23 W (pat) 26/14
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 26/14 Verkündet am 5. April 2016
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BESCHLUSS In der Einspruchsbeschwerdesache
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betreffend das Patent 10 2010 017 155 hat der 23. Senat (Techn. Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. April 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Strößner sowie der Richter Dipl.-Phys. Brandt, Dipl.-Phys. Dr. Zebisch und Dr. Himmelmann BPatG 154 05.11 beschlossen:
-2Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Die Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deutschen Patent- und Markenamts hat das am 31. Mai 2010 beim Deutschen Patent- und Markenamt von der Q… in W…, angemeldete und mit der DE 10 2010 017 155 A1 am 1. Dezember 2011 offengelegte Patent 10 2010 017 155 (Streitpatent) mit der Bezeichnung „Solarzelle“ in der Anhörung am 7. Februar 2011 erteilt. Der zugehörige schriftliche Beschluss ist auf den 19. September 2011 datiert. Das Patent wurde am 26. Januar 2012 mit der DE 10 2010 017 155 B4 veröffentlicht.
Im Prüfungsverfahren hat die Prüfungsstelle den Stand der Technik gemäß den folgenden Druckschriften zitiert:
P1 US 5 270 267 A, P2 US 2008/0 072 959 A1 und P3 US 2005/ 0 030 629 A1.
Gegen das Patent hat die S… AG in M… mit Schriftsatz vom 25. April 2012, am 26. April 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt über Fax eingegangen, Einspruch erhoben. In ihrem Schriftsatz hat sie beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen (§ 61 PatG), wobei sie als Widerrufsgrund fehlende Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) auf Grund fehlender Neuheit (§ 3 PatG) und mangelnde Ausführbarkeit der Lehre des Streitpatents (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) angegeben hat. Sie hat sich bei ihrer Begründung im Einspruchsschriftsatz und in einem weiteren Schriftsatz im Hinblick auf die fehlende Patentfähigkeit auf folgende Dokumente gestützt:
D1 M.C. Ntsama-Etoundi et al.: „Remote microwave plasma enhanced chemical vapour deposition of alumina on metallic substrates“; in: Surface and Coatings Technology 120-121 (1999), S. 233-237; D2 Bram Hoex, Promotionsarbeit: “Functional Thin Films for High-Efficiency Solar Cells”, Technische Universität Eindhoven, 8. Mai 2008, S. 8-10, 36, 82-84; D3 P. Saint-Cast et al.: „Very low surface recombination velocity on ptype c-Si by high-rate plasma-deposited aluminum oxide“; in: Applied Physics Letters 95, 151502 (2009); D4 G. Dingemans et al.: „Stability of Al2O3 and Al2O3/a-SiNx:H stacks for surface passivation of crystalline silicon”; in: Journal of Applied Physics 106, 114907 (2009); D5 WO 2006/097 303 A1 D6 H.-Q. Xiao et al.: „Excellent Passivation of p-Type Si Surface by Sol- Gel Al2O3 Films“; in Chin.Phys.Lett. Vol. 26, No. 8 (2009) 088102; D7 Sh. Miyajima et al.: „High Quality Aluminum Oxide Passivation Layer for Crystalline Silicon Solar Cells Deposited by Parallel-Plate Plasma-Enhanced Chemical Vapor Deposition“; in: Applied Physics Express 3 (2010) 012301; D8 WO 2009/062 882 A2; D9 G. Dingemans et al.: „Firing Stability of Atomic Layer Deposited Al2O3 for c-Si Surface Passivation”; in: Proceedings of the 34th IEEE Photovoltaic Specialists Conference, Philadelphia, PA, 7.-12. Juni 2009; D10 US 2008/0 308 143 A1.
Auf den Einspruch hin hat die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 15. April 2013 den Darlegungen der Einsprechenden in allen Punkten widersprochen und insbesondere ausgeführt, dass die Gegenstände der mit diesem Schriftsatz eingereichten Ansprüche sowohl neu seien als auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruhten. Zudem sei die Lehre der Ansprüche auch ausführbar. In einem weiteren Schriftsatz vom 10. Juli 2014 hat sie nochmals zwei Sätze neuer Ansprüche eingereicht und wiederum ihre Ansicht, dass deren Gegenstände neu und erfinderisch seien und ihre Lehre auch ausführbar sei, dargelegt.
In der darauf folgenden, von der Einsprechenden beantragten Anhörung vor der Patentabteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts am 24. Juli 2014 hat die Einsprechende den Antrag, das Patent zu widerrufen, wiederholt.
Die Patentinhaberin hat in der Anhörung zwei weitere Anspruchssätze als Hilfsanträge 2 und 3 eingereicht und beantragt, das Patent mit einem der Anspruchssätze nach dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden Hauptantrag oder einem der drei Hilfsanträge 1 bis 3 in dieser Reihenfolge beschränkt aufrecht zu erhalten.
Als Ergebnis der Anhörung wurde das Streitpatent durch Beschluss der Patentabteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 PatG widerrufen.
Die Patentabteilung hat in ihrer Beschlussbegründung ausgeführt, dass die Lehren der zulässigen Ansprüche nach allen vier Anträgen zwar ausführbar seien, jedoch gegenüber der Lehre der Druckschrift D3 nicht neu (§ 3 PatG) und damit nicht patentfähig seien. Diese schriftliche Beschlussbegründung wurde sowohl dem Vertreter der Patentinhaberin als auch dem der Einsprechenden am 18. August 2014 zugestellt.
Gegen diesen Beschluss der Patentabteilung 33 hat die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 18. September 2014, am selben Tag beim Deutschen Patent- und Markenamt über Fax eingegangen, Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 16. Februar 2015 begründet. Mit diesem Schriftsatz hat sie auch vier neue Anspruchssätze als Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 3 eingereicht.
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung hat der Senat die Patentinhaberin und die Einsprechende noch auf die im parallelen US-amerikanischen Patentprüfungsverfahren genannte Druckschrift D11 US 2001/0 031 365 A1 hingewiesen.
In der mündlichen Verhandlung am 5. April 2016 hat die Patentinhaberin zwei weitere neue Sätze Patentansprüche als Hilfsanträge I und II eingereicht, welche die mit Hilfsantrag 1 und 2 bezeichneten Anspruchssätze ersetzen. Sie beantragt:
1. Den Beschluss der Patentabteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. Juli 2014 (schriftlich begründet durch Beschluss vom 18. August 2014) aufzuheben.
2a. Hauptantrag Das Patent Nr. 10 2010 017 155 mit der Bezeichnung „Solarzelle“ dem Anmeldetag 31. Mai 2010 in beschränktem Umfang aufrecht zu erhalten nach Maßgabe folgender Unterlagen: - Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hauptantrag vom 16. Februar 2015, eingegangen am 17. Februar 2015, wobei Patentanspruch 8 gestrichen ist; - Beschreibung Absatz [0001] bis Absatz [0035] gemäß Patentschrift.
2b. Hilfsantrag 1 Hilfsweise das unter 2a. genannte Patent in beschränktem Umfang aufrecht zu erhalten nach Maßgabe folgender Unterlagen: - Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag I, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 5. April 2016; - die unter 2a. genannte Beschreibung.
2c. Hilfsantrag 2 Weiter hilfsweise das unter 2a. genannte Patent in beschränktem Umfang aufrecht zu erhalten nach Maßgabe folgender Unterlagen: - Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag II, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 5. April 2016; - die unter 2a. genannte Beschreibung.
2d. Hilfsantrag 3 Weiter hilfsweise das unter 2a. genannte Patent in beschränktem Umfang aufrecht zu erhalten nach Maßgabe folgender Unterlagen: - Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag 3 vom 16. Februar 2015, eingegangen am 17. Februar 2015; - die unter 2a. genannte Beschreibung.
Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 12. Februar 2016 ihren Einspruch zurückgenommen.
Der geltende, mit Schriftsatz vom 16. Februar 2015 eingereichte Anspruch 1 nach Hauptantrag lautet (mit bei unverändertem Wortlaut eingefügter Gliederung):
„1. Solarzelle, 1.1 aufweisend ein Halbleitersubstrat mit einer Halbleitersubstratoberflä- che 1.2 und eine Passivierung aus mindestens einer Passivierungsschicht,
welche die Halbleitersubstratoberfläche derart oberflächenpassiviert, dass die Rekombinationsaktivität von Ladungsträgern über Oberflächenzustände herabgesetzt ist, 1.2.1 wobei die Passivierungsschicht eine Verbindung aus Aluminiumoxid, Aluminiumnitrid oder Aluminiumoxynitrid umfasst, 1.2.2 wobei die Verbindung zumindest ein weiteres Element enthält, welches stöchiometrisch signifikant in der Passivierungsschicht enthalten ist, 1.2.3 - wobei die Verbindung der Passivierungsschicht als ein weiteres Element Stickstoff, Kohlenstoff, Phosphor, Bor, Fluor und / oder ein Metall der seltenen Erden umfasst und 1.2.4 die Passivierungsschicht als Antireflexionsschicht oder als Teil einer derartigen Schicht ausgelegt ist oder 1.2.5 - wobei die Verbindung der Passivierungsschicht als ein weiteres Element Stickstoff, Kohlenstoff, Phosphor, Bor und / oder Fluor und/oder ein Metall umfasst und 1.2.6 die Passivierung eine oder mehrere weitere zwischen der Passivierungsschicht und der Halbleitersubstratoberfläche angeordnete Passivierungsschichten umfasst.“
Der in der mündlichen Verhandlung eingereichte Anspruch 1 nach Hilfsantrag I lautet (mit bei unverändertem Wortlaut eingefügter Gliederung):
„1. Solarzelle, 1.1 aufweisend ein Halbleitersubstrat mit einer Halbleitersubstratoberfläche
1.2 und eine Passivierung aus mindestens einer Passivierungsschicht, welche die Halbleitersubstratoberfläche derart oberflächenpassiviert, dass die Rekombinationsaktivität von Ladungsträgern über Oberflächenzustände herabgesetzt ist,
1.2.1‘ wobei die Passivierungsschicht aus Aluminiumoxid, Aluminiumnitrid oder Aluminiumoxynitrid gebildet ist und
1.2.2‘ ein weiteres Element enthält, welches stöchiometrisch signifikant in der Passivierungsschicht enthalten ist,
1.2.3a - wobei die Passivierungsschicht als ein weiteres Element Stickstoff, Phosphor, Bor und / oder ein Metall enthält und
1.2.4 die Passivierungsschicht als Antireflexionsschicht oder als Teil einer derartigen Schicht ausgelegt ist oder 1.2.5 - wobei die Passivierungsschicht als ein weiteres Element Stickstoff,
Kohlenstoff, Phosphor, Bor, Fluor und/oder ein Metall enthält und 1.2.6 die Passivierung eine oder mehrere weitere zwischen der Passivierungsschicht und der Halbleitersubstratoberfläche angeordnete Passivierungsschichten umfasst.
Bei den selbständigen Ansprüchen 2 des Hauptantrags und des Hilfsantrags I ist jeweils das Merkmal 1.2.4 durch das Merkmal
1.2.4‘ die Passivierungsschicht als Reflexionsschicht oder als Teil einer derartigen Schicht ausgelegt ist ersetzt.
Anspruch 1 des ebenfalls in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrags II ist gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags I dadurch eingeschränkt, dass die mit den Merkmalen 1.2.3a und 1.2.4 beanspruchte Alternative weggelassen ist.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 lautet (mit bei unverändertem Wortlaut eingefügter Gliederung):
„1. Solarzelle, 1.1 aufweisend ein Halbleitersubstrat mit einer Halbleitersubstratoberflä- che 1.2 und eine Passivierung aus mindestens einer Passivierungsschicht,
welche die Halbleitersubstratoberfläche derart oberflächenpassiviert, dass die Rekombinationsaktivität von Ladungsträgern über Oberflächenzustände herabgesetzt ist, 1.2.1 wobei die Passivierungsschicht eine Verbindung aus Aluminiumoxid, Aluminiumnitrid oder Aluminiumoxynitrid umfasst, 1.2.2 wobei die Verbindung zumindest ein weiteres Element enthält,
welches stöchiometrisch signifikant in der Passivierungsschicht enthalten ist, 1.2.3b - wobei die Verbindung der Passivierungsschicht als ein weiteres Element Stickstoff, Phosphor, Bor und / oder Fluor umfasst oder 1.2.5‘ - wobei die Verbindung der Passivierungsschicht als ein weiteres Element ein Metall umfasst und 1.2.6 die Passivierung eine oder mehrere weitere zwischen der Passivierungsschicht und der Halbleitersubstratoberfläche angeordnete Passivierungsschichten umfasst 1.2.7 und wobei zusätzlich die Passivierung zumindest eine weitere Passivierungsschicht umfasst, welche auf einer der Halbleitersubstratoberfläche abgewandten Seite der Passivierungsschicht angeordnet ist.
Bei den Hilfsanträgen II und 3 gibt es keine weiteren selbständigen Ansprüche. Zu den Unteransprüchen aller Anträge sowie zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die fristgerecht eingegangene Beschwerde ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet, da die Gegenstände der Anspruche 1 aller vier gestellten Anträge nicht patentfähig sind, da sie entweder durch die Druckschrift D3 neuheitsschädlich vorweggenommen werden (§ 3 PatG) oder gegenüber einer Zusammenschau der Lehren der Druckschriften D3 und D11 auf keiner erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruhen (§ 4 PatG). Die Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.
1. Die Einsprechende hat ihren Einspruch mit Schriftsatz vom 12. Februar 2016 zurückgenommen. Sie ist somit nicht mehr am Einspruchsverfahren und damit auch nicht an dem diesen nachgeordneten Einspruchsbeschwerdeverfahren beteiligt (vgl. Schulte (Hrsg.), Patentgesetz, 9. Auflage, § 61 Rdn. 33). Da das Einspruchsverfahren, dessen Beschluss noch nicht rechtskräftig geworden ist, bei der Rücknahme des Einspruchs von Amts wegen fortgesetzt wird (§ 61 Abs. 1, Satz 2 PatG), hat die Rücknahme des Einspruchs keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des von der Patentabteilung gefällten Beschlusses, so dass sie in der Folge auch keinen Einfluss auf eine Beschwerde des Patentinhabers gegen diesen Beschluss hat.
2. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von Amts wegen in jedem Verfahrensstadium, auch im Beschwerdeverfahren, zu prüfen (vgl. Schulte (Hrsg.), Patentgesetz, 9. Auflage, § 59 Rdn. 51 und 150 bis 152; BGH GRUR 1972, 592 – „Sortiergerät“), da nur das Vorliegen eines zulässigen Einspruchs die weitere sachliche Überprüfung eines erteilten Patents erlaubt.
Vorliegend ist der form- und fristgerecht erhobene Einspruch zulässig, weil sowohl zu dem geltend gemachten Einspruchsgrund der fehlenden Ausführbarkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) als auch zu dem geltend gemachten Einspruchsgrund der mangelnden Patentfähigkeit auf Grund fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. §§ 3, 4 PatG) substantiiert Stellung genommen wurde. So hat die Einsprechende substantiiert vorgetragen, im Hinblick auf welches Merkmal und warum der Fachmann nicht in die Lage versetzt werde, die Lehre der Erfindung nachzuarbeiten. Auch hat sie genau angegeben, wo welche Merkmale des Gegenstands des unabhängigen Anspruchs in den einzelnen Druckschriften offenbart seien, oder wie sie sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergäben. Die Einsprechende hat zudem noch ausführlich angegeben, wo oder wie sich die Merkmale der Unteransprüche ergäben. Insgesamt wurden somit die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen aufgeführt (§ 59 Abs. 1 Satz 4 PatG). Die Patentabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts und auch die Patentinhaberin wurden demnach in die Lage versetzt, ohne eigene Nachforschungen festzustellen, ob die behaupteten Einspruchsgründe vorliegen (vgl. hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, liSp, Abs. 1 - „Epoxidation“; Schulte (Hrsg.), Patentgesetz, 9. Auflage, § 59 Rdn. 84 bis 88).
3. Das Streitpatent betrifft eine Solarzelle. Eine der begrenzenden Faktoren für die Effizienz von Halbleiterbauelementen und -vorrichtungen ist die Rekombination von Ladungsträgern an Halbleiteroberflächen, welche die Rekombinationsaktivität begünstigende Oberflächenzustände aufweisen. Dieses Problem ist insbesondere bei Solarzellen von Bedeutung. Denn in diesem Fall stehen die rekombinierten Ladungsträger nicht mehr für die Stromerzeugung zur Verfügung. Um Rekombinationen zu vermindern, muss die Halbleiteroberfläche passiviert werden, indem die Rekombinationsaktivität von Ladungsträgern über Oberflächenzustände herabgesetzt wird (vgl. Abs. [0001] und [0002] der Streitpatentschrift).
Für die Passivierung von Halbleiteroberflächen wird gegenwärtig vielfältig Aluminiumoxid eingesetzt (Al2O3 oder AlOx, wodurch ganz allgemein jede geeignete stöchiometrische Zusammensetzung von Aluminium und Sauerstoff gemeint ist). Aluminiumoxid weist eine hohe negative Flächenladungsdichte auf und kann, wenn mittelbar über eine Zwischenschicht oder unmittelbar auf die Halbleiteroberfläche aufgetragen, Ladungsträger von der Halbleiteroberfläche in das Halbleiter- volumen verdrängen. Aufgrund dieser feldeffektpassivierenden Wirkung wird die Halbleiteroberfläche wirksam passiviert (vgl. Abs. [0003] der Streitpatentschrift).
Derartige Passivierungsschichten aus Aluminiumoxid haben jedoch den Nachteil, dass sie gegenüber bestimmten Herstellungsprozessen, insbesondere bei der Herstellung von Solarzellen, nicht beständig sind, beispielsweise gegenüber nasschemischen Reinigungs- oder Ätzprozessen. Sie müssen daher mittels zusätzlicher Deckschichten geschützt werden. Dies führt zu höheren Produktionskosten und längeren Produktionszeiten (vgl. Abs. [0004] der Streitpatentschrift).
Darüber hinaus muss insbesondere bei Solarzellen nicht nur auf die elektrischen Eigenschaften der Schichtfolgen geachtet werden, sondern auch die optischen Eigenschaften der einzelnen Schichten müssen aufeinander abgestimmt sein. Wird als Material der Passivierungsschicht jedoch lediglich Aluminiumoxid verwendet, so ist man im Design der Solarzelle auf einen bestimmten Brechungsindex (nämlich etwa 1,6) festgelegt (vgl. Abs. [0005] der Streitpatentschrift).
Im Stand der Technik sind bereits einige Passivierungsschichten oder optisch wirksame Schichten auf Halbleiteroberflächen sowie Methoden, diese aufzubringen, bekannt. So ist in der Druckschrift US 5 270 267 A (= P1) ein Verfahren zur Erzeugung einer Schutzschicht auf einem Halbleitersubstrat beschrieben. Hierbei wird mittels Rotationsbeschichtung ein Film auf die Halbleitersubstratoberfläche aufgeschleudert und dieser Film anschließend in mehreren Schritten gehärtet. Auf diese Weise können unter anderem Nitride und Oxynitride unterschiedlicher Elemente hergestellt werden, darunter Bor, Phosphor, Arsen, Aluminium, Zink, Gold, etc. (vgl. Abs. [0006] der Streitpatentschrift).
Die Druckschrift US 2008/0 072 959 A1 (= P2) offenbart eine Solarzelle, auf der ein mittels Atomlagenabscheidung hergestelltes Mehrschichtsystem aufgebracht ist. Gemäß einer Ausführungsform weist das Mehrschichtsystem eine alternie- rende Schichtfolge aus Aluminiumoxid und Zinkoxid auf und bildet eine Antireflexionsbeschichtung (vgl. Abs. [0007] der Streitpatentschrift).
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine Solarzelle bereitzustellen, welche mit geringerem Kostenund Zeitaufwand herstellbar ist und eine effektive und zugleich gegenüber Herstellungsprozessschritten beständige Passivierung aufweist (vgl. Abs. [0009] der Streitpatentschrift).
Diese Aufgabe wird durch die Solarzellen nach den selbständigen Ansprüchen des Hauptantrags und der drei gestellten Hilfsanträge gelöst.
Das Wesentliche der beanspruchten Solarzelle ist somit die besondere Ausführung einer Passivierung. Diese Passivierung besteht aus mindestens einer Passivierungsschicht, welche die Halbleitersubstratoberfläche derart oberflächenpassiviert, dass die Rekombinationsaktivität von Ladungsträgern über Oberflächenzustände herabgesetzt ist. Letzteres kann prinzipiell auf zwei verschiedene Weisen erreicht werden. Die eine besteht darin, dass die Anzahl der für die Rekombination von Ladungsträgern wirksamen Oberflächenzustände herabgesetzt werden. Die andere besteht darin, dass die Minoritätsträger elektrostatisch von der Oberfläche des Halbleiters verdrängt werden, so dass sie für eine Rekombination nicht zur Verfügung stehen. Letzteres kann auch durch eine Verschiebung des Ferminiveaus von den Niveaus der Rekombinationszentren weg beschrieben werden. Das Streitpatent macht zum Mechanismus der Reduzierung im Anspruch keine Angabe, geht jedoch in erster Linie vom zweiten Mechanismus aus (vgl. Abs. [0003] der Streitpatentschrift), was sich insbesondere aus den beanspruchten Materialien, die die Passivierungsschicht umfasst oder aus denen sie gebildet ist, nämlich Aluminiumoxid, Aluminiumnitrid oder Aluminiumoxinitrid, ergibt, da diese eine relativ starke negative Flächenladungsdichte aufweisen und somit Elektronen von der Oberfläche verdrängen.
Entscheidend ist nun, dass die Passivierungsschicht zumindest ein weiteres Element enthält, welches stöchiometrisch signifikant in der Passivierungsschicht enthalten ist. Dabei bleibt offen, welche Menge als stöchiometrisch signifikant zu bezeichnen ist, denn letztendlich stören bereits wenige Atome die Stöchiometrie, auch wenn diese Menge nicht als stöchiometrisch signifikant zu bezeichnen ist. Die explizite Angabe, dass das weitere Element stöchiometrisch signifikant enthalten sein soll, schließt somit geringe Mengen aus, ohne eine eindeutige Untergrenze anzugeben.
Im Weiteren werden im Anspruch 1 nach Hauptantrag zwei Alternativen für die Passivierungsschicht angegeben. Die erste besteht darin, dass die Verbindung, aus der die Passivierungsschicht besteht, als ein weiteres Element Stickstoff, Kohlenstoff, Phosphor, Bor, Fluor und/oder ein Metall der seltenen Erden umfasst. Dieses weitere Element kann das weitere Element sein, das stöchiometrisch signifikant enthalten ist, muss aber auf Grund des verwendeten unbestimmten Artikels nicht dieses sein. Die Passivierungsschicht ist als Antireflexionsschicht oder als Teil einer solchen Schicht ausgelegt. Letzteres deutet auf einen als Antireflexionsschicht wirkenden dielektrischen Schichtenstapel hin.
Die zweite Alternative gibt als weiteres Element, das die Passivierungsschicht enthält, Stickstoff, Kohlenstoff, Phosphor, Bor und/oder Fluor und/oder ein Metall, diesmal nicht auf seltene Erden beschränkt, an und gibt zudem an, dass sich zwischen der Passivierungsschicht und der Halbleitersubstratoberfläche mindestens eine weitere Passivierungsschicht befindet, was bedeutet, dass es sich um einen Schichtenstapel aus mindestens zwei Schichten handelt. Ob dieser Schichtenstapel reflektierend oder antireflektierend, also entspiegelnd wirkt, wird dabei nicht angegeben.
Im Anspruch 1 des Hilfsantrags I sind in der ersten Alternative die in der Passivierungsschicht enthaltenen Elemente gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags geändert. So sind zum einen die Möglichkeiten, dass es sich bei den weiteren Ele- menten um Kohlenstoff oder Fluor handelt, weggefallen, dafür sind die Metalle nicht mehr auf seltene Erden beschränkt. Die zweite Alternative ist unverändert geblieben.
Beim Anspruch 1 des Hilfsantrags II wurde die erste Alternative des Anspruchs 1 des Hilfsantrags I weggelassen, so dass nunmehr nur noch die zweite Alternative des Anspruchs 1 nach Hauptantrag beansprucht wird.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 beansprucht mit seinen beiden Alternativen einen Schichtenstapel, denn auf der der Halbleitersubstratoberfläche abgewandten Seite der Passivierungsschicht ist für beide Alternativen eine weitere Passivierungsschicht angeordnet. Die erste Alternative ist auf die Elemente Stickstoff, Phosphor, Bor und/oder Fluor beschränkt, während die zweite Alternative auf ein Metall beschränkt ist. Bei der zweiten Alternative ist wiederum mindestens eine weitere Passivierungsschicht zwischen der Halbleitersubstratoberfläche und der Passivierungsschicht angeordnet. Damit entsteht eine Passivierung, die mindestens drei Schichten umfasst.
4. Die Gegenstände der Ansprüche 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge I und II sind gegenüber der Offenbarung der Druckschrift D3 nicht neu (§ 3 PatG), der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 beruht gegenüber der Zusammenschau der Lehren der Druckschriften D3 und D11 auf keiner erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns (§ 4 PatG), so dass er nicht patentfähig ist.
Bei dieser Sachlage kann die Zulässigkeit der Ansprüche sowie die Ausführbarkeit deren Lehre dahingestellt bleiben (vgl. BGH GRUR 1991, 120, 121, II.1 – „Elastische Bandage“).
Als zuständiger Fachmann ist hier ein berufserfahrener Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik oder ein Festkörperphysiker mit Hochschul- oder Fachhochschul- abschluss sowie speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Entwicklung von Solarzellen zu definieren, der zudem über fundierte Kenntnisse der Optik verfügt.
4.1. Druckschrift D3 offenbart eine Aluminiumoxidschicht und deren Herstellung mittels PECVD (= Plasma Enhanced Chemical Vapor Deposition) auf p-Typ Silizium. In der geschilderten Arbeit wurden die Aufwachsgeschwindigkeit und die chemische Zusammensetzung der Schicht sowie ihre negative Flächenladungsdichte und damit ihre Wirksamkeit als Passivierungsschicht zur Herabsetzung der Rekombinationsrate an Oberflächenzuständen untersucht. Als Hintergrund für die Untersuchung wird der Einsatz der Schicht in Solarzellen genannt. Damit ist aus der Druckschrift D3 in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des geltenden Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag im Einzelnen eine
1. Solarzelle (vgl. S. 1, linke Sp., 1. Abs.: „Crystalline silicon solar cell technology currently holds the main share of the photovoltaic (PV) market.”) bekannt,
1.1 aufweisend ein Halbleitersubstrat mit einer Halbleitersubstratoberfläche (vgl. S. 1, linke Sp. 2. Abs.: „P-type silicon substrates are typically used in the Si PV industry in preference over n-type substrates.”)
1.2 und eine Passivierung aus mindestens einer Passivierungsschicht, welche die Halbleitersubstratoberfläche derart oberflächenpassiviert, dass die Rekombinationsaktivität von Ladungsträgern über Oberflächenzustände herabgesetzt ist (vgl. S. 1, rechte Sp., 3. Abs.: „Conversely, Al2O3 layers can provide excellent passivation on lowly and highly-doped p-type silicon. Various deposition techniques are appropriate for surface passivation, including chemical vapor deposition,4,13 sol-gel,14 atomic layer deposition (ALD) 15, 16 and sputtering.17 The highest reported passivation quality to date has been obtained using plasma-assisted ALD (PA-ALD).18 Such layers have been applied to high-efficiency n-type8 and p-type19 solar cells.”),
1.2.1 wobei die Passivierungsschicht eine Verbindung aus Aluminiumoxid, Aluminiumnitrid oder Aluminiumoxynitrid, nämlich aus Aluminiumoxid, umfasst (vgl. den Titel: „Very low surface recombination velocity on p-type c-Si by high-rate plasma-deposited aluminum oxide”),
1.2.2 wobei die Verbindung zumindest ein weiteres Element enthält, welches stöchiometrisch signifikant in der Passivierungsschicht enthalten ist (vgl. S. 2, rechte Sp., 3. Abs.: „The exact composition of the layers has been determined by x-ray photoelectron spectroscopy. The measurement was performed on the surface of the deposited layer after 15 s of Ar sputtering. The layer is found to be approximately stoichiometric with 60% oxygen (O), 36% aluminum (Al), and 4% carbon (C), while nitrogen (N) and silicon (Si) were not detected.” 4% Kohlenstoffanteil stellen eine stöchiometrisch signifikante Menge an Kohlenstoff dar, wie sich aus den Angaben des Streitpatents in Abs. [0015], wo Mengen zwischen 1% und 20% explizit genannt werden, ergibt.),
1.2.3 - wobei die Verbindung der Passivierungsschicht als ein weiteres Element Stickstoff, Kohlenstoff, Phosphor, Bor, Fluor und / oder ein Metall der seltenen Erden umfasst, nämlich Kohlenstoff (vgl. die bereits zitierte Stelle S. 2, rechte Sp., 3. Abs.) und
1.2.4 die Passivierungsschicht als Antireflexionsschicht oder als Teil einer derartigen Schicht ausgelegt ist (vgl. S. 2, rechte Sp., 2. Abs.: „Benick et al.8 showed that thin Al2O3 layers can be used in combination with a-SiNx:H for ARCs, while Schmidt et al.19 showed that Al2O3 exhibits similar behavior to SiO2 for internal back reflection at the rear of c-Si solar cell. The same characteristics are also expected for PECVD AlOx layers presented in this letter.”).
In der zuletzt angegeben Textstelle ist die Verwendung der Al2O3-Schicht als Bestandteil einer Antireflexionsschicht (ARC = Anti Reflection Coating) genauso offenbart wie auch die Verwendung als Bestandteil einer Reflexionsschicht. Da die Merkmale 1.2.5 und 1.2.6 zusammen eine Alternative zu den Merkmalen 1.2.3 und 1.2.4 bilden und damit im Hinblick auf die Prüfung der Neuheit unbeachtet bleiben können, ist folglich der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag gegenüber der Druckschrift D3 nicht neu (§ 3 PatG) und damit nicht patentfähig.
4.2 Aber auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags I ist in Druckschrift D3 offenbart. So sind dort, wie bereits zum Anspruch 1 des Hauptantrags dargelegt, die Merkmale 1, 1.1, 1.2, 1.2.1‘ und 1.2.2‘ offenbart. Für die letzten beiden Merkmale ergibt sich dies daraus, dass das Aluminiumoxid nicht nur einen geringen Anteil des Materials der Passivierungsschicht bildet, sondern die Schicht zu etwa 96% aus Aluminiumoxid besteht.
Aus Druckschrift D3 sind jedoch auch die Merkmale 1.2.5 und 1.2.6 bekannt. So 1.2.5 enthält die Passivierungsschicht als ein weiteres Element Stickstoff, Kohlenstoff, Phosphor, Bor, Fluor und/oder ein Metall, nämlich Kohlenstoff (vgl. die bereits zitierte Stelle S. 2, rechte Sp., 3. Abs.) und
1.2.6 die Passivierung umfasst eine oder mehrere weitere zwischen der Passivierungsschicht und der Halbleitersubstratoberfläche angeordnete Passivierungsschichten (vgl. S. 3, linke Sp., 1. Abs.: „A thin SiO2 layer (thickness below 5 nm) is often observed at the interface between c-Si and Al2O3 after annealing.15 Johnson et al.27 suggested that the negative charges in Al2O3 are situated close to the SiO2/Al2O3 interface, which may also be occurring in our case. An interstitial SiO2 layer between PECVD AlOx and c-Si may provide a good interface quality with cSi, and low Dit values.“).
Der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht der Patentinhaberin, dass es sich bei der in Druckschrift D3 offenbarten SiO2-Schicht um keine Passivierungsschicht im Sinne des Streitpatents handelt, ist nicht zu folgen. So begründet die Patentinhaberin dies damit, dass die SiO2-Schicht für die Reduzierung der Rekombinationsrate an der Oberfläche nicht wirksam sei, was sich aus der Druck- schrift D2 ergebe, wo die Wirksamkeit einer vergleichbaren SiO2-Schicht untersucht wurde (vgl. S. 83, 84, seitenübergreifender Abs.: „The postdeposition annealing was essential for a good level of surface passivation, however, frorn RBS/ERD no significant changes could be detected in the atomic composition of the annealed Al2O3 films. From high resolution transmission electron microscopy (HR-TEM) it was found that both the as-deposited and annealed Al2O3 film are amorphous of composition, as shown in Fig. 3 for the annealed film. An interfacial oxide layer of ~1.5 nm (~1.2 nm prior to anneal) is present between the c-Si and Al2O3 as a result of the deposition process, possibly from the exposure of the substrate to the O2 plasma in the first ALD cycles. In a separate experiment it was verified that the oxide layer formed during the O2 plasma exposure on itself does not yield any surface passivation, also not after annealing.”).
Unabhängig davon, ob dieses Ergebnis auch für die SiO2-Schicht in Druckschrift D3 gilt, wird im Merkmal 1.2 auch nicht beansprucht, dass jede Passivierungsschicht die Oberfläche dadurch passiviert, dass sie die Rekombinationsaktivität von Ladungsträgern über Oberflächenzustände herabsetzt. Dies muss nur durch die gesamte Passivierung oder aber eine der in der Passivierung enthaltenen Mehrzahl von Schichten erfolgen. Der Anspruch lässt zu, dass der Begriff Passivierungsschicht so verstanden wird, dass eine solche Schicht die Oberfläche vor irgendeinem Einfluss, so beispielsweise vor Feuchtigkeit aus der Umgebung oder anderen Umwelteinflüssen passiviert. Dies macht eine SiO2-Schicht auf einem Siliziumsubstrat und damit insbesondere auch die in Druckschrift D3 offenbarte SiO2-Schicht. Merkmal 1.2 lässt sogar zu, dass eine Schicht nur deshalb als weitere Passivierungsschicht bezeichnet wird, weil sie Teil der als Passivierung dienenden Schichtenfolge ist und selbst für die Passivierung überhaupt keinen Zweck erfüllt.
Die Patentschrift stützt dies, denn dort werden Schichtenfolgen aus SiO2 und AlOxSchichten beschrieben, wobei jede der Schichten - auch die SiO2-Schichten - als Passivierungsschichten beschrieben werden (vgl. Abs. [0026]: „Gemäß einer be- vorzugten Weiterbildung ist vorgesehen, dass die Passivierung eine alternierende Schichtfolge aus der Passivierungsschicht und einer weiteren Passivierungsschicht umfasst. Die Schichtfolge umfasst hierbei vorzugsweise zwischen 2 und 1000 Passivierungsschichten, bevorzugt mindestens 10 oder mindestens 100 Passivierungsschichten. Beispiele hierfür bilden eine Schichtfolge aus Titanoxid und Aluminiumoxid (TiO2/AlOX/TiO2/AIOX/TiO2/AIOX ...) oder eine Schichtfolge aus Siliziumoxid und Aluminiumoxid (SiO2/AlOX/SiO2/AlOX/SiO2/AIOX ...). Bevorzugt handelt es sich bei jeder der Passivierungsschichten, aus denen die Passivierung gebildet ist, um eine Monolage aus dem jeweiligen Material, wobei auch eine größere Anzahl an Monolagen pro Passivierungsschicht möglich sind, beispielsweise 5, 10 oder mehr Monolagen.“). Und auch eine durch die Oxidation der Halbleiteroberfläche entstehende Schicht, also bei einem Siliziumsubstrat eine SiO2Schicht, wie sie auch im Falle der Druckschrift D3 vorliegt, wird in der Streitpatentschrift als Passivierungsschicht bezeichnet (vgl. Abs. [0024]: „Beispielsweise kann eine chemisch passivierende weitere Passivierungsschicht unmittelbar auf die Halbleitersubstratoberfläche aufgebracht sein. Diese weitere Passivierungsschicht kann mittels Oxidation der Halbleitersubstratoberfläche oder vorteilhafterweise mittels eines Abscheideprozesses erzeugt sein.“). Diese Stelle stützt auch die Interpretation der Passivierungsschicht als Schicht, die die Oberfläche in anderer Weise als im Merkmal 1.2 beansprucht passiviert.
Damit handelt es sich auch bei der in Druckschrift D3 offenbarten SiO2-Schicht um eine Passivierungsschicht.
Da die Merkmale 1.2.5 und 1.2.6 wiederum eine von zwei Alternativen beanspruchen, können die die andere Alternative beanspruchenden Merkmale 1.2.3a und 1.2.4 unbeachtet bleiben, so dass auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags I nicht neu (§ 3 PatG) und damit nicht patentfähig ist.
Im Übrigen nimmt damit Druckschrift D3 auch die zweite Alternative des Anspruchs 1 des Hauptantrags neuheitsschädlich vorweg.
4.3 Da Anspruch 1 des Hilfsantrags II nurmehr die in Zusammenhang mit Anspruch 1 des Hilfsantrags I behandelte Alternative enthält, gilt für den Gegenstand dieses Anspruchs das, was für Anspruch 1 des Hilfsantrags I dargelegt wurde. Dies bedeutet, dass auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags II nicht neu (§ 3 PatG) und damit nicht patentfähig ist.
4.4 Druckschrift D3 offenbart als weiteres Element in der Passivierungsschicht nur Kohlenstoff, weshalb sie den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 nicht neuheitsschädlich vorwegnehmen kann. Er ist jedoch durch die Zusammenschau dieser Schrift mit Druckschrift D11 nahegelegt.
Wie bereits zu Anspruch 1 des Hauptantrags ausgeführt, offenbart die Druckschrift D3 die auch im Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 enthaltenen Merkmale 1, 1.1, 1.2, 1.2.1 und 1.2.2. Sie offenbart weiter, dass die Aluminiumoxidschichten auch in Antireflexionsschichten in Kombination mit amorphem SiN:H eingesetzt werden können, wie sie bei Solarzellen üblich sind (vgl. die bereits zitierte Stelle S. 2, rechte Sp. 2. Abs.). Da dort von Al2O3-Schichten die Rede ist und nicht von Al2O3 als Material, wird der Fachmann dies so verstehen, dass es sich um einen dielektrischen Schichtenstapel aus abwechselnden Al2O3- und a-SiN:H-Schichten handelt, aus dem die Antireflexionsschicht besteht. Damit liegt es zumindest für vier oder mehr Schichten, aus denen der Schichtenstapel besteht, nahe, dass es mindestens eine Al2O3-Schicht gibt, bei der sich sowohl auf der dem Halbleitersubstrat zugewandten Seite als auch auf der dem Halbleitersubstrat abgewandten Seite jeweils eine weitere Passivierungsschicht befindet, so dass damit bereits das Merkmal 1.2.7 und übrigens auch das Merkmal 1.2.6 nahegelegt sind.
Daneben offenbart Druckschrift D11 Stapel dielektrischer Schichten, die als Antireflexionsschichten oder als Reflexionsschichten wirken. Als Substrat wird dabei allerdings nicht Silizium, sondern Glas oder ein anderes transparentes, aus organischen Polymeren bestehendes Material verwendet (vgl. Abs. [0002]: „The invention relates to transparent substrates based on organic polymer(s) or glass, that are provided with an antireflection coating and to their method of manufacture.”). Wie üblich bestehen diese Schichtenstapel aus einer Vielzahl von Schichten, bei denen abwechselnd eine Schicht mit hohem und eine Schicht mit niedrigem Brechungsindex übereinander angeordnet sind (vgl. Anspruch 1: „A transparent substrate having at least one surface comprising, on at least one of its surfaces, an antireflection coating made of a multilayer stack comprising alternating thin layers of high and low refractive indices wherein at least one of the high-index thin layers comprises titanium oxide which is modified to reduce its refractive index to a value of at most 2.40.“). Die Schichten mit dem niedrigen Brechungsindex bestehen dabei u. a. aus Aluminiumoxid oder Aluminiumoxifluorid und können halogeniert sein (vgl. Anspruch 14: „The transparent substrate of claim 1, wherein the low index thin layers have indices between 1.30 and 1.65 and comprise one or more of silicon oxide, aluminum oxide, aluminum oxyfluoride, aluminum fluoride, and magnesium fluoride, wherein the oxides are optionally halogenated.” und Abs. [0039]: „According to the invention, the low-index layers of the antireflection coating have refractive indices of between 1.30 and 1.65. Advantageously, these may be made of silicon oxide (SiO2), aluminum oxide (Al2O3), aluminum oxyfluoride AlOxFy, aluminum fluoride (AlF), magnesium fluoride (MgF2), or mixtures thereof, these optionally being halogenated with regard to the oxides (i.e., fluorinated oxides).”). Dies bedeutet, dass die Verwendung von Aluminiumoxid, welches als weiteres Element Fluor enthält, als Teil eines Antireflexionsschichtenstapels zum Anmeldezeitpunkt bereits bekannt war.
Der Fachmann wird nun auch die in Druckschrift D3 vorgeschlagene Antireflexionsbeschichtung mit einer solchen Schicht ausführen, da er auf diese Weise auch dort den Brechungsindex beispielsweise durch die enthaltene Fluormenge anpassen kann. Damit kommt er ohne erfinderisch tätig zu werden zu einer Solarzelle, die auch das Merkmal 1.2.3b aufweist. Damit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 ebenfalls nicht patentfähig.
Die Einwände der Patentinhaberin, dass zum einen Schichten aus Mischungen etwas anderes seien als die beanspruchten Schichten und zum anderen die in Druckschrift D11 offenbarten Schichten als Hauptbestandteil SiO2 enthielten, laufen ins Leere. So gibt Druckschrift D11 u.a. an, dass die dort in einer Antireflexionsschichtenfolge verwendete Schicht aus Aluminiumoxifluorid besteht, dessen chemische Formel mit AlOxFy angegeben wird (vgl. den bereits zitierten Abs. [0039]), was äquivalent zu der im Streitpatent in Abs. [0013] angegeben Formel AlxMyOz ist, wenn als weiteres Element Fluor (M = F) verwendet wird und die Formel dann auf ein Aluminiumatom normiert wird. Für diesen Fall gibt Druckschrift D11 gar keine Mischung an, so dass offen bleiben kann, was Druckschrift D11 unter einer Mischung versteht.
Auch wird als Möglichkeit angegeben, dass diese Schichten aus Aluminiumoxifluorid gemacht sind, so dass Druckschrift D11 als Ausführungsbeispiele zwar in erster Linie Schichten offenbart, die einen relativ hohen SiO2-Anteil aufweisen, jedoch trotzdem als weitere Möglichkeit eine Schicht offenbart, die nur aus Aluminiumoxifluorid besteht. Im Übrigen schließt der Wortlaut des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 nicht aus, dass auch die beanspruchten Passivierungsschichten einen großen Anteil einer anderen Verbindung aufweisen, denn die Passivierungsschicht „umfasst“ gemäß Merkmal 1.2.1 nur eine Verbindung aus Aluminiumoxid, Aluminiumnitrid oder Aluminiumoxynitrid.
Auch der Einwand der Patentinhaberin, dass der Fachmann keine weiteren Elemente in die Passivierungsschicht eingebracht hätte, da nicht vorhersehbar sei, ob die dann entstehenden Schichten noch die gewünschte Passivierungswirkung hätten oder ob das darin enthaltene Element nicht die Oberfläche chemisch schädigen könnte, läuft ins Leere. So zeigt Druckschrift D3 bereits, dass ein weiteres Element, wie der dort offenbarte Kohlenstoff, die erwünschte Passivierungswirkung nicht verhindert, so dass anzunehmen ist, dass auch eine nicht zu große Menge eines anderen Stoffes diese Wirkung nicht verhindert. Außerdem beschreibt Druckschrift D3, wie bereits ausgeführt, dass sich auf der Oberfläche eine SiO2-Schicht ausbildet, welche auch ein Hindernis für das Eindringen von Elementen aus der Passivierungsschicht in die Halbleiteroberfläche darstellt. Es gibt somit keinen Grund, der den Fachmann an der zumindest versuchsweisen Nutzung der in Druckschrift D11 offenbarten Aluminiumoxifluoridschicht als Passivierungsschicht hindern könnte.
5. Auf Grund der Antragsbindung fallen auch, soweit vorhanden, die selbständigen Ansprüche 2, sowie die jeweils auf Anspruch 1 direkt oder indirekt zurückbezogenen Unteransprüche (vgl. BGH GRUR 2007, 862 – „Informationsübermittlungsverfahren II“).
6. Bei dieser Sachlage war die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen, so dass der Beschluss der Patentabteilung, das Patent zu widerrufen, bestehen bleibt.
III.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht der Patentinhaberin das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel gerügt wird, nämlich
1. dass das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. dass bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. dass einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. dass ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. dass der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. dass der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses schriftlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen oder durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten in elektronischer Form bei der elektronischen Poststelle des BGH, www.bundesgerichtshof.de/erv.html. Das elektronische Dokument ist mit einer prüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz oder mit einer prüfbaren fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen. Die Eignungsvoraussetzungen für eine Prüfung und für die Formate des elektronischen Dokuments werden auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs www.bundesgerichtshof.de/erv.html bekannt gegeben.
Dr. Strößner Brandt Dr. Zebisch Dr. Himmelmann prö