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4 StR 545/24

BUNDESGERICHTSHOF StR 545/24 BESCHLUSS vom 18. Juni 2025 in der Strafsache gegen wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

ECLI:DE:BGH:2025:180625B4STR545.24.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag und nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie nach Anhörung des Beschwerdeführers am 18. Juni 2025 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen:

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 9. Juli 2024 im Ausspruch über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und über den Vorwegvollzug mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil a) im Schuldspruch dahingehend berichtigt, dass der Angeklagte des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Cannabis in nicht geringer Menge in 16 Fällen, davon in einem Fall in 17 tateinheitlichen Fällen, in einem weiteren Fall in fünf tateinheitlichen Fällen sowie in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Cannabis in nicht geringer Menge, und des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist; b) in der Einziehungsentscheidung dahingehend geändert, dass gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 394.890 €, hiervon in Höhe von 320.625 € als Gesamtschuldner, angeordnet wird.

3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

4. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels aufzuerlegen (§§ 74, 109 Abs. 2 JGG).

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Cannabis „in nicht geringer Menge“ in 16 Fällen, davon in einem Fall in 17 tateinheitlichen Fällen, in einem weiteren Fall in sechs tateinheitlichen Fällen sowie in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Besitz von Cannabis „in nicht geringer Menge“, und des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach dem Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Jugendstrafe sowie die Einziehung „von Wertersatz“ in Höhe von 394.890 € gegen ihn angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich der Angeklagte mit seiner auf die Einziehungsentscheidung beschränkten Revision. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten und vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revision gegen die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB, gegen die unterbliebene Feststellung schädlicher Neigungen (§ 17 Abs. 2 JGG) des Angeklagten sowie gegen die im Rahmen der angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen unterbliebene Anordnung der (nur) gesamtschuldnerischen Haftung des Angeklagten in Höhe eines Teilbetrags von 320.625 €. Die beiden jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Rechtsmittel haben die aus dem Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolge und sind im Übrigen unbegründet.

I. Zur Revision der Staatsanwaltschaft

1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, das wirksam auf den gesamten Rechtsfolgenausspruch beschränkt ist (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 2024 – 4 StR 234/23 Rn. 9; Urteil vom 24. Januar 2024 – 1 StR 218/23 Rn. 10), deckt keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf. Insbesondere hat das Landgericht das Vorliegen schädlicher Neigungen (§ 17 Abs. 2 JGG) des Angeklagten rechtsfehlerfrei verneint.

a) Das Landgericht hat die Verhängung der Jugendstrafe nur auf die Schwere der Schuld gestützt, bei dem Angeklagten jedoch keine schädlichen Neigungen festzustellen vermocht. Schädliche Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG sind erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Diese müssen schon vor der Tat – wenn auch unter Umständen verborgen – angelegt gewesen sein und noch zum Urteilszeitpunkt bestehen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 8. April 2025 – 4 StR 502/24 Rn. 3; Beschluss vom 20. Februar 2024 – 1 StR 30/24 Rn. 4; Beschluss vom 13. November 2013 – 2 StR 455/13, BGHR JGG § 17 Abs. 2 Schädliche Neigungen 11 Rn. 8).

b) Danach sind die Erwägungen des Landgerichts, mit denen es das Vorliegen schädlicher Neigungen im Zeitpunkt der Urteilsfindung verneint hat, rechtlich nicht zu beanstanden. Durchgreifende Erörterungsmängel liegen nicht vor. Die Kammer hat unter Berücksichtigung des Umfangs der urteilsgegenständlichen Taten und der Vorahndungen eine positive Entwicklung des Angeklagten festgestellt und dabei wesentlich auf dessen Einlassungsverhalten abgestellt. Nach den Ausführungen des Landgerichts habe der Angeklagte zwar im Tatzeitraum einen Großteil seiner vorhandenen Zeit auf die Begehung von Straftaten verwendet, was deutlich für das Vorliegen schädlicher Neigungen spreche. Andererseits sei aber die positive Entwicklung des Angeklagten zu berücksichtigen. So habe sich der Angeklagte in außergewöhnlich offener und umfassender Art geständig eingelassen und dabei auch bislang nicht bekannte Geschäfte eingeräumt. Er habe Verantwortung für seine Taten übernommen, glaubhaft Einsicht gezeigt und sich von weiteren Straftaten distanziert. Die Kammer hat sich zudem der Einschätzung des Vertreters der Jugendgerichtshilfe angeschlossen, wonach der Angeklagte selbstkritisch sei, sich kritisch ansprechen lasse und selbst Entwicklungsziele formuliere.

Schließlich hat die Kammer auch die beiden festgestellten einschlägigen, aber geringfügigen jugendgerichtlichen Vorahndungen des Angeklagten in den Blick genommen.

2. Auf die – insoweit zugunsten des Angeklagten eingelegte – Revision der Staatsanwaltschaft unterliegt jedoch die ihn beschwerende Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2025 – 4 StR 97/24 Rn. 3; Beschluss vom 9. Juli 2024 – 6 StR 266/24 Rn. 4) der Aufhebung. Weder die Annahme eines Hangs noch die Feststellung eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem Hang und den Anlasstaten sind am Maßstab des seit dem 1. Oktober 2023 geltenden § 64 StGB in der Fassung vom 26. Juli 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 203) rechtsfehlerfrei begründet.

a) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt setzt voraus, dass der Täter einen Hang aufweist, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, § 64 Satz 1 StGB. Ein solcher Hang erfordert gemäß § 64 Satz 1 2. Halbsatz StGB eine Substanzkonsumstörung, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten ist und fortdauert. Erforderlich sind insoweit äußere, überprüfbare Veränderungen in mindestens einem der genannten Bereiche der Lebensführung (vgl. BTDrucks. 20/5913, S. 45 f.; BGH, Beschluss vom 16. Januar 2025 – 4 StR 97/24 Rn. 4; Urteil vom 14. März 2024 – 4 StR 354/23 Rn. 43; Urteil vom 15. November 2023 – 6 StR 327/23 Rn. 12). Den Urteilsgründen ist eine derartige dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung nicht zu entnehmen.

aa) Die sachverständig beratene Kammer hat insoweit eine Polytoxikomanie (ICD-10: F19.2) des Angeklagten hinsichtlich Cannabis, Kokain und opiathaltiger Hustenstiller festgestellt. Die daraus abgeleitete Substanzkonsumstörung habe nach der Wertung der Kammer zu schwerwiegenden und dauernden Einschränkungen in der Lebensgestaltung geführt. So sei die gesamte Lebensführung des Angeklagten bis zuletzt auf den Konsum, Erwerb und die Veräußerung von Betäubungsmitteln ausgelegt gewesen. Er habe ein Konsummuster entwickelt, wonach er morgens mit Cannabis in den Tag gestartet sei, sich danach mit Kokain aufgeputscht und abends mit einem opiathaltigen Hustenstiller (Präparat „M. “) wieder entspannt habe. Seine sozialen Kontakte hätten sich auf einen Kreis deutlich älterer Freunde beschränkt. Sonstige soziale Verknüpfungen wie Vereinszugehörigkeiten habe der Angeklagte mit 15 Jahren abgebrochen. Um sein berufliches Vorankommen habe er sich bislang überhaupt nicht gekümmert und zwei bereits zugesagte Ausbildungsstellen wieder abgesagt. Angesichts des exzessiven Betäubungsmittelhandels habe der Angeklagte zwar schlicht keine Zeit für eine Berufsausbildung gehabt; eine Ausbildungsstelle hätte ihm aber auch nicht seinen Drogenkonsum finanzieren können. Allein der Kokainkonsum habe den Angeklagten ca. 4.500 € im Monat gekostet.

bb) Diese Ausführungen des Landgerichts stützen die Annahme einer Substanzkonsumstörung, belegen aber keine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung des Angeklagten in einem der genannten, rechtlich relevanten Bereiche der Lebensführung. Der Angeklagte hat nach den Feststellungen im Mai 2022 eine von ihm angeführte Gruppierung aufgebaut, die den professionellen Handel mit Cannabis und anderen Rauschmitteln in größeren Mengen zum Gegenstand hatte. Mittels seines Netzwerks handelte der Angeklagte im Tatzeitraum von Mai 2022 bis Mai 2023 mit insgesamt ca. 209 Kilogramm Marihuana (Wirkstoffgehalt 13 %), 59 Kilogramm Haschisch (Wirkstoffgehalt 19 %) und 150 Gramm Kokain (Wirkstoffgehalt 70 %). Dem Angeklagten gelang die Planung, Organisation und Durchführung eines arbeitsteilig strukturierten und aufwendig gestalteten Drogenhandels unter Verwendung von Werbung auf sozialen Netzwerken, verschlüsselten Messengerdiensten zur konspirativen Kommunikation und Ferienwohnungen als Drogenbunker. In die urteilsgegenständlichen Taten war der Angeklagte dergestalt eingebunden, dass er die Kunden gewann, die jeweiligen Konditionen aushandelte und den Hauptteil der Kommunikation mit den Abnehmern übernahm. Des Weiteren führte der Angeklagte umfangreiche Listen über Bunkerbestände, Bargeldvorräte und Schuldner. Zudem entschied er über die Entlohnung der übrigen Bandenmitglieder. Auf zwei Mobiltelefonen des Angeklagten, die bei ihm am 25. Oktober 2022 sichergestellt wurden, befanden sich ca. 250.000 Chat-Nachrichten, deren Inhalte nahezu ausschließlich Drogenbezug aufwiesen.

Angesichts dieser Feststellungen der Kammer zur Art und Weise der Ausführung der Anlasstaten ist beim Angeklagten eine gravierende Beeinträchtigung des Funktionsniveaus in den relevanten Bereichen der Lebensführung in den Urteilsgründen nicht belegt. Trotz des festgestellten Rauschmittelkonsums des Angeklagten war dieser als Kopf eines professionell agierenden Netzwerks für Drogenhandel grundsätzlich uneingeschränkt fähig, soziale Kontakte zu pflegen und wirtschaftlich erfolgreich zu agieren. Zur Finanzierung des eigenen Drogenkonsums war der Umfang des urteilsgegenständlichen Handels mit Rauschmitteln nicht erforderlich. Die Feststellungen legen somit nahe, dass beim Angeklagten die Vernachlässigung des beruflichen Vorankommens und sozialer Verbindungen außerhalb des kriminellen Bereichs nicht auf eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit in Folge seiner Polytoxikomanie zurückzuführen ist, sondern darauf, dass sich der Angeklagte für einen lukrativen Rauschmittelhandel als Erwerbsgeschäft entschied, welcher seine gesamte Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.

b) Auch das Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs i.S.d. § 64 Satz 1 1. Halbsatz StGB ist nicht belegt. Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, dass die Anlasstaten des Angeklagten überwiegend auf seinen Drogenkonsum zurückgehen. Hierzu muss die bestehende Substanzkonsumstörung, was durch das Tatgericht positiv festzustellen ist, für das Tatgeschehen „mehr als andere Umstände ausschlaggebend“ sein (BT-Drucks. 20/5913, S. 69 f.; vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2025 – 4 StR 97/24 Rn. 8; Beschluss vom 14. August 2024 – 5 StR 254/24 Rn. 17). Die Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat(en) ist nur dann ausreichend, wenn sie quantitativ andere Ursachen überwiegt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2025 – 4 StR 579/24 Rn. 3; Beschluss vom 6. Februar 2025 – 1 StR 5/25 Rn. 4; Beschluss vom 25. Oktober 2023 – 5 StR 246/23 Rn. 3). Hiervon ist auch die Strafkammer ausgegangen, hat jedoch eine Mitursächlichkeit in diesem Sinne nicht tragfähig begründet.

aa) Nach den Feststellungen diente der vom Angeklagten aufgebaute professionelle Handel mit Cannabisprodukten und anderen Rauschmitteln der Finanzierung sowohl des Drogenkonsums des Angeklagten und der übrigen Bandenmitglieder als auch eines aufwendigen Lebensstils des Angeklagten. Im Rahmen der Prüfung des symptomatischen Zusammenhangs hat die Kammer den Finanzierungsbedarf des Drogenkonsums des Angeklagten in den Blick genommen und darauf abgestellt, dass es sich beim Angeklagten zweifelsohne um einen Großdealer handle, der allerdings die von ihm gehandelten Betäubungsmittel nicht nur gelegentlich, sondern im erheblichen Ausmaß konsumiert habe. Dem Angeklagten sei es gerade nicht alleine darum gegangen, erworbene Betäubungsmittel mit Gewinn zu verkaufen. Vielmehr habe der Eigenkonsum erhebliche Kosten verursacht; der finanzielle Aufwand allein für das vom Angeklagten konsumierte Kokain habe ca. 150 € täglich betragen. Zudem seien der Ausgangspunkt des groß angelegten Drogenhandels die vom Angeklagten bereits im jugendlichen Alter durch die Beschaffung von Cannabis angehäuften Schulden in Höhe von ca. 20.000 €.

bb) Damit ist ein überwiegender Zusammenhang zwischen Substanzkonsumstörung und Anlasstaten nicht belegt. Nach den Feststellungen erzielte der Angeklagte aus seinem Drogenhandel im ca. einjährigen Tatzeitraum Einnahmen von knapp 400.000 €. Die von der Kammer angeführten Drogenschulden aus Eigenkonsum in Höhe von ca. 20.000 € konnte der Angeklagte nach den Urteilsgründen bereits innerhalb eines Zeitraums von weniger als drei Wochen aus den Einnahmen seines Rauschmittelhandels begleichen. Auch bei großzügiger Schätzung des von der Kammer betragsmäßig nicht bezifferten Aufwands für den Konsum von täglich maximal 7 bis 8 Gramm Cannabis und 1 bis 2 Flaschen „M. “ belegen die Feststellungen somit kein Überwiegen des Finanzierungsbedarfs des Eigenkonsums des Angeklagten. Die Urteilsgründe legen vielmehr ein Überwiegen des finanziellen Aufwands für die (sonstige) Lebensführung des Angeklagten nahe, zumal dessen Lebensstil nach den Feststellungen der Kammer aufwendig war.

c) Die aufgezeigten Rechtsfehler bedingen die Aufhebung des Maßregelausspruchs und die hieran anknüpfende Anordnung eines Vorwegvollzugs. Um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat auch die jeweils zugehörigen Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO).

d) Die Aufhebung der Maßregelanordnung nötigt nicht zu einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei angeordneten und bemessenen Jugendstrafe. Die Kammer hat die Bemessung der Dauer der Jugendstrafe nicht mit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verknüpft. § 5 Abs. 3 JGG steht in der vorliegenden Fallkonstellation einer isolierten Aufhebung der Maßregelanordnung ebenfalls nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. September 2015 – 4 StR 334/15 Rn. 4). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht § 5 Abs. 3 JGG einer Trennbarkeit von Unterbringungsanordnung und Jugendstrafausspruch entgegen, wenn eine Unterbringung nach § 63 oder § 64 StGB unterblieben ist und deren Anordnung im zweiten Rechtsgang in Betracht kommt. Denn würde in einer solchen Konstellation die Jugendstrafe in Rechtskraft erwachsen, wäre es dem neuen Tatrichter verwehrt, im Anschluss an die Anordnung einer Maßregel die nun nach § 5 Abs. 3 JGG gebotene Entscheidung über die Entbehrlichkeit der Verhängung von Jugendstrafe noch zu treffen. Eine solche Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor.

3. Soweit die Revision der Staatsanwaltschaft zugunsten des Angeklagten wirkt, kann der Senat – auch ohne entsprechenden Antrag des Generalbundesanwalts – durch Beschluss nach § 349 Abs. 4 StPO entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 8. April 2025 – 4 StR 82/25 Rn. 4; Beschluss vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15 Rn. 23). Die Verwerfung im Übrigen folgt aus § 349 Abs. 2 StPO. Der Generalbundesanwalt hat einen entsprechenden Antrag gestellt.

II. Zur Revision des Angeklagten

1. Die Revision des Angeklagten ist wirksam auf den Einziehungsausspruch beschränkt.

a) Der Beschwerdeführer hat sein Rechtsmittel innerhalb der Wochenfrist zur Einlegung der Revision (§ 341 StPO) unter ausdrücklicher Beschränkung auf die Einziehungsentscheidung eingelegt. Der mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2024 „unter Bezugnahme auf beiliegenden Schriftverkehr mit der Staatsanwaltschaft nunmehr“ gestellte Antrag „das Urteil aufzuheben“, vermochte den Revisionsangriff nicht mehr – wie offensichtlich beabsichtigt – auf das gesamte Urteil auszudehnen. Denn die Erweiterung einer eindeutig beschränkt eingelegten Revision ist nur bis zum Ablauf der Revisionseinlegungsfrist zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 2019 – 4 StR 525/18; Beschluss vom 17. Oktober 1992 – 5 StR 517/92, BGHSt 38, 366).

b) Die Rechtsmittelbeschränkung ist auch wirksam. Aus den Urteilsgründen ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die Jugendkammer zwischen der Einziehungsentscheidung und dem Strafausspruch einen Zusammenhang hergestellt haben könnte.

2. Die angefochtene Einziehungsentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung nicht vollumfänglich stand und war deshalb – insoweit auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft – abzuändern. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht zwar gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 394.890 € angeordnet. Jedoch hat es zum Nachteil des Angeklagten eine

(nur) gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten in Höhe eines Betrags von 320.625 € mit nicht tragfähiger Begründung abgelehnt.

In den Urteilsgründen wird eine teilweise gesamtschuldnerische Haftung mit der Begründung verneint, der anderweitig Verurteilte W. habe an den für den Angeklagten bestimmten Erlösanteilen lediglich transitorischen Besitz erlangt, welcher keine faktische Mitverfügungsgewalt begründet habe. Den diesbezüglichen Ausführungen der Kammer liegt ein zu enges Verständnis der für das Erlangen i.S.d. §§ 73, 73c StGB erforderlichen Verfügungsgewalt an einem Vermögensgegenstand zugrunde.

a) Ein Vermögenswert ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann aus der Tat erlangt, wenn er dem Täter oder Teilnehmer in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann. Dabei genügt es, dass der Tatbeteiligte zumindest faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt über den Vermögensgegenstand erlangte. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2024 – 4 StR 343/24 Rn. 11; Beschluss vom 21. August 2018 – 2 StR 311/18 Rn. 8). Unerheblich ist dagegen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Täter oder Teilnehmer eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später aufgegeben hat und der zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch Mittelabflüsse etwa bei der Beuteteilung gemindert wurde (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2019 – 5 StR 543/18 Rn. 10).

Wie auch von der Kammer im rechtlichen Ansatz zutreffend erkannt, scheidet eine Verfügungsmacht in den Fällen eines lediglich kurzzeitigen Besitzes eines Boten, Verwahrers oder Verbindungsmannes aus (vgl. insofern BGH,

Beschluss vom 22. Oktober 2019 – 4 StR 531/19 Rn. 3; Urteil vom 7. Juni 2018 – 4 StR 63/18 Rn. 14). Entgegen der Ansicht der Kammer liegt ein in diesem Sinne transitorischer Besitz jedoch nicht bereits dann vor, wenn der Tatbeteiligte den betreffenden Vermögensgegenstand nicht zur „freien Verfügung“ hat. Vielmehr steht es der Annahme einer Verfügungsmacht grundsätzlich nicht entgegen, wenn ein weisungsabhängiger Tatbeteiligter die Tatbeute an einen Hintermann alsbald weiterzuleiten hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2019 – 5 StR 543/18 Rn. 12). Im Regelfall ist es unerheblich, ob das Erlangte beim Täter oder Teilnehmer verbleiben oder es von diesem absprachegemäß an einen anderen weitergegeben werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2019 – 1 StR 170/19 Rn. 11). Entscheidend für das Vorliegen eines rechtserheblichen Vermögenszuflusses ist nur die Frage, ob nach den konkreten Umständen des Einzelfalls im tatsächlichen Sinne eine ungehinderte Zugriffsmöglichkeit des Tatbeteiligten auf den Vermögensgegenstand besteht.

26 b) Gemessen daran hatte der anderweitig Verurteilte W.

faktische Verfügungsmacht (auch) über sämtliche Erlösanteile des Angeklagten, an welchen er im Rahmen der Abwicklung der Rauschmittelgeschäfte Besitz erlangte,

bevor er sie an den Angeklagten weiterleitete oder in dessen Auftrag für weitere Geschäfte verwendete; diese Erlösanteile summieren sich auf 320.625 €. So war der anderweitig Verurteilte W. nach den Feststellungen des Landgerichts nicht nur Bote, Verwahrer oder Verbindungsmann, sondern als Mittäter, Bandenmitglied und „rechte Hand des Angeklagten“ bei den urteilsgegenständlichen Taten der Hauptverantwortliche für die Vereinnahmung und Weiterleitung der Erlöse aus den Rauschmittelgeschäften. Auf die von ihm vereinnahmten Erlöse hatte er faktisch ungehinderten Zugriff. Den für den Angeklagten bestimmten Erlösanteil sonderte er im Rahmen einer Beuteteilung von den Einnahmen selbst ab durch die Abzweigung seines eigenen Anteils und ggf. der Kosten für Fahrer.

In zahlreichen Fällen hat er zudem den für den Angeklagten bestimmten Erlösanteil an diesen erst nach dessen Urlaubsrückkehr übergeben und damit über einen längeren Zeitraum (von bis zu mehreren Wochen) in Besitz gehabt. Die Verfügungsmacht wird schließlich auch dadurch belegt, dass der anderweitig Verurteilte W. in mehreren Fällen die Erlösanteile des Angeklagten selbst für weitere Rauschmittelgeschäfte verwendete, ohne sie zuvor an den Angeklagten auszukehren. Dass sich der anderweitig Verurteilte W. dabei jeweils an Absprachen mit dem Angeklagten gehalten hat, hindert – wie bereits ausgeführt – entgegen der rechtlichen Ansicht der Kammer die Annahme einer faktischen Verfügungsmacht des anderweitig Verurteilten W. nicht.

c) Der Senat kann die erforderliche Korrektur der Einziehungsentscheidung wie aus der Beschlussformel ersichtlich in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO auf Grundlage der Feststellungen des Landgerichts selbst vornehmen.

III. Tenorberichtigung Zudem ist der Tenor des angefochtenen Urteils wie geschehen zu berichtigen. Der Kammer ist – wie sie in ihren Urteilsgründen selbst ausgeführt hat – ein Zählfehler unterlaufen, der für alle Beteiligten ersichtlich ist. Nach den Urteilsgründen wird einer der 16 tatmehrheitlichen Fälle des „unerlaubten“ bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis „in nicht geringer Menge“ entgegen der Tenorierung nicht aus sechs, sondern aus fünf tateinheitlichen Fällen gebildet. Eine nachträgliche Berichtigung des Tenors vermag unter diesen Umständen den Verdacht einer inhaltlichen Änderung des Urteils nicht zu begründen und ist daher ausnahmsweise zulässig. Die Rechtskraft des Schuldspruchs steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2017 – 4 StR 232/17 Rn. 2; Urteil vom

20. Januar 2016 – 2 StR 378/15 Rn. 3; Beschluss vom 27. Oktober 2009 – 1 StR 515/09).

IV. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils im Umfang der Anfechtungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Quentin Tschakert Maatsch Momsen-Pflanz Gödicke Vorinstanz: Landgericht Landau in der Pfalz, 09.07.2024 ‒ 2 KLs 7313 Js 14496/22 jug

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