5 Ni 17/16 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 17/16 (EP) hinzuverbunden 5 Ni 18/16 (EP) und 5 Ni 19/16 (EP)
KoF 102/18
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Patentnichtigkeitssache …
ECLI:DE:BPatG:2020:050520B5Ni17.16EP.0 betreffend das europäische Patent … (DE …)
(hier: Erinnerung im Kostenfestsetzungsverfahren)
hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 5. Mai 2020 durch den Vorsitzenden Richter Voit, die Richterin Martens und den Richter Dipl.-Phys. Univ. Bieringer beschlossen:
1. Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin vom 22. August 2019 wird zurückgewiesen.
2. Die Erinnerungsführerin trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens. 3. Der Wert des Erinnerungsverfahrens beträgt EUR 263.049,40.
Gründe I.
Mit an Verkündungs Statt zugestelltem Urteil vom 2. August 2018 hat der Senat der Beklagten und Erinnerungsführerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Der Streitwert für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht war in der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2018 endgültig auf EUR 22.500.000,00 festgesetzt worden.
Die hiergegen erhobene Gegenvorstellung der Beklagten vom 13. August 2018 wie auch eine erneute Gegenvorstellung vom 21. Mai 2019 sind erfolglos geblieben.
Auf den Kostenfestsetzungsantrag vom 8. August 2018 der Klägerin zu 1 und Erinnerungsgegnerin (im Folgenden kurz „Klägerin“) hat die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 22. August 2019 die dieser zu erstattenden Kosten auf EUR 392.594,42 festgesetzt, den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Soweit die Parteien über Grund und Höhe der zu erstattenden Vertretungskosten streiten, hat die Rechtspflegerin jeweils eine 1,3 Verfahrensgebühr für den Patentanwalt und den Rechtsanwalt in Höhe von jeweils EUR. 89.976,90 sowie eine 1,2 Terminsgebühr für den Patentanwalt in Höhe von EUR. 83.055,60 als erstattungsfähig in Ansatz gebracht, zuzüglich jeweils eines Pauschsatzes für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von EUR 20,00 sowie Flugkosten des Rechtsanwalts in Höhe von EUR 233,02.
Gegen diesen ihr am 4. September 2019 zugestellten Beschluss hat die Beklagte am 18. September 2019 Erinnerung eingelegt, die sich gegen die Höhe der festgesetzten Gebühren für die Rechts- und Patentanwälte der Klägerin von zusammen EUR 263.049,40 sowie die festgesetzten Flugkosten des Rechtsanwalts von EUR 233,02 richtet. Zur Begründung führt die Beklagte aus, die Klägerin habe das Entstehen der Kosten in der geltend gemachten Höhe nicht glaubhaft gemacht, so dass diese nicht erstattungsfähig seien. Der Vortrag der Klägerin genüge nicht dem vorliegend anwendbaren Maßstab der Glaubhaftmachung, wobei es hinsichtlich der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten an jeglicher Glaubhaftmachung fehle, hinsichtlich der Kosten des Patentanwalts genüge ein anwaltliches Versichern nicht zur Glaubhaftmachung, da nach Ansicht der Beklagten unter Berücksichtigung des gesamten Vortrags der Klägerin strengere Anforderungen an die Glaubhaftmachung zu stellen seien. Soweit vom Gegenstand der Erinnerung die Flugkosten des Rechtsanwalts der Klägerin umfasst sind, hat die Rechtspflegerin der Erinnerung mit Beschluss vom 13. Dezember 2019 teilweise abgeholfen und den angefochtenen Beschluss vom 22. August 2019 dahingehend abgeändert, dass die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten sich – nach Abzug der Flugkosten – auf EUR 392.361,40 reduzieren. Im Übrigen hat sie der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die Klägerin hat am 7. November 2019 mitgeteilt, dass an der Berücksichtigung der Flugkosten nicht festgehalten werde.
Die Beklagte, die anregt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, beantragt sinngemäß,
den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. August 2019 in der Fassung des Beschlusses vom 13. Dezember 2019 dahingehend abzuändern, dass die von der Beklagten an die Klägerin zu 1 zu erstattenden Kosten um EUR 263.049,40 reduziert werden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Erinnerung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend und tritt dem Vorbringen der Beklagten in allen Punkten entgegen. Der von der Beklagten genannte Beschluss des OLG Düsseldorf vom 7.8.2018 (Az.: I-2 W20/18) sei mangels gleich gelagerten Sachverhalts für die vorliegende Entscheidung nicht relevant.
II.
1. Die unter Berücksichtigung der teilweisen Abhilfe auf die Erstattung der Vertreterkosten beschränkte Erinnerung der Beklagten ist zulässig (§ 84 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 104 ZPO, § 23 Abs. 2 RPflG), insbesondere fristgemäß eingelegt.
In der Sache hat sie keinen Erfolg, da die Rechtspflegerin im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss in der Fassung des Beschlusses vom 13. Dezember 2019 zu Recht die der Klägerin danach entstandenen Vertreterkosten als erstattungsfähig angesetzt hat (RVG §§ 13, 33, 2 Abs. 2 Anl. 1 VV NR 3100, NR 3104 bzw. NR 7002). Entgegen der Ansicht der Beklagten, die das Entstehen der mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 1. August 2018 geltend gemachten Rechts- und Patentanwaltskosten auch im Erinnerungsverfahren weiterhin mit Nichtwissen bestreitet, sind diese der Klägerin in der festgesetzten Höhe zu erstatten, da die Beklagte gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 84 Abs. 2 PatG im Nichtigkeitsverfahren unterlegen ist.
1. Die Klägerin hat vorgetragen und durch anwaltliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten, Patentanwalt M…, im Schriftsatz vom 15. November 2018 gemäß § 294 ZPO glaubhaft gemacht, dass ihr für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht Patentanwaltskosten in der festgesetzten Höhe entstanden sind. Als Nachweis der geltend gemachten Beträge hat Patentanwalt M… zusätzlich eine an die Klägerin adressierte Rechnung vom 4. Oktober 2018 beigefügt und hierzu ausgeführt, dass mit der Klägerin eine mündlich getroffene Vereinbarung bestehe, wonach am Ende eines gerichtlichen Verfahrenszugs eine Schlussrechnung erstellt werde, die mindestens dem von § 2 RVG vorgeschriebenen Honorarbetrag entspreche. Zur laufenden Kostendeckung während eines laufenden Verfahrens sei ebenfalls mündlich eine stundenbasierte Inrechnungstellung des Bearbeitungsaufwands (als „Honorarvereinbarung“ bezeichnet) vereinbart und das so im laufenden Verfahren angefallene Stundenhonorar mit der Schlussrechnung verrechnet worden. Diese Ausführungen hat Patentanwalt M…mit Schriftsatz vom 19. August 2019 durch anwaltliche Versicherung ebenfalls glaubhaft gemacht.
Anhand der Gesamtumstände ist somit davon auszugehen, dass der Klägerin die im Streit befindlichen Patentanwaltskosten entstanden sind und sie diese bei verständiger Würdigung den von ihr beauftragtenPatentanwälten schuldet. Nichts anderes ergibt sich aus der Rechnung vom 4. Oktober 2018, aus deren Detailaufstellung die auf das Nichtigkeitsverfahren entfallenden gesetzlichen Gebühren (in Höhe des festgesetzten Betrages von EUR 173.052,50) ebenso hervorgehen wie die vom Gesamtbetrag in Abzug gebrachten, quasi als Vorschuss gezahlten Stundenhonorare zur laufenden Kostendeckung. Entgegen der Ansicht der Beklagten sieht der Senat die Entstehung der geltend gemachten Patentanwaltskosten als hinreichend glaubhaft gemacht an. Folglich bedarf es weder zusätzlicher Unterlagen noch liegen besondere Umstände vor, nach denen an die Glaubhaftmachung erhöhte Anforderungen zu stellen sind, wie die Beklagte unter Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss des OLG Düsseldorf vorträgt. Es ist nicht erkennbar, dass bei der vorliegenden Sach- und Rechtslage die Höhe des festgesetzten Streitwerts, aus der sich die gesetzlichen Gebühren errechnen, das Maß der erforderlichen Glaubhaftmachung bestimmen soll. § 104 ZPO enthält diesbezüglich keine Regelung. Es handelt sich im Übrigen um eine im Patentnichtigkeitsverfahren nicht unübliche Gebührenhöhe, wobei sich vorliegend die Mehrzahl der aus dem Streitpatent geführten Verletzungsverfahren auswirkt. Dem Sachverhalt, der Gegenstand des Beschlusses des OLG Düsseldorf war, ist hingegen zu entnehmen, dass insbesondere der Vortrag der Kostengläubigerin in erster Instanz gegenüber der Einlassung in zweiter Instanz deutliche Widersprüche enthielt, so dass sich der Senat dort veranlasst sah, unter Berücksichtigung des bisherigen Verfahrensverlaufs auf die Verpflichtung der Parteien aus § 138 Abs. 1 ZPO aufmerksam zu machen. Vorliegend jedoch sieht der Senat keinerlei Anhaltspunkte, die den Vortrag der Klägerin zur Entstehung der Patentanwaltskosten als in sich nicht stimmig erscheinen lassen könnten. Für die dagegen von der Beklagten angeführten Mutmaßungen, die Patentanwälte hätten mit der Klägerin eine Honorarvereinbarung geschlossen, aus der ihnen geringere Ansprüche als im Fall einer Abrechnung nach dem RVG entstanden seien, fehlt es an den hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen, so dass sie nicht geeignet sind, die Annahme des Entstehens der festgesetzten Kosten aus Sicht des Senats in Zweifel zu ziehen. Vor dem Hintergrund der seit langem praktizierten gebührenrechtlichen Gleichstellung mit Rechtsanwälten (vgl. Schulte/Püschel PatG, 10. Auflage, § 80 Rdn 35, Engels in Busse/Keukenschrijver, PatG § 80 Rn 46), ist die weitere Behauptung der Beklagten zurückzuweisen, die Patentanwälte der Klägerin könnten mangels schriftlicher Vereinbarung nicht nach dem RVG abrechnen. In diesem Zusammenhang geht auch der Hinweis auf § 3a RVG an der Sache vorbei, denn unter die dortige Vergütungsvereinbarung sind die Fälle zu subsumieren, in denen gerade nicht die gesetzlich festgelegte Vergütung zwischen Anwalt und Mandant vereinbart worden ist (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer RVG, 24. Auflage, § 3a Rn. 3). Auch der Hinweis der Beklagten auf den Beschluss des BGH vom 25.08.2015, Az.: X ZB 5/14, betrifft nicht den vorliegenden Sachverhalt, sondern den Fall, ob ein Patentanwalt im Verfahren nach § 11 RVG die Festsetzung seiner Vergütung gegen seinen Auftraggeber verlangen kann.
2. Demzufolge ist auch davon auszugehen, dass der Klägerin auch die Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts in der festgesetzten Höhe (Verfahrensgebühr und Auslagenpauschale) entstanden und somit von der Beklagten zu erstatten sind. Zwar ist der Beklagten insoweit zuzugestehen, dass das Entstehen der gesetzlichen Gebühr mangels eigener Wahrnehmung nicht von der anwaltlichen Versicherung des Patentanwalts der Klägerin umfasst ist. Jedoch hat der mitwirkende Rechtsanwalt mit Schreiben vom 23. Oktober 2019 in eigener Person anwaltlich versichert, dass die zur Kostenfestsetzung angemeldeten gesetzlichen Gebühren angefallen sind. Hiermit ist der Gebührenanfall für den Senat hinreichend glaubhaft gemacht. Ein zusätzliches anwaltliches Versichern im Hinblick auf die Spekulationen der Beklagten, dass nicht die gesetzlichen Gebühren geschuldet sind, sondern ein Honorar auf Stundenbasis vereinbart sei, hält der Senat nicht für erforderlich, schon weil es an jeglichen Anhaltspunkten für eine solche Vereinbarung fehlt. Bedenken gegen die Abrechnung mit der Klägerin auf der Grundlage der Gebühren nach dem RVG ergeben sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Rechnung des Rechtsanwalts vom 30. Oktober 2020 datiert und damit zeitlich nach der Stellung des Kostenfestsetzungsantrags.
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Erinnerungsverfahrens beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Wert des Erinnerungsverfahrens folgt der Höhe des strittigen Betrages.
Der vorliegende Beschluss ist unanfechtbar. Nach § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 574 Abs. 1 ZPO ist die Rechtsbeschwerde in Kostenfestsetzungsverfahren vor dem Bundespatentgericht, weil das Gesetz sie nicht ausdrücklich vorsieht, nur eröffnet, wenn das Bundespatentgericht sie zugelassen hat (vgl. zur Frage der Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse über Kostenfestsetzungserinnerungen: BGH GRUR 2013, 427, Rdn. 5 ff.). Der Senat folgt nicht der Anregung der Beklagten, die Rechtsbeschwerde nach § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Weder ist die vorliegende Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung noch ist sie zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, zumal seitens des Patentgerichts keine abweichenden Entscheidungen vorliegen und die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Entstehens von Vertreterkosten im Kostenfestsetzungsverfahren vom Vortrag der Parteien im Einzelfall abhängt.
Voit Martens Bieringer sch