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XII ZB 671/11

BUNDESGERICHTSHOF XII ZB 671/11 BESCHLUSS vom 8. August 2012 in der Unterbringungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

nein BGHR:

ja BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 2; FamFG § 62 a) Da die Einwilligung des Betreuers in eine Zwangsbehandlung mangels gesetzlicher Grundlage nicht genehmigungsfähig ist, kommt die Genehmigung einer entsprechenden Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht in Betracht, wenn die Heilbehandlung wegen der Weigerung des Betroffenen, sich behandeln zu lassen, nicht durchgeführt werden kann (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 20. Juni 2012 - XII ZB 99/12 und XII ZB 130/12 - jeweils juris).

b) Die Genehmigung einer Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB kommt allerdings noch in den Fällen in Betracht, in denen nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass sich der Betroffene in der Unterbringung behandeln lassen wird, sein natürlicher Wille also nicht bereits der medizinisch notwendigen Behandlung entgegensteht und er die Notwendigkeit der Unterbringung nicht einsieht (im Anschluss an Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 152 = FamRZ 2006, 615, 618).

BGH, Beschluss vom 8. August 2012 - XII ZB 671/11 - LG Ansbach AG Ansbach Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. August 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Schilling, Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Ansbach vom 29. November 2011 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen für das Verfahren in allen Instanzen werden der Staatskasse auferlegt. Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe: I.

Die Rechtsbeschwerde wendet sich gegen die durch Zeitablauf erledigte Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen.

Mit Beschluss vom 9. August 2011 hat das Amtsgericht die geschlossene Unterbringung des Betroffenen bis längstens 9. Februar 2012 genehmigt. Mit weiterem Beschluss vom 24. November 2011 hat es die Freiheitsentziehung des Betreuten u.a. durch Zwangsmedikation ebenfalls bis längstens 9. Februar 2012 genehmigt. Das Landgericht hat die gegen den erstgenannten Beschluss gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die von dem Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde, mit der er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringungsgenehmigung begehrt.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

a) Die Rechtsbeschwerde ist auch ohne Zulassung statthaft, § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamFG.

b) Hat sich die angefochtene Entscheidung - wie hier - durch Zeitablauf in der Hauptsache erledigt, kann das Beschwerdegericht gemäß § 62 Abs. 1 FamFG aussprechen, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszuges den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat. Diese Vorschrift ist im Rechtsbeschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden (Senatsbeschluss vom 15. Februar 2012 - XII ZB 389/11 - FamRZ 2012, 619 Rn. 9 mwN).

Voraussetzung ist - neben einem auf die Feststellung gerichteten Antrag (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juni 2011 - XII ZB 245/10 - FamRZ 2011, 1390 Rn. 8) -, dass ein berechtigtes Interesse an der Feststellung vorliegt. Das Feststellungsinteresse ist nach § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG in der Regel anzunehmen, wenn ein schwerwiegender Grundrechtseingriff vorliegt. Die gerichtliche Anordnung oder Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme bedeutet stets einen solchen Eingriff (Senatsbeschluss vom 15. Februar 2012 - XII ZB 389/11 - FamRZ 2012, 619 Rn. 9 f. mwN).

2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.

a) Nach Auffassung des Beschwerdegerichts lagen die Voraussetzungen für die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor. Ausweislich des schriftlichen Sachverständigengutachtens leide der Betroffene an einer paranoiden Schizophrenie. Akut psychotisch werde der Betroffene regelmäßig nur, wenn er seine Medikamente absetze. Dann komme es innerhalb weniger Wochen zu akuten psychotischen Exazerbationen, die mit Wahnvorstellungen und schweren Affektstörungen einhergingen, die in der Vergangenheit auch in fremd- und autoaggressive Handlungen eingemündet hätten. Mittlerweile habe sich der Betroffene selbst unter den Bedingungen einer geschlossenen Unterbringung geweigert, seine Medikamente weiter einzunehmen. Das Fortschreiten der psychischen Krankheit des Betroffenen könne nur durch kontinuierliche Medikamenteneinnahme verhindert werden, zu der der Betroffene aber freiwillig mangels Krankheitseinsicht nicht bereit sei und die nur im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung gewährleistet werden könne.

b) Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

aa) Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung maßgeblich darauf gestützt, dass die medizinisch notwendige, nur im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung zu gewährleistende Zwangsbehandlung die Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB rechtfertigt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob es - wie die Rechtsbeschwerde meint schon nach der früheren Senatsrechtsprechung an den Unterbringungsvoraussetzungen nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB gefehlt hat, weil sich der Betroffene der Behandlung räumlich nicht entzogen habe (vgl. Senatsbeschluss vom

23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866 Rn. 23). Denn der Senat hat die vom Landgericht insoweit in Bezug genommene Rechtsprechung nach Erlass der angefochtenen Entscheidung aufgegeben (Senatsbeschlüsse vom 20. Juni 2012 - XII ZB 99/12 und XII ZB 130/12 – jeweils juris). Nach der geänderten Senatsrechtsprechung fehlt es gegenwärtig an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Da die Einwilligung des Betreuers in eine Zwangsbehandlung mangels gesetzlicher Grundlage mithin nicht genehmigungsfähig ist, kommt die Genehmigung einer entsprechenden Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht in Betracht, wenn die Heilbehandlung wegen der Weigerung des Betroffenen, sich behandeln zu lassen, nicht durchgeführt werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Juni 2012 - XII ZB 99/12 juris Rn. 13).

Die Genehmigung einer Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB kommt deswegen nur noch in den Fällen in Betracht, in denen nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass sich der Betroffene in der Unterbringung behandeln lassen wird, sein natürlicher Wille also nicht bereits der medizinisch notwendigen Behandlung entgegensteht und er die Notwendigkeit der Unterbringung nicht einsieht (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 152 = FamRZ 2006, 615, 618). Solange sich eine Weigerung des Betroffenen, sich behandeln zu lassen, nicht bereits - wie hier - manifestiert hat, die Behandlung mithin nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, ist die Genehmigung der Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB also noch möglich.

bb) Dass die Voraussetzungen der Genehmigung einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB wegen Selbstgefährdung vorliegen, hat das Beschwerdegericht - wie die Rechtsbeschwerde zutreffend ausführt - nicht hinreichend konkret festgestellt. Eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Ermöglichung weiterer Feststellungen kommt nach Ablauf der Unterbringungsdauer nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Februar 2012 - XII ZB 389/11 - FamRZ 2012, 619 Rn. 28 ff.)

cc) Der Betroffene ist durch die landgerichtliche Entscheidung deswegen in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt worden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 128 b KostO, 337 Abs. 1 FamFG analog.

Dose Weber-Monecke Schilling Günter Nedden-Boeger Vorinstanzen: AG Ansbach, Entscheidung vom 09.08.2011 - XVII 222/06 LG Ansbach, Entscheidung vom 29.11.2011 - 4 T 994/11 -

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1 2 GG
1 128 KostO

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