35 W (pat) 6/13
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 6/13
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend das Gebrauchsmuster … (hier: Verfahrenskostenhilfe für die 2. Aufrechterhaltungsgebühr) hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 13. Juni 2014 durch die Vorsitzende Richterin Werner sowie die Richterin Bayer und den Richter Eisenrauch beschlossen:
1. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) ist Inhaberin des am 15. Mai 2006 angemeldeten und am 3. August 2006 eingetragenen Gebrauchsmusters … mit der Bezeichnung „… …“. Für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr (viertes bis sechstes Schutzjahr) ist der Beschwerdeführerin bereits Verfahrenskostenhilfe gewährt worden.
Nachdem die Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe nunmehr auch für die 2. Aufrechterhaltungsgebühr (siebtes und achtes Schutzjahr) beantragt hat, ist sie mit Bescheid der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) vom 13. Juni 2012 wiederum aufgefordert worden, Nachweise einzureichen, welche erfolgversprechende Verwertungsversuche sie bisher unternommen habe; für den Fall, dass sie solche Nachweise nicht erbringen könne, wurde ihr die Zurückweisung ihres Antrags angedroht. Die Antragstellerin hat daraufhin mit Eingabe vom 21. Juli 2012 mitgeteilt, sie habe ihre Unterlagen an die Vermarkter von „www.erfinder.at“ abgegeben; gelegentlich besuche sie auch den Erfinderstammtisch in Berlin Wilmersdorf, der hin und wieder auch Vorträge und Gespräche zum Thema „Vermarktung von Erfindungen“ anbiete. Ferner gehe sie gezielt auf Veranstaltungen des Berliner Wirtschaftsgespräche e.V., um mit Gewerbetreibenden aus der Berliner Wirtschaft in Kontakt zu kommen. In der Anlage zu ihrer Eingabe hat die Antragstellerin außerdem in Kopie ihre Interesseanfragen an verschiedene deutsche Unternehmen aus dem Jahr 2010 beigefügt (z. B. Schreiben an die Deutsche Bundesgartenschau GmbH, Tchibo GmbH und Fa. Douglas); ihrer Eingabe war auch ein Schreiben (E-Mail) der IHK Berlin aus dem Jahr 2010 beigefügt, mit dem der Antragstellerin Daten zu Erfindungsvermarktern genannt wurden.
Mit Beschluss vom 6. August 2012 hat die Gebrauchsmusterstelle des DPMA den Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die 2. Aufrechterhaltungsgebühr zurückgewiesen. Die Antragstellerin habe nicht nachgewiesen, dass sie erfolgsversprechende Verwertungsversuche unternommen habe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 12. September 2012 beim DPMA eingegangene Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die 2. Aufrechterhaltungsgebühr weiterverfolgt. Mit ihrer Beschwerdebegründung vom 28. November 2012 hat sie nochmals eine Liste von zehn Unternehmen vorgelegt, denen sie zwischenzeitlich per E-Mail ihre Erfindung (ohne Erfolg) zur Vermarktung angeboten hatte. Ferner hat sie vorgetragen, dass sie nunmehr die Eigenvermarktung ihrer Erfindung plane. Auf Nachfrage des Senats hat die Antragstellerin schließlich mit einer Eingabe vom 1. Oktober 2013 mitgeteilt, dass es ihr aufgrund ihrer beruflichen Situation mit unverschuldetem, häufigem Arbeitsplatzwechsel nicht möglich gewesen sei, sich effektiv um die Vermarktung ihrer Erfindung zu kümmern. Sie sei aber zuversichtlich, dass ihr die erfolgreiche Eigenvermarktung ihrer Erfindung künftig gelingen werde.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
1. ihr Verfahrenskostenhilfe für das vorliegende Beschwerdeverfahren zu bewilligen und
2. den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. August 2012 aufzuheben und ihr Verfahrenskostenhilfe für die 2. Aufrechterhaltungsgebühr für das Gebrauchsmuster 20 2006 007 979 zu gewähren.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag der Beschwerdeführerin, ihr für das vorliegende Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, ist zurückzuweisen. Eine Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren in Verfahrenskostenhilfesachen ist gesetzlich nicht vorgesehen; dieses Verfahren zählt nicht zu den in den §§ 129, 130 Abs. 1 PatG genannten Verfahren, in denen eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe statthaft ist (vgl. Busse/Baumgärtner, PatG, 7. Aufl., § 129 Rn. 3 - m. w. N.). Durch die Verweisung des § 21 Abs. 2 GebrMG auf die genannten Regelungen gilt dies auch für das vorliegende Beschwerdeverfahren, bei dem es um Verfahrenskostenhilfe für die Aufrechterhaltungsgebühr eines Gebrauchsmusters geht (vgl. Bühring/Braitmayer, GebrMG, 8. Aufl., § 21 Rn. 155).
2. Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet, da die weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters mutwillig im Sinne von § 114 ZPO erscheint.
Dem Inhaber eines Gebrauchsmusters kann auf Antrag gemäß § 21 Abs. 2 GebrMG i. V. m. § 130 Abs. 1 Satz 2 PatG Verfahrenskostenhilfe für Aufrechterhaltungsgebühren gewährt werden. Bei der Entscheidung über die Bewilligung ist - wie in allen Fällen der Verfahrenskostenhilfe - § 114 ZPO entsprechend anzuwenden. Nach dieser Vorschrift muss die mit dem Verfahrenskostenhilfeantrag beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung erfolgversprechend sein und darf nicht mutwillig erscheinen. Diese Einschränkung ist erforderlich, um den Einsatz öffentlicher Mittel zur Verfahrensführung nur in rechtlich und wirtschaftlich sinnvollen Fällen zu gewährleisten. Denn das im Grundgesetz verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet es nur, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes einander anzunähern, nicht dagegen gleichzustellen.
Ob eine Rechtsverfolgung oder -verteidigung mutwillig im Sinne des § 114 ZPO erscheint, entscheidet sich danach, ob auch eine nicht bedürftige Person bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage in derselben Weise verfahren würde wie die Antragstellerin (h. M. vgl. z. B. Busse/Baumgärtner, PatG, 7. Aufl., § 130 Rn. 35 - m. w. N.; Schulte/Schell, PatG, 9. Aufl., § 130 Rn. 54 f.; vgl. auch BPatG BlPMZ 1997, 443 m. w. N.). Mutwilligkeit ist somit ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nicht von einem fest umrissenen Sachverhalt ausgefüllt wird, sondern stets fallbezogen wertend überprüft werden muss. Kann aufgrund der vorliegenden Tatsachen nicht angenommen werden, dass eine vermögende Gebrauchsmusterinhaberin wie die Antragstellerin handeln würde, ist in wertender Erkenntnis auf das Vorliegen mutwilligen Verhaltens zu schließen. Ein exakter Nachweis ist dabei nicht erforderlich, wie sich aus der gesetzlichen Formulierung „nicht mutwillig erscheint“ ergibt (BPatG BlPMZ a. a. O. m. w. N.).
Im Fall einer Aufrechterhaltungsgebühr geht es um den weiteren Bestand des Schutzrechts, so dass sich die Frage, ob die Beantragung von Verfahrenskostenhilfe mutwillig ist oder nicht, danach beantwortet, wie sich eine nicht bedürftige Gebrauchsmusterinhaberin bei verständiger Würdigung der Umstände hinsichtlich der anstehenden Zahlung der Gebühr entscheiden würde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Ziel eines technischen Schutzrechts in erster Linie dessen wirtschaftliche Verwertung ist. Dies spiegelt sich u. a. in der Schutzvoraussetzung der gewerblichen Anwendbarkeit (§ 3 Abs. 2 GebrMG) und auch in den mit der Eintragung verbundenen Benutzungs- und Verbietungsrechten (§ 11 GebrMG) wider.
Nach den hier zur Bewertung vorliegenden Umständen scheidet eine weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters im Wege der Verfahrenskostenhilfe aus. Die Rechtswahrnehmung der Antragstellerin entspricht bei objektiver Betrachtung nicht der einer vermögenden Person in derselben Situation. Die Gebrauchsmusterstelle hat bei der Zurückweisung des Antrags insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass die Antragstellerin bisher keine Belege dafür vorgelegt hat, aus denen sich ernsthafte, d. h. erfolgversprechende Versuche der Antragstellerin für eine wirtschaftliche Verwertung des Gebrauchsmusters erkennen lassen.
Aus den vorgelegten Unterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte, aus denen sich eine realistische Chance für die Verwertung der Erfindung der Antragstellerin ableiten ließe. Unrealistisch erscheint eine Verwertung bereits aufgrund der Tatsache, dass das Gebrauchsmuster sich mittlerweile im achten Schutzjahr befindet und sich in diesem langen Zeitraum seit Eintragung des Gebrauchsmusters kein Unternehmen fand, das die Erfindung der Antragstellerin produzieren und für sie vermarkten wollte. Auch die Liste der zehn vergeblich angeschriebenen Unternehmen, die die Antragstellerin mit der Beschwerdebegründung vom 28. November 2012 vorgelegt hat, deuten in diese Richtung. Angesichts der bereits langen Laufzeit des Gebrauchsmusters, bestehen auch erhebliche Zweifel, ob die berufliche Situation der Antragstellerin, die offenbar durch häufigen Arbeitsplatzwechsel geprägt war, ein entscheidendes Hindernis für eine erfolgreiche Eigen- oder Fremdvermarktung der Erfindung war.
Nach der bestehenden Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine vermögende Gebrauchsmusterinhaberin bei verständiger Würdigung der Sachlage, d. h. der offenbaren Aussichtslosigkeit einer wirtschaftlichen Verwertung, nochmals Mittel einsetzen würde, um das vorliegende Gebrauchsmuster aufrechtzuerhalten. Dies erscheint mittlerweile so handgreiflich, dass die Antragstellerin der Einschätzung, dass ihre Rechtsverfolgung mutwillig ist, nicht mehr erfolgreich mit der bloßen, in ihrer Eingabe vom 1. Oktober 2013 gegebenen Ankündigung entgegentreten kann, sie sei nunmehr fest entschlossen, die Vermarktung ihrer Erfindung selbst in Angriff zu nehmen.
III.
Gegen diese Entscheidung ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nicht gegeben (§ 21 Abs. 2 GebrMG i. V. m. § 135 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz, PatG).
Werner Bayer Eisenrauch Cl