1 Ni 6/13 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 6/13 (EP) verbunden mit 1 Ni 9/13 (EP) (Aktenzeichen)
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IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am
11. Dezember 2013 …
In der Patentnichtigkeitssache BPatG 253 08.05
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betreffend das europäische Patent 1 168 859 (DE 695 33 814)
hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2013 durch die Präsidentin Schmidt sowie die Richter Voit, Dr.-Ing. Scholz, Dipl.-Ing. Müller und Dipl.-Phys. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent EP 1 168 859 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
I.
Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 1 168 859 (Streitpatent), das am 19. Juli 1995 unter Inanspruchnahme der japanischen Priorität 167 14 794 vom 19. Juli 1994 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Nr. 695 33 814 geführt. Es betrifft ein tragbares, verschiedene Alphabete nutzendes Funkkommunikationsgerät und umfasst in der erteilten Fassung 7 Ansprüche, die von beiden Klägerinnen insgesamt angegriffen werden. In der Verfahrenssprache hat Anspruch 1 folgenden Wortlaut:
1. A portable radio communication apparatus comprising:
an antenna (1) for transmitting and receiving a radio frequency message signal; radio/modulator-demodulator means (3) for demodulating a received radio frequency message signal by converting its frequency and for modulating a message signal to be transmitted to effect its frequency conversion into a radio frequency; message memory means (5) for storing messages which are received or to be transmitted; and display means (7) for displaying the messages which are received or to be transmitted; characterized by alphabet memory means (15) for storing a multi-lingual alphabet comprising sections with alphabetical notation for each language; selection means (16) for selecting a section corresponding to a language of the multi-lingual alphabet to be used in forming a message to be transmitted at the time of inputting by character; and control means (4) for sequentiafly selecting characters from the section corresponding to a language of the multi-lingual alphabet and for forming and displaying messages which are to be transmitted.
In der deutschen Übersetzung lautet Anspruch 1 wie folgt:
1. Tragbare Funkverbindungsvorrichtung, die folgendes aufweist:
eine Antenne (1) zum Senden und/oder Empfangen eines Hochfrequenz-Nachrichtensignals; eine Funk-/Modulator-Demodulator-Einrichtung (3) zum Demodulieren eines empfangenen Hochfrequenz-Nachrichtensignals durch Umsetzen von dessen Frequenz und zum Modulieren eines zu sendenden Nachrichtensignals, um dessen frequenzmäßige Umsetzung in eine Hochfrequenz zu bewerkstelligen; eine Nachrichtenspeichereinrichtung (5) zum Speichern von Nachrichten, die empfangen worden sind oder zu senden sind; und eine Anzeigeeinrichtung (7) zum Anzeigen der Nachrichten, die empfangen worden sind oder zu senden sind; gekennzeichnet durch eine Alphabet-Speichereinrichtung (15) zum Speichern eines Alphabets in mehreren Sprachen mit Bereichen mit alphabetischer Notation für jede Sprache; eine Auswähleinrichtung (16) zum Auswählen eines Bereichs, der einer Sprache des Alphabets in mehreren Sprachen entspricht, die zum Bilden einer zu sendenden Nachricht zum Zeitpunkt der zeichenweisen Eingabe verwendet werden soll; und eine Steuereinrichtung (4) zum nacheinander erfolgenden Auswählen von Zeichen aus dem Bereich, der einer Sprache des Alphabets in mehreren Sprachen entspricht und zum Bilden und Anzeigen von Nachrichten, die gesendet werden sollen.
Wegen der weiter angegriffenen und unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 wird auf die Streitpatentschrift EP 1 168 859 B1 Bezug genommen. Beide Klägerinnen behaupten, der Gegenstand des Streitpatents sei weder neu noch erfinderisch. Zur Begründung tragen sie vor, im Stand der Technik seien zum Prioritätszeitpunkt bereits Geräte mit den Merkmalen des Streitpatentgegenstands bekannt gewesen, jedenfalls aber durch den seinerzeitigen Stand der Technik nahe gelegt gewesen. Hierzu beziehen sie sich auf folgende Druckschriften, Dokumente, Gegenstände und sonstige Fundstellen:
Motorola Mobility D1, D1a D2 D3 D4 D5 D6 D7 D8 D9 D10 D11 Samsung D1 D2 D3 D6 D17 D5 D7 D8 D4 D9 Schrift bzw. entgegengehaltener Gegenstand JP 04-129360 A bzw. deren Übersetzung US 4 185 282 A US 4 122 533 A US 4 870 402 A US 5 127 748 A EP 0 574 006 A1 CH 681 398 A5 GB 2 206 718 A ETSI TDoc SMG4 8/94 EP 0 580 397 A2 ETSI TDoc SMG4 212/93 bzw. Übersetzung ETSI TDoc SMG 244/94 GSM 03.41, Version 4.6.0 GSM 03.40, Version 4.5.0 GSM 03.40, Version 3.7.0 GSM 03.40, Version 3.5.0 GSM Handbook Phase II, Version 2.00.01 Motorola Mobility D12 D13 D14 D15 D16 D17 D18, D18a D19 D19a Samsung D10 D11 D12 D13 D14 D15 D16, D16a D20.S D19b D19c D19d D18.S D19.S D21.S D22.S D23.S D24.S Schrift bzw. entgegengehaltener Gegenstand ETSI TDoc SMG3 389/93 MOU SERG Doc 56/91 ETSI Doc GSM4 121/91 ETSI Doc GSM1 132/91 WO 93/17530 A1 EP 0 588 538 A1 JP 6-102982 A bzw. deren Übersetzung Mobiltelefone MT 900 und MT 2000 der Fa. Hagenuk Bedienungsanleitung Mobiltelefon MT 900 der Fa. Hagenuk, Stand 11/92. Artikel „Die Stars der Straße" aus der Zeitschrift „Connect", Ausgabe 5/1993. Urteil des High Court vom 4. Juli 2012, Neutral Citation Number: [2012] EWHC 1789 (Pat). DVD mit einem Video zur Benutzung des Mobiltelefons Hagenuk MT 900. Artikel „Mein erstes Handy - Die Coolness-Maschine" in der Zeitschrift Spiegel Online; http://einestages.spiegel.de/external/ShowTopicAlbumB ackground/a637/l15/l0/F.html . Wikipedia-Artikel zum Hagenuk MT 2000; http://en.wikipedia.org/wiki/Hagenuk_MT-2000. Artikel „Ungleiches Paar“ aus der Zeitschrift „Connect“, veröffentlicht im Mai 1994. Online-Artikel auf telecompaper.com vom 18. Juli 1994, http://www.telecompaper.com/news/hagenuk-launchesmobile-phone-for-underground-use--31449. Online-Seite „Vote-a-phone.de - Die Handyseite", einsehbar unter http://vote-a-phone.de/vote-a-phone2002/HandyDetail.asp?PID=536. Bedienungsanleitung des Mobiltelefons Hagenuk MT 2000 Kurzanleitung des Mobiltelefons Hagenuk MT 2000 Beide Klägerinnen beantragen,
das europäische Patent EP 1 168 859 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, dass das Streitpatent die Fassung nach einem der Hilfsanträge HA1, HA1a oder HA2, Hilfsanträge HA1 und HA2 eingereicht mit Schriftsatz vom 5. September 2013 und Hilfsantrag 1a überreicht in mündlicher Verhandlung, erhält.
Die Beklagte ist der Ansicht, das Streitpatent sei zumindest in einer der hilfsweise verteidigten Fassungen patentfähig.
Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
II.
Entscheidungsgründe Die zulässigen Klagen sind begründet. Der Gegenstand des Streitpatents beruht weder in der erteilten Fassung noch in der Fassung nach einem der Hilfsanträge - soweit diese zulässig sind – auf einer erfinderischen Tätigkeit, Art. II § 6 Abs. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 56 EPÜ. Die Frage einer offenkundigen Vorbenutzung durch die Hagenuk-Mobiltelefone kann daher dahinstehen.
A. Der Senat gibt dem Hauptantrag der Beklagten nicht statt.
A.1. Das Streitpatent betrifft nach den Angaben in der Beschreibungseinleitung eine tragbare Funkverbindungsvorrichtung, wie zum Beispiel ein digitales Mobiltelefon mit einer Zweiweg-Nachrichtensende- und Empfangsfunktion (Abs. [0001]).
Als eine zusätzliche Funktion für Mobiltelefone sei die Kurznachrichtendienst (SMS)-Übertragungsfunktion in der Norm GSM 03.40 des Standards für Mobilfunknetze (Global System for Mobile Communications) spezifiziert, die eine der europäischen Telekommunikationsnormen bilde. Die SMS-Funktion diene zum Übertragen einer Nachricht mit maximal 160 Zeichen über eine drahtlose Verbindung (Abs. [0002]). Ein Sende-Nachrichtensignal einer Kurznachricht könne nach den Angaben in der Beschreibungseinleitung üblicherweise durch Eingabe jeweils eines Buchstabens bzw. Zeichens mittels des 10er-Tastaturbereichs eines herkömmlichen Mobiltelefons unter Verwendung des Alphabets A, B, C unter Bestätigung der Eingabe auf einem Anzeigebereich des Mobiltelefons gebildet werden. Nach einer Sendebetätigung an dem Betätigungsbereich des Mobiltelefons werde die gebildete Nachricht in einem Steuerbereich kodiert und dann durch einen Modulator-Demodulator-Bereich und einen Funkbereich von einer Antenne übertragen (Abs. [0008]).
Gemäß Streitpatentschrift bestehe ein Problem darin, dass aufgrund der Anzeige nur des lateinischen Alphabets auf dem Tastaturbereich keine Eingabe in anderen Sprachen vorgenommen werden könne (Abs. [0009], [0019]). Zum Lösen der vorstehend geschilderten Probleme – gemeint ist wohl das vorstehend geschilderte einzige Problem – bestehe ein Ziel der vorliegenden Erfindung in der Angabe einer tragbaren Funkverbindungsvorrichtung, bei der sich eine Sendenachricht in einfacher Weise bilden lasse. Ein weiteres Ziel der vorliegenden Erfindung bestehe in der Angabe einer tragbaren Funkverbindungsvorrichtung, bei der eine Eingabe auch in einer anderen Sprache als der englischen Sprache möglich sei (Abs. [0011], [0012]).
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte hinsichtlich der Aufgabe der Erfindung sinngemäß vorgetragen, dass vor dem Zeitrang des Streitpatents bereits Funkverbindungsvorrichtungen bekannt gewesen seien, mit denen Kurznachrichten mit Sonderzeichen – und somit Kurznachrichten in mehreren Sprachen – eingebbar waren. Diese bekannten Funkverbindungsvorrichtungen hätten jedoch eine Vielzahl von Tastaturbetätigungen bei der Eingabe einer Kurznachricht erfordert, da während der Bildung einer Kurznachricht nicht nur die Schriftzeichen einer einzigen Sprache, sondern die aus mehreren Sprachen angeboten worden seien. Die objektive Leistung der Erfindung bestehe somit auch darin, die Eingabemöglichkeiten auf den Zeichensatz einer einzigen Sprache zu konzentrieren. Diese Leistung der Erfindung entnehme der Fachmann der Gesamtheit der Merkmale im Kennzeichen des erteilten Patentanspruchs 1.
Mit dem erteilten Patentanspruch 1, mit dem die Beklagte das Patent mit ihrem Hauptantrag verteidigt, wird nach Hinzufügen einer Gliederung Folgendes beansprucht:
„1. A portable radio communication apparatus comprising: 2. an antenna (1) for transmitting and receiving a radio frequency message signal; 3. radio/modulator-demodulator means (3) for demodulating a received radio frequency message signal by converting its frequency and for modulating a message signal to be transmitted to effect its frequency conversion into a radio frequency; 4. message memory means (5) for storing messages which are received or to be transmitted; and 5. display means (7) for displaying the messages which are received or to be transmitted; characterized by 6. alphabet memory means (15) for storing a multi-lingual alphabet comprising sections with alphabetical notation for each language;
7. selection means (16) for selecting a section corresponding to a language of the multi-lingual alphabet to be used in forming a message to be transmitted at the time of inputting by character; and
8. control means (4) for sequentiafly selecting characters from the section corresponding to a language of the multi-lingual alphabet and for forming and displaying messages which are to be transmitted.”
A.2. Der einschlägige Fachmann ist Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Nachrichten- bzw. Kommunikationstechnik mit Erfahrung in der Entwicklung von Mobiltelefonen, insbesondere deren Benutzerschnittstelle bzw. Benutzerführung.
Der einschlägige Fachmann ist also kein Sprachwissenschaftler, er befasst sich nicht mit der Festlegung von Zeichensätzen für die unterschiedlichen Sprachen, denn nach Überzeugung des Senats betrifft das Streitpatent vorwiegend die verschiedenen Möglichkeiten der Gestaltung der Benutzerschnittstelle zur Auswahl einer Sprache und zur Eingabe von Zeichen u. a. mittels Sprachauswahl-Betätigungstaste, Alphabetsymbol-Auswahltaste oder IC-Karten-Schnittstelle (vgl. die drei Ausführungsbeispiele in der Streitpatentschrift, insbes. Abs. [0021], [0029], [0037], [0038], oder die Ansprüche 3, 5, 6, 7).
Der Fachmann versteht die Angaben im Streitpatent wie folgt:
Eine tragbare Funkverbindungsvorrichtung (portable radio communication apparatus) ist jede tragbare Vorrichtung, die sich zum Senden und Empfangen von Nachrichten einer Funkverbindung bedient, z. B. ein Mobiltelefon (Streitpatent, Abs. [0001]), ein Pager oder auch eine tragbare Recheneinrichtung mit Funkschnittstelle, wie z. B. ein Notebook, usw.
Ein Alphabet ist der Bestand an Schriftzeichen bzw. Buchstaben einer Sprache (vgl. Abs. [0008], [0009]).
Unter einem Alphabet in mehreren Sprachen (multi-lingual alphabet) versteht der Fachmann einen Bestand an Schriftzeichen aus mehreren Sprachen, d. h. nichts anderes als mehrere Alphabete. Aus dem im Patentanspruch 1 gewählten Numerus „alphabet“ im Singular kann nach Überzeugung des Senats insoweit kein Unterschied zu mehreren Alphabeten hergeleitet werden. Im Übrigen wird auch in den ursprünglich am Anmeldetag eingereichten Unterlagen für denselben Gegenstand sowohl die Bezeichnung im Singular (multi-lingual alphabet, vgl. Offenlegungsschrift EP 1 168 859 A1, Abs. [0049], [0051]) als auch im Plural verwendet (plurality of alphabets bzw. alphabets, vgl. EP 1 168 859 A1, Abs. [0021], [0055], Ansprüche 1-5).
Eine alphabetische Notation für jede Sprache (alphabetical notation for each language) versteht der Fachmann als alphabetisches Zeichensystem, d. h. ebenfalls nicht anders als ein Alphabet, denn in der Streitpatentschrift ist ausgeführt, dass in Gebieten, wie zum Beispiel in Europa, wo eine Vielzahl von Sprachen verwendet wird, für jede Sprache eine andere alphabetische Notation bestehe, deren Auswahl erforderlich sei (Abs. [0019]).
Unter einer Speichereinrichtung zum Speichern eines Alphabets in mehreren Sprachen mit Bereichen mit alphabetischer Notation für jede Sprache (sections with alphabetical notation for each language) versteht der Fachmann, dass in Bereichen des Speichers Schriftzeichen für jede der mehreren Sprachen gespeichert sind. Der Fachmann versteht die Angabe nicht dergestalt, dass für jede Sprache genau ein einziger Bereich in dem Speicher vorgesehen oder jeder Bereich des Speichers ausschließlich Schriftzeichen aus einer einzigen Sprache enthalten muss, denn das Streitpatent enthält weder eine Definition, was unter einem Bereich (section) zu verstehen ist, noch ein Beispiel für die Zuordnung der verschiedenen Schriftzeichen aus mehreren Sprachen zu Bereichen. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung insoweit auch den Fall nicht ausschließen wollen, dass der Bereich des Speichers für z. B. die deutsche Sprache auch häufig verwendete Zeichen aus anderen Sprachen umfassen könne, z. B. auch Buchstaben mit Akut (accent aigu) wie é.
Unter einer Auswähleinrichtung (selection means) versteht der Fachmann jede Eingabeeinrichtung, mit der eine Auswahl eines Bereichs des Speichers erfolgen kann, z. B. eine Tastatur oder eine Teilnehmer-ID-Karte, auf der eine sog. Heimatsysteminformation gespeichert ist, aus der eine Nationalitäteninformation abgeleitet werden kann. Mangels Definition kann der Bereich (section) des Speichers, der einer Sprache des Alphabets entspricht, auch verschiedene Teilbereiche umfassen, insoweit wird der Fachmann keinen Unterschied zwischen der Auswahl eines Bereichs oder mehrerer Bereiche sehen.
A.3. Der Hauptantrag ist zulässig (Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. c) EPÜ).
A.4. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 (Hauptantrag) ist neu, er beruht jedoch gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 52, 56 EPÜ).
Den nächstliegenden Stand der Technik enthalten die nachfolgend genannten Schriften, die im Weiteren ausschließlich in der Nummerierung der Klägerin 1, Motorola Mobilty Germany GmbH, gekennzeichnet werden:
Motorola Mobility D6 D11 D17 Samsung D6 D9 D15 Schrift bzw. entgegengehaltener Gegenstand ETSI TDoc SMG4 8/94 GSM Handbook Phase II, Version 2.00.01 EP 0 588 538 A1 Die Merkmale im Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 sind dem Grundwissen des Fachmanns zuzurechnen, sie betreffen den üblichen Aufbau eines GSM-Mobiltelefons. Aus dem Handbuch D11, GSM Handbook Phase II, Version 2.00.01, das das Wissen des Fachmanns wiedergibt, ist in Worten des geltenden Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ausgedrückt, Folgendes bekannt:
1. A portable radio communication apparatus (mobile station, handheld, S. 8, zweiter Absatz) comprising:
2. an antenna for transmitting and receiving a radio frequency message signal (mitzulesen wegen des 900 MHz-Frequenzbands, S. 8, erster Abs.);
3. radio/modulator-demodulator means for demodulating a received radio frequency message signal by converting its frequency and for modulating a message signal to be transmitted to effect its frequency conversion into a radio frequency (mitzulesen wegen der GMSK-Modulation, S. 8, drittletzter Abs.);
4. message memory means (SIM=Subscriber Identity Module) for storing messages (short messages) which are received or to be transmitted (S. 20, Abschnitt 5.5, S. 18, Abschnitt 5.1); and
5. display means for displaying the messages which are received or to be transmitted (S. 12, Abschnitt 2.3).
Die Merkmale, die im Kennzeichen des Anspruchs 1 des Streitpatents genannt sind, sind dem GSM-Handbuch D11 nicht entnehmbar. Auch die anderen im Verfahren genannten Druckschriften, Dokumente, Gegenstände und sonstigen Fundstellen zeigen nicht alle Merkmale des Anspruchs 1.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu.
Auf Grund des Charakters von GSM als europäische Telekommunikationsnorm stellt sich dem Fachmann die Aufgabe von selbst, in einer Funkverbindungsvorrichtung nach diesem Standard die Eingabe von Text in verschiedenen Sprachen auf einfache, benutzerfreundliche Art und Weise zu ermöglichen. Denn der Fachmann kann nicht davon ausgehen, dass die Benutzer in Europa Kurznachrichten bspw. ausschließlich in der englischen Sprache verfassen, und er wird auch nicht für jede Sprache oder jede beliebige Auswahl von Sprachen unterschiedliche, eigens dafür angepasste Funkverbindungsvorrichtungen bereitstellen.
Bei der Suche nach einer Lösung für diese Erwartung der Benutzer hat der Fachmann Veranlassung, nicht nur Funkverbindungsvorrichtungen, sondern auch gattungsfremde Vorrichtungen in Betracht zu ziehen, denn die Frage, wie auf möglichst einfache, benutzerfreundliche Weise Text in verschiedenen Sprachen eingegeben werden kann, ist keine Frage der GSM-spezifischen Kodierung von Zeichen oder der anschließenden Übertragung von Kurznachrichten über die Funkschnittstelle, sondern betrifft allgemein die Ausgestaltung einer Benutzerschnittstelle zur Eingabe von Zeichen in elektronische Textverarbeitungssysteme. Bei der Suche nach vorhandenen Lösungen konnte der Fachmann daher auf die Schrift D17, EP 0 588 538 A1, stoßen, die die Eingabe von Schriftzeichen in mehreren Sprachen (Abstract) in ein tragbares Textverarbeitungssystem im Notebook-Format betrifft (Fig. 5-7, Sp. 4, Z. 38-41).
Die Schrift D17, Sp. 14, Z. 29-56, Sp. 8, Z. 35-47, vermittelt die Lehre, dass durch Betätigen einer Sondertaste 28 (special key, Fig. 6, BZ 28) über ein Menü mit einer Liste von Sprachen (Fig. 22) ein Bereich (conversion table, Fig. 23-26) der Alphabet-Speichereinrichtung (character table ROM 86b), der einer Sprache des Alphabets entspricht (z. B. French language), ausgewählt werden kann und durch Betätigen der mit den Buchstaben des englischen Alphabets (Fig. 6, BZ 23) beschrifteten Zeichentasten ein lateinisches Zeichen eingegeben (zum Beispiel „e")
und dieses durch sukzessives Betätigen der Zeichenumwandlungstaste 25 (character conversion key, Fig. 6, BZ 25) in ein anderes Zeichen der auswählten Sprache transformiert wird (bei Französisch zum Beispiel in „
"). Die Schrift D17 lehrt also, die Eingabemöglichkeiten auf den Zeichensatz der ausgewählten Sprache zu konzentrieren.
Aus der Schrift D17, EP 0 588 538 A1, ist somit in Worten des geltenden Patentanspruchs 1 ausgedrückt, Folgendes entnehmbar (nicht Zutreffendes gekennzeichnet):
1.Teil A portable radio communication apparatus (information processing apparatus, Abstract, Fig. 6) comprising:
2. an antenna (1) for transmitting and receiving a radio frequency message signal;
3. radio/modulator-demodulator means (3) for demodulating a received radio frequency message signal by converting its frequency and for modulating a message signal to be transmitted to effect its frequency conversion into a radio frequency;
4.Teil message memory means (Fig. 9, BZ 91, 101) for storing messages which are received or to be transmitted text; and
5.Teil display means (Fig. 6, BZ 31, Fig. 9, BZ 100) for displaying the messages which are received or to be transmitted text;
6. alphabet memory means (character table ROM, Fig. 9, BZ 86b) for storing a multi-lingual alphabet comprising sections with alphabetical notation for each language (tables of characters corresponding to alphabetical characters (English language) of several languages such as the German language and the French language, Sp. 8, Z. 35-47, Fig. 23-25 und dazugehörige Beschreibung Sp. 14, Z. 57 bis Sp. 15, Z. 6,);
7.Teil selection means (z. B. special key 28, Fig. 6, BZ 28, und Menü in Fig. 22) for selecting a section corresponding to a language of the multi-lingual alphabet (Sp. 14, Z. 27-56) to be used in forming a message to be transmitted text at the time of inputting by character; and
8.Teil control means (CPU, Fig. 9, BZ 84) for sequentially selecting characters from the section corresponding to a language of the multi-lingual alphabet (Sp. 8, Z. 35-47, Sp. 14, Z. 43-56) and for forming and displaying messages which are to be transmitted text.
Die Beklagte geht in der Annahme fehl, dass der Speicher aus der Schrift D17 lediglich die Konversionstabellen in Fig. 23-26 umfasse und daher keine streitpatentgemäßen Bereiche mit alphabetischer Notation für jede Sprache vorhanden seien, d. h. keine Bereiche mit jeweils einem vollständigen Zeichensatz in jeder Sprache. Denn dem Fachmann ist bekannt, dass der Zeichensatz der Sprache „Englisch-UK“ nicht nur aus den in Fig. 23 dargestellten Zeichen „$“ und „£“ be-
- 16 steht, ebenso, dass das französische Alphabet mehr als die in Fig. 23 dargestellten Zeichen umfasst.
Der Fachmann liest vielmehr ohne Weiteres mit, dass die in den Fig. 23-26 nicht enthaltenen Zeichen ebenfalls in der Vorrichtung gespeichert sind. Dies ist schon deshalb selbstverständlich, weil mit der Vorrichtung gemäß D17 auch der in den Fig. 23-26 nicht dargestellte (Grund-)Zeichensatz ausgewählt werden kann (vgl. Fig. 22, Menüeintrag „English-USA“).
Zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Streitpatents ist ohne Belang, dass es in der Schrift D17 offen bleibt, ob dieser Grundzeichensatz in dem „character table ROM 86b“ (Fig. 9, BZ 86b) oder an einem anderen Ort der Vorrichtung gespeichert ist, d. h. ob der Bereich, der einer Sprache des Alphabets in mehreren Sprachen entspricht, möglicherweise mehrere Teilbereiche umfasst, denn der Anspruch 1 des Streitpatents vermittelt dem Fachmann – wie vorstehend unter 2. Ausgeführt – keine Lehre, wie der Bereich des Speichers im Detail auszubilden ist, insbesondere ist er nicht darauf beschränkt, dass für jede Sprache genau ein einziger Bereich in dem Speicher vorgesehen sein muss. Die Beklagte hat weiterhin geltend gemacht, dass der Fachmann das GSM-Handbuch D11 und die Schrift D17, EP 0 588 538 A1, nicht gemeinsam betrachten würde, da die Benutzeroberfläche von Mobiltelefonen im Wesentlichen nur eine sog. 10er-Tastatur aufweise (vgl. Streitpatent, Abs. [0006], Fig. 8), während die D17 die Volltastatur eines CD-ROM-Wiedergabegeräts (D17, Sp. 4, Z. 38) mit 26 separaten Buchstabentasten (Fig. 6) beträfe. Die Probleme, die sich in Verbindung mit einer Volltastatur ergäben, seien grundsätzlich andere als die im Zusammenhang mit der Tastatur eines üblichen Mobiltelefons. Der Fachmann habe daher keine Veranlassung, eine Schrift in Betracht zu ziehen, die sich mit der Verbesserung einer Volltastatur befasse.
Hierzu stellt der Senat zunächst fest, dass weder das Streitpatent, noch der GSMStandard oder das Handbuch D11 auf eine bestimmte Anzahl von oder ein bestimmtes Layout der Tasten beschränkt sind. Es trifft zwar zu, dass ein Ausführungsbeispiel aus der Schrift D17, EP 0 588 538 A1, ein CD-ROM-Wiedergabegerät darstellt. Die Lehre der Schrift D17 richtet sich jedoch allgemein auf Geräte zur Informationsverarbeitung (information processing apparatuses, Abstract), z. B. Notebooks (Fig. 6). Dabei liegt der Schrift D17 die Frage zugrunde, wie sich diese Geräte hinsichtlich der Bedienbarkeit und der Möglichkeit der Eingabe von Sonderzeichen verbessern lassen (Bezeichnung, Abstract oder auch Sp. 2, Z. 34-36). Speziell befasst sich die Schrift D17 damit, wie trotz der Darstellung nur des englischen Alphabets auf den Tasten des Geräts (Fig. 6), eine Eingabe von Zeichen aus anderen als der englischen Sprache ermöglicht werden kann (Abstract oder auch Sp. 1, Z. 24-32). Entgegen der Auffassung der Beklagten stellen sich dem Fachmann derartige Fragen unabhängig davon, ob die Tastatur des Geräts zehn oder 26 Tasten umfasst, und unabhängig davon, ob das Gerät ein CD-ROM-Wiedergabegerät, ein PC, ein Notebook, eine Funkverbindungsvorrichtung oder ein Mobiltelefon ist.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ergibt sich somit durch Anwendung der aus der Schrift D17 bekannten Lösung auf ein GSM-Mobiltelefon gemäß GSM-Handbuch D11.
A.5. Im Übrigen kommt der Fachmann nach Überzeugung des Senats auch allein ausgehend von der Schrift D6, ETSI TDoc SMG 8/94, zum Gegenstand des Anspruchs 1 ohne erfinderisch tätig zu werden.
Die Schrift D6 betrifft einen nicht vollständig ausgearbeiteten Diskussionsvorschlag zur Ergänzung der GSM-Spezifikationen 03.40 und 03.41 (D6, S. 2, zweiter Absatz oder Abschnitte „Changes to 03.40“ und „Changes to 03.41“) hinsichtlich der Verwendung von zusätzlichen Kodierungstabellen für Kurznachrichten u. a. in ungarischer, isländischer, arabischer und chinesischer Sprache, der als Diskussionsvorschlag zwar keine Bindungswirkung entfaltet, dem Fachmann aber mögliche künftige Vorgaben aufzeigt, den Zeichensatz von Kurznachrichten zu erweitern.
Der Fachmann entnimmt der Schrift D6, dass eine Kurznachricht auf der Luftschnittstelle u. a. in englischer, französischer und deutscher Sprache mittels eines von einem GSM-Mobiltelefon obligatorisch zu unterstützenden Default-Alphabets kodiert werden kann (The default alphabet shall be supported by all MSs and SCs offering the Service, S. 3, drittletzter Abs.). Das Default-Alphabet ist in der Tabelle auf S. 9 ersichtlich und umfasst eine Zuordnung der Schriftzeichen u. a. aus der lateinischen, französischen, deutschen sowie der griechischen Sprache (nur Großbuchstaben) zu ihrer jeweiligen Kodierung durch sieben Bit b1 bis b7.
Für Sprachen wie Ungarisch oder Isländisch, die nur wenige zusätzliche Zeichen zum Default-Alphabet benötigen, ist demnach eine zusätzliche, optionale Kodierungstabelle (alternate set) ausreichend, die gemeinsam mit dem Default-Alphabet (alternate set applies for one character only) zur Kodierung einer Kurznachricht verwendet wird. Ausgehend von dem generell verwendeten Default-Zeichensatz wird für einzelne Zeichen mit einem vorangestellten <ESC>-Zeichen auf den jeweiligen zusätzlichen Zeichensatz umgeschaltet (S. 1, mittlerer Abschnitt „For category (1) requirements…).
Für die arabische Sprache wird eine vollständig neue 7-Bit-Kodierungstabelle (new 7-bit code table) angegeben, die an die Stelle des Default-Alphabet tritt (whatever 7-bit alphabet is used) oder gemeinsam mit diesem verwendet werden kann, indem mit dem <ESC>-Zeichen auf den Default-Zeichensatz umgeschaltet wird (to escape into the default alphabet from the new alphabet for one character, S. 1, Abschnitt „For Arabic and Greek lower case …“).
Für Chinesisch sind hingegen zwei 14-Bit-Kodierungstabellen vorgesehen, von denen innerhalb einer Kurznachricht nicht mehr auf andere Tabellen, und damit auch nicht mehr auf das Default-Alphabet, umgeschaltet werden kann (It will not be possible to switch from these tables to others in the middle of a message, S. 1, vorletzter Abs.).
Die Gesamtmenge der in der Schrift D6 vorgeschlagenen Kodierungstabellen enthält einen Bestand an Schriftzeichen aus mehreren Sprachen; sie stellt ein multilinguales Alphabet dar, das in Form von Tabellen bzw. Teilen davon auch Bereiche mit alphabetischer Notation für jede Sprache umfasst. Es liegt nahe, dass die Kodierungstabellen – oder ihr Informationsinhalt – in der Funkverbindungsvorrichtung zu speichern sind, da die Tabellen u. a. festlegen, wie eine entsprechend kodierte Nachricht angezeigt werden soll.
Aus der Schrift D6, ETSI TDoc SMG 8/94, ist somit für den Fachmann in Worten des geltenden Patentanspruchs 1 ausgedrückt, Folgendes entnehmbar:
1. A portable radio communication apparatus (mobile station, MS, S. 1, viertletzter Abs.) comprising:
2. an antenna for transmitting and receiving a radio frequency message signal (mitzulesen auf Grund des Verweises auf GSM, S. 2, zweiter Abs.);
3. radio/modulator-demodulator means for demodulating a received radio frequency message signal by converting its frequency and for modulating a message signal to be transmitted to effect its frequency conversion into a radio frequency (mitzulesen auf Grund des Verweises auf GSM);
4. message memory means (SIM or ME, S. 3, letzter Abs.) for storing messages which are received (mobile terminated message, S. 4, dritter Abs.) or to be transmitted (mobile originated message, S. 4, vorletzter Abs.); and
5. display means for displaying the messages which are received or to be transmitted (MS has the capability of displaying Short messages, S. 3, letzter Abs., S. 4, vorletzter Abs.);
6. alphabet memory means (memory capacities, S. 1, Absatz (i)) for storing a multi-lingual alphabet comprising sections (existing default alphabet, new 7-bit code table bzw. completely new table) with alphabetical notation for each language (all of these languages, S. 1, Mitte bis letzter Abs.).
Eine Auswähleinrichtung oder eine Steuereinrichtung nach den Merkmalen 7. oder 8. sind in der Schrift D6 nicht angesprochen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 kann daher auch gegenüber der Schrift D6 als neu gelten.
Auf Grund der verschiedenen, nach der Schrift D6 zulässigen bzw. nicht zulässigen Varianten des Wechsels der Kodierung innerhalb einer Kurznachricht, so ist – wie vorstehend dargelegt – ein Wechsel vom Default-Alphabet zu der Kodierungstabelle für ungarische und isländische Schriftzeichen oder ein Wechsel von der Kodierungstabelle für arabische Schriftzeichen zum Default-Alphabet zulässig, ein Umschalten von den Kodierungstabellen für chinesische Schriftzeichen zu den Tabellen anderer Sprachen hingegen nicht zulässig, hat der Fachmann nach Überzeugung des Senats auch ausgehend von der Schrift D6 Veranlassung, eine Auswähleinrichtung und eine Steuereinrichtung mit den in den Merkmalen 7. und 8. des erteilten Anspruchs enthaltenen funktionellen Eigenschaften in Betracht zu ziehen.
B. Der Senat gibt dem Hilfsantrag 1 der Beklagten nicht statt.
B.1. Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet gegliedert (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung gekennzeichnet):
“1a. A portable radio communication apparatusmobile phone comprising: 2. an antenna (1) for transmitting and receiving a radio frequency message signal; 3. radio/modulator-demodulator means (3) for demodulating a received radio frequency message signal by converting its frequency and for modulating a message signal to be transmitted to effect its frequency conversion into a radio frequency; 4. message memory means (5) for storing messages which are received or to be transmitted; and 5. display means (7) for displaying the messages which are received or to be transmitted; characterized by 6. alphabet memory means (15) for storing a multi-lingual alphabet comprising sections with alphabetical notation for each language; 7a. selection means (16) for selecting, at a time when the mobile phone is ready to receive input for forming messages, a language of the multi-lingual alphabet to be used in forming a message to be transmitted and a section corresponding to athe language of the multilingual alphabet to be used in forming athe message to be transmitted at the time of inputting by character; and 8. control means (4) for sequentially selecting characters from the section corresponding to a language of the multi-lingual alphabet and for forming and displaying messages which are to be transmitted.”
B.2. Der Hilfsantrag 1 ist unzulässig.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 geht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. c) EPÜ).
Die Änderung in Merkmal 1a. geht in zulässiger Weise auf die ursprünglich eingereichte Beschreibung, S. 1, Z. 7, zurück.
Die Änderung in Merkmal 7a. ist jedoch nicht zulässig. Den Anmeldeunterlagen ist es nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass das Auswählen einer Sprache des Alphabets und eines Bereichs, der einer Sprache des Alphabets entspricht, zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem das Mobiltelefon bereit ist, Eingabe zum Bilden von Nachrichten zu empfangen (when the mobile phone is ready to receive input for forming messages).
In den ursprünglichen Unterlagen ist von einem Zeitpunkt, zu dem das Mobiltelefon bereit ist, Eingabe zum Bilden von Nachrichten zu empfangen, nicht die Rede.
Einen Gegenstand, bei dem eine Sprache auch dann noch ausgewählt oder geändert werden kann, wenn sich das Mobiltelefon bereits in einem Eingabemodus befindet, entnimmt der Fachmann jedenfalls der Ursprungsoffenbarung nicht unmittelbar und eindeutig, denn in Verbindung mit dem ersten und zweiten Ausführungsbeispiel enthält die ursprüngliche Anmeldung keinerlei Angaben, in welchem Betriebszustand sich das Mobiltelefon vor und während der Betätigung der Sprachauswahltaste befindet, und dass das Gerät zu diesem Zeitpunkt bereits bereit ist, Eingabe zum Bilden von Nachrichten zu empfangen.
Auf Seite 19, Absatz 2 der ursprünglichen Unterlagen (Patentschrift, Absatz [0029]) wird ein „character input mode“ erwähnt, also ein Zustand, der der Formulierung im Anspruch 1 vor der vorgenommenen Streichung des Wortes „character“ entspricht (Protokoll vom 11. Dezember 2013, S. 3, Abs 1). In diesem Zustand ist das Mobiltelefon ebenfalls bereit, Eingaben zum Bilden von Nachrichten zu empfangen. Dieser Zustand wird also insoweit von dem gültigen Anspruch 1 umfasst. Der auf Seite 19 beschriebene zeitliche Ablauf ist jedoch ein anderer als der beanspruchte.
Die Tatsache, dass im zweiten Ausführungsbeispiel zwei voneinander unabhängige Ereignisse beschrieben sind – Betätigung einer ersten Taste (Sprachauswahl-Betätigungstaste 16) und Betätigung einer zweiten Taste (Alphabetsymbol-Auswähltaste 17) – spricht dafür, dass die Auswahl der Sprache durch die Taste 16 vor der Bereitschaft zur Eingabe nach Betätigung der Taste 17 erfolgt. Aus dem Umstand, dass diese beiden Tastenbetätigungen in einem Satz und innerhalb des Schrittes 60 beschrieben sind, wird der Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig schließen, dass zwischen diesen beiden Tastenbetätigungen keine anderen Ereignisse oder Benutzeraktionen liegen. Im Übrigen wird das Mobiltelefon gemäß des zweiten Ausführungsbeispiels erst nach der Sprachauswahl (then) durch Betätigung der Alphabetsymbol-Auswahltaste in den Zeicheneingabemodus gebracht (ursprüngliche Beschreibung, S. 19, Z. 26 bis S. 21, Z. 7).
Im dritten Ausführungsbeispiel (ursprünglich eingereichte Beschreibung, S. 22, Z. 14 bis S. 23, Z. 3) erfährt der Fachmann, dass die Sprachauswahl automatisch beim Einlegen der SIM-Karte durch Auslesen der „home system information“ erfolgt. Beim Einlegen einer SIM-Karte ist ein Mobiltelefon jedenfalls üblicherweise noch nicht bereit, Eingabe zum Bilden von Nachrichten zu empfangen.
C. Der Senat gibt dem Hilfsantrag 1a der Beklagten nicht statt.
C.1. Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1a lautet gegliedert (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung gekennzeichnet):
“1a. A portable radio communication apparatusmobile phone comprising: 2. an antenna (1) for transmitting and receiving a radio frequency message signal; 3. radio/modulator-demodulator means (3) for demodulating a received radio frequency message signal by converting its frequency and for modulating a message signal to be transmitted to effect its frequency conversion into a radio frequency;
4. message memory means (5) for storing messages which are received or to be transmitted; and
5. display means (7) for displaying the messages which are received or to be transmitted; characterized by 6. alphabet memory means (15) for storing a multi-lingual alphabet comprising sections with alphabetical notation for each language; 7b. selection means (16) for selecting a language of the multi-lingual alphabet to be used in forming a message to be transmitted and a section corresponding to athe language of the multi-lingual alphabet to be used in forming athe message to be transmitted at the time of inputting by character wherein the selection means (16) contains a language selection operation key (16) for selecting the language; and 8. control means (4) for sequentiaflly selecting characters from the section corresponding to a language of the multi-lingual alphabet and for forming and displaying messages which are to be transmitted.”
C.2. Der Hilfsantrag 1a ist zulässig.
Die neu aufgenommenen Merkmale sind in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart (vgl. z. B. ursprünglich eingereichte Beschreibung, S. 1, Z. 7 und S. 18, Z. 4-12 sowie ursprünglicher Anspruch 3). Insbesondere entnimmt der Fachmann der ursprünglichen Offenbarung unmittelbar und eindeutig, dass eine Sprachauswahl nicht nur durch kombinierte Betätigung der Sprachauswahl-Betätigungstaste (16) und der Lautstärkentaste (6c), sondern auch allein durch Betätigung der Sprachauswahl-Betätigungstaste (16) erfolgen kann.
Eine Zurückweisung des in der mündlichen Verhandlung erstmals gestellten Hilfsantrags 1a als verspätet kam trotz des entsprechenden Antrags der Klägerin zu 2) nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen des § 83 Abs. 4 Nr. 1 PatG nicht vor- lagen. Die Behandlung dieses Hilfsantrags erforderte nämlich keine Vertagung des Termins.
C.3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1a ist neu, er beruht jedoch gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 52, 56 EPÜ).
Denn aus der Schrift D17, EP 0 588 538 A1, ist in Worten des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1a ausgedrückt, auch Folgendes entnehmbar (nicht Zutreffendes gekennzeichnet):
7b. selection means (z. B. special key Fig. 6, BZ 28 und Menü in Fig. 22) for selecting a language (Fig. 22) of the multi-lingual alphabet to be used in forming a message to be transmitted text and a section (conversion table, Fig. 23-26) corresponding to the language of the multilingual alphabet (z. B. French language, Fig. 23) to be used in forming the message to be transmitted text at the time of inputting by character wherein the selection means contains a language selection operation key (special key, Fig. 6, BZ 28) for selecting the language (Sp. 14, Z. 27-56).
Die Beklagte macht geltend, dass aus der Schrift D17 weder das Bilden von zu übertragenen Nachrichten gemäß Merkmal 7b. noch das in Merkmal 1a. beanspruchte Mobiltelefon entnehmbar seien. Auch bei einer Zusammenschau des GSM-Handbuchs D11 mit der Schrift D17 habe der Fachmann keine Veranlassung, die Sondertaste 28 des Notebooks aus der Schrift D17 für ein Mobiltelefon zu übernehmen.
Nach Überzeugung des Senats ist der Bedarf, einen Text mit Schriftzeichen verschiedener Sprachen einzugeben, nicht erst im Zusammenhang mit der zunehmenden Verbreitung von Mobiltelefonen entstanden, sondern hat sich bereits in Verbindung mit verschiedenen anderen Gerätegattungen mit Texteingabefunktion,
wie z. B. Personal Computern oder Notebooks, gestellt. Der Fachmann musste die bei diesen ihm bekannten Gerätegattungen vorgeschlagene und bei den Benutzern bereits eingeführte Lösung zur Sprachauswahl auch bei Mobiltelefonen in Betracht zu ziehen. Die Übernahme der in der Schrift D17 vorgeschlagenen Sondertaste 28 liegt schon deshalb nahe, da Tastaturen nicht nur bei Recheneinrichtungen, sondern auch bei Mobiltelefonen übliche Eingabemittel darstellen (vgl. in der D11, S. 11, vorletzter Abs.).
D. Der Senat gibt dem Hilfsantrag 2 der Beklagten nicht statt.
D.1. Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet gegliedert (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung gekennzeichnet):
“1a. A portable radio communication apparatusmobile phone comprising: 2. an antenna (1) for transmitting and receiving a radio frequency message signal; 3. radio/modulator-demodulator means (3) for demodulating a received radio frequency message signal by converting its frequency and for modulating a message signal to be transmitted to effect its frequency conversion into a radio frequency; 4. message memory means (5) for storing messages which are received or to be transmitted; and 5. display means (7) for displaying the messages which are received or to be transmitted; characterized by 6. alphabet memory means (15) for storing a multi-lingual alphabet comprising sections with alphabetical notation for each language; 7c. selectioncontrol means (164) for selecting a language of the multilingual alphabet to be used in forming a message to be transmitted and a section corresponding to athe language of the multi-lingual alphabet to be used in forming athe message to be transmitted at the time of inputting by character and, then, entering a character input mode for forming the message; and 8. control means (4) for sequentially selecting characters from the section corresponding to a language of the multi-lingual alphabets and for forming and displaying messages which are to be transmitted.”
D.2. Ob es sich beim Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 um ein Aliud handelt, hängt vom Verständnis des Begriffs „selection means“ ab. Dieser Begriff umfasst zunächst eine Taste zur manuellen Auswahl (Patentschrift, Anspruch 3, Abs [0027]). Im Absatz [0029] ist aber auch angegeben, dass die „control section" 4 die Auswahl vornimmt. Daraus könnte der Fachmann schließen, dass der Begriff „selection means" auch die „control section" 4 umfasst. In diesem Fall wäre der Anspruch 1 lediglich darauf eingeschränkt, und würde kein Aliud umfassen.
Sieht der Fachmann aber den Begriff „selection means" auf Tasten und ähnliche Eingabevorrichtungen beschränkt, so umfasst der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 auch ein Aliud.
Es erübrigt sich aber, dieser Frage weiter nachzugehen, denn der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruht gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 52, 56 EPÜ).
Denn auch bei dem Verfahren gemäß der Schrift D17, EP 0 588 538 A1, wird auf Grund einer Betätigung der Sondertaste 28 ein Programm (changing program) in einer Steuereinrichtung (CPU 84, Fig. 9) ausgeführt (Sp. 8, Z. 35-47) zum Auswählen einer Sprache des Alphabets in mehreren Sprachen und zum daraufhin Eintreten in den Zeicheneingabemodus (Sp. 14, Z. 27-55).
Wie bereits im gerichtlichen Hinweis vom 1 August 2013 und nochmals in der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2013 mitgeteilt, sieht der Senat in den abhängigen Unteransprüchen keinen eigenen erfinderischen Gehalt. Einen solchen hat die Beklagte auch weder schriftsätzlich noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, so dass die abhängigen Unteransprüche das Schicksal des Anspruchs 1 teilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
Schmidt Voit Dr. Scholz J. Müller Arnoldi Ko