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XII ZB 169/25

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 169/25 Nachschlagewerk: ja BGHZ:

nein BGHR:

ja JNEU:

nein vom 3. Dezember 2025 in der Familiensache Brüssel IIa-VO Art. 23 lit. b, 31 Abs. 2; IntFamRVG § 33 Abs. 1 aF; FamFG § 159 Die fehlende Anhörung des Kindes vor Erlass einer ausländischen Sorgerechtsentscheidung hindert nicht deren Anerkennung in Deutschland, wenn der Aufenthaltsort des Kindes zu dieser Zeit nicht bekannt war und das Gericht auch ohne eine solche Anhörung eine ausreichende Tatsachengrundlage für seine Entscheidung hatte (Fortführung von Senatsbeschluss BGHZ 205, 10 = FamRZ 2015, 1011).

BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2025 - XII ZB 169/25 - KG Berlin AG Pankow ECLI:DE:BGH:2025:031225BXIIZB169.25.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Dezember 2025 durch den Vorsitzenden Richter Guhling und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 16. Zivilsenats als Familiensenat des Kammergerichts in Berlin vom 11. März 2025 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Wert: 4.000 €

Gründe:

A.

Der Antragsteller (im Folgenden: Kindesvater) begehrt die Anerkennung einer zu seinen Gunsten erfolgten Sorgerechtsentscheidung eines bulgarischen Gerichts nebst Vollstreckbarerklärung der Verpflichtung der Kindesmutter zur Herausgabe des Kindes.

Die Beteiligten waren verheiratet. Aus ihrer Ehe ging das Kind M., geboren am 18. Februar 2015, hervor. Die Familie lebte in Sofia (Bulgarien). Das Amtsgericht Sofia erließ aufgrund mündlicher Verhandlung vom 31. Mai 2018 am 2. Juli 2018 einen Beschluss, mit dem die Scheidung der Ehe der Beteiligten ausgesprochen und die elterliche Sorge für das Kind M. dem Vater übertragen wurde, wobei Umgangskontakte zwischen der Mutter und dem Kind festgelegt wurden. Dieser Beschluss ist nach Durchführung eines Berufungsverfahrens vor dem Stadtgericht Sofia seit dem 11. Februar 2021 rechtskräftig. Kurze Zeit nach Erlass der amtsgerichtlichen Entscheidung im Jahr 2018 verließ die Antragsgegnerin (im Folgenden: Kindesmutter) mit dem gemeinsamen Kind Bulgarien und lebt seitdem mit dem Kind in Deutschland, zuletzt offensichtlich in Berlin.

Am 12. März 2024 erteilte das Amtsgericht Sofia dem Kindesvater eine „Vollstreckbare Ausfertigung“ betreffend die Sorgerechtsentscheidung vom 2. Juli 2018, die die Anordnung enthält, dass die Kindesmutter das betroffene Kind unverzüglich an den Kindesvater herauszugeben hat.

Im vorliegenden Verfahren hat der Kindesvater die Anerkennung der Sorgerechtsentscheidung und die Vollstreckbarerklärung der Herausgabeverpflichtung beantragt. Das Amtsgericht hat den Anträgen stattgegeben. Das Kammergericht hat die Beschwerde der Kindesmutter zurückgewiesen und die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses angeordnet. Hiergegen wendet sich diese mit der Rechtsbeschwerde. Auf Antrag der Kindesmutter hat der Senat mit Beschluss vom 6. August 2025 die vom Kammergericht ausgesprochene Anordnung der sofortigen Wirksamkeit aufgehoben.

B.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

I.

Das Rechtsmittel ist zulässig. Die Rechtsbeschwerde der Kindesmutter ist gemäß §§ 1 Nr. 1, 32, 28, 55 IntFamRVG iVm Art. 21 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (im Folgenden: Brüssel IIa-VO) statthaft (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Juli 2012 - XII ZB 170/11 - FamRZ 2012, 1561 Rn. 6) und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Das Beschwerdegericht hat seine in juris (KG Beschluss vom 12. März 2025 - 16 UF 133/24) veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:

Das Amtsgericht habe die bulgarische Sorgerechtsentscheidung vom 2. Juli 2018 in Verbindung mit der vollstreckbaren Ausfertigung vom 12. März 2024 zu Recht für das Inland anerkannt und für vollstreckbar erklärt.

Der Anerkennung der Sorgerechtsentscheidung stehe nicht entgegen, dass das bulgarische Gericht das bei ihrem Erlass etwa drei Jahre und vier Monate alte Kind nicht angehört habe. Nach dem maßgeblichen bulgarischen Recht sei im konkreten Fall eine Kindesanhörung entbehrlich und das Kind bei Erlass der anzuerkennenden Entscheidung erst knapp über drei Jahre alt gewesen. Zudem ergebe sich aus der vom Antragsteller vorgelegten Übersetzung der Entscheidung des Stadtgerichts Sofia vom 11. Februar 2021, dass die Eltern seit dem 3. Oktober 2017 voneinander getrennt lebten und die Antragsgegnerin die Ehewohnung in Abwesenheit des Vaters verlassen und das Kind ohne dessen Zustimmung mitgenommen habe. Seitdem enthalte sie das Kind dem Vater rechtswidrig vor. Seit Oktober 2017 habe sie jeglichen Kontakt des Vaters zum Kind unterbunden und verschweige dem Vater gegenüber, wo sich das Kind aufhalte. Unter diesen Umständen könne der Verzicht auf eine Anhörung des Kindes nicht als ein Verstoß gegen wesentliche verfahrensrechtliche Grundsätze des deutschen Rechts als dem Recht des Anerkennungsstaates im Sinne von Art. 23 lit. b Brüssel IIa-VO angesehen werden.

Schließlich gehe auch der Einwand der Kindesmutter fehl, aus dem Umstand, dass die Sorgerechtsentscheidung keine Herausgabeanordnung umfasse, sondern diese lediglich in der erteilten vollstreckbaren Ausfertigung vom 12. März 2024 enthalten sei, folge, dass die Herausgabeanordnung nicht auf einer gerichtlichen Entscheidung beruhe und deshalb die Art. 31 Abs. 2, 23 lit. a Brüssel IIa-VO einer Vollstreckbarerklärung der Sorgerechtsentscheidung entgegenstünden. Die im deutschen Recht normierte Aufspaltung in das eigentliche Sorgerecht und den aus dem absoluten Recht sich ergebenden Herausgabeanspruch sei nicht zwingend, sondern zahlreichen Rechtsordnungen - insbesondere denjenigen Osteuropas - fremd. Dies werde durch § 33 Abs. 1 IntFamRVG aF bestätigt. Nach dieser Bestimmung sei das Familiengericht berechtigt, fremde vollstreckungsfähige kindschaftsrechtliche Titel, die nach dem Recht des Staates, in dem sie geschaffen wurden, das Recht auf Herausgabe des Kindes umfassen, um eine ausdrückliche Herausgabeanordnung zu ergänzen. Wenn aber das Gesetz eine derartige klarstellende Befugnis bereits dem deutschen Familiengericht einräume, dann bestünden keine Bedenken, wenn die ausländische Rechtsordnung eine entsprechende Befugnis zur Klarstellung der sachlichen Reichweite eines Sorgerechtstitels bereits derjenigen Stelle einräume, die die vollstreckbare Ausfertigung des entsprechenden ausländischen Titels erteile.

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.

a) Zutreffend hat das Beschwerdegericht für die Frage der Anerkennung und der Vollstreckbarerklärung der Entscheidung des Amtsgerichts Sofia auf die Vorschriften der Art. 1 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 lit. a, 21 ff. und Art. 28 ff. der Brüssel IIa-VO abgestellt, die gemäß Art. 100 Abs. 2 der nachfolgenden Verordnung (EU) Nr. 2019/1111 des Rates vom 25. Juni 2019 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen (Brüssel IIb-Verordnung) noch auf Entscheidungen anzuwenden ist, wenn das Verfahren - wie hier - vor dem 1. August 2022 eingeleitet worden ist.

b) Ebenfalls zu Recht hat das Beschwerdegericht trotz der fehlenden Anhörung des Kindes durch das bulgarische Gericht aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falls ein Anerkennungshindernis iSv Art. 23 lit. b Brüssel IIa-VO verneint.

aa) Gemäß Art. 21 Abs. 1 Brüssel IIa-VO werden die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Nach Art. 21 Abs. 3 Brüssel IIa-VO kann jedoch eine Partei, die - wie hier der Kindesvater - ein Interesse hat, eine Entscheidung über die Anerkennung beantragen. Nach Art. 23 lit. b Brüssel IIa-VO wird eine in einem EU-Mitgliedstaat ergangene Entscheidung über die elterliche Verantwortung u.a. dann nicht anerkannt, wenn sie - ausgenommen in dringenden Fällen - ergangen ist, ohne dass das Kind die Möglichkeit hatte, gehört zu werden, und damit wesentliche verfahrensrechtliche Grundsätze des Mitgliedstaats, in dem die Anerkennung beantragt wird, verletzt werden.

bb) Aus dem Wortlaut des Art. 23 lit. b Brüssel IIa-VO und dem Erwägungsgrund 19 der Verordnung ergibt sich, dass sich die Anforderungen an die Anhörung des Kindes grundsätzlich nach dem Recht des Anerkennungsstaates richten. Die Anerkennung einer Sorgerechtsentscheidung kann folglich auch dann versagt werden, wenn nach der maßgeblichen Verfahrensordnung des Ursprungsstaates das Kind - etwa aufgrund seines Alters - nicht anzuhören war (vgl. Rauscher/Rauscher Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht 4. Aufl.

Art. 23 Brüssel IIa-VO Rn. 8). Für die Anerkennung einer in einem Mitgliedstaat ergangenen Sorgerechtsentscheidung durch deutsche Gerichte entspricht es daher einer verbreiteten Auffassung, dass die Frage, ob eine Anhörung des Kindes geboten war, anhand des § 159 FamFG zu beurteilen sei (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2021, 783, 784; OLG München FamRZ 2015, 602, 603; Gottwald in Nagel/Gottwald Internationales Zivilprozessrecht 9. Aufl. § 13 Rn. 13.75; Althammer/Weller Art. 23 Brüssel IIa Rn. 3).

Daran anknüpfend wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum zu dem Versagungsgrund nach Art. 23 lit. b Brüssel IIa-VO überwiegend die Auffassung vertreten, dass die fehlende persönliche Anhörung des Kindes durch das Ausgangsgericht regelmäßig einen Grund für die Versagung der Anerkennung einer Sorgerechtsentscheidung darstellt (OLG München FamRZ 2015, 602, 603 f.; OLG Hamm Beschluss vom 26. August 2014 - 11 UF 85/14 juris Rn. 4 ff.; OLG Schleswig FamRZ 2008, 1761, 1762; OLG Frankfurt Beschluss vom 16. Januar 2006 - 1 UF 40/04 - juris Rn. 18; MünchKommFamFG/ Gottwald 3. Aufl. Art. 23 Brüssel IIa-VO Rn. 3; Rauscher/Rauscher Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht 4. Aufl. Art. 23 Brüssel IIa-VO Rn. 7 f.).

c) Ob diese Rechtsauffassung allgemein zutrifft, kann vorliegend dahinstehen. Der Senat hat bereits entschieden, dass die fehlende Anhörung des Kindes vor Erlass der Sorgerechtsentscheidung ausnahmsweise dann einer Anerkennung in Deutschland nicht entgegensteht, wenn der Aufenthaltsort des Kindes zu dieser Zeit nicht bekannt war und das Verfahren im Ursprungsstaat mit dem Ziel geführt wurde, einen rechtswidrigen Zustand rückgängig zu machen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 205, 10 = FamRZ 2015, 1011 Rn. 46 f.; vgl. auch OLG Celle FamRZ 2023, 957, 958; MünchKommFamFG/Gottwald 3. Aufl. Art. 23 Brüssel IIa-VO Rn. 5). Gleiches gilt, wenn dem Gericht im Ursprungsstaat eine Anhörung des Kindes nicht möglich war, weil dessen Aufenthalt unbekannt war,

und das Gericht auch ohne eine solche Anhörung eine ausreichende Tatsachengrundlage für seine Entscheidung hatte. So liegen die Dinge hier.

Nach den getroffenen Feststellungen hat die Kindesmutter nach der Trennung der Eltern im Oktober 2017 die Ehewohnung in Abwesenheit des Kindesvaters verlassen und das Kind ohne dessen Zustimmung mitgenommen. Seit diesem Zeitpunkt hat sie jeglichen Kontakt des Kindesvaters zum Kind unterbunden und ihm gegenüber verschwiegen, wo sich das Kind aufhält. Aus der vom Kindesvater vorgelegten Übersetzung der zweitinstanzlichen Entscheidung des Stadtgerichts Sofia vom 11. Februar 2021, mit dem die Beschwerde der Kindesmutter gegen die Sorgerechtsentscheidung vom 2. Juli 2018 zurückgewiesen wurde, ergibt sich zudem, dass das Kind im Juli 2018 von der bulgarischen Polizei zu einer landesweiten Fahndung ausgeschrieben worden war und durch die bulgarische Polizei ermittelt werden konnte, dass sich die Kindesmutter und das Kind in Deutschland aufhalten sollen. Ein in Deutschland gestellter Rückführungsantrag nach Art. 8 HKÜ scheiterte, weil ein inländischer Aufenthaltsort des Kindes nicht ermittelt werden konnte. Weiter wird in dieser Entscheidung ausgeführt, dass die Kindesmutter im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens insgesamt vier Mal vorgeladen worden sei, um sie in der Sorgesache anzuhören, sie aber zu keinem Termin erschienen sei. Daher sei bei den Sozialbehörden des Stadtbezirks Krasno Selo von Sofia - dem Aufenthaltsort des Vaters - und den Sozialbehörden Botevgrad (Bulgarien) - dem letzten bekannten Aufenthaltsort von Mutter und Kind - versucht worden, Berichte über die soziale Lage des Jungen einzuholen. Das sei jedoch gescheitert, weil das Kind unbekannten Aufenthalts gewesen sei. Zudem legt das Stadtgericht dar, dass es ihm aufgrund des unbekannten Aufenthalts des Kindes unmöglich gewesen sei, dieses anzuhören. Ebenso sei die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens gescheitert, weil die Kindesmutter sich der Beweisanordnung widersetzt und mit dem Sachverständigen keinen Kontakt aufgenommen habe. Dem ist die Kindesmutter nicht entgegengetreten, sondern hat nur behauptet, das Kind sei über ihre Verfahrensbevollmächtigte stets erreichbar gewesen. Aufgrund der genannten Umstände durfte das bulgarische Gericht indes davon ausgehen, dass das Kind nicht zu einer Anhörung nach Bulgarien gebracht worden wäre.

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die unterlassene Anhörung des Kindes im Einklang mit den Vorgaben des bulgarischen Verfahrensrechts steht. Art. 15 Abs. 1 des Gesetzes über den Schutz des Kindes vom 9. Juni 2000 bestimmt zur Anhörung von Kindern, dass „bei jedem Verwaltungsoder Gerichtsverfahren, durch welches Rechte oder Interessen eines Kindes berührt werden, dieses zwingend anzuhören ist, sofern es das zehnte Lebensjahr vollendet hat, es sei denn, dies würde seine Interessen beschädigen“. Im zweiten Absatz der Vorschrift heißt es, dass in Fällen, „in denen das Kind das zehnte Lebensjahr nicht vollendet hat, es in Abhängigkeit von seiner Entwicklung angehört werden kann“ (zitiert nach Jessel-Holst in Bergmann/Ferid/Henrich/Dutta/ Ebert Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht [Stand: Mai 2021] Länderteil Bulgarien). Nachdem das Kind bei Erlass der Sorgerechtsentscheidung im Juli 2018 etwas über drei Jahre alt war, war dessen Anhörung nach bulgarischem Recht nicht zwingend erforderlich.

Unter den Umständen des vorliegenden Falls stellt die fehlende Anhörung des Kindes deshalb keine Verletzung eines wesentlichen inländischen verfahrensrechtlichen Grundsatzes im Sinne des Art. 23 lit. b Brüssel Ila-VO dar, so dass sie einer Anerkennung der bulgarischen Sorgerechtsentscheidung nicht entgegensteht. Die Entscheidung des bulgarischen Gerichts ist nicht aufgrund eines Verfahrens ergangen, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfah- rensrechts in Sorgerechtssachen in einem solchen Maße abweicht, dass die Entscheidung nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann.

d) Ebenfalls zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass keine Gründe vorliegen, um die Vollstreckbarerklärung der bulgarischen Sorgerechtsentscheidung vom 2. Juli 2018 in Verbindung mit der hierzu erteilten vollstreckbaren Ausfertigung vom 12. März 2024 nach Art. 23 (iVm Art. 31 Abs. 2) Brüssel IIa-VO zu versagen.

aa) Nach Art. 28 Abs. 1 Brüssel IIa-VO werden die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen über die elterliche Verantwortung für ein Kind, die in diesem Mitgliedstaat vollstreckbar und die zugestellt worden sind, in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag einer berechtigten Partei für vollstreckbar erklärt wurden. Gemäß Art. 31 Abs. 2 Brüssel IIa-VO kommen für eine Ablehnung des Antrages ebenfalls die Versagungsgründe des Art. 23 Brüssel IIa-VO zum Tragen.

bb) Der in diesem Zusammenhang von der Rechtsbeschwerde gerügte Verstoß gegen § 26 FamFG, dass die Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts, die bulgarische Entscheidung zum Sorgerecht vom 2. Juli 2018 enthalte immanent auch bereits den Herausgabeanspruch, auf einer unzureichenden Aufklärung des ausländischen Rechts beruhe, liegt nicht vor.

(1) Auf eine Verletzung ausländischen Rechts kann die Rechtsbeschwerde nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich nicht gestützt werden. Der deutsche Tatrichter hat ausländisches Recht im Wege des Freibeweises zu ermitteln. In welcher Weise er sich die notwendigen Kenntnisse verschafft,

liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Das Rechtsbeschwerdegericht überprüft insoweit auf entsprechende Verfahrensrüge nur, ob der Tatrichter sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere die sich anbietenden Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls hinreichend ausgeschöpft hat (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 217, 165 = FamRZ 2018, 457 Rn. 26 und vom 24. Mai 2017 - XII ZB 337/15 - FamRZ 2017, 1209 Rn. 13 mwN).

(2) Solche Rechtsfehler zeigt weder die Rechtsbeschwerde auf noch sind sie anderweitig ersichtlich.

Das Amtsgericht, auf dessen Entscheidung das Beschwerdegericht Bezug genommen hat, hat seine Feststellungen zum Inhalt der Sorgerechtsentscheidung vom 2. Juli 2018 im Wesentlichen auf die Ausführungen des Kindesvaters zum bulgarischen Recht gestützt. Dieser hat umfassend und unter Verweis auf entsprechende Fundstellen dargelegt, dass das bulgarische Familienrecht eine dem § 1632 Abs. 1 BGB vergleichbare Regelung zur Herausgabe eines Kindes an einen Elternteil nicht kennt, sondern der Titel für die Durchsetzung einer solchen Herausgabepflicht unmittelbar die sorgerechtliche Entscheidung ist. Diesen Ausführungen des Kindesvaters ist die Kindesmutter, die in Bulgarien Rechtswissenschaften studiert hat, nicht entgegengetreten.

Zu Recht hat das Amtsgericht diese Rechtslage dadurch bestätigt gesehen, dass der Kindesvater aufgrund der Sorgerechtsentscheidung des Amtsgerichts Sofia vom 2. Juli 2018 eine auf den 12. März 2024 datierende „Vollstreckbare Ausfertigung“ erwirkt hat, in der ausdrücklich die Über- bzw. Herausgabe des Kindes an den Vater angeordnet wird und die damit einen vollstreckbaren Inhalt hat. Zudem wird in der vorgelegten Bescheinigung des bulgarischen Gerichts nach Art. 39 Brüssel Ila-VO die Vollstreckbarkeit der Ausgangsentscheidung ausdrücklich bejaht.

(3) Mit Blick auf Rechtsordnungen mit derartigen Maßgaben für unmittelbar aus sorgerechtlichen Entscheidungen erwachsende Folgen zur Herausgabe des Kindes hat der Gesetzgeber die Regelung des § 33 Abs. 1 IntFamRVG aF (jetzt: § 44 a Abs. 3 IntFamRVG) eingeführt. Nach dieser Vorschrift kann das Familiengericht die Herausgabeanordnung in der Vollstreckungsklausel oder in einer nach § 44 IntFamRVG getroffenen Anordnung klarstellend aufnehmen, wenn ein vollstreckungsfähiger Titel unter anderem im Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO nach dem Recht des Staates, in dem er geschaffen wurde, das Recht auf Herausgabe des Kindes umfasst. Hintergrund dieser Regelung ist, dass ausländische Sorgerechtsentscheidungen - anders als nach deutschem Recht (vgl. Senatsbeschluss vom 5. März 2025 - XII ZB 88/24 - FamRZ 2025, 1017 Rn. 13 mwN) - zum Teil nicht nur rechtsgestaltende Wirkungen haben, sondern auch vollstreckbare Titel auf Herausgabe des Kindes sein können, ohne dass dies in der Entscheidung notwendigerweise mit derselben Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht wird wie nach deutschem Recht. Diese Vorschrift soll der gerichtlichen Praxis die Arbeit bei denjenigen ausländischen Titeln im Anwendungsbereich der Brüssel-IIa-Verordnung, des Haager Kinderschutzübereinkommens und des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens erleichtern, die dem Wortlaut nach nur das Sorgerecht regeln, obwohl sie sachlich auch als Herausgabeanordnung gemeint sind (vgl. BT-Drucks. 16/12063 S. 13 und BT-Drucks. 19/28681 S. 49). Das Familiengericht soll in diesen Fällen die Herausgabeanordnung klarstellend entweder in die Vollstreckbarerklärung oder - insbesondere wenn ein Titel nach der Brüssel-IIa-Verordnung unmittelbar vollstreckbar ist - in die Anordnung von Vollstreckungsmaßnahmen aufnehmen können. Der gesetzgeberische Zweck der Regelung in § 33 Abs. 1 IntFamRVG aF (jetzt § 44 a Abs. 3 IntFamRVG) belegt, dass in ausländischen Rechtsordnungen - anders als im deutschen Recht - Sorgerechtsentscheidungen die Anordnung zur Herausgabe eines Kindes beinhalten können und deshalb für die Vollstreckung des Herausgabeanspruchs keine gesonderte gerichtliche Entscheidung ergehen muss.

(4) Die Rechtsbeschwerde hat nichts dafür vorgebracht, dass die zum Inhalt und zur Vollstreckbarkeit einer bulgarischen Sorgerechtsentscheidung getroffenen Feststellungen der Instanzgerichte unzutreffend sind. Die Rechtsbeschwerde beschränkt sich vielmehr auf die Behauptung, die Entscheidung des bulgarischen Gerichts vom 2. Juli 2018 habe lediglich eine Regelung zur elterlichen Sorge zum Inhalt und es handele sich deshalb - wie im deutschen Recht nur um ein Gestaltungsurteil ohne vollstreckungsfähigen Inhalt. Konkreten Vortrag zu einem abweichenden Inhalt des bulgarischen Rechts hält die Rechtsbeschwerde jedoch nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Mai 2017 - XII ZB 337/15 FamRZ 2017, 1209 Rn. 15).

(5) Unter diesen Umständen ist aus Rechtsgründen nichts dagegen zu erinnern, dass das Beschwerdegericht ohne Durchführung weiterer Ermittlungen zum bulgarischen Recht davon ausgegangen ist, der Beschluss des Amtsgerichts Sofia vom 2. Juli 2018 in Verbindung mit der „Vollstreckbaren Ausfertigung“ vom 12. März 2024 stelle eine „Entscheidung“ im Sinne des Art. 2 Nr. 4 Brüssel Ila-VO dar und könne daher für vollstreckbar erklärt werden.

cc) Im Übrigen scheitert die Vollstreckbarerklärung der bulgarischen Sorgerechtsentscheidung vom 2. Juli 2018 in Verbindung mit der vollstreckbaren Ausfertigung vom 12. März 2024 aufgrund der Umstände des vorliegenden Falls ebenso wenig wie die Anerkennung dieser Entscheidung an der fehlenden Anhörung des Kindes.

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Guhling RiBGH Prof. Dr. Klinkhammer ist wegen Urlaubs an der Signatur gehindert. Guhling Nedden-Boeger Botur Günter Vorinstanzen: AG Pankow, Entscheidung vom 02.08.2024 - 14 F 6493/22 KG Berlin, Entscheidung vom 11.03.2025 - 16 UF 133/24 -

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