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StB 37/21

BUNDESGERICHTSHOF StB 37/21 BESCHLUSS vom 30. November 2021 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland ECLI:DE:BGH:2021:301121BSTB37.21.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 30. November 2021 gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:

Die Beschwerde der Beschuldigten gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 29. Juli 2021 (2 BGs 334/21) wird verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

Der Generalbundesanwalt führt gegen die Beschwerdeführerin ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland ("Islamischer Staat"), strafbar nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 StGB. Auf seinen Antrag hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am 29. Juli 2021 - nach einer bereits zwei Tage zuvor vorgenommenen Durchsuchung - erneut die Durchsuchung der Person der Beschuldigten, ihrer mitgeführten Sachen, der von ihr genutzten Wohn- und Nebenräume sowie darüber hinaus des von ihr genutzten Spindes an ihrem Arbeitsplatz nach näher beschriebenen Beweismitteln, insbesondere zur Sicherstellung zweier konkret bezeichneter SIM-Karten zu zwei Mobilfunknummern, angeordnet.

Nach Vornahme der Durchsuchung am 30. Juli 2021 hat die Beschuldigte gegen den Durchsuchungsbeschluss Beschwerde eingelegt. Sie begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme und macht geltend, der gegen sie gerichtete Anfangsverdacht lasse "sich kaum konstruieren". Die Anordnung der Durchsuchung ihrer Wohnung sowie ihres Spindes am Arbeitsplatz sei weder erforderlich noch verhältnismäßig. Sie habe vor der Durchsuchungsanordnung selbst auf das Vorhandensein einer weiteren, in ihrem Besitz befindlichen SIMKarte hingewiesen und angeboten, diese zum Zweck der Sicherstellung und Auswertung auszuhändigen. Die Durchsuchungsmaßnahme verstoße damit neben Art. 13 Abs. 1 GG gegen Art. 12 Abs. 1 GG.

Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Ergänzend hat er ausgeführt, dass die Beschuldigte nach der ersten Durchsuchung am 27. Juli 2021 gegenüber einer Zeugin telefonisch angegeben habe, die Polizei habe ihr aktuelles Mobiltelefon nicht auffinden können, da sie es zuvor versteckt habe; dies sei ihm bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses vom 29. Juli 2021 auch bekannt gewesen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel erweist sich als unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnung (§§ 102, 105 StPO) lagen vor.

1. Es bestand ein auf konkreten Tatsachen beruhender Verdacht einer Straftat.

a) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es - unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit - nicht (st. Rspr.; BVerfG, Beschluss vom 7. September 2006 - 2 BvR 1219/05, NJW 2007, 1443 Rn. 15; BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2021 - StB 9/20 u.a., juris Rn. 9 mwN; vom 5. Juni 2019 - StB 6/19, juris Rn. 7 mwN; LR/Tsambikakis, StPO, 27. Aufl., § 103 Rn. 1). Ein solcher ausreichend konkreter Verdacht kann durch die Angaben des Beschuldigten begründet werden, zumal die Durchsuchung in einem frühen Stadium des Ermittlungsverfahrens auch dazu dienen kann, die Qualität der Angaben zu überprüfen, und neben der Belastung zur Entlastung des Beschuldigten beizutragen vermag.

b) Nach diesen Maßstäben lagen zureichende Gründe für den Verdacht vor, die Beschuldigte habe zu einem derzeit nicht näher bestimmten Zeitpunkt Ende 2019 oder Anfang 2020 eine terroristische Vereinigung im Ausland durch Zurverfügungstellen von Kommunikationsmitteln in Form eines Nutzerkontos des Messengerdienstes Telegram an das IS-Mitglied D. und durch die Übersendung eines Geldbetrages in Höhe von mindestens 400 € an diese unterstützt. Ob durch die Übermittlung des Geldes an ein IS-Mitglied darüber hinaus die weiteren Tatbestände des Zuwiderhandelns gegen ein unionsrechtliches Bereitstellungsverbot für den Außenwirtschaftsverkehr gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AWG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1091/2013 der Kommission vom 4. November 2013 - im Amtsblatt der Europäischen Union L 293 S. 36 veröffentlicht am 5. November 2013 - und der Terrorismusfinanzierung nach § 89c Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt sind, bedarf hier keiner näheren Betrachtung.

aa) Der Anfangsverdacht gegen die Beschuldigte gründet sich auf folgende hinreichende Anhaltspunkte:

9

(1) Die Mitgliedschaft der gesondert Verfolgten D.

in der außereuropäischen terroristischen Vereinigung "IS" seit Ende 2014 ergibt sich zum einen aus dem Chatverkehr zwischen ihr und der Beschuldigten. Zum anderen wird dieser Umstand durch die Angaben der Beschuldigten als Zeugin in ihren Vernehmungen vom 20. November 2019, vom 12. Dezember 2019 und vom

27. Dezember 2019 in dem Ermittlungsverfahren gegen die gesondert Verfolgte belegt, nachdem sich die Beschuldigte aus eigenem Antrieb an das Polizeipräsidium B. gewandt hatte, um aktuelle Erkenntnisse aus ihrer Kommunikation mit dieser mitzuteilen.

(2) Dass die Beschuldigte seit Juni 2019 in regelmäßigem Kontakt zu der gesondert Verfolgten stand und wusste, dass diese zur Tatzeit Mitglied der Vereinigung war, wird durch die eigenen Angaben der Beschuldigten in den vorgenannten Vernehmungen belegt.

(3) Der Verdacht, dass die Beschuldigte einen Telegram-Account selbst vollständig unter Eingabe des Codes einrichtete und im Folgenden die Nutzerdaten an die gesondert Verfolgte übergab, die diesen fortan nutzte, ergibt sich aus der Auswertung des bei der Beschuldigten am 23. April 2020 sichergestellten Mobiltelefons und der am 28. April 2020 sichergestellten SIM-Karte, mit welchen die Beschuldigte nach eigenen Angaben mit der gesondert Verfolgten kommunizierte. Auf dem Mobiltelefon der Beschuldigten ist ein Telegram-Account mit dem Benutzernamen "A. " als Inhaberin des Accounts festgestellt worden, der nach den bisherigen Ermittlungen der gesondert Verfolgten zuzuordnen ist.

(4) Die bei der Beschuldigten durchgeführte Telefonüberwachung hat zudem ergeben, dass sie der Zeugin S. in einem Telefonat vom 16. Februar 2021 berichtete, weiterhin Kontakt zur gesondert Verfolgten zu haben und diese auch nach wie vor durch Geldtransfers finanziell zu unterstützen, indem sie ihr zuletzt einen Geldbetrag in Höhe von 400 € oder 500 € geschickt habe.

(5) Zu den weiteren Einzelheiten der den Tatverdacht begründenden Umstände wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 16. Juni 2021 und in den Beschlüssen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 21. Januar 2021 (2 BGs 76/21), vom 23. Februar 2021 (2 BGs 137/21) und vom 22. Juni 2021 (2 BGs 271/21) Bezug genommen.

bb) In rechtlicher Hinsicht ist die Tat, derer die Beschuldigte verdächtig ist, als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB zu beurteilen.

Eine terroristische Vereinigung unterstützt, wer, ohne selbst Mitglied der Organisation zu sein, deren Tätigkeit und terroristische Bestrebungen direkt oder über eines ihrer Mitglieder fördert. Dabei kann sich die Förderung richten auf die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt, auf die Erleichterung einzelner von ihr geplanter Straftaten, aber auch allgemein auf die Erhöhung ihrer Aktionsmöglichkeiten oder die Stärkung ihrer kriminellen Zielsetzung. Nicht erforderlich ist, dass der Organisation durch die Tathandlung ein messbarer Nutzen entsteht. Vielmehr genügt es, wenn die Förderungshandlung an sich wirksam ist und der Organisation irgendeinen Vorteil bringt; ob dieser Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang (BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 134).

Nach der maßgeblichen Verdachtslage stellte die Beschuldigte der gesondert Verfolgten, einem IS-Mitglied, Kommunikationsmittel in Form eines Nutzerkontos des Messengerdienstes Telegram zur Verfügung und versetzte sie damit in die Lage, mit anderen IS-Mitgliedern und sonstigen Kontaktpersonen in Syrien zu kommunizieren und Nachrichten über das Internet zu verbreiten. Die Möglichkeiten des Zugriffs auf das Internet sowie die Zugriffszeiten sind im Krisengebiet begrenzt. Vor dem Hintergrund, dass Kommunikations- und Internetprovider bestehende Konten schließen, sobald sich Hinweise auf eine Nutzung in Syrien oder im Irak ergeben, sind die IS-Mitglieder vor Ort auf die Bereitstellung entsprechender Medien angewiesen, die keine unmittelbaren Rückschlüsse auf den Nutzer ermöglichen. Danach stellte die Beschuldigte Kommunikationsmittel - namentlich mit deutschen Mobilfunkrufnummern verknüpfter und durch die Beschuldigte eingerichteter Telegram-Accounts - naheliegend zur Verfügung, um der gesondert Verfolgten in Syrien funktionsfähige Kommunikationswege zu eröffnen und damit die Aktionsmöglichkeiten der terroristischen Vereinigung im Krisengebiet zu erhöhen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2021 - AK 6/21, juris Rn. 35; vom 26. Juni 2019 - AK 32/19, juris Rn. 22 mwN). Zudem eröffnete die Beschuldigte der gesondert Verfolgten durch die Übermittlung des Geldbetrages die Möglichkeit, Waffen, Kleidung, Lebensmittel und sonstige Ausrüstungsgegenstände zu erwerben.

c) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Unterstützern des IS liegt vor.

d) Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts und damit auch diejenige des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs ist gemäß § 142a Abs. 1 Satz 1, § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG gegeben.

2. Die Anordnung der Durchsuchung entsprach - auch unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Belange der Beschuldigten - dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

a) Sie war zur Ermittlung der Taten geeignet und erforderlich, da - wie der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs zutreffend ausgeführt hat - unter den gegebenen Umständen zu erwarten war, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Gegenständen führen würde, mit deren Hilfe eine Strafbarkeit der Beschuldigten nachgewiesen oder diese entlastet werden konnte.

Die erneute Durchsuchung der Wohnung der Beschuldigten und des von ihr genutzten Spindes am Arbeitsplatz war erforderlich, um weitere - aktuelle SIM-Karten der Beschuldigten aufzufinden. Soweit ihr Verteidiger in der Beschwerdebegründung vorgebracht hat, die Beschuldigte habe von sich aus auf das Vorhandensein einer weiteren in ihrem Besitz befindlichen alten SIM-Karte in ihrem Spind hingewiesen, steht dies der Erforderlichkeit der Durchsuchungsmaßnahme nicht entgegen. Denn das Polizeipräsidium B. hatte durch eine Abfrage nach §§ 112, 113 TKG festgestellt, dass die Beschuldigte noch über beide SIM-Karten zu derzeitigen Rufnummern verfügt, die bei der ersten Durchsuchungsmaßnahme am 27. Juli 2021 nicht aufgefunden worden waren. Der sich hieraus ergebende Verdacht, dass die Beschuldigte beide SIM-Karten verheimlicht, wird durch ein weiteres Gespräch der Beschuldigten mit der Zeugin S. nach der ersten Durchsuchung bestärkt. In diesem teilte die Beschuldigte mit, die Polizei habe ihr aktuelles Mobiltelefon nicht auffinden können, da sie es zuvor versteckt habe. Es war vor diesem Hintergrund nicht zu erwarten, dass sie beide SIM-Karten freiwillig den Ermittlungsbehörden aushändigt.

b) Die angeordnete Durchsuchung stand zudem in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere der aufzuklärenden Straftaten und der Stärke des aufgezeigten Tatverdachts. Das Gewicht des in Rede stehenden Delikts ist erheblich. Bereits die einmalige Unterstützung einer terroristischen Vereinigung i.S.v. § 129a Abs. 5 Satz 1 Alternative 1 StGB stellt ein Vergehen mit erhöhter Mindeststrafe dar und eröffnet einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe.

Schäfer Berg Voigt

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