XI ZR 36/20
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES XI ZR 36/20 URTEIL in dem Rechtsstreit Verkündet am: 11. Mai 2021 Mazurkiewicz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2021:110521UXIZR36.20.0 Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat gemäß § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 6. April 2021 eingereicht werden konnten, durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, den Richter Dr. Matthias, die Richterin Dr. Menges, den Richter Dr. Schild von Spannenberg und die Richterin Dr. Allgayer für Recht erkannt:
Der Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.
Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen der Beschluss des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Dezember 2019 aufgehoben, soweit nicht das Berufungsgericht die Berufung betreffend den Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs zurückgewiesen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers.
Der Kläger schloss im August 2016 mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über einen Nennbetrag von 22.522,68 € zu einem Sollzinssatz von 3,92% p.a. (effektiv 3,99%). Der Kläger finanzierte mittels des Darlehens und einer Anzahlung in Höhe von 3.000 € den Kauf eines Audi A3 in Höhe von insgesamt 23.490 €. Außerdem finanzierte er die Prämien für eine Ratenschutzversicherung ("RSV") in Höhe von 1.353,63 € und für eine Kaufpreisversicherung ("KVRS-Versicherung") in Höhe von 679,05 €. Nicht mitfinanziert wurde ein "GAP-Plus-Versicherungsvertrag".
Bei Abschluss des Darlehensvertrags informierte die Beklagte den Kläger über sein Widerrufsrecht wie folgt:
Unter dem 24. März 2018 widerrief der Kläger seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.
Seine Klage auf Feststellung, dass seine "primären Leistungspflichten" aus dem Darlehensvertrag aufgrund des Widerrufs "erloschen" seien, auf Zahlung von 11.617,75 € (erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen plus Anzahlung) Zug um Zug gegen, hilfsweise nach Herausgabe des Fahrzeugs, auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und auf Feststellung ihrer Verpflichtung zur Rückgewähr weiter erbrachter Leistungen hat das Landgericht abgewiesen. Über eine Hilfswiderklage der Beklagten hat es nicht entschieden. Die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht nach Erteilung eines Hinweises durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers, mit der er seine Anträge weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat teilweise Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Beklagte habe bei Vertragsschluss sämtliche erforderlichen Pflichtangaben ordnungsgemäß erteilt, so dass die Widerrufsfrist wie im Gesetz vorgesehen angelaufen und bei Ausübung des Widerrufsrechts abgelaufen gewesen sei. Soweit der Kläger moniere, unklar und unverständlich über sein Widerrufsrecht informiert worden zu sein, greife zugunsten der Beklagten die Gesetzlichkeitsfiktion des gesetzlichen Musters.
II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat aber zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB resultierende Verpflichtung, über das nach § 495 Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren, ordnungsgemäß erfüllt.
1. Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist die dem Kläger erteilte Widerrufsinformation fehlerhaft, weil die in ihr enthaltene Verweisung auf "alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB" zwar nach den Maßstäben des nationalen Rechts klar und verständlich i.S.d. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ist, dies aber im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40, und ABl. 2011, L 234, S. 46) in Bezug auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge bei einer richtlinienkonformen Auslegung gleichwohl zu verneinen ist (vgl. Senatsurteile vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 13 ff. und vom 10. November 2020 - XI ZR 426/19, WM 2021, 44 Rn. 14 ff.).
2. Die Beklagte kann sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen. Dies setzt voraus, dass die Widerrufsinformation der Beklagten dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB entspricht. Dies ist, was der Senat durch einen Vergleich selbst feststellen kann (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 Rn. 26), nicht der Fall.
In der Widerrufsinformation hat die Beklagte bei der Unterüberschrift "Besonderheiten bei weiteren Verträgen" als mit dem Darlehensvertrag verbundenen Vertrag nicht nur den Fahrzeugkaufvertrag, die Ratenschutzversicherung und die Kaufpreisversicherung, sondern - zu Unrecht - auch einen "GAP-Plus-Versicherungsvertrag" angegeben. Einen solchen Vertrag hat der Kläger nicht abgeschlossen. Zwar sind optionale Bestandteile in der Widerrufsinformation zulässig, wenn hinreichend konkret angegeben ist, ob sie einschlägig sind (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2016 - XI ZR 101/15, BGHZ 209, 86 Rn. 42 ff.), ohne dass dadurch die Musterkonformität in Frage steht. An einer solchen Angabe fehlt es hier aber.
Dass die Beklagte in die Widerrufsinformation den Zusatz "- soweit abgeschlossen -" eingefügt hat, lässt hier anders als bei Ankreuzoptionen (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2016 - XI ZR 101/15, BGHZ 209, 86 Rn. 42 f.) nicht erkennen, was im konkreten Fall gilt.
III.
Der Zurückweisungsbeschluss erweist sich nur insoweit aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO), als das Berufungsgericht den Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs zurückgewiesen hat, weil sich die Beklagte nach den Maßgaben des Senatsurteils vom 27. Oktober 2020 (XI ZR 498/19,
BGHZ 227, 253 Rn. 24) in keinem Fall in Annahmeverzug befindet. In diesem Umfang weist der Senat, der mangels klärungsbedürftiger unionsrechtlicher Fragen keinen Anlass hat, den Rechtsstreit im Hinblick auf ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach § 267 AEUV auszusetzen, die Revision des Klägers zurück (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Im Übrigen hebt der Senat den Zurückweisungsbeschluss auf (§ 562 ZPO) und verweist die Sache zur Klärung sonstiger Einwendungen und Einreden der Beklagten (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 27 f.) an das Berufungsgericht zurück (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ellenberger Matthias Schild von Spannenberg Allgayer Menges Vorinstanzen: LG Wuppertal, Entscheidung vom 20.03.2019 - 3 O 310/18 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 30.12.2019 - I-16 U 97/19 -