9 W (pat) 18/14
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 18/14
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung … (hier: Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe) …
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 11. März 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Hilber sowie der Richter Dipl.-Ing. Bork, Paetzold und Dr.-Ing. Baumgart beschlossen:
1. Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Prüfungsstelle 15 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 10. Dezember 2013 aufgehoben.
BPatG 152 08.05
2. Das Verfahrenskostenhilfeverfahren wird zur weiteren Durchführung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Gründe I.
Der Anmelder und Antragsteller hat beim Deutschen Patent-und Markenamt am 16. November 2011 eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung
„P…“
eingereicht; mit Schreiben vom 13. November 2011 und 9. Januar 2012 hat er Verfahrenskostenhilfe für die Gebühren der Patentanmeldung und des Prüfungsverfahrens beantragt. Den Bescheid des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) vom 24. Juli 2012 hat er mit Schreiben vom 10. September 2012 mit Unterlagen über seine persönlichen/wirtschaftlichen Verhältnisse beantwortet. Im Amtsbescheid vom 23. Januar 2013 ist er darauf hingewiesen worden, dass der vorangegangene Bescheid nicht vollständig beantwortet sei und allein aus diesem Grunde mit der Zurückweisung des Antrages auf Verfahrenskostenhilfe zu rechnen sei. Mit Schreiben vom 7. April 2013 hat der Anmelder klargestellt, dass sich sein Antrag auf Verfahrenskostenhilfe auf die Anmeldungs-, Prüfungs- und Jahresgebühren beziehe. Im Bescheid vom 29. Juli 2013 hat die Prüfungsstelle 15 dem Anmelder mitgeteilt, dass die beantragte Verfahrenskostenhilfe nicht in Aussicht gestellt werden könne. Er erhalte von seinem Vater als Einkünfte in Geldeswert unter anderem Unterhalt in Form von Naturalleistungen wie Gewährung von Wohnung, Nahrung und Kleidung. Zudem müsse gemäß § 115 Abs. 3 ZPO sein Vermögen eingesetzt werden, was zumutbar sei, solange darüber verfügt werden könne. Dies treffe auf den vom Antragsteller angegebenen Wohnungseigentumsanteil von ¼ im Wert von rund 41.000,- € zu, da hierüber im Wege der Untervermietung verfügt werden könne. Gegen diesen Bescheid hat der Anmelder mit Schreiben vom 21. August 2013 vorgebracht, dass er mit Bruchteilseigentum keine Mieteinnahmen erzielen könne; zudem müsse er ja auch Miete in seiner deutschen Unterkunft in Paderborn zahlen. Mit Beschluss vom 10. Dezember 2013 hat die Prüfungsstelle 15 den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Erteilungsverfahren zurückgewiesen. In der Begründung ist ausgeführt, dass der Antragsteller trotz wiederholter Aufforderungsschreiben nicht die zum Nachweis der Bedürftigkeit erforderlichen Unterlagen eingereicht habe. Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss, dem Antragsteller zunächst am 13. Dezember 2013 durch Übergabe „an eine Vertreterin“ und erneut am 14. Januar 2014 durch Übergabe an eine andere „Vertreterin“ zugestellt, hat sich dieser mit Schreiben vom 16. Januar 2014 gewandt, das am selben Tag per Fax im DPMA eingegangen ist; darin hat er darauf verwiesen, dass er bereits zahlreiche Unterlagen über seine wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht und nicht gewusst habe, welche Unterlagen noch gefehlt hätten, weil dies in dem Ablehnungsbeschluss nicht im Einzelnen ausgeführt worden sei. Als weitere Unterlagen hat er den Wohngeldbescheid der Wohngeldbehörde Paderborn über monatlich 211,- € für November und Dezember 2013 vorgelegt sowie eine Erklärung seiner Eltern, dass sie ihn im Jahr 2013 mit monatlich 300,- € und ab 2014 mit 650,- €, jeweils für sechs Monate, unterstützen würden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Das Schreiben des Antragstellers vom 16. Januar 2014 ist zwar nicht ausdrücklich mit „Beschwerde“ bezeichnet, aber es enthält alle erforderlichen Angaben, um es als solche auszulegen, wie es die Prüfungsstelle zutreffend getan hat.
Die Beschwerde ist auch rechtzeitig jedenfalls gegenüber dem am 14. Januar 2014 zugestellten Beschluss eingelegt worden. Selbst wenn man die vorangegangene Zustellung vom 13. Dezember 2013 für maßgeblich halten wollte, weil eine nachträgliche erneute Zustellung die erste nicht unwirksam mache (vgl. BPatGE 17, 45 (48)), wäre die Beschwerde des Anmelders fristgemäß. Zunächst bestehen bereits Zweifel, ob die frühere Zustellung in das Wohnheim, in welchem der Anmelder während seines Doktoranden Studiums in Deutschland wohnte, überhaupt wirksam war. Bei dem „IN VIA Gäste- und Tagungshaus im Meinwerk-Institut“, in dem der Anmelder laut dem von ihm vorgelegten Vertrag ein Zimmer gemietet hat, handelt es sich letztlich um ein Wohnheim, das zu den Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne von § 178 Abs. 1 ZPO i. V. m § 3 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) gehört (vgl. Engelhardt/Schlattman, VwZG, 10. Aufl. 2014, § 3 Rdn. 25; Prütting/Gehrlein, ZPO, 6. Aufl. 2014, § 178 Rdn. 9). Wird die Person, der in einer solchen Gemeinschaftseinrichtung zugestellt werden soll, nicht angetroffen, ist das Schriftstück gemäß § 3 VwZG i. V. m. § 178 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO nur dem Leiter der Gemeinschaftseinrichtung oder einem dazu ermächtigten Vertreter zuzustellen. Da der Beschluss ausweislich der Zustellungsurkunde nicht an den Leiter der Gemeinschaftseinrichtung ausgehändigt wurde, kommt nur ein ermächtigter Vertreter in Betracht. Hierbei muss es sich um eine Person in hervorgehobener Stellung handeln, bei der mit der Weiterleitung der Sendung gerechnet werden kann (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl. 2005, § 178 Rdn. 25). Andere (selbst dort beschäftigte) Personen sind als Ersatzempfänger ausgeschlossen (vgl. Sadler, VwZG, 8. Aufl. 2011, § 3 Rdn. 106). Deshalb ist Vorsicht vor zu großzügiger Annahme von solchen Ermächtigungen geboten, so dass nicht jede bei einer solchen (größeren) Einrichtung in deren Verwaltung oder Leitung vorgefundene Person als gerade auch zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung ermächtigt anzusehen ist (vgl. Baumbach/ Lauterbach, ZPO, 73. Aufl. 2015, § 178 Rdn. 25, 26). In Zweifelsfällen hat sich die Person zu legitimieren (vgl. Baumbach/Lauterbach a. a. O.; Prütting/Gehrlein a. a. O.), was im vorliegenden Fall angesichts einer Wohneinrichtung innerhalb eines Instituts geboten schien. Denn gehört die Empfangsperson nicht zum berechtigten Personenkreis, ist die Zustellung unwirksam (vgl. Stein/Jonas/Roth a. a. O.). Insoweit ist in der entsprechenden Rubrik der Zustellungsurkunde ein Name eingetragen, ohne jedoch einen Hinweis auf die genaue Berechtigung zu geben. Indes braucht dieser Frage nicht weiter nachgegangen zu werden, da dem Anmelder bei Wirksamkeit der Zustellung jedenfalls Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist gegen den zuerst zugestellten Beschluss zu gewähren gewesen wäre. Hiervon sollte grundsätzlich großzügig und vor allem dann Gebrauch gemacht werden, wenn – wie der Anmelder in seinem Schreiben vom 16. Januar 2014 erklärt hat – ein Zustellungsadressat bei vorübergehender Abwesenheit von seiner Wohnung nicht mit einer Zustellung gerechnet und daher keine Vorkehrungen für den Postempfang getroffen hat (vgl. Sadler a. a. O. Rdn. 80 unter Hinweis auf BVerfG NJW 1993, 847). So soll Wiedereinsetzung gewährt werden bei Fristversäumnis wegen eines bis zu sechswöchigen Urlaubs, bei Studenten sogar wegen Abwesenheit in den Semesterferien (vgl. Beispiele bei Sadler a. a. O., Rdn. 82 unter Hinweis auf die verfassungsrechtliche Rechtsprechung, Schulte/Schell, PatG, 9. Aufl. 2014, § 123 Rdn. 103). Umso mehr muss dies bei einem Auslandsstudenten wie dem Anmelder gelten, der hier offensichtlich die Weihnachtstage und den Jahreswechsel zu einem verlängerten Heimataufenthalt genutzt hat.
Die Beschwerde ist auch begründet. Dem Antragsteller ist zu Unrecht die Verfahrenskostenhilfe wegen fehlender wirtschaftlicher Bedürftigkeit verweigert worden.
Zur Beantragung von Verfahrenskostenhilfe, die gemäß § 129 PatG nach Maßgabe der §§ 130 bis 138 PatG gewährt wird, ist nach der Verweisungsvorschrift des § 136 Satz 1 PatG in Verbindung mit § 117 Abs. 2 ZPO eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beizufügen. Diese hat der Antragsteller unter Verwendung eines Formblattes darzulegen und zu belegen (vgl. BPatG, Beschluss vom 13.03.2009 – Az. 8 W (pat) 54/08; Schulte, PatG, 9. Aufl. 2014, § 130, Rn. 9).
Diesen Erfordernissen ist der Antragsteller seinerzeit nachgekommen, was die Prüfungsstelle auch nicht beanstandet hat. Welche konkreten Unterlagen noch fehlen sollten, hat die Prüfungsstelle nicht weiter ausgeführt.
Schon deshalb ist die Sache zurückzuverweisen.
Allerdings ist dem Bescheid der Prüfungsstelle vom 29. Juli 2013 zu entnehmen, dass die Verfahrenskostenhilfe deshalb nicht gewährt werden könne, weil der Antragsteller nicht bedürftig sei; er verfüge über Vermögen weil er sein Vermögen einsetzen könne, was ihm gemäß § 115 Abs. 3 ZPO auch zugemutet werden könne. Sollte die zuständige Patentabteilung im weiteren Verfahren diesen Aspekt als entscheidungserheblich ansehen, so wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass das im Bescheid vom 29. Juli 2013 angesprochene Grundvermögen entgegen der Darstellung der Prüfungsstelle nicht ohne weiteres in Ansatz gebracht werden kann, weil es kaum verwertbar ist. Dies trifft nämlich für Prozesskosten nur zu, wenn es kurzfristig verwertbar ist (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 115 ZPO, Rn. 49). Das wird bei der Verwertung eines Wohnungsmitanteils kaum zu bejahen sein. Ob ein entsprechender Mietanteil anzusetzen ist, erscheint fraglich, da bei Angehörigen als Miteigentümern bzw. Mietern – wie hier der Schwester des Anmelders – nicht die ortsübliche Miete berechnet werden muss. Zum andern liegen die regelmäßigen Einkünfte des Antragstellers durch Unterhaltszahlungen sehr niedrig, wobei diese Zahlungen offensichtlich nur während der Semestervorlesungszeit gewährt werden, hingegen ansonsten der Unterhalt in Naturalleistungen durch die Familie des Anmelders im Ausland besteht.
Neben der Bedürftigkeit hängt die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe zusätzlich von der Erfolgsaussicht der Patentanmeldung ab, die im Amtsverfahren bisher nicht geprüft worden ist.
Nach alledem war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und Sache gemäß § 79 Abs. 3 PatG zurückzuverweisen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne von § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG vorliegt. Der angegriffene Beschluss ist nämlich von der formell unzuständigen Prüfungsstelle 15 erlassen worden anstatt von der entsprechenden Prüfungsabteilung (vgl. § 27 Abs. 1 Nr. 2 PatG); zwar rechtfertigt ein solcher Mangel allein keine Zurückverweisung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 PatG, wenn der Beschluss in der Sache zutreffend ist und damit eine eigene Entscheidung des Senats möglich ist (vgl. Schulte a .a. O. § 79 Rn: 10 und 18 m. w. N.). Im vorliegenden Fall ist die Sache aber weiter von der Patentabteilung auf alle Voraussetzungen der beantragten Verfahrenskostenhilfe zu prüfen.
Hilber Bork Paetzold Dr. Baumgart Pr