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III ZR 242/21

BUNDESGERICHTSHOF III ZR 242/21 BESCHLUSS vom 23. Februar 2023 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2023:230223BIIIZR242.21.0 Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Februar 2023 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, den Richter Dr. Remmert, die Richterinnen Dr. Arend und Dr. Böttcher sowie den Richter Dr. Kessen beschlossen:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 6. Juli 2021 - 5 U 710/20 - wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Streitwert: 30.000.000 €

Gründe:

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

Entgegen der Ansicht der Beschwerde folgt insbesondere ein Revisionszulassungsgrund nicht daraus, dass das Berufungsgericht die Beklagte in Bezug auf die Frage des Bestehens einer Hauptniederlassung im Sinne von Art. 63 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 351, S. 1; im Folgenden EuGVVO) als sekundär darlegungsbelastet angesehen hat. Es bedarf hierzu keiner Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 1 und 3 AEUV. Es liegt insoweit ein acte clair vor. Der Gerichtshof hat zum Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32; EuGVÜ) und zur Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 (ABl. L 12, S. 1; EuGVVO aF) ausdrücklich ausgesprochen, dass das Übereinkommen beziehungsweise die Verordnung nicht die Vereinheitlichung der Verfahrensregeln zum Gegenstand hat, sondern die Verteilung der gerichtlichen Zuständigkeiten für Zivil- und Handelssachen im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten (EuGH, Urteile vom 15. März 2012 - C-292/10, GRURInt 2012, 544 Rn. 44 und vom 7. März 1995 - C-68/93, NJW 1995, 1881 Rn. 35; jew. mwN). Nichts Anderes kann für die aktuelle Fassung der EuGVVO gelten.

Im Übrigen entspricht es ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass hinsichtlich der Verfahrensregeln auf die für das nationale Gericht geltenden nationalen Rechtsvorschriften zurückzugreifen ist, soweit deren Anwendung nicht die praktische Wirksamkeit der Verordnung - beziehungsweise zuvor des Übereinkommens - beeinträchtigt (vgl. zB EuGH, Urteile vom 28. Januar 2015 - C-375/13, NJW 2015, 1581 Rn. 59 f, 65 und vom 7. März 1995 aaO Rn. 36; jew. mwN). Dies gilt auch für die Anforderungen, die an den Vortrag zur Darlegung der internationalen Zuständigkeit zu stellen sind (vgl. BGH, Urteile vom 29. November 2011 - XI ZR 172/11, NJW 2012, 455 Rn. 12 und vom 30. Oktober 2003 - I ZR 59/00, NJW-RR 2004, 935; jew. mwN) einschließlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Darlegung und Beweisführung erleichtert werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 7. März 1995 aaO Rn. 37 ff; BGH, Urteil vom 15. Januar 2015 - I ZR 88/14, NJW 2015, 2339 Rn. 28 ff). Darunter fallen auch die Konstellationen, in denen dem Gegner des Beweisführers eine sekundäre Darlegungslast auferlegt wird. Danach werden Schwierigkeiten beim Führen eines Beweises im Falle eines Informationsgefälles, wenn die beweisbelastete Partei außerhalb des betreffenden Geschehensablaufs steht, dadurch ausglichen, dass der Gegner, der anders als der Beweisführer die maßgebenden Tatsachen kennt, dazu im Rahmen des Zumutbaren substantiiert vorzutragen hat, mit der Folge, dass bei mangelnder Substanz das Klägervorbringen als zugestanden gilt (§ 138 Abs. 2 und 3 ZPO; st. Rspr., vgl. zB Senat, Urteile vom 27. Oktober 2022 - III ZR 211/20, WM 2023, 134 Rn. 17 und vom 9. Juni 2022 - III ZR 24/21, NJW 2022, 2754 Rn. 36, zur Veröffentlichung in BGHZ 234, 102 vorgesehen; BGH, Urteile vom 19. Februar 2019 - VI ZR 505/17, BGHZ 221, 139 Rn. 17; vom 24. Januar 2019 - IX ZR 10/17, BGHZ 221, 110 Rn. 45 f; Beschluss vom 7. November 2007 - IV ZR 103/06, NJW-RR 2008, 343 und Urteil vom 20. Januar 1961 - I ZR 79/59, NJW 1961, 826, 828). Dieser Grundsatz ist auch mit dem Zweck der Verordnung, die den Rechtsschutz der in der Europäischen Union ansässigen Personen unter anderem in der Weise verbessern soll, dass ein Kläger ohne Schwierigkeiten festzustellen vermag, welches Gericht er anrufen kann, ohne weiteres zu vereinbaren. Demgegenüber wird der Beklagte durch das Erfordernis, zu ihm bekannten oder zumutbar zu ermittelnden Tatsachen vorzutragen, nicht unangemessen benachteiligt. Die Vorhersehbarkeit, an welchem Gericht er verklagt werden kann, erschwert dies nicht.

Ebenso wenig bestehen vernünftige Zweifel daran, dass es sich bei der Hauptniederlassung im Sinne von Art. 63 Abs. 1 Buchst. c EuGVVO (vgl. dazu Begründung des Kommissionsentwurfs vom 14. Juli 1999, KOM(1999), 348 endg. S. 27), wenn es mehrere Niederlassungen eines Unternehmens gibt, um diejenige handelt, bei der der Schwerpunkt der externen - auf den Markt bezogenen - Geschäftstätigkeit liegt, was durch die dort vorhandenen Personalund Sachmittel, die für den Umfang des Geschäftsvolumens maßgeblich sind, zum Ausdruck kommt (BAGE 132, 182 Rn. 34 mwN; BGH, Urteil vom 14. November 2017 - VI ZR 73/17, NJW-RR 2018, 290 Rn. 19), und dies durch einen Größenvergleich zu ermitteln ist. Sowohl in Anbetracht des Wortlauts der Norm, in der - formuliert im Singular - lediglich von "der Hauptniederlassung" die Rede ist, als auch nach der natürlichen Wortbedeutung ist es ebenso unzweifelhaft, dass es nur eine Hauptniederlassung und nicht mehrere geben kann. Eine mit mehreren Hauptniederlassungen verbundene Vervielfachung der allgemeinen Gerichtsstände stünde auch mit dem Zweck der EuGVVO, Rechtssicherheit zu schaffen (vgl. zB EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021 - C-800/19, EuZW 2021, 890 Rn. 25, 39), nicht in Einklang.

Die Rechtsprechung des französischen Kassationshofs steht dem - anders als die Beschwerde meint - nicht entgegen. Zwar mag die Erste Zivilkammer des Gerichts in ihrer Entscheidung vom 19. Oktober 2016 zu Art. 60 Abs. 1 Buchst. c EuGVVO aF noch eine abweichende Definition des Begriffs der Hauptniederlassung verwendet haben (unalex Rechtsprechung, Entscheidung FR-2497). Diese Definition, die eher der einer Hauptverwaltung entspricht, würde aber erst recht dazu führen, dass ein Gerichtsstand nach der EuGVVO nicht begründet ist. Dessen ungeachtet ist die Entscheidung überholt. Mit Urteil vom 22. Februar 2017 (unalex Rechtsprechung, Entscheidung FR-2515) hat derselbe Spruchkörper den Begriff der Hauptniederlassung in Übereinstimmung mit der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts als den Ort definiert, an dem die Gesellschaft im Wesentlichen ihre Geschäftstätigkeit ausübt.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Herrmann Remmert Arend Böttcher Kessen Vorinstanzen: LG München I, Entscheidung vom 21.01.2020 - 40 O 4474/18 OLG München, Entscheidung vom 06.07.2021 - 5 U 710/20 -

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Häufigkeit Paragraph
2 543 ZPO
1 3 AEUV
1 267 AEUV
1 60 EuGVVO
1 63 EuGVVO
1 3 ZPO
1 138 ZPO
1 544 ZPO

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