XII ZB 503/23
BUNDESGERICHTSHOF XII ZB 503/23 BESCHLUSS vom
1. Oktober 2025 in der Personenstandssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR:
ja JNEU:
nein BGB § 1617 Abs. 1 Satz 1; PStG § 21; PStV § 35 Die Bestimmung des Geburtsnamens durch die sorgeberechtigten Eltern gemäß § 1617 Abs. 1 BGB kann sich auch dann auf den nicht nachgewiesenen Namen eines Elternteils richten, wenn die Namensführung des anderen Elternteils nachgewiesen ist. Der gewählte Name ist dann im Geburtenregister als Geburtsname des Kindes mit dem Zusatz „Namensführung nicht nachgewiesen“ einzutragen (Fortführung von Senatsbeschluss vom 3. Februar 2021 - XII ZB 391/19 FamRZ 2021, 831).
BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2025 - XII ZB 503/23 - OLG Bamberg AG Schweinfurt ECLI:DE:BGH:2025:011025BXIIZB503.23.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Oktober 2025 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger und die Richterin Dr. Krüger beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 4 gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 11. Oktober 2023 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe: A.
Das vorliegende Personenstandsverfahren betrifft die Berichtigung des Geburtenregisters nach einer von den Eltern für das Kind getroffenen Namensbestimmung.
Das betroffene Kind wurde im August 2022 geboren. Die Mutter (Beteiligte zu 1) ist afghanische Staatsangehörige. Der Vater (Beteiligter zu 2) gibt an, ebenfalls afghanischer Staatsangehöriger zu sein. Identität des Vaters und Eheschließung der Eltern sind nicht nachgewiesen.
Schon vor der Geburt hatte der Vater mit Zustimmung der Mutter die Anerkennung der Vaterschaft erklärt und hatten die Eltern Sorgeerklärungen nach
§ 1626 a BGB abgegeben. Nach der Geburt wählten sie für die Namensführung des Kindes das deutsche Recht und bestimmten den Namen des Vaters zum Geburtsnamen des Kindes.
Die Eintragung des Kindes im Geburtenregister erfolgte zunächst mit dem Namen der Mutter. Das Standesamt (Beteiligter zu 3) hat die Frage sodann im Wege der Zweifelsvorlage dem Amtsgericht vorgelegt. Das Amtsgericht hat das Standesamt nach § 48 PStG angewiesen, im Geburtenregister einen Vermerk beizuschreiben, nach dem Geburtsname des Kindes der Name des Vaters ist mit dem Zusatz „Namensführung nicht nachgewiesen“. Das Oberlandesgericht hat die dagegen eingelegte Beschwerde der Standesamtsaufsicht (Beteiligte zu 4) zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Standesamtsaufsicht.
Bezüglich eines weiteren Kindes der Beteiligten zu 1 und 2 ist vor dem Senat das Verfahren XII ZB 504/23 anhängig.
B.
Die zulässige Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Dass die Rechtsbeschwerdebegründung keinen Antrag gemäß § 71 Abs. 3 Nr. 1 FamFG enthält, ist unschädlich. Denn bei Anrufung der Rechtsbeschwerdeinstanz durch die Aufsichtsbehörde bedarf es keiner formellen oder materiellen Beschwer. Der Aufsichtsbehörde ist durch die Einräumung eines vom Inhalt der Entscheidung der Vorinstanzen unabhängigen Beschwerderechts (§ 53 Abs. 2 PStG) eine verfahrensrechtliche Handhabe gegeben, um in wichtigen und umstrittenen Fragen eine klärende obergerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Das gilt auch für die Rechtsbeschwerdeinstanz. Die Aufsichtsbehörde braucht mithin kein bestimmtes Ziel ihres Rechtsmittels anzugeben. Es genügt, dass sie eine Gesetz und Recht entsprechende Entscheidung erwirken will (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 237, 315 = FamRZ 2023, 1618 Rn. 7 mwN).
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat seine in StAZ 2024, 49 veröffentlichte Entscheidung damit begründet, dass die Namenserteilung des unbewiesenen Familiennamens eines Elternteils auch dann möglich sei, wenn der Familienname des anderen Elternteils feststehe. Sachliche Gründe, das Namensbestimmungsrecht der Eltern nach § 1617 BGB einzuschränken, seien nicht gegeben. Der Wortlaut des § 1617 BGB setze nicht voraus, dass der gewählte Name urkundlich nachgewiesen sei.
Mit dem geführten Namen sei der rechtmäßig zu führende Name gemeint. Die Bestimmungserklärung richte sich auf den von dem Elternteil, dessen Name zum Geburtsnamen des Kindes bestimmt wird, rechtmäßig zu führenden Namen. Der Wirksamkeit der Namensbestimmung stehe nicht entgegen, wenn die Eltern von einer Übereinstimmung des tatsächlich geführten mit dem rechtmäßig zu führenden Namen ausgingen und diese Vorstellung sich später als falsch herausstelle. Das Kind trage vielmehr kraft Gesetzes und mit Bindungswirkung statt des eingetragenen Namens den vom entsprechenden Elternteil rechtmäßig zu führenden Namen. Es seien auch keine Kindeswohlbelange zu erkennen, die es in Ausübung des staatlichen Wächteramts gebieten würden, die von den Eltern getroffene Namenswahl im Interesse des Kindes zu korrigieren oder § 1617 Abs. 1 Satz 1 BGB teleologisch zu reduzieren.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Auf die Namenserteilung ist aufgrund der von den Eltern gemäß Art. 10 Abs. 3 EGBGB getroffenen Rechtswahl deutsches Recht anzuwenden. Das Beschwerdegericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der von den Eltern nach § 1617 Abs. 1 Satz 1 BGB erteilte Name des Vaters im Geburtenregister einzutragen ist.
a) Nach der zu § 1617 b Abs. 1 BGB ergangenen Rechtsprechung des Senats richtet sich die Bestimmung des Geburtsnamens auf den vom Elternteil, dessen Name dem Kind erteilt werden soll, rechtmäßig zu führenden Namen. Wenn dieser nicht dem tatsächlich geführten und im Personenstandsregister eingetragenen Namen entspricht, steht dies der Wirksamkeit der Bestimmungserklärung nicht entgegen. Ist der vom Elternteil zu führende Name nicht nachgewiesen, so ist im Geburtenregister als gewählter Geburtsname des Kindes der vom Elternteil tatsächlich geführte Name mit dem einschränkenden Zusatz „Namensführung nicht nachgewiesen“ zu beurkunden (Senatsbeschluss vom 3. Februar 2021 - XII ZB 391/19 - FamRZ 2021, 831 Rn. 17 ff.).
Diese Grundsätze gelten ebenfalls für die Namensbestimmung nach § 1617 Abs. 1 Satz 1 BGB, die insoweit keine entscheidenden Besonderheiten aufweist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Februar 2021 - XII ZB 391/19 - FamRZ 2021, 831 Rn. 20).
Die Beurkundung eines feststehenden Personenstandsfalls kann auch dann geboten sein, wenn einzelne Personenstandsmerkmale sich nicht nachweisen bzw. aufklären lassen (Senatsbeschluss vom 3. Februar 2021 - XII ZB 391/19 - FamRZ 2021, 831 Rn. 23 mwN). Durch eine Beurkundung trotz verbleibender Unklarheiten wird in diesen Fällen neben dem staatlichen Ordnungsinteresse an der lückenlosen Registrierung feststehender Personenstandsfälle insbesondere auch dem Anspruch der Betroffenen auf Beurkundung Rechnung getragen, ohne dass zugleich dem Registereintrag eine über die vom Standesamt gewonnenen Erkenntnisse hinausgehende Beweiswirkung verliehen wird (Senatsbeschlüsse BGHZ 221, 1 = FamRZ 2019, 614 Rn. 21 und vom 3. Februar 2021 - XII ZB 391/19 - FamRZ 2021, 831 Rn. 24).
An diesen Grundsätzen hat sich durch die zum 1. Mai 2025 in Kraft getretene Namensrechtsreform nichts geändert.
b) Für eine abweichende Behandlung der vorliegenden Fallkonstellation, in der anders als im Fall des Senatsbeschlusses vom 3. Februar 2021 (XII ZB 391/19 - FamRZ 2021, 831) nicht die Namensführung beider Eltern, sondern nur die des Vaters ungeklärt und die Namensführung der Mutter nachgewiesen ist (dafür OLG München StAZ 2022, 180; Wall StAZ 2022, 182), besteht kein Raum.
aa) Nach Auffassung des Oberlandesgerichts München widerspricht es sowohl dem Kindeswohl als auch dem „staatlichen Interesse an einer ordnungsgemäßen Verwaltung“, wenn der gesicherte, von dem nachgewiesenen Namen der Mutter abgeleitete Geburtsname gegen einen vorläufigen, bislang unbewiesenen Familiennamen des Vaters eingetauscht würde. Eine Namenserteilung des unbewiesenen Familiennamens des Vaters komme nicht in Betracht, wenn ein gesicherter Name, nämlich derjenige der Mutter, feststehe (OLG München StAZ 2022, 180). Nach einer weiteren Auffassung ist das Wahlrecht der Eltern zwischen dem gesicherten Familiennamen der Mutter und dem ungesicherten Familiennamen des Vaters aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen. Das Kindeswohl sei vom Staat gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG auch gegenüber den Eltern zu schützen, was sich methodisch mit einer teleologischen Reduktion der §§ 1617 Abs. 1 Satz 1, 1617 a Abs. 2 (aF), 1617 b Abs. 1 BGB begründen lasse (Wall StAZ 2022, 182, 184).
bb) Dabei wird jedoch bereits außer Acht gelassen, dass die Namensbestimmung vom Gesetz in §§ 1617 ff. BGB bewusst den Eltern überantwortet und nicht mit einer Kindeswohlprüfung verbunden ist. Das Recht zur Namensbestimmung ist Teil des von Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Elternrechts (vgl. BVerfG FamRZ 2002, 306, 307 f.). Zumal § 1617 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Kindeswohlprüfung nicht vorsieht und bei der Wahl des Familiennamens - anders als bei der gesetzlich nicht geregelten Vornamensbestimmung - eine verantwortungslose Namenswahl (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2009, 294 Rn. 12; OLG Bremen NJW-RR 2014, 1156 f.) sowie ein damit verbundener Missbrauch des Elternrechts regelmäßig ausscheidet, besteht grundsätzlich keine Veranlassung für eine staatliche Reglementierung der von den sorgeberechtigten Eltern zu treffenden Namensbestimmung. Da diese sich nach der Rechtsprechung des Senats auf den rechtmäßig zu führenden Namen richtet, ist auch insoweit ein Missbrauch des Bestimmungsrechts ausgeschlossen. Die von den Eltern erklärte Namensbestimmung ist demnach wirksam und muss vom Standesamt bei der Eintragung im Geburtenregister berücksichtigt werden.
Ein möglicher staatlicher Eingriff in das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG hätte seinen Platz demzufolge vorrangig in der von § 1666 BGB geregelten Sorgerechtsentziehung, die eine Gefährdung des Kindeswohls voraussetzt. Sollte eine Gefährdung des Kindeswohls durch die Namenswahl in Betracht kommen, wäre einer solchen mithin durch gerichtliche Entziehung des Sorgerechts im Hinblick auf die Befugnis zur Namensbestimmung zu begegnen. Diese Entscheidung ist dem Familiengericht vorbehalten. Wenn und solange eine entsprechende Entziehung vom Familiengericht nicht ausgesprochen wurde, besteht die elterliche Sorge unbeschränkt. Dass durch die Erteilung des rechtmäßig zu führenden Namens eines Elternteils das Kindeswohl gefährdet werden könnte, liegt ohnedies fern.
Ist der von den Eltern erteilte Name nicht gesichert, reicht auch dies für eine Kindeswohlgefährdung nicht aus. Dementsprechend hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Personenstandsrechts in der nicht nachgewiesenen Namensführung keinen Hinderungsgrund für die entsprechende Namenserteilung gesehen (Senatsbeschluss vom 3. Februar 2021 - XII ZB 391/19 - FamRZ 2021, 831).
Ist die Namensführung des anderen Elternteils nachgewiesen, mag dies zwar einen Gesichtspunkt bei der Abwägung der Kindeswohlbelange darstellen, der für die Wahl des Elternteils mit gesichertem Namen spricht. Mangels Kindeswohlgefährdung obliegt die Entscheidung aber allein den sorgeberechtigten Eltern im Rahmen der ihnen von Art. 6 Abs. 2 GG garantierten Elternautonomie. In Anbetracht der in § 1617 Abs. 1 Satz 1 BGB bewusst getroffenen Entscheidung des Gesetzgebers scheidet daher auch eine geltungserhaltende Reduktion aus, weil dadurch in der Sache die autonome Entscheidung der Eltern unzulässigerweise durch eine vom Gesetz nicht vorgesehene offene Kindeswohlabwägung begrenzt werden könnte.
3. Das Beschwerdegericht hat die sich aus der Rechtsprechung des Senats ergebenden Maßstäbe zutreffend angewendet. Die vom Amtsgericht getroffene Anweisung an das Standesamt zur Berichtigung des Eintrags im Geburtenregister ist daher zu Recht ergangen.
Guhling RiBGH Prof. Dr. Klinkhammer ist wegen Urlaubs an der Signatur gehindert. Guhling Nedden-Boeger Krüger Günter Vorinstanzen: AG Schweinfurt, Entscheidung vom 17.11.2022 - 5 UR III 12/22 OLG Bamberg, Entscheidung vom 11.10.2023 - 3 Wx 4/23 -