem Energiespeicher (4), z. B. Elektromobilbatterie, mit einer Netzanbindung an das öffentliche Stromversorgungsnetz (2), mindestens einer Schnittstelle (5) zum Inter- oder Intranet (3), mindestens einer ersten Einheit (6), in der die Schnittstelle (5) und ein Stromanschluss (7) an das Stromversorgungsnetz (2) angeordnet sind, und mindestens einer zweiten Einheit (9), in der mindestens eine Internetadresse (10), mindestens eine vorprogrammierte Applikation (12) und mindestens eine Lade- und Entladeeinrichtung (11) mit Internetzugang und Stromanschluss (7) angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass mit der Applikation (12) Vorgaben eingestellt werden, die in vertraglichen Bestimmungen festgelegt sind und Daten zum individuellen Profil eingesehen und eingestellt werden; und der Stromversorger des öffentlichen Stromversorgungsnetzes (2) nach den vorangegangenen Vergaben den mindestens einen Energiespeicher (4) bis zu einer vorgegebenen Speicherkapazität von beispielsweise etwa 50% entlädt und diese Energieentnahme vergütet, wobei mittels der vorgegebenen Applikation (12) via Internet (3) die Lade- und Entladezeiten festzulegen sind.
Der geltende Patentanspruch 9 gemäß Hauptantrag vom 22. Dezember 2017 lautet:
System (1) zur Beladung und Entladung von mindestens einem Energiespeicher (4) eines auf einem Stellplatz (22) eines Parkplatzes (A, B, C, …) angeordneten Elektroautomobils, insbesondere einer Elektromobilbatterie, mit einer Netzanbindung an das öffentliche Stromversorgungsnetz (2), mindestens einer Schnittstelle (5) zum Internet (3), mindestens einer ersten Einheit (6), in der die Schnittstelle (5) und ein Stromanschluss (7) an das Stromversorgungsnetz (2) angeordnet sind, und mindestens einer zweiten Einheit (9), in der mindestens eine Internetadresse (10) und mindestens eine vorprogrammierte Applikation (12) angeordnet sind, gekennzeichnet durch mindestens eine zentrale Schaltstation (17) mit Netzwerkanbindung an das öffentliche Stromversorgungsnetz (2) und Internetanschluss, wobei die Schaltstation (17) eine zentrale Steuereinheit (8‘) aufweist, die alle einzelnen Stellplätze (22) mit Energie versorgt und mindestens eine Einheit (6) mit Stromanschluss (7) in Abhängigkeit vorbestimmter vertraglich geregelter Vorgaben steuert, wobei die zugehörigen Schnittstellen (5) für das Internet (3) mit Daten versorgt und die Belade- bzw. Entladeeinrichtungen (11) separat am jeweiligen Stellplatz (22) angeordnet sind, wobei jeder Stellplatz (22) mit einem Lade- und Kommunikationskabel (24) ausgerüstet ist, das die Verbindung zwischen einer Stellplatz-Steckeinrichtung und einem Elektroautomobil herstellt.
Der geltende Patentanspruch 12 gemäß Hauptantrag vom 22. Dezember 2017 lautet:
Verfahren zur Ladung und Entladung von mindestens einem Energiespeicher (4) eines Energieverbrauchers (20) in einem System (1) nach Anspruch 1 oder 9 mit Anschluss an das öffentliche Stromversorgungsnetz mit nachfolgenden wesentlichen Verfahrensschritten: - Anschließen des mindestens einen Energiespeichers (4) eines vertraglich gebundenen Energieverbrauchers (20) an das öffentliche Stromversorgungsnetz (2) eines Stromversorgers, bei dem die Stromversorgung und die Stromlieferung aus bzw. in das öffentliche Stromversorgungsnetz (2) geregelt ist; - Ankoppeln des mindestens einen Energiespeichers (4) an das öffentliche Stromversorgungsnetz (2) mittels einer ersten und zweiten Einheit (6, 9) in denen jeweils mindestens eine Schnittstelle (5, 5') integriert ist; - Festlegen und Einstellen des Lade- und/oder Entladezustands des mindestens einen Energiespeichers (4); - Festlegen und Einstellen der Lade- bzw. Entladezeiten (t), wobei t das Zeitintervall zwischen den Anfangspunkten (ts) und dem Endzeitpunkt (te) darstellt.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag vom 22. Dezember 2017 lautet:
System (1) zur Beladung und Entladung von Energiespeichern (4) von auf individuellen Stellplätzen (22) eines Parkplatzes (A, B, C, …) angeordneten Elektroautomobilen, mit einer Netzanbindung an das öffentliche Stromversorgungsnetz (2), mindestens einer Schnittstelle (5) zum Inter- oder Intranet (3), mindestens einer jeweils einem individuellen Stellplatz (22) zugeordneten ersten Einheit (6), in der die Schnittstelle (5) und ein Stromanschluss (7) an das Stromversorgungsnetz (2) angeordnet sind, und mindestens einer zweiten Einheit (9), in der mindestens eine Internetadresse (10), mindestens eine vorprogrammierte Applikation (12), und mindestens eine Lade- und Entladeeinrichtung (11) mit Internetzugang und Stromanschluss (7) angeordnet sind, gekennzeichnet durch eine zentrale Schaltstation (17), die die individuellen Stromanschlüsse (7) zum Laden- und Entladen des mindestens einen Energiespeichers (4) steuert und so mit dem öffentlichen Stromnetz (2) zu vorbestimmten Zeiten verbindet oder trennt, wobei mindestens ein Ladekabel mit mindestens einer ersten Einheit (6) an jedem Stellplatz (22) angeordnet ist, wobei das Ladekabel direkt mit dem öffentlichen Netz (2) und dem Internet (2) verbunden ist, wobei mit der Applikation (12) Vorgaben eingestellt werden, die in vertraglichen Bestimmungen festgelegt sind und Daten zum individuellen Profil eingesehen und eingestellt werden; und der Stromversorger des öffentlichen Stromversorgungsnetzes (2) nach den vorangegangenen Vorgaben den mindestens einen Energiespeicher (4) bis zu einer vorgegebenen Speicherkapazität von beispielsweise etwa 50% entlädt und diese Energieentnahme vergütet, wobei mittels der vorgegebenen Applikation (12) via Internet (3) die Lade- und Entladezeiten festzulegen sind.
Der Patentanspruch 8 gemäß Hilfsantrag vom 22. Dezember 2017 lautet:
System (1) gemäß Anspruch 1 gekennzeichnet dadurch, dass die zentrale Schaltstation (17) eine zentrale Steuereinheit (8‘) aufweist, die alle einzelnen Stellplätze (22) mit Energie versorgt und mindestens eine Einheit (6) mit Stromanschluss (7) in Abhängigkeit vorbestimmter vertraglich geregelter Vorgaben steuert, wobei die zugehörigen Schnittstellen (5) für das Internet (3) mit Daten versorgt und die Belade- bzw. Entladeeinrichtungen (11) separat am jeweiligen Stellplatz (22) angeordnet sind.
Der Patentanspruch 11 gemäß Hilfsantrag vom 22. Dezember 2017 ist bis auf den Rückbezug gleich dem Patentanspruch 12 gemäß Hauptantrag.
Wegen weiterer Einzelheiten, auch zum jeweiligen Wortlaut der abhängigen Patentansprüche, wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, da die Gegenstände der Patentansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsantrag nicht patentfähig sind.
1. Der Senat legt seiner Entscheidung als Fachmann einen Diplomingenieur (FH) oder Bachelor der Fachrichtung Elektrotechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung zu Grunde, der Schaltungen zur Steuerung und Überwachung dezentraler Batterieladestationen für Elektrofahrzeuge mit Netzanbindung entwirft.
2. Gemäß den ursprünglich eingereichten Unterlagen seien Ladestationen zum Laden elektrischer Energie in einen Energiespeicher eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs bereits bekannt. Das elektrisch betriebene Fahrzeug weise dabei eine Einrichtung zur Initialisierung des Ladevorgangs auf. Gleichzeitig könne eine Höchstgrenze einer Ladegebühr und/oder Ladedauer vorgegeben werden, so dass der Ladevorgang bei Erreichen dieser Höchstgrenze beendet werde (Seite 1, zweiter Absatz).
Ferner sei ein Verfahren zum dezentralen Energiemanagement für Ladestationen für Elektrofahrzeuge bekannt geworden. Dieses dezentrale Verfahren sehe eine Mehrzahl von Ladestationen vor, die an beliebigen Orten wie Garagen, öffentlichen Parkplätzen oder Firmenparkplätzen aufgestellt seien. Dabei werde im Betrieb der Ladestationen eine Vielzahl von Daten aufgenommen, die u. a. Auskunft über die Prozesszustände der Ladestationen geben, z. B. über den aktuellen Speicherfüllstand eines Elektrofahrzeugs, die der Besitzer der Ladestation an den jeweiligen Energieversorger, mit dem er vertraglich verbunden ist, weiterleite. Die so gesammelten Daten über die Prozesszustände der jeweiligen Ladestationen würden dann einem Datenverdichtungssystem zugeführt, das die Daten nach einem vorgegebenen Algorithmus verarbeitet und entsprechende Maßnahmen zur optimalen Netzauslastung einleite (Brückenabsatz von Seite 1 zu Seite 2).
Nachteilig sei dabei, dass viele komplette Ladestationen an den vorbestimmten Orten aufgestellt sein müssten, was für den Anwender, also den Verbraucher, einerseits zu kostenintensiv und andererseits im Datenmanagement zu aufwendig sei. Weiterhin werde es an den bekannten Verfahren als nachteilig empfunden, dass die Ladestationen in ihrer bisherigen Baugröße zu umfangreich seien und darüber hinaus eine kostengenerierende zusätzliche Montage erforderlich machten (Seite 2, zweiter Absatz).
Davon ausgehend sei es Aufgabe der Erfindung, die genannten Schwierigkeiten zu überwinden und ein einfaches System zum Be- und Entladen von mobilen Energiespeichern, z. B. einer Automobil-Elektromobilbatterie, mit einfachen Mitteln zu gewährleisten und Zeitintervalle zum Laden eines Energiespeichers zu nutzen, in denen die zur Verfügung stehende Energie kostengünstig sei (Seite 2, dritter Absatz).
In der mündlichen Verhandlung ergänzt die Anmelderin, über die in den ursprünglichen Unterlagen genannte Aufgabe hinaus ermögliche die Erfindung einem Netzbetreiber, eine Vielzahl von Elektromobilbatterien in das Lastflussmanagement auf der Ortsverteilebene einzubinden und diese als temporären Puffer zur Aufnahme elektrischer Energie sowie zum Ausgleich kurzzeitiger Lastspitzen zu verwenden.
3. Diese Aufgaben würden mit einem System gelöst, das in Worten des mit einer Merkmalsgliederung versehenen Patentanspruchs 1 gemäß geltendem Hauptantrag ausgedrückt, folgende Merkmale aufweist:
1. System (1) zur Beladung und Entladung von mindestens einem Energiespeicher (4), z. B. Elektromobilbatterie, mit
2. einer Netzanbindung an das öffentliche Stromversorgungsnetz (2),
3. mindestens einer Schnittstelle (5) zum Inter- oder Intranet (3),
4. mindestens einer ersten Einheit (6), in der 4a die Schnittstelle (5) und 4b ein Stromanschluss (7) an das Stromversorgungsnetz (2) angeordnet sind,
5. und mindestens einer zweiten Einheit (9), in der 5a mindestens eine Internetadresse (10), 5b mindestens eine vorprogrammierte Applikation (12),
6. und mindestens eine Lade- und Entladeeinrichtung (11) mit 6a Internetzugang 6b und Stromanschluss (7) angeordnet sind,
dadurch gekennzeichnet, dass
7. mit der Applikation (12) 7a Vorgaben eingestellt werden, die in vertraglichen Bestimmungen festgelegt sind und 7b Daten zum individuellen Profil eingesehen und eingestellt werden;
8. und der Stromversorger des öffentlichen Stromversorgungsnetzes (2)
8a nach den vorangegangenen Vorgaben den mindestens einen Energiespeicher (4) bis zu einer vorgegebenen Speicherkapazität von beispielsweise etwa 50 % entlädt
8b und diese Energieentnahme vergütet,
7c wobei mittels der vorgegebenen Applikation (12) via Internet (3) die Lade- und Entladezeiten festzulegen sind.
Eine weitere Lösung sieht die Anmelderin in einem System, das in Worten des Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ausgedrückt, folgende Merkmale aufweist:
1Hi. System (1) zur Beladung und Entladung von Energiespeichern (4), von auf individuellen Stellplätzen (22) eines Parkplatzes (A, B, C, …) angeordneten Elektroautomobilen, mit
2. einer Netzanbindung an das öffentliche Stromversorgungsnetz (2)
3. mindestens einer Schnittstelle (5) zum Inter- oder Intranet (3),
4Hi. mindestens einer jeweils einem individuellen Stellplatz (22) zugeordneten ersten Einheit (6), in der
4a die Schnittstelle (5) und 4b ein Stromanschluss (7) an das Stromversorgungsnetz (2) angeordnet sind,
5. und mindestens einer zweiten Einheit (9), in der 5a mindestens eine Internetadresse (10), 5b mindestens eine vorprogrammierte Applikation (12),
6. und mindestens eine Lade- und Entladeeinrichtung (11) mit 6a Internetzugang 6b und Stromanschluss (7) angeordnet sind,
gekennzeichnet, durch
9. eine zentrale Schaltstation (17), 9a die die individuellen Stromanschlüsse (7) zum Laden- und Entladen des mindestens einen Energiespeichers (4) steuert und so mit dem öffentlichen Stromnetz (2) zu vorbestimmten Zeiten verbindet oder trennt,
10. wobei mindestens ein Ladekabel mit mindestens einer ersten Einheit (6) an jedem Stellplatz (22) angeordnet ist, wobei das Ladekabel direkt mit dem öffentlichen Netz (2) und dem Internet (2) verbunden ist,
7. wobei mit der Applikation (12) 7a Vorgaben eingestellt werden, die in vertraglichen Bestimmungen festgelegt sind und 7b Daten zum individuellen Profil eingesehen und eingestellt werden;
8. und der Stromversorger des öffentlichen Stromversorgungsnetzes (2)
8a nach den vorangegangenen Vorgaben den mindestens einen Energiespeicher (4) bis zu einer vorgegebenen Speicherkapazität von beispielsweise etwa 50 % entlädt
8b und diese Energieentnahme vergütet,
7c wobei mittels der vorgegebenen Applikation (12) via Internet (3) die Lade- und Entladezeiten festzulegen sind.
4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist daher nicht patentfähig (§ 1 Abs. 1. i. V. m. § 4 PatG):
4.1 Dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ist hinsichtlich der Applikation lediglich zu entnehmen, dass diese vorprogrammiert und auf einer zweiten Einheit angeordnet sein solle (Merkmal 5b), sowie, dass mit der Applikation Vorgaben eingestellt würden, die in vertraglichen Bestimmungen festgelegt seien (Merkmal 7a) und Daten zum individuellen Profil eingesehen und eingestellt würden (Merkmal 7b) und außerdem mittels der Applikation via Internet die Ladeund Entladezeiten festzulegen seien (Merkmal 7c).
Weder den Patentansprüchen noch einer anderen Stelle der Unterlagen ist zu entnehmen, wie die vertraglichen Bestimmungen, das individuelle Profil eines Anwenders oder Lade- und Entladezeiten ermittelt, an die Applikation übergeben und verwendet werden sollen.
Der Senat geht davon aus, dass sämtliche Einzelheiten zur Realisierung dieser Applikation im Bereich des üblichen Wissens und Könnens des Fachmanns liegen und daher die Erfindung insoweit in der Anmeldung so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs. 4 PatG).
4.2 Bei der Angabe, dass die Energieentnahme aus dem Energiespeicher durch den Stromversorger vergütet wird, handelt es sich um eine geschäftliche Tätigkeit. Gleiches gilt für das Festlegen von vertraglichen Vorgaben. Mithin handelt es sich bei den Merkmalen 7a und 8b um nicht-technische Merkmale, die bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010 – X ZR 47/07, GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topografischer Informationen; BGH, Urteil vom 23. April 2013 – X ZR 27/12, GRUR 2013, 909 – Fahrzeugnavigationssystem).
4.3 Die weiteren im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag genannten Merkmale ergeben sich in naheliegender Weise aus der Druckschrift DE 10 2009 036 943 A1 (Druckschrift D1). Aus dieser ist im Hinblick auf den Gegenstand des Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag folgendes bekannt: Ein
1. System zur Beladung (Absatz 0013) und Entladung (Absatz 0020) von mindestens einem Energiespeicher 2, z. B. Elektromobilbatterie (Absatz 0002), mit
2. einer Netzanbindung an das öffentliche Stromversorgungsnetz 6 (Absätze 0013, 0020, 0050)
3. und mindestens einer Schnittstelle zum Internet (Absatz 0021)
4. und mindestens einer ersten Einheit (vgl. Figur 1: Rechteck vor der Wand), in der
4a die Schnittstelle und 4b ein Stromanschluss an das Stromversorgungsnetz 6 angeordnet sind,
5. und mindestens einer zweiten Einheit 1, in der
5a mindestens eine Internetadresse, die angesichts der im letzten Satz des Absatzes 0055 genannten Internetverbin-
5bteils dung vorhanden sein muss und mindestens ein Rechenprogramm (Absätze 0021, 0022, 0026, 0056: „Recheneinheit 9“),
6. und mindestens einer Lade- und Entladeeinrichtung 1, 3, 5, 8, 8‘ mit
6a Internetzugang 8, 8‘ (Absätze 0021, 0055, 0059, 0061; Anspruch 7)
6b und Stromanschluss 5 angeordnet sind (Figur 2),
wobei
8. der Stromversorger des öffentlichen Stromversorgungsnetzes 6 8a den mindestens einen Energiespeicher 2 bis zu einer vorgegebenen Speicherkapazität (Absätze 0017, 0018, 0051: Parkladezustand) entlädt (Absatz 0020)
7cteils und wobei mittels des Rechenprogramms und einer Eingabevorrichtung (in der zweiten Einheit 1 oder extern, z. B. Handy oder PC) via Internet die Lade- und Entladezeiten festzulegen sind (Absätze 0021, 0022, 0026, 0059 und insbesondere Absatz 0023, letzter Satz).
Diese technischen Merkmale des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag sind bereits durch die Druckschrift D1 vorweggenommen.
Das aus der Druckschrift D1 bekannte Ladegerät mit Rechenprogramm und Eingabetastatur so zu modifizieren bzw. auszubilden, dass der Benutzer seine Eingaben besonders einfach über eine „Applikation“ vornehmen und die entsprechenden Einstellungen jederzeit darüber einsehen kann (Reste der Merkmale 5b, 7c, Merkmale 7, 7b), geht über fachmännisches Vorgehen nicht hinaus.
5. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag beruht gegenüber dem Stand der Technik ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist daher nicht patentfähig (§ 1 Abs. 1. i. V. m. § 4 PatG).
5.1 Hinsichtlich der Applikation sowie der nicht-technischen Merkmale gelten die vorstehenden Ausführungen zum Hauptantrag.
5.2 Nach Bekunden der Anmelderin hat die im Merkmal 9 genannte zentrale Schaltstation lediglich die Funktion, die einzelnen Stromanschlüsse ein- und auszuschalten (Merkmal 9a). Die eigentliche Laderegelung des Energiespeichers werde von dem ohnehin vorhandenen Onboard-Steuergerät übernommen, das über seine bereits bekannte Funktion hinaus auch die zur Abrechnung mit dem Stromversorger erforderlichen Daten ermittle und an einen zentralen Server übertrage (vgl. Seite 6, vorletzter Satz der ursprünglichen Unterlagen).
Demnach kann es sich bei der zentralen Schaltstation um einen üblichen Schaltschrank handeln, in dem für jeden Stellplatz ein Niederspannungsschalter vorgesehen ist. Im einfachsten Fall erfüllt auch ein einfacher elektrischer Verteiler – umgangssprachlich: Sicherungskasten – die Funktion der zentralen Schaltstation.
Nach Überzeugung des Senats würde der Fachmann vorschriftswidrig handeln, würde er nicht für jeden einzelnen Stromanschluss eine individuelle Schaltmöglichkeit oder zumindest eine Absicherung vorsehen, so dass die Merkmale 9 sowie 9a Selbstverständlichkeiten darstellen.
5.3 Die weiteren im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag genannten Merkmale ergeben sich zumindest in naheliegender Weise aus der Zusammenschau der Druckschriften DE 10 2011 087 407 A1 (D9) und DE 10 2009 036 943 A1 (D1):
In der Druckschrift D9 ist ein
1Hi. System zur Beladung und Entladung von Energiespeichern, von auf individuellen Stellplätzen eines Parkplatzes angeordneten Elektroautomobilen (Absätze 0001, 0005, 0012, 0026) mit
2. einer Netzanbindung an das öffentliche Stromversorgungsnetz (Absatz 0006)
3. mindestens einer Schnittstelle zu einem Datenverarbeitungssystem (In den Absätzen 0008, 0013 bis 0016 ist das Internet oder Intranet zwar nicht explizit genannt, bei der Erwähnung einer
„Kommunikationsverbindung, z. B. Telefonverbindung, Fernwirkstrecke etc.“ denkt der Fachmann selbstverständlich auch an eine Inter- oder Intranetverbindung.)
4Hi. mindestens einer jeweils einem individuellen Stellplatz zugeordneten ersten Einheit (LS1, LS2 … LSn),
4a in der die Schnittstelle und 4b ein Stromanschluss an das Stromversorgungsnetz (2) angeordnet sind (Absatz 0027),
als bekannt vorausgesetzt. Die fahrzeugseitigen Einzelheiten, die auch bei dem System gemäß Druckschrift D9 unabdingbar sind, sind in dieser Druckschrift zwar nicht beschrieben. Wie bereits zum Hauptantrag dargelegt, kennt der Fachmann diese fahrzeugseitigen Komponenten jedoch bereits aus der Druckschrift D1 (vgl. die vorstehenden Ausführungen zu den entsprechenden Merkmalen).
Darüber hinaus offenbart die Druckschrift D1 ausweislich der zeichnerischen Darstellung ein Ladekabel mit einer ersten Einheit, das an dem Stellplatz angeordnet ist, wobei das Ladekabel direkt mit dem öffentlichen Netz und dem Internet verbunden ist (Merkmal 10).
5.4 Der von der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung als erfindungswesentlich geltend gemachte Vorteil, durch die Verwendung von IPAdressen für die einzelnen Energiespeicher werde es möglich, diese in das Lastflussmanagement einzubinden, da erst so dem Netzbetreiber der jeweilige physikalische Standort der Energiespeicher bekannt werde, konnte zu keiner anderen Beurteilung führen.
Der Zusammenhang zwischen einem Lastflussmanagement in einem Ortsverteilnetz und der Anbindung der Automobilbatterien an das Internet ist in den ursprünglichen Unterlagen nicht beschrieben und konnte daher auch nicht als erfin- dungswesentliches Merkmal in die unabhängigen Patentansprüche aufgenommen bzw. bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt werden.
6. In den jeweiligen nebengeordneten Patentansprüchen gemäß Haupt- und Hilfsantrag sind keine technischen Merkmale genannt, die über die in den jeweiligen Patentansprüchen 1 genannten hinausgingen. Daher gelten die vorstehenden Ausführungen auch für die Patentansprüche 9 und 12 gemäß Hauptantrag sowie für den Patentanspruch 11 gemäß Hilfsantrag.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. 5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind. 6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck RiBPatG J. Müller ist wegen Urlaubs gehindert, seine Unterschrift beizufügen Matter Kleinschmidt Pr