7 Ni 28/14
BUNDESPATENTGERICHT Ni 28/14 (Aktenzeichen)
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL An Verkündungs Statt zugestellt am …
In der Patentnichtigkeitssache …
BPatG 253 08.05 betreffend das deutsche Patent 10 2005 030 333 hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richterin Püschel und der Richter Dipl.-Ing. Hildebrandt, Dipl.-Ing. Küest und Dr.-Ing. Großmann für Recht erkannt:
I. Das deutsche Patent 10 2005 030 333 wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass seine Patentansprüche folgende Fassung erhalten:
1. Kletterschuh einer Kletterschalung zur Befestigung an einem Betonierabschnitt (14) eines Bauwerks, wobei der Kletterschuh (10) einen Gleitschuhteil (16) und einen Wandschuhteil (18) aufweist, wobei das Gleitschuhteil (16) mit dem Wandschuhteil (18) über eine horizontal ausgerichtete Steckwelle (34) lösbar verbunden ist, und wobei an dem Gleitschuhteil (16) Klauen (50) vorgesehen sind, die eine zwischen den Klauen (50) verschiebbar angeordnete Kletterschiene (20) geführt halten, indem die Klauen (50) Teilabschnitte der Kletterschiene (20) umgreifen, wobei mindestens eine Klaue (50) verschwenk- und/oder teleskopierbar am Gleitschuhteil (16) vorgesehen ist.
2. Kletterschuh nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass zwei Klauen (50) eines Kletterschuhs (10) die Kletterschiene (20) in Teilabschnitten der Kletterschiene (20) umgreifen und eine Klaue (50) verschwenkbar am Gleitschuhteil (16) befestigt ist.
3. Kletterschuh nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Schwenkbewegung sowohl im geschlossenen als auch im aufgeschwenkten Zustand der Klaue (50) über einen Absteckbolzen (56) blockierbar ist.
4. Kletterschuh nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass das Wandschuhteil (18) des Kletterschuhs (10) eine vertikal ausgerichtete Achse (58) aufweist.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Klage richtet sich gegen das deutsche Patent 10 2005 030 333 (Streitpatent), das auf eine Anmeldung vom 29. Juni 2005 zurückgeht und dessen Erteilung am 22. April 2010 veröffentlicht worden ist. Das Patent trägt die Bezeichnung „Teilbarer Kletterschuh einer Kletterschalung“ und umfasst in der erteilten Fassung fünf Ansprüche, die alle mit der vorliegenden Klage angegriffen werden. Ansprüche 2 bis 5 sind als Unteransprüche unmittelbar bzw. mittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogen. Dieser hat in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut:
1. Kletterschuh einer Kletterschalung zur Befestigung an einem Betonierabschnitt (14) eines Bauwerks, wobei der Kletterschuh (10) einen Gleitschuhteil (16) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass an dem Gleitschuhteil (16) Klauen (50) vorgesehen sind, die eine zwischen den Klauen (50) verschiebbar angeordnete Kletterschiene (20) geführt halten, indem die Klauen (50) Teilabschnitte der Kletterschiene (20) umgreifen, wobei mindestens eine Klaue (50) verschwenk- und/oder teleskopierbar am Gleitschuhteil (16) vorgesehen ist.
Wegen des Wortlauts der übrigen erteilten Ansprüche wird auf die Streitpatentschrift DE 10 2005 030 333 B4 verwiesen.
Die Klägerin macht die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit sowie der mangelnden Offenbarung bzw. Ausführbarkeit (§ 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 und 2 PatG) geltend. Sie bezieht sich auf folgende Druckschriften:
K1 WO 03/097493 A1; K1a KR 1020020062259 A (mit Priorität aus K1); K2 WO 2004/020766 A1; K3 DE 43 02 197 A1; K4 EP 0 034 819 A2; K5 FR 2 487 892 A1; K6 US 2003/0052249 A1; K7 FR 2 298 662 A1.
Die Klägerin ist der Meinung, dass das Merkmal „teleskopierbar“ in Anspruch 1 dem Fachmann nicht ausreichend offenbart sei, weshalb er die Erfindung insoweit nicht nacharbeiten könne. Die Gegenstände der erteilten Ansprüche 1 und 2 seien gegenüber den Schriften K1, K1a und K2 nicht neu. Auch der erteilte Anspruch 3 sei nicht neu gegenüber K1 und K1a. Im Übrigen ergäben sich die Merkmale sämtlicher Ansprüche aus einer Zusammenschau der genannten Schriften bzw. aus dem Wissen des Fachmanns. Ebenso wenig seien die von der Beklagten mit Haupt- und Hilfsantrag verteidigten beschränkten Fassungen des Streitpatents patentfähig.
Die Klägerin beantragt,
das deutsche Patent 10 2005 030 333 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Patentansprüche 1 bis 4 in der Fassung des mit Schriftsatz vom 14. Mai 2013 (Bl. 35 ff. d. A.) eingereichten Hauptantrags, hilfsweise soweit sie sich gegen die Patentansprüche 1 bis 4 in der Fassung des mit Schriftsatz vom 28. August 2014 (Bl. 113 ff. d. A.) eingereichten Hilfsantrags richtet.
Die Beklagte, die das Streitpatent bereits mit Erhebung des Widerspruchs nur noch in einer beschränkten Fassung (die ihrem Hauptantrag entspricht) verteidigt und zugleich den „Verzicht auf weitergehenden Schutz für die Vergangenheit und Zukunft“ erklärt hat, beantragt ferner, der Klägerin die Kosten des Verfahrens auch im Umfang des nicht erfolgten Widerspruchs aufzuerlegen. Denn sie habe zu der Nichtigkeitsklage keine Veranlassung gegeben. Letzterer Darlegung tritt die Klägerin nicht entgegen. Nach insoweit übereinstimmend geäußerter Auffassung der Parteien in der mündlichen Verhandlung ist der Wert des Streitpatents durch diese Einschränkung um die Hälfte vermindert.
Die Beklagte hält das Streitpatent in der gemäß Hauptantrag verteidigten Fassung, zumindest aber in der gemäß Hilfsantrag verteidigten Fassung, für patentfähig und für ausführbar.
In der Fassung des Hauptantrags der Beklagten lautet Patentanspruch 1 wie folgt (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind durch Unterstreichung bzw. Streichung kenntlich gemacht):
1. Kletterschuh einer Kletterschalung zur Befestigung an einem Betonierabschnitt (14) eines Bauwerks, wobei der Kletterschuh (10) einen Gleitschuhteil (16) und einen Wandschuhteil (18) aufweist, wobei das Gleitschuhteil (16) mit dem Wandschuhteil (18) über eine horizontal ausgerichtete Steckwelle (34) lösbar verbunden ist, und wobei .dadurch gekennzeichnet, dass an dem Gleitschuhteil (16) Klauen (50) vorgesehen sind, die eine zwischen den Klauen (50) verschiebbar angeordnete Kletterschiene (20) geführt halten, indem die Klauen (50) Teilabschnitte der Kletterschiene (20) umgreifen, wobei mindestens eine Klaue (50) verschwenk- und/oder teleskopierbar am Gleitschuhteil (16) vorgesehen ist.
Auf diesen durch die Merkmale des erteilten Anspruchs 4 ergänzten Hauptanspruch sollen Ansprüche 2 und 3 mit gegenüber der erteilten Fassung unverändertem Wortlaut sowie Anspruch 4 rückbezogen sein, wobei letzterer Anspruch dem erteilten Anspruch 5 entsprechen soll.
In der Fassung des Hilfsantrags wird der Wortlaut des Patentanspruchs 1 gegenüber der Fassung gemäß Hauptantrag wie folgt geändert:
1. Kletterschuh einer Kletterschalung zur Befestigung an einer vertikal ausgerichteten Wandung (12) einems Betonierabschnitts (14) eines Bauwerks, wobei der Kletterschuh (10) einen Gleitschuhteil (16) und einen Wandschuhteil (18) aufweist, wobei das Gleitschuhteil (16) mit dem Wandschuhteil (18) über eine horizontal und parallel zu der vertikal ausgerichteten Wandung (12) ausgerichtete Steckwelle (34) lösbar verbunden ist, und wobei an dem Gleitschuhteil (16) Klauen (50) vorgesehen sind, die eine zwischen den Klauen (50) verschiebbar angeordnete Kletterschiene (20) geführt halten, indem die Klauen (50) Teilabschnitte der Kletterschiene (20) umgreifen, wobei mindestens eine Klaue (50) verschwenk- und/oder teleskopierbar am Gleitschuhteil (16) vorgesehen ist.
Die darauf rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4 entsprechen wortlautgemäß denen des Hauptantrags.
Der Senat hat den Parteien mit Schriftsatz vom 24. Juni 2014 einen frühen gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG zukommen lassen.
Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze der Parteien mit sämtlichen Anlagen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe Die Klage ist zulässig, jedoch nur insoweit erfolgreich, als die Beklagte das Streitpatent nicht mehr verteidigt hat. Insoweit war das Patent ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (BGH GRUR 2007, 404, 405 [15] – Carvedilol II; Schulte/Voit, PatG, 9. Aufl., § 81 Rdn. 127 m. w. N.). In der Fassung des Hauptantrags der Beklagten hat das Streitpatent dagegen Bestand. Die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe der mangelnden Ausführbarkeit und fehlenden Patentfähigkeit (§ 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 und 2 PatG) sind nicht gegeben.
I.
1. Der Streitpatentschrift (Beschreibung Absatz 1) zufolge betrifft die vorliegende Erfindung einen Kletterschuh einer Kletterschalung zur Befestigung an einem Betonierabschnitt eines Bauwerks, der eine längs der Wandung eines zu erstellenden Bauwerks in schon erstellten Betonierabschnitten geführte Kletterschiene hält. Bekannt seien Kletterschuhe, die eine Kletterschiene umgriffen, derart, dass sie einerseits in den Kletterschuhen verschiebbar seien und andererseits die Kletterschienen an der Wandung eines Bauwerks geführt hielten. Sollten die Kletterschuhe von einer Wandung abgenommen werden, so müssten die Kletterschienen aus den Kletterschuhen herausgefahren werden, und anschließend sei es möglich, die an vorgesehenen Ankerstellen eines Betonierabschnitts befestigten Kletterschuhe abzubauen. Zum Abbau dieser aus dem Stand der Technik bekannten Kletterschuhe seien in der Regel Hilfs- bzw. Nachlaufbühnen notwendig. Auch bedürfe es zum funktionsgerechten Betreiben der bekannten Kletterschalungen einer größeren Bevorratung von Kletterschuhen (Beschreibung Absatz 5).
Aus der FR 2 487 410 A1 sei eine gattungsgemäße Kletterschalung mit einem Kletterschuh bekannt, der einen Gleitschuhteil und an einem Wandschuhteil ausgebildete klauenartig angeordnete Zylinder aufweise. Diese Zylinder umgriffen einen Teilabschnitt einer Kletterschiene zu deren Führung (Beschreibung Absatz 2).
Aufgabe der Erfindung sei es, Kletterschuhe bereitzustellen, die von einer ortsfesten Befestigung an einem Betonierabschnitt auch dann abgenommen werden könnten, wenn sie von einer Kletterschiene durchgriffen seien (Beschreibung Absatz 3).
2. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags der Beklagten einen Kletterschuh mit folgenden Merkmalen vor (entsprechend einer von der Beklagten vorgelegten Gliederung):
1.0 Kletterschuh einer Kletterschalung zur Befestigung an einem Betonierabschnitt (14) eines Bauwerks,
1.1 wobei der Kletterschuh (10) einen Gleitschuhteil (16) 1.2 und einen Wandschuhteil (18) aufweist, 1.3 wobei das Gleitschuhteil (16) mit dem Wandschuhteil (18)
über eine horizontal ausgerichtete Steckwelle (34) lösbar verbunden ist, 1.4 und wobei an dem Gleitschuhteil (16) Klauen (50) vorgesehen sind, die eine zwischen den Klauen (50) verschiebbar angeordnete Kletterschiene (20) geführt halten, indem die Klauen (50) Teilabschnitte der Kletterschiene (20) umgreifen, 1.5 wobei mindestens eine Klaue (50) verschwenk- und/oder teleskopierbar am Gleitschuhteil (16) vorgesehen ist.
3. Zuständiger Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitpatents und für die Interpretation des Standes der Technik ankommt, ist im vorliegenden Fall ein Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau oder Bauingenieur mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von Gerüsten- und Schalungen, insbesondere Kletterschalungen.
4. Für diesen Fachmann ist ersichtlich, dass es im Sinne der genannten Aufgabenlösung vor allem darauf ankommt, dass mindestens eine Klaue verschwenk- und/oder teleskopierbar am Gleitschuhteil vorgesehen ist (Merkmal 1.5 und Beschreibung Absatz 7). Der Ausbau der Kletterschuhe soll nach der Fassung gemäß Hauptantrag der Beklagten außerdem dadurch erleichtert werden, dass zum einen der Kletterschuh in einen Wand- und einen Gleitschuhteil geteilt ist (Merkmale 1.1 und 1.2) und dass zum anderen diese beiden Teile durch eine Steckverbindung lösbar miteinander verbunden sind (Merkmal 1.3 und Beschreibung Absatz 8). Dabei handelt es sich um einen ganz entscheidenden Vorteil, weil es ohne diese zusätzlichen Merkmale kaum möglich wäre, den Kletterschuh abzuschrauben, solange sich die Schiene davor befindet. In der Streitpatentschrift wird bezeichnender Weise kein Ausführungsbeispiel mit einstückigem Kletterschuh gezeigt.
Durch die horizontal ausgerichtete Steckwelle kann zudem eine gelenkige Verbindung um die horizontale Achse geschaffen werden (vgl. insbesondere Beschreibung Absätze 38, 39), wodurch ein Winkelversatz des Kletterschuhs (Wand- bzw. Gleitschuh) zur Kletterschiene ausgeglichen und z. B. ein Verkanten/Verklemmen zueinander vermieden werden kann. Diese Gelenkigkeit kommt jedoch in An- spruch 1 nicht zum Ausdruck, da nach dessen Merkmal 1.3 die Verbindung lediglich lösbar zu sein hat.
II.
Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) liegt nicht vor.
Der Fachmann versteht unter einem „teleskopierbaren“ Gegenstand, dass dieser über konzentrische, ineinander geschobene Rohre in Achsrichtung linear herausziehbar ist (siehe beispielsweise den von der Beklagten als Anlage B2 vorgelegten Auszug aus „Webster’s New Twentieth Century Dicitonary“, Second Edition, 1979, Stichwort „telescopic, telescopical, dort unter Nr. 5 und 6). In Verbindung mit der Aufgabenstellung, wonach die Klauen außer Eingriff von der Kletterschiene gebracht werden sollen - wobei diese Art der Beweglichkeit alternativ oder ergänzend zum Verschwenken vorgesehen ist - kann der Fachmann die Lehre des Streitpatents auch ohne erläuternde Beschreibung ausführen. Er wird die Lagerung der mindestens einen Klaue in der Weise vorsehen, dass diese z. B. über ineinander verschiebliche Rohre so weit herausgezogen werden kann, dass sie sich nicht mehr im Eingriff mit der Kletterschiene befindet. Sollte es sich hierbei um Rundrohre handeln, so wird hierdurch bereits in einfacher Weise auch die Kombination der Teleskopier- mit der Schwenkbewegung ermöglicht.
III.
In der Fassung gemäß Hauptantrag der Beklagten, gegen deren Zulässigkeit Einwände von der Klägerin nicht geltend gemacht wurden und - da es sich um eine Einschränkung durch Merkmale eines erteilten Unteranspruchs handelt - auch nicht ersichtlich sind, erweist sich Patentanspruch 1 als patentfähig. Gegenüber den von der Klägerin genannten Druckschriften ist dieser Gegenstand unstreitig neu. Auf Grund der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung konnte der Senat - in Abkehr von der in dem frühen gerichtlichen Hinweis geäußerten vorläufi- gen Meinung - letztlich auch nicht zu der Erkenntnis gelangen, dass der Anspruchsgegenstand dem Fachmann am Anmeldetag durch den vorliegenden Stand der Technik nahegelegt gewesen sei.
1. So wäre der Fachmann, wenn er von der Schrift K1a (KR 1020020062259 A) ausgegangen wäre, nicht zum Gegenstand des mit Hauptantrag verteidigten Anspruchs 1 gelangt.
a) Die Schrift K1a zeigt in den Figuren 1 bis 4 einen Kletterschuh 10 einer Kletterschalung zur Befestigung an einem erstellten Betonierabschnitt 1 eines Bauwerks (Merkmal 1.0), wobei dort der Kletterschuh einen der Kletterschiene 100 benachbarten Schuhteil, der für das „Gleiten“ bzw. „Klettern“ der Kletterschiene 100 ausgebildet ist, und einen der Wandung des Bauwerks benachbarten Wandschuhteil aufweist, der für das Befestigen an dem erstellten Betonierabschnitt 1 vorgesehen ist (Merkmale 1.1, 1.2). An dem der Kletterschiene 100 benachbarten Schuhteil sind Klauen 20, 20‘, 20“, 20‘‘‘ (vgl. Figur 2) vorgesehen, die eine zwischen den Klauen 20, 20‘, 20“ 20‘‘‘ verschiebbar angeordnete Kletterschiene 100 geführt halten, indem die Klauen 20, 20‘, 20“, 20‘‘‘ Teilabschnitte der Kletterschiene 100 umgreifen (Merkmal 1.4). Alle Klauen 20, 20‘, 20“, 20‘‘‘ - und somit auch „mindestens eine Klaue“ - sind am Schuhteil, der für das „Gleiten“ bzw. „Klettern“ der Kletterschiene 100 ausgebildet ist, verschwenkbar gelagert (Merkmal 1.5; vgl. Figur 2).
Somit offenbart die Entgegenhaltung K1a alle relevanten Anspruchsmerkmale außer dem Merkmal 1.3. Dieses ist nicht erfüllt, weil bei K1a der der Kletterschiene 100 benachbarte Schuhteil nicht wie beim Streitpatent über eine horizontal ausgerichtete Steckwelle lösbar verbunden, sondern mit dem dortigen Wandschuhteil einstückig ausgebildet ist.
b) Vor die Aufgabe gestellt, dass Kletterschuhe mit ihren ortsfesten Befestigungen von der Betonwandung auch dann abnehmbar sein sollen, wenn sie noch von einer Kletterschiene durchgriffen sind (vgl. Abs. [0003] der Streitpatentschrift), er- kennt der Fachmann in der K1a bereits eine Lösung, die darin besteht, dass die Klauen dort einseitig wegdrehbar sind und der Kletterschuh seitlich zwischen Kletterschiene und erstellter Betonwandung nach Lösen der Wandbefestigung herausgezogen bzw. - gedrückt werden kann. Der Fachmann wird daher durch diese Entgegenhaltung nicht angeregt, nach einer anderen Lösung - etwa wie im verteidigten Anspruch 1 des Streitpatents in Gestalt eines zweigeteilten Kletterschuhs samt lösbarer Verbindung beider Teile mittels einer horizontal ausgerichtete Steckwelle - zu suchen.
c) Auch den übrigen Entgegenhaltungen konnte der Fachmann keine Anregung entnehmen, die ihn - ausgehend von der Schrift K1a - zu dem mit Hauptantrag beanspruchten Gegenstand hätte führen können.
So kann die Entgegenhaltung K5 (FR 2 487 892 A1) im Hinblick auf die vorliegende Problemstellung wenig beitragen, da hier nur das Ankoppeln der Konsole 19 einer Hubvorrichtung mittels Bolzen 22 an einen (bereits freien) Wandschuh 1 gezeigt wird (siehe auch K3 Seite 3, Zeilen 9 bis 12). Der Fachmann wird dadurch nicht angeregt, den Wandschuh nach der K1a zweiteilig auszuführen, um eine schnell lösbare Steckverbindung zu schaffen.
Aus der Schrift K7 (FR 2 298 662 A1) ist zwar ein Kletterschuh bekannt, der geteilt ausgeführt und mit einer schnell lösbaren Steckbolzenverbindung versehen ist. Gemäß der dortigen Figur 13 ist für eine schnelle Lösbarkeit des „Gleitrohrs“49 vom Wandanker eine Welle 50 vorgesehen. Auch wenn hierbei eine Demontage durch Losschrauben der Ankerschrauben bei 48 möglich wäre, so bietet die lösbare Steckbolzenverbindung den Montagevorteil, dass zunächst nur ein einfaches, leicht zu handhabendes Wandschuhteil an der Wand montiert werden muss, während das vergleichsweise unhandliche Gleitschuhteil (ggf. mit Mast 7) nur durch einfaches Einstecken eines Steckbolzens verbunden werden kann.
Eine Zusammenschau von K1a mit K7, die den Fachmann zu dem hier relevanten Gegenstand hätte führen können, kommt aber wegen der in den beiden Entge- genhaltungen gezeigten unterschiedlichen Konstruktionsprinzipien nicht in Betracht. Vor allem ist darauf hinzuweisen, dass bei K7 das mastseitige Verbindungsteil 49 beim Hochziehen am Mast 7 verbleibt, wodurch eine direkte Montage des Verbindungselements 12 an der Wand nur unter erschwerten Bedingungen möglich wäre.
2. Wählt man nicht die Entgegenhaltung K1a, sondern die Druckschrift K1 (WO 03/097493 A1), deren Priorität die K1a in Anspruch nimmt, zum Ausgangspunkt für fachmännische Überlegungen, so führt dies zu keinem anderen Ergebnis, weil die K1 keine über K1a hinausgehende Offenbarung aufweist, die in Richtung der streitpatentgemäßen Lehre führen könnte.
3. Ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, wäre der Fachmann auch dann nicht zum Gegenstand des mit Hauptantrag verteidigten Anspruchs 1 gelangt, wenn er die Druckschrift K2 (WO 2004/020766 A1) zum Ausgangspunkt genommen hätte.
Diese Schrift betrifft eine Hebevorrichtung für eine Sicherheitsabschirmung („safety screen“) bzw. Absturzsicherung (siehe Seite 5, letzter Absatz), wobei der Aufbau des hier verwendeten Kletterschuhs grundsätzlich vergleichbar mit dem Kletterschuh bei einer Kletterschalung ist bzw. dort auch verwendbar ist. Die dort als Abstützböcke („brackets“ 13, 21, z. B. in Figuren 2, 3) bezeichneten Kletterschuhe weisen zur Erleichterung der Montage/Demontage an den Kletterschienen Scharniereinrichtungen zum Aufschwenken einer Klaue des Kletterschuhs auf („one side of the bracket may be hinged …“, Seite 3, Zeilen 20 bis 25, sowie Figur 4 i. V. m. Text auf Seite 7, dritter Absatz). Der Kletterschuh 13, 21 ist über nur einen als vertikal vorragender Zapfen („downwardly expending pin“) bezeichneten Steckbolzen mit einem auf der Geschossdecke befestigten Tragbalken 17 („beam“) verbunden, um so eine gewisse Verschwenkbarkeit und damit Anpassungsmöglichkeit bei der Montage des Tragbalkens 17, des Kletterschuhs 13, 21 und der dort als Tragrahmen bezeichneten Kletterschiene 11 bzw. 24 zu ermöglichen, d. h. um Montagetoleranzen zu kompensieren (vgl. Figuren 2, 3 i. V. m. Text auf Seite 6, zweiter Absatz). Neben der in K2 als einstückig anzusehenden Ausgestaltung des Kletterschuhs 13, 21 mit seinen fest miteinander verbundenen Teilen zum Halten und Führen der Kletterschiene sowie zum Verbinden am Tragbalken 17 unterscheidet sich der Kletterschuh dort auch durch seine vertikal angeordnete „Steckwelle“ vom Streitgegenstand.
K2 zeigt demnach einen Kletterschuh, der auf einem auf der Geschossdecke liegenden Tragbalken befestigt ist und problemlos nach oben vom Tragbalken abgenommen werden kann. Da das streitpatentgemäße Problem - Kletterschuhe auch dann abnehmen zu können, wenn sie von einer Kletterschiene durchgriffen sind hier nicht relevant werden kann, hat der Fachmann keine Veranlassung, die aus K2 bekannte Konstruktion so zu verändern, dass sie sämtliche in dem verteidigten Patentanspruch 1 enthaltenen Merkmale einschließlich der horizontal ausgerichteten Steckwelle (Merkmal 1.3) aufweist. Hierzu kann ihn auch eine Zusammenschau der K2 mit weiteren Entgegenhaltungen nicht anregen.
IV.
Die in den Unteransprüchen beanspruchten Gegenstände werden vom bestandsfähigen Hauptanspruch mitgetragen und sind daher ebenfalls patentfähig. Die Klage war daher im Umfang des Hauptantrags der Beklagten abzuweisen.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. §§ 91, 93 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
Soweit die Klage abgewiesen wird, hat die Klägerin als Unterlegene die Kosten zu tragen, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Klägerin ist aber auch insoweit - und damit insgesamt - zur Kostentragung verpflichtet, als die Beklagte das Streitpatent nicht verteidigt hat und dieses daher ohne Sachprüfung teilweise für nichtig erklärt wor- den ist, wobei dieser Anteil - entsprechend den übereinstimmenden Angaben der Parteien in der mündlichen Verhandlung - mit der Hälfte der Kosten zu bewerten ist. Denn nach dem auch im Patentnichtigkeitsverfahren anwendbaren Rechtsgedanken des § 93 ZPO fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Anlass gegeben hat und der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt, wobei es im Patentnichtigkeitsverfahren einem sofortigen Anerkenntnis i. S. v. § 93 ZPO gleichsteht, wenn der Patentinhaber in der Klageerwiderung das Schutzrecht nur in eingeschränkter Fassung verteidigt und auf den darüber hinausgehenden Schutz für die Vergangenheit und Zukunft verzichtet (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2013, 1282 [47] – Druckdatenübertragungsverfahren, m. w. N.; Schulte/Voit, PatG, 9. Aufl., § 84 Rdn. 27 ff., 44 ff.).
Im vorliegenden Fall sind beide Voraussetzungen erfüllt. Nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag der Beklagten, die aus dem Patent weder Verletzungsklage erhoben noch eine Abmahnung ausgesprochen noch eine Verzichtsaufforderung von der Klägerin erhalten hat, hat sie keine Veranlassung zur Klage gegeben. Die Beklagte, der die Klage am 25. April 2013 zugestellt wurde, hat mit am selben Tag eingegangenen Schriftsatz vom 14. Mai 2013 - und damit rechtzeitig innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist des § 82 Abs. 1 PatG - das Streitpatent in nur noch eingeschränkter Fassung gemäß ihrem Hauptantrag verteidigt und zugleich auf einen weitergehenden Schutz für Vergangenheit und Zukunft verzichtet. Damit hat sie insoweit den Klageanspruch entsprechend einem Anerkenntnis i. S. v. § 93 ZPO anerkannt, was zur Kostentragung durch die Klägerin führt.
VI. Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann nicht verlängert werden.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Rauch Püschel Hildebrandt Küest Großmann Pr