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StB 37/25

BUNDESGERICHTSHOF StB 37/25 BESCHLUSS vom 21. August 2025 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit ECLI:DE:BGH:2025:210825BSTB37.25.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin und ihres Verteidigers am 21. August 2025 gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:

1. Die Beschwerde der Beschuldigten gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 2. Juli 2025 (1 BGs 1375/25) wird verworfen.

2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I. 1 Der Generalbundesanwalt führt gegen die Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit, strafbar nach § 99 Abs. 1 StGB. Auf seinen Antrag hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am 2. Juli 2025 die Durchsuchung der Person der Beschuldigten, der von ihr genutzten Wohn- und Nebenräume einschließlich der dazugehörigen Kellerräume sowie Garagen nach näher beschriebenen Beweismitteln angeordnet. 2 Die Durchsuchung, anlässlich derer die in der Beschwerdeschrift aufgeführten Gegenstände vorläufig sichergestellt worden sind, ist am 9. Juli 2025 vollzogen worden. Am selben Tag hat der Generalbundesanwalt beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs die Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht der Gegenstände beantragt.

Unter dem 21. Juli 2025 hat die Beschuldigte „gegen den Durchsuchungsbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 2. Juli 2025 sowie gegen die erfolgte Sicherstellung/Beschlagnahme“ mit der Begründung Beschwerde eingelegt, sie sei als Verwaltungsangestellte und nicht als „Ortskraft“ für das Generalkonsulat der Republik Türkei in Hürth tätig, weshalb für sie nach der Regelung des Art. 43 Abs. 1 WÜK Immunität bestehe. Darüber hinaus handele es sich bei den sichergestellten Gegenständen um solche, die sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit verwende, weshalb diese im Hinblick auf die Regelung des Art. 33 WÜK nicht hätten sichergestellt werden dürfen und herauszugeben seien.

Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat mit Verfügung vom 25. Juli 2025 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zudem hat er mit Beschluss vom selben Tag (1 BGs 1391/25) die vorläufige Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht bestätigt.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 304 Abs. 5 StPO zulässig, aber unbegründet, soweit sie sich gegen die Durchsuchungsanordnung richtet. Soweit sich die Beschuldigte gegen die „erfolgte Sicherstellung/Beschlagnahme“ wendet und die Herausgabe der vorläufig sichergestellten Gegenstände beantragt, ist das Rechtsmittel bereits unzulässig.

1. a) Die Beschwerde richtet sich zunächst gegen die Durchsuchungsanordnung als solche. Ihrer Zulässigkeit steht insoweit nicht entgegen, dass die Maßnahme bereits vollzogen ist. Denn die Durchsuchung dauert angesichts der noch nicht abgeschlossenen Durchsicht vorläufig sichergestellter elektronischer Speichermedien an (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. September 2023 – StB 40/23, juris Rn. 8; vom 16. Mai 2023 – StB 20/23, juris Rn. 4 mwN).

b) Das Rechtsmittel ist jedoch prozessual überholt und daher unzulässig, soweit die Beschuldigte sich gegen die vorläufige Sicherstellung der in der Beschwerdeschrift aufgeführten Gegenstände wendet und deren Herausgabe begehrt.

Infolge der ermittlungsrichterlichen Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht gemäß § 110 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog ist der Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 25. Juli 2025, bei dem es sich um eine rechtsmittelfähige Entscheidung im Sinne des § 304 Abs. 5 StPO handelt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Mai 2021 – StB 21/21, NStZ 2021, 623 Rn. 6; vom 31. Juli 2018 – StB 4/18, StV 2019, 617 Rn. 9 f.), als Grundlage des Sichtungsverfahrens an die Stelle des Durchsuchungsbeschlusses getreten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Juni 2018 – 2 BvR 1405/17 u.a., NJW 2018, 2385 Rn. 59). Der hierfür vorgesehene Rechtsschutz hat Vorrang (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2022 – StB 17/22, BGHR StPO § 304 Abs. 5 Rechtsschutzbedürfnis 2 Rn. 12).

2. Soweit die Beschwerde zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg.

a) Es besteht kein Verfahrenshindernis. Eine Immunität der Beschuldigten folgt weder aus dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 (WÜK) noch aus einer allgemeinen Funktionsträgerimmunität.

aa) Die Beschuldigte ist türkische Staatsangehörige. Sie reiste am 1. April 1995 infolge einer Familienzusammenführung in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie seitdem durchgängig wohnhaft ist. Spätestens seit dem Jahr 2005 verfügt sie über einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Im Jahr 2012 stellte das Generalkonsulat der Republik Türkei in Hürth die Beschuldigte „als vom deutschen Arbeitsmarkt angeworbene Ortskraft“ ein. Die bis heute fortdauernde Tätigkeit umfasst insbesondere die allgemeine Unterstützung des weiteren konsularischen Personals, die Durchführung von Recherchen und Nachforschungen sowie das Anfertigen von Berichten.

bb) Auf dieser Grundlage ist die Beschuldigte von der deutschen Gerichtsbarkeit nicht nach Maßgabe des WÜK (§ 19 GVG) befreit.

(1) Die Regelungen des WÜK sind auf die Beschuldigte unmittelbar anzuwenden, da sie Bedienstete des Verwaltungspersonals im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Buchst. e WÜK ist. Hierunter fallen nach dem Gesetzeswortlaut sämtliche in dieser Eigenschaft in der konsularischen Vertretung beschäftigte Personen. Die Beschuldigte, die auf Grundlage eines jährlich neu geschlossenen Arbeitsvertrages Tätigkeiten im Bereich der Verwaltung wahrnimmt, wird daher unmittelbar von dem Anwendungsbereich der Norm erfasst.

Dem steht nicht entgegen, dass sie als sogenannte Ortskraft auf dem lokalen Arbeitsmarkt angeworben wurde und nicht der Stellenrotation des ausländischen Auswärtigen Dienstes unterliegt (zur Definition des Begriffs vgl. Rundschreiben des Auswärtigen Amtes vom 15. September 2015, Zur Behandlung von Diplomaten und anderen bevorrechtigten Personen in der Bundesrepublik Deutschland, Teil 1 B. 2.5. und 2.12.). Insoweit unterscheidet Art. 1 Abs. 1 Buchst. e WÜK bei Eröffnung seines Anwendungsbereichs nicht zwischen solchen Bediensteten, die bereits bei ihrer Entsendung angestellt sind und einer Stellenrotation unterliegen, und solchen, die erst am Ort der Vertretung unter Vertrag genommen werden und hier durchgängig beschäftigt sind (für eine unmittelbare Anwendung des WÜK vgl. auch BSG, Urteil vom 29. Januar 2002

– B 10/14 EG 1/00 R, BSGE 89, 124; BayLSG, Urteil vom 23. Oktober 2018 – L 9 EG 32/17, juris; BFH, Urteil vom 8. August 2013 – VI R 45/12, BFHE 242, 349; FG Düsseldorf, Urteil vom 23. Juni 2006 – 18 K 1773/05 Kg, juris; so wohl auch Richtsteig, Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen, 2. Aufl., Art. 71 WÜK Nr. 3 Buchst. b).

Einer solchen Auslegung steht das Rundschreiben des Auswärtigen Amtes vom 15. September 2015, Zur Behandlung von Diplomaten und anderen bevorrechtigten Personen in der Bundesrepublik Deutschland, nicht entgegen. Zwar könnte dies derart zu verstehen sein, dass „Ortskräfte“ dem unmittelbaren Anwendungsbereich des WÜK nicht unterfallen. Denn nach dem Rundschreiben genießen „Ortskräfte“ in der Bundesrepublik Deutschland keine Vorrechte und Befreiungen, da sie wie ständig Ansässige (im Sinne des Art. 71 WÜK) behandelt werden, denen aus gesandtschaftsrechtlicher Sicht kein Sonderstatus erteilt werden muss, für die aber Raum für eine analoge Anwendung des Art. 71 Abs. 1 WÜK bestehen könnte (vgl. Teil 1 B. 2.12.). Dem Rundschreiben kommt eine – auch nur eingeschränkte – normative Bindungswirkung jedoch nicht zu. Vielmehr handelt es sich lediglich um (wenn auch gewichtige) Auslegungsempfehlungen beziehungsweise Anwendungshilfen des auf die Rechtsmaterie spezialisierten Fachministeriums (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2018 – StB 43/18 u.a., BGHR WÜD Art. 40 Drittstaat 1 Rn. 20; LR/Berg, StPO, 27. Aufl., § 18 GVG Rn. 5; MüKoStPO/Schuster, 2. Aufl., § 19 GVG Rn. 18; Schmitt/Köhler/Schmitt, StPO, 68. Aufl., § 18 GVG Rn. 7a).

(2) Entgegen der Ansicht der Beschuldigten folgt aus der unmittelbaren Anwendbarkeit des WÜK nicht, dass für sie nach Art. 43 Abs. 1 WÜK Immunität besteht. Zwar unterliegen nach Art. 43 Abs. 1 WÜK Konsularbeamte und Bedienstete des Verwaltungs- oder technischen Personals wegen Handlungen, die in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben vorgenommen worden sind, weder der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaats noch Eingriffen seiner Verwaltungsbehörden. Dies gilt aber nicht für Mitglieder der konsularischen Vertretungen – zu denen nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. g WÜK auch die Bediensteten des Verwaltungsoder technischen Personals zählen –, die Angehörige des Empfangsstaats oder dort ständig ansässig sind. Diesen kommt nach den Regelungen des WÜK eine Sonderstellung zu, weshalb auf sie nicht Art. 43 Abs. 1 WÜK, sondern gemäß Art. 1 Abs. 3 WÜK die Regelung des Art. 71 WÜK Anwendung findet.

Ständig ansässig in diesem Sinne ist eine Person insbesondere, wenn sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie angestellt wird, bereits längere Zeit im Empfangsstaat ihren Wohnsitz hat (vgl. Richtsteig, Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen, 2. Aufl., Art. 71 WÜK Nr. 3 Buchst. a; Rundschreiben des Auswärtigen Amtes vom 15. September 2015, Zur Behandlung von Diplomaten und anderen bevorrechtigten Personen in der Bundesrepublik Deutschland, Teil 1 B 2.7. und 2.8.3.). So liegt es bei der Beschuldigten, weshalb für sie Art. 71 WÜK gilt. Hieran ändern die von der Beschuldigten dargelegten Klauseln ihres gegenwärtigen Arbeitsvertrages nichts.

(3) Nach Art. 71 Abs. 1 WÜK genießen Konsularbeamte, die Angehörige des Empfangsstaats oder dort ständig ansässig sind, lediglich Immunität von der Gerichtsbarkeit und persönliche Unverletzlichkeit wegen ihrer in Wahrnehmung ihrer Aufgaben vorgenommenen Amtshandlungen. Anderen Mitgliedern der konsularischen Vertretung, die Angehörige des Empfangsstaats oder dort ständig ansässig sind, stehen Erleichterungen, Vorrechte und Immunitäten nur in dem vom Empfangsstaat zugelassenen Umfang zu (Art. 71 Abs. 2 WÜK). Da die Beschuldigte nicht Konsularbeamtin ist, sondern als Bedienstete den anderen Mitgliedern der konsularischen Vertretung in diesem Sinne angehört, findet auf sie die Regelung des Art. 71 Abs. 2 WÜK Anwendung. Demnach besteht für sie keine Immunität, da die innerstaatliche Rechtsordnung in Deutschland eine weitergehende Privilegierung nicht vorsieht (vgl. Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, Band I, 2007, S. 469 f.).

(4) Eine Immunität käme der Beschuldigten auch bei analoger Anwendung der Regelungen des WÜK nicht zu, da eine vergleichbare Interessenslage lediglich mit dem Personenkreis nach Art. 71 Abs. 2 WÜK, nicht aber (auch) mit demjenigen des Art. 71 Abs. 1 WÜK vorliegt. Die Beschuldigte übt Verwaltungstätigkeit entsprechend einer Bediensteten des Verwaltungspersonals gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. e WÜK aus, weshalb sie wie eine Bedienstete des Verwaltungspersonals, nicht aber wie eine Konsularbeamtin zu behandeln wäre. Dies entspricht auch der mit E-Mail vom 10. Juli 2025 dargelegten Auffassung des Auswärtigen Amtes im konkreten Fall.

cc) Es besteht auch kein gemäß Art. 25 GG und § 20 Abs. 2 Satz 1 GVG beachtliches Verfahrenshindernis der allgemeinen Funktionsträgerimmunität als Folge der Staatenimmunität, da diese bei Spionage nicht gilt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Mai 1995 – 2 BvL 19/91 u.a., BVerfGE 92, 277, 321; BGH, Beschluss vom 27. August 2024 – StB 54/24, NJW 2024, 3003 Rn. 23 mwN; Kreicker, ZIS 2014, 129, 132; LR/Berg, StPO, 27. Aufl., § 20 GVG Rn. 4).

b) Die Voraussetzungen für die gegen die Beschwerdeführerin als Beschuldigte gerichtete Durchsuchungsanordnung lagen vor (§§ 102, 105 StPO).

aa) Gegen die Beschuldigte war ein die Durchsuchung nach § 102 StPO rechtfertigender Anfangsverdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit gemäß § 99 Abs. 1 StGB gegeben.

(1) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es – unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit – nicht (st. Rspr.; s. etwa BVerfG, Beschluss vom 7. September 2006 – 2 BvR 1219/05, BVerfGK 9, 149, 153; BGH, Beschluss vom 5. Juni 2019 – StB 6/19, juris Rn. 7 mwN).

(2) Daran gemessen lagen bei Erlass des angefochtenen Beschlusses zureichende Gründe für einen die Durchsuchung rechtfertigenden Tatverdacht vor.

(a) In diesem Sinne war von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Am Generalkonsulat der Republik Türkei in Hürth ist eine Legalresidentur des nationalen türkischen Inlands- und Auslandsnachrichtendienstes Millî İstihbarat Teşkilatı (MIT) angesiedelt, die mit hauptamtlichen Mitarbeitern des MIT besetzt ist. Der MIT dient der türkischen Regierung, dem Staatspräsidenten und dessen Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) zur Durchsetzung der Regierungspolitik, der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und der Informationsbeschaffung. In seinem Fokus stehen vor allem Organisationen, welche die Türkei als extremistisch oder terroristisch einstuft, darunter die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK). Zudem sammelte der MIT zuletzt vermehrt Informationen zu (vermeintlichen) islam- und türkeifeindlichen Aktivitäten.

Im Rahmen ihrer Tätigkeit im türkischen Konsulat war die Beschuldigte jedenfalls auch mit Sachverhalten von sicherheits- bzw. nachrichtendienstlicher Relevanz beschäftigt. Sie unterstützte die Mitarbeiter des MIT logistisch und administrativ, führte Recherchen durch und verfasste Berichte, die infolge der Organisationsstruktur der türkischen Konsulate und Sicherheitsbehörden jedenfalls mittelbar an den MIT übersandt wurden, was die Beschuldigte wusste und billigte. Zudem besuchte sie Veranstaltungen, die durch das türkische Konsulat als kritisch bewertet wurden, beobachtete diese und verfasste im Anschluss hieran ebenfalls Berichte.

Spätestens seit dem Jahr 2021 standen die Beschuldigte und die als Polizistin beim Polizeipräsidium in Köln tätige Mitbeschuldigte T. in regelmäßigem Kontakt, wobei beide sowohl über Telefonie als auch verschlüsselte Messenger-Dienste miteinander kommunizierten. Jedenfalls im Zeitraum vom 29. März 2024 bis zum 27. Februar 2025 leitete die Mitbeschuldigte T. auf diesem Weg aus Köln und mutmaßlich weiteren Orten teilweise auf Nachfrage der Beschuldigten, teilweise aus eigener Initiative wiederholt dienstinterne Informationen und Bewertungen an sie weiter. Die Informationen betrafen vor allem islam- und türkeifeindliche Vorfälle sowie Aktivitäten der PKK oder ihr nahestehender kurdischer Gruppierungen. Der Beschuldigten war dabei bewusst, dass ihr Handeln den Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderlief, was sie billigte.

Wegen der Einzelheiten der den Anfangsverdacht begründenden Umstände wird auf die detaillierten Ausführungen im Durchsuchungsbeschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 2. Juli 2025 Bezug genommen.

(b) Der Anfangsverdacht gegen die Beschuldigte ergab sich maßgeblich aus dem Schreiben des Landesamts für Verfassungsschutz des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen vom 28. März 2025 sowie den Protokollen der G 10-Maßnahmen. Aus ersterem gehen insbesondere Erkenntnisse zum türkischen Nachrichtendienst MIT, zu dessen Vorgehensweise, zu den internen Strukturen des türkischen Generalkonsulats in Hürth sowie zu den persönlichen Verhältnissen der Beschuldigten und der Mitbeschuldigten T. hervor. Die Protokolle der G 10-Maßnahmen dokumentieren Zeitpunkt und Inhalt der Gespräche beziehungsweise der übermittelten Informationen zwischen beiden.

(c) In rechtlicher Hinsicht lag demnach ein Anfangsverdacht wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit gemäß § 99 Abs. 1 StGB vor.

Im Sinne eines Anfangsverdachts war davon auszugehen, dass die geheimdienstliche Tätigkeit der Beschuldigten gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet war. Hierfür genügt, dass staatliche Belange zumindest mittelbar berührt sind und die Bundesrepublik Deutschland in ihrer funktionalen Stellung als politische Macht betroffen ist (BGH, Beschlüsse vom 4. April 2019 – StB 54/18 u.a., NStZ-RR 2019, 177, 179; vom 20. Januar 2015 – 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158 Rn. 5). Dies ist der Fall, wenn sich die Ausspähungsbemühungen gegen deutsche Staatsbürger oder gegen in Deutschland aufhältige ausländische Staatsangehörige richten, die sich unter dem Schutz des Grundgesetzes in Deutschland in legaler Weise betätigten (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2017 – 3 StR 211/17, NStZ 2018, 590, 591; Beschlüsse vom 4. April 2019 – StB 54/18 u.a., NStZ-RR 2019, 177, 179; vom 20. Januar 2015 – 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158 Rn. 5).

Anderes kann gelten, soweit die geheimdienstliche Agententätigkeit Ausländer betrifft, bei denen es sich um Mitglieder oder Unterstützer von durch die Europäische Union gelisteten ausländischen terroristischen Vereinigungen – zu denen seit dem Jahr 2002 auch die PKK gehört – handelt, namentlich um mit internationalem Haftbefehl gesuchte Führungsmitglieder. In diesen Fällen bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, da mit der Ausforschung einer ausländischen terroristischen Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder oder Unterstützer ein Zweck verfolgt wird,

dessen Erfüllung auch der Bundesrepublik Deutschland durch internationale, insbesondere europarechtliche Vorgaben obliegt (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2017 – 3 StR 211/17, BGHR StGB § 99 Ausüben 8 Rn. 12 f.; Beschlüsse vom 4. April 2019 – StB 54/18 u.a., NStZ-RR 2019, 177, 179; vom 20. Januar 2015 – 3 StR 551/14, BGHSt 60, 158 Rn. 6 ff.). In diesen Fällen ist das Tatbestandsmerkmal „gegen die Bundesrepublik Deutschland“ aber jedenfalls dann erfüllt, wenn das Vorgehen des Agenten sich nicht in der nachrichtendienstlichen Betätigung erschöpft, sondern unabhängig davon einen weiteren Straftatbestand verwirklicht (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2017 – 3 StR 211/17, BGHR StGB § 99 Ausüben 8 Rn. 14).

Daran gemessen lag das Tatbestandsmerkmal „gegen die Bundesrepublik Deutschland“ jedenfalls im Sinne eines Anfangsverdachts vor. Der Informationsaustausch zwischen der Beschuldigten und der Mitbeschuldigten T. betraf zumindest auch polizeiinterne Vorgänge sowie Umstände ohne Bezug zur PKK beziehungsweise zu Personen, die zu deren Unterstützern oder Mitgliedern gehörten. Zudem bestand der darüber hinausgehende Verdacht, dass die Mitbeschuldigte T. unter Teilnahme der Beschuldigten durch die Weitergabe dienstinterner Informationen als Polizeiangestellte zugleich den Straftatbestand des Geheimnisverrats verwirklichte (§ 353b StGB).

bb) Die Strafgerichtsbarkeit des Bundes und damit die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs für den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses liegt nach § 169 Abs. 1 StPO, § 120 Abs. 1 Nr. 3, § 142 Abs. 1 Nr. 1, § 142a Abs. 1 Nr. 1 GVG vor.

cc) Die Anordnung der Durchsuchung entsprach unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Belange dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Die Durchsuchung war zur Ermittlung der Tat geeignet und erforderlich, da unter den gegebenen Umständen zu erwarten war, dass sie zum Auffinden von Gegenständen führen würde, mit deren Hilfe eine Strafbarkeit der Beschuldigten nachgewiesen werden kann. Weniger einschneidende Mittel waren nicht gegeben. Eine vorherige Beschuldigtenvernehmung kam als milderes Mittel schon deshalb nicht in Betracht, weil nicht feststand, dass die Beschuldigte mit den Strafverfolgungsbehörden kooperieren würde und die bei ihr aufgefundenen Gegenstände freiwillig und vollständig herausgegeben hätte (vgl. Schmitt/Köhler/Köhler, StPO, 68. Aufl., § 102 Rn. 15a mwN). Die angeordnete Durchsuchung stand zudem in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere der aufzuklärenden Straftat und der Stärke des aufgezeigten Tatverdachts.

c) Ob und gegebenenfalls inwieweit für die in der Beschwerdeschrift aufgeführten Gegenstände, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, eine Unverletzlichkeit gemäß Art. 33 WÜK besteht, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da eine etwaige Unverletzlichkeit nicht die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung als solche, sondern allein die hier nicht zu prüfende Rechtmäßigkeit der (Bestätigung der) vorläufigen Sicherstellung zur Durchsicht betrifft.

Schäfer Berg Erbguth

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