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1 Ni 25/14 (EP)

BUNDESPATENTGERICHT Ni 25/14 (EP) (Aktenzeichen)

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am 27. Oktober 2015

…

In der Patentnichtigkeitssache …

BPatG 253 08.05

…

betreffend das europäische Patent 0 847 496 (DE 596 05 723)

hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27. Oktober 2015 durch die Präsidentin Schmidt sowie die Richter Prof. Dr. Kortbein, Dipl.-Ing. Schlenk, Dr.-Ing. Krüger und Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 0 847 496 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass die Ansprüche folgende Fassung erhalten:

1. Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage, wobei die Windenergieanlage eine aktive Blattverstellung aufweisende Pitchregelung aufweist, wobei die Leistung der Windenergieanlage wie auch die Betriebsdrehzahl des Rotors ab Erreichen einer die Windenergieanlage überlastungs-gefährdenden Windgeschwindigkeit abhängig vom Anstieg der Windgeschwindigkeit kontinuierlich reduziert wird.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Betriebsdrehzahl (n) des Rotors derart reduziert wird, dass das auf den Rotor der Windenergieanlage wirkende Belastungsniveau bei steigender Windgeschwindigkeit oberhalb der überlastungs-gefährdenden der [sic!] Windgeschwindigkeit annähernd konstant bleibt oder reduziert wird

3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Betriebsdrehzahlreduzierung mit einer auf das Belastungsniveau abgestimmten Leistungsänderung verbunden ist.

4. Windenergieanlage mit einer eine aktive Blattverstellung aufweisenden Pitchregelung, gekennzeichnet durch eine Einrichtung zur automatischen Leistungs- und Rotorbetriebszahlminderung ab Erreichen einer die Windenergieanlage überlastungs-gefährdenden Windgeschwindigkeit abhängig vom Anstieg der Windgeschwindigkeit.

II. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsklage abgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 4/5, die Beklagte zu 1/5.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 596 05 723 registrierten europäischen Patents 0 847 496, dessen Erteilung am 9. August 2000 als EP 0 847 496 B1 (nachfolgend „PS“) veröffentlicht wurde. Es war beim Europäischen Patentamt am 29. August 1996 unter Beanspruchung der Priorität der deutschen Patentanmeldung 195 32 409 vom 1. September 1995 angemeldet worden. Gegen die Erteilung des Klagepatents wurde am 8. Mai 2001 Einspruch eingelegt. Das Patent ist in vollem Umfang aufrechterhalten worden. Es ist in deutscher Sprache veröffentlicht und trägt die Bezeichnung „Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage“.

Das Streitpatent umfasst vier Ansprüche, davon - einen Hauptanspruch (Anspruch 1), - zwei abhängige, auf Anspruch 1 unmittelbar bzw. mittelbar rückbezogene Unteransprüche (Ansprüche 2 und 3) und - einen unabhängigen Nebenanspruch (Anspruch 4).

Die beiden unabhängigen Ansprüche 1 und 4 des Streitpatents lauten:

Anspruch 1 Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage mit Pitchregelung, wobei die Leistung der Windenergieanlage wie auch die Betriebsdrehzahl des Rotors ab Erreichen einer die Windenergieanlage überlastungsgefährenden Windgeschwindigkeit abhängig vom Anstieg der Wind- oder Anströmgeschwindigkeit kontinuierlich reduziert wird.

Anspruch 4 Windenergieanlage mit Pitchregelung, gekennzeichnet durch eine Einrichtung zur automatischen Leistungs- und Rotorbetriebszahlminderung ab Erreichen einer die Windenergieanlage überlastungsgefährenden Windgeschwindigkeit abhängig vom Anstieg der Wind- oder Anströmgeschwindigkeit bzw. der wahren oder relativen Windgeschwindigkeit.

Die Klägerin macht geltend, dass der Gegenstand der Ansprüche des Streitpatents in vollem Umfang nicht patentierbar sei. Insbesondere fehle es gemäß Art. 138 Abs. 1 Buchstabe a) in Verbindung mit Art. 54 und Art. 56 EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG an der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit.

Außerdem macht die Klägerin geltend, dass der Gegenstand gegenüber der ursprünglichen Offenbarung unzulässig erweitert worden sei (Art. 138 Abs. 1 Buchstabe c) EPÜ in Verbindung mit Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜbkG).

Auch stehe gemäß Art. 138 Abs. 1 Buchstabe b) EPÜ in Verbindung mit Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜbkG die Ausführbarkeit der durch das Streitpatent geschützten Erfindung in Frage.

Die Klägerin beantragt,

1. das europäische Patent 0 847 496 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären und

2. der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,

1. das Streitpatent im Umfang des mit Schriftsatz vom 25. September 2015 eingereichten Hilfsantrags 1, hilfsweise in der Fassung der ebenfalls mit Schriftsatz vom 25. September 2015 eingereichten Hilfsanträge 2 bis 12 aufrechtzuerhalten und

2. der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Beklagte hat der Klage rechtzeitig widersprochen und tritt der Auffassung der Klägerin entgegen. Sie führt insbesondere aus, der Gegenstand der Ansprüche des Streitpatents sei nicht unzulässig erweitert. Auch sei er neu und durch den Stand der Technik nicht nahegelegt. Mit Schriftsatz vom 25. September 2015 hat sie die Hilfsanträge 1 bis 12 eingereicht. Die im Tenor genannten Ansprüche entsprechen der Fassung der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1 des Schriftsatzes vom 25. September 2015. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte diesen Antrag zum Hauptantrag gemacht.

Hinsichtlich mangelnder Patentfähigkeit verweist die Klägerin auf die folgenden Entgegenhaltungen:

NI-5 / NI-5a JP 56 150 999 A / Englische Übersetzung NI-6 BOSSANYI, E.A.: Probabilities Of Sudden Drop In Power From A Wind Turbine Cluster. In: Fourth International Symposium on Wind Energy Systems, Stockholm (Sweden), September 21-24, 1982. Edited by H.S. Stephens; D.H. Goodes. Stockholm: Volume 2, 1982. – ISBN 0 906085 79 9 NI-7 US 13 247 („Frantz“)

NI-8 NI-10 NI-12 NI-13 NI-14 NI-15 NI-16 NI-17 NI-18 NI-19 NI-23 NI-24 NI-25

-6- EP 0 266 715 A2 HAU, Erich: Windkraftanlagen, Berlin: Springer - Verlag, 1988. S. 296-297. – ISBN 3-540-50065-0 GASCH, Robert: Windkraftanlagen, Stuttgart: B. G. Teubner, 1991, S. 120-133 GASCH, Robert: Windkraftanlagen, Stuttgart: B. G. Teubner, 1991, S. 206-209 HAU, Erich: Windkraftanlagen, Berlin: Springer - Verlag, 1988, S. 58 f. – ISBN 3-540-50065-0 US 5 425 619 A BERGELES, G.; ATHANASSIADIS, N.: Project Nr 626/84 HE - A 100 kW Wind Turbine System Concept. In: Wind-Diesel And Wind Autonomous Energy Systems. Edited by H. Nacfaire, Brussels: Elsevier Science Publishers LTD, 1989, S. 64-74. – ISBN 1 85166338-X GASCH, Robert: Windkraftanlagen, Stuttgart: B. G. Teubner, 1991, S. 60-63 NØRGAARD, P.: Limitations in variable speed operation of stall regulated wind turbines. In: Wind Energy Conversion 1994. 16. British Wind Energy Association Conference, Sterling (GB), 15.-17. Juni 1994. Edited by G. Elliot, Mechanical Engineering Pubications Limited, London, 1994, S. 55-59 US 2 470 797 GASCH, Robert: Windkraftanlagen, Stuttgart: B. G. Teubner, 1991, S. 302-313 HAU, Erich: Windkraftanlagen, Berlin: Springer - Verlag, 1988, S. 306 f. – ISBN 3-540-50065-0 HAU, Erich: Windkraftanlagen, Berlin: Springer - Verlag, 1988, S. 68 f., 150-153, 182 f. – ISBN 3-540-50065-0 NI-26 GASCH, Robert: Windkraftanlagen, Stuttgart: B. G. Teubner, 1991, S. 62 f., 130 bis 133, 184 f.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe A.

Die zulässige Klage ist insoweit begründet, als sie zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des geltenden Hauptantrags führt, der dem Hilfsantrag 1 gemäß Schriftsatz vom 25. September 2015 entspricht. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

I. Zum Gegenstand des Streitpatents I.1 Die Rotorblätter des Rotors einer Windenergieanlage werden durch einen auf sie wirkenden Staudruck belastet. Die am Blattprofil wirkende Kraft hängt von der Luftdichte () und der angeströmten Fläche (A) sowie quadratisch von der Anströmgeschwindigkeit des Rotorblatts (vu2+vW2) und von der anströmwinkelabhängigen Profilpolaren c ab (PS, Abs. [0002] - [0007]). Dabei kann die Anlage bei einer bestimmten maximalen Anströmgeschwindigkeit ihre Belastungsgrenze erreichen (PS, Abs. [0008]).

Daher werden bekannte Anlagen bei Erreichen einer maximalen Windgeschwindigkeit vWmax abgeschaltet (PS, Abs. [0009]/Sp. 2, Z. 43-51). Insbesondere bei Windparks führt aber eine solche Abschaltung und das Wiederanschalten nach einer solchen Abschaltung zu starken Leistungsgradienten.

Diese machen sich als plötzliche Spannungsänderung im elektrischen Netz nachteilig bemerkbar (PS, Abs. [0009]/Sp. 2, Z. 51-Sp. 3, Z. 1).

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, den Ertrag einer Windenergieanlage zu erhöhen und dennoch die Belastung der Windenergieanlage bei höheren Windgeschwindigkeiten zu begrenzen (PS, Abs. [0011]).

Bei der Erfindung wird daher zur Begrenzung der Belastung einer Windenergieanlage durch steigende Windgeschwindigkeit vW entsprechend entgegengewirkt. Dies erfolgt durch eine Reduzierung der Drehzahl, also der Umfangsgeschwindigkeit vU des Rotors (PS, Abs. [0014]/Sp. 3, Z. 29-37). Gleichzeitig wird hierdurch bei steigender Windgeschwindigkeit die abgegebene Leistung gedrosselt (PS, Abs. [0016]/Sp. 4, Z. 13-15).

I.2 Die Patentansprüche 1 und 4 nach geltendem Antrag lassen sich wie folgt gliedern (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind gekennzeichnet durch Streichung bzw. Unterstreichung):

a) Anspruch 1

1M0 Verfahren

1M0.1 zum Betreiben einer Windenergieanlage,

1M1 mit wobei die Windenergieanlage eine aktive Blattverstellung aufweisende Pitchregelung aufweist,

1M2 wobei die Leistung der Windenergieanlage wie auch

1M3 1M4 die Betriebsdrehzahl des Rotors ab Erreichen einer die Windenergieanlage überlastungs–gefährdenden Windgeschwindigkeit

1M5 abhängig vom Anstieg der Wind- oder Anströmgeschwindigkeit kontinuierlich reduziert wird.

b) Anspruch 4

4M0 4M1

4M2 4M3 4M4 Windenergieanlage mit einer eine aktive Blattverstellung aufweisenden Pitchregelung,

gekennzeichnet durch eine Einrichtung zur automatischen Leistungs- und Rotorbetriebs[dreh]zahlminderung ab Erreichen einer die Windenergieanlage überlastungsgefährdenden Windgeschwindigkeit abhängig vom Anstieg der Wind- oder Anströmgeschwindigkeit bzw. der wahren oder relativen Windgeschwindigkeit.

I.3 Fachmann Seinem sachlichen Inhalt nach wendet sich das Streitpatent an einen Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus oder der Elektrotechnik mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Regelung und Betriebsführung von Windenergieanlagen.

I.4 Zum Verständnis der Merkmale Das (Arbeits-)Verfahren nach Merkmal 1M0 muss gemäß Merkmal 1M0.1 zum Betreiben einer Windenergieanlage geeignet sein (BGH X ZR 1045/04 – Luftabscheider für Milchsammelanlagen).

Mit dem Merkmal 1M1 ist die „Windenergieanlage“ als entsprechendes vorrichtungstechnisches Merkmal auch zwingender Bestandteil des Verfahrens. Eine Windenergieanlage kann dabei laut PS, Abs. [0015]/Sp. 4, Z. 1-5, sowohl für einen Pumpenbetrieb wie auch für eine Netzeinspeisung dienen. Der anspruchsgemäße Gegenstand umfasst damit nicht nur eine Windkraftanlage (zur Umwandlung von kinetischer in elektrische Energie), sondern auch sonstige Verwendungen, die sich die Energie von Wind nutzbar machen (Windmühlen, Pumpenantrieb). Dies gilt auch für die Windenergieanlage nach Merkmal 4M0.

Die weiterhin eine aktive Blattregelung aufweisende Pitchregelung nach den Merkmalen 1M1 und 4M1 grenzt den Anspruchsgegenstand gegenüber dem Stand der Technik nach PS, Abs. [0010] ab, der eine passive Pitchregelung als bekannt angibt. Bei passiven Pitchregelungen werden die Rotorblätter durch die Windenergie selbst unmittelbar verstellt. Unter aktiver Pitchregelung wird laut PS „eine Beeinflussung des Auftriebs am Rotorblatt durch Änderung des Anstellwinkels des Blattprofils“ verstanden (PS, Abs. [0015]). Im üblichen Sinne und in Übereinstimmung mit der PS versteht der Fachmann hierunter – im Unterschied zur passiven Pitchregelung (s. o.) – eine durch Fremdkraft betätigte Verstellung des Pitchwinkels (Blatteinstellwinkels) der Rotorblätter, z. B. durch Hydraulikzylinder oder elektrische Stellmotoren.

Die Merkmale 1M2, 1M3 und 1M4 bzw. 4M2 und 4M3 bezeichnen einerseits ein Verfahren zum Betrieb einer Windenergieanlage, andererseits eine Windenergieanlage mit einer Einrichtung, bei welcher ab Erreichen einer die Windenergieanlage überlastungsgefährdenden Windgeschwindigkeit automatisch die Leistung und die Rotorbetriebsdrehzahl gemindert werden. Der Fachmann kann darunter nur verstehen, dass beide Betriebsgrößen ausschließlich gleichzeitig und gemeinsam ab Erreichen der „überlastungsgefährdenden Windgeschwindigkeit“

reduziert werden. Eine andere Interpretation, nämlich dass das jeweilige Reduzieren zeitlich versetzt stattfinden könnte, lassen die hierfür verwendeten Formulierungen in den beiden Ansprüchen in Verbindung mit Fig. 1 nicht zu (s. Merkmal 1M2, 1M3: „Leistung wie auch [...] Betriebsdrehzahl“; Merkmal 4M2: „Leistungs- und Rotorbetriebs[dreh]zahlminderung“).

Unter „überlastungsgefährdender Windgeschwindigkeit“ (1M4, 4M3) wird eine Grenzgeschwindigkeit vWmax verstanden, die der bisherigen Abschaltgeschwindigkeit entspricht (s. PS, Fig. 1 sowie Abs. [0019]). Eine darüber hinausgehende Definition des Begriffs „überlastungsgefährdende Windgeschwindigkeit“ oder konkrete Angaben hierzu fehlen jedoch.

Die Abhängigkeit der Leistungs- und Rotorbetriebsdrehzahlminderung vom Anstieg der Windgeschwindigkeit (Merkmale 1M5, 4M4) bezeichnet eine Funktion, bei der wie in Fig. 1 mit zunehmender Windgeschwindigkeit ab der Grenzgeschwindigkeit die Leistung und die Drehzahl jeweils geringer sind als unterhalb der Grenzgeschwindigkeit. Eine darüber hinausgehende konkrete – z. B. mathematische – Funktion ist damit nicht verbunden. Zumindest nach Anspruch 1 muss bei dortigem Verfahren die Verminderung der beiden Größen aber „kontinuierlich“, also stetig und damit ohne Sprungstellen erfolgen.

II. Zu den geltend gemachten Nichtigkeitsgründen II.1 Zur Zulässigkeit 24 Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist zulässig. Entgegen den Ausführungen der Klägerin (vgl. Klageschriftsatz vom 29. August 2013, Kap. IV, unter 1.) werden in der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung (vgl. Offenlegungsschrift WO 97/09531 A1, nachfolgend „OS“) keine unterschiedlichen Geschwindigkeiten für die überlastungsgefährdende Windgeschwindigkeit einerseits und die Grenzwind- bzw. Abschaltgeschwindigkeit andererseits angegeben.

Wie aus der OS, S. 4, Abs. 4, hervorgeht, ist bekannt, Windenergieanlagen bei Erreichen einer maximalen Windgeschwindigkeit vWmax abzuschalten, um die Belastung zu begrenzen. Diese maximale Windgeschwindigkeit vWmax entspricht damit einer Abschaltgeschwindigkeit. Da auch in der sonstigen Beschreibung und insbesondere beim Ausführungsbeispiel, wie es in der Fig. 1 dargestellt ist, genau ab dieser Abschaltgeschwindigkeit, wie in den Merkmalen 1M2 bis 1M4 gefordert, Leistung und Betriebsdrehzahl reduziert werden, kann der Fachmann unter der „überlastungsgefährdenden Windgeschwindigkeit“ (1M4, 4M3) keine andere Geschwindigkeit verstehen, als die ursprünglich offenbarte „frühere Abschaltgeschwindigkeit“ (OS, S. 8, Z. 3-12: „Die in der Figur gezeigte Leistungskennlinie einer erfindungsgemäß betriebenen Windenergieanlage zeigt jedoch einen erweiterten Leistungskennlinienbereich, der über die Grenzgeschwindigkeit vWmax, die frühere Abschaltgeschwindigkeit, hinausführt. Es ist erkennbar, dass in dem Windgeschwindigkeitsbereich oberhalb der früheren Abschaltgeschwindigkeit jetzt die Leistung bzw. die Drehzahl lediglich gedrosselt wird, ...“).

Auch dass dabei Leistung und Betriebsdrehzahl gleichzeitig reduziert werden, geht aus der Fig. 1 hervor. Die Verwendung der Konjunktion „bzw.“ (Abkürzung von „beziehungsweise“) in der OS, S. 8, Z. 9, entspricht dabei offensichtlich nicht deren korrekten Verwendung mit jeweiligem Bezug auf zwei unterschiedliche Sachverhalte, sondern wurde – wie oft üblich – anstelle der Konjunktion „und“ verwendet. Die ebenso häufige Verwendung von „bzw.“ anstelle von „oder“ trifft hier dagegen nicht zu, da in der Fig. 1 Leistung und Drehzahl ab der Windgeschwindigkeit vWmax gleichzeitig abfallen.

Mit der Streichung der alternativen Abhängigkeit der Leistungs- und Betriebsdrehzahlreduzierung von der Anströmgeschwindigkeit (als Alternative zur Windgeschwindigkeit, s. Merkmale 1M5, 4M4) in der verteidigten Anspruchsfassung ist die Kritik der Klägerin (vgl. Klageschriftsatz, Kap. IV, unter 2.) an dieser Abhängigkeit nicht mehr zutreffend.

Die Einrichtung zur automatischen Leistungs- und Rotorbetriebsdrehzahlminderung (4M2) ergibt sich – entgegen den Ausführungen der Klägerin (vgl. Klageschriftsatz, Kap. IV, unter 3.) – einerseits aus der OS, S. 7, Abs. 2, mit der dort angegebenen „Einrichtung [...], die eine automatische Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens gewährleistet“. Andererseits ist mit Fig. 1 und der dazugehörigen Beschreibung in der OS, S. 8, Z. 7-12, offenbart, dass Leistung und Drehzahl ab vWmax gedrosselt werden (s.o.).

Die Klägerin führt weiterhin eine aus ihrer Sicht unzulässige Erweiterung an, weil in den erteilten Ansprüchen 1 und 4 (s. PS) im Vergleich zum ursprünglichen Anspruch 5 (s. OS) das Attribut „weiterer [Anstieg]“ fehle (s. Klageschriftsatz, Kap. IV, unter 4.). Dieses fehlt auch in den geltenden Ansprüchen 1 und 4, s. dortige Merkmale 1M5 und 4M4. Allerdings sind diese beiden Merkmale auch ohne das Attribut „weiterer“ mit dem in der OS, S. 8, Z. 3-12, beschriebenen und in der Fig. 1 dargestellten Ausführungsbeispiel ursprünglich offenbart. Denn das bei der ursprünglichen Offenbarung gebotene Verständnis, wonach das Verfahren bzw. die Einrichtung erst aktiv wird, wenn die Windgeschwindigkeit nach Erreichen einer überlastungsgefährdenden Windgeschwindigkeit weiter ansteigt, dagegen bei Verharren auf dem überlastungsgefährdenden Wert keine Leistungsminderung erfolgt, gilt auch bei den geltenden Ansprüchen 1 und 4. Denn erst mit dem (infinitesimalen) Überschreiten der die Windenergieanlage überlastungsgefährdenden Windgeschwindigkeit (der früheren Abschaltgeschwindigkeit) beginnt die Reduzierung von Leistung und Drehzahl. Bei Erreichen genau der Drehzahlgrenze erfolgt auch nach den geltenden Ansprüchen (genauso wie bei den ursprünglichen Ansprüchen) noch keine Reduzierung der Größen.

Auch das von der Klägerin als unzulässige Erweiterung angegriffene Attribut „kontinuierlich“ im Merkmal 1M5 (s. Klageschrift, Kap. IV, unter 5.) geht aus der OS, Fig. 1, hervor, da dortige Kennlinien ab Überschreiten der Windgeschwindigkeitsgrenze kontinuierlich, also stetig, d.h. ohne Sprungstellen, fallen.

Das jeweils den geltenden Ansprüchen 1 und 4 im Vergleich zur erteilten Fassung hinzugefügte Merkmal, wonach die Pitchreglung der Windenergieanlage nun eine „aktive Blattverstellung“ aufweist (s. 1M1, 4M1), wirkt beschränkend und ist ursprünglich offenbart in der OS, S. 6, Abs. 2, Z. 1-5, sowie hierzu wortgleich in der PS, Abs. [0015]/Sp. 3, Z. 53-56, angegeben.

II.2 Zur Ausführbarkeit 31 Die Gegenstände der geltenden unabhängigen Ansprüche 1 und 4 sind – nach Streichung der jeweiligen Variante „abhängig vom Anstieg der Anströmgeschwindigkeit“ in den Merkmalen 1M5 und 4M4 (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 6. Mai 2015, S. 3, unter 2.) – unstreitig – auch ausführbar.

II.3 Zur Patentfähigkeit der Hauptanspruchs und des Nebenanspruchs 32 Der Gegenstand des Anspruchs 1 wie auch des Anspruchs 4 in der verteidigten Fassung ist jeweils neu und beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit. Die Argumentation mit den schriftsätzlich wie auch in der Verhandlung von der Klägerin aufgeführten Entgegenhaltungen kann nicht belegen, dass sich der Gegenstand der beiden jeweils unabhängigen Ansprüche in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik oder in Verbindung mit Fachwissen ergibt.

Beim Gegenstand der von der Klägerin ausschließlich hinsichtlich mangelnder Neuheit angeführten Entgegenhaltung NI-5 (JP 56-150999 A, „Shosaburo“) fehlt es an den Merkmalen 1M5 und auch 4M4, da in der NI-5 die Leistung und Betriebsdrehzahl nicht, wie es anspruchsgemäß wäre, ab Überschreiten einer bestimmten Drehzahl abhängig vom Anstieg der Windgeschwindigkeit reduziert werden (vgl. Merkmale 1M4, 4M3). Stattdessen führt die NI-5 zu der von der Klägerin angeführten Fig. 3 aus, dass ab Überschreiten des Betriebswindbereichs, oder bei einem anderen Abbruchbefehl, bei weiterhin vorhandener Netzanbindung (anstelle eines Lastabwurfs) die Windturbine beginnt, die Rotorblätter in die Fahnenstellung zu drehen (vgl. NI-5a, S. 6, Abs. 3 f.). Würde dabei der Generator vom Netz getrennt, würde der Rotor – während des Drehens der Rotorblatter in die Fahnenstellung – durch den vorhandenen Wind beschleunigt werden (aufgrund der auch während des Drehens in die Fahnenstellung noch auf die Rotorblätter wirkenden Windkraft). Bei der NI-5 wird dies jedoch dadurch verhindert, dass auch während des Drehens der Rotorblätter in die Fahnenstellung die Netzanbindung aufrechterhalten wird. Erst wenn die Rotordrehzahl 50 % der Nenndrehzahl erreicht hat, wird die Anlage tatsächlich vom Netz getrennt.

Der Fachmann leitet zwar aus den in der NI-5 gleichwertig aufgeführten Bedingungen „Überschreiten des Betriebswindgeschwindigkeitsbereichs“ („if the wind speed exceeds the operating wind speed“) und „bei einem anderem Abbruchbefehl“ („upon receiving another stop command“) ab (vgl. jeweils NI-5a, S. 6, Abs. 3, Z. 1 f.), dass nach Eintreten eines dieser beiden Ereignisse mit der darauf folgenden Reaktion „feathering“, also dem Aus-dem-Wind-Drehen der Rotorblätter, bei fortgesetztem Netzbetrieb ein Abfall der Leistung und der Drehzahl einhergeht. Anders als in den Merkmalen 1M5 bzw. 4M4 gefordert (jeweils in Verbindung mit dem Merkmalen 1M2/1M3 bzw. 4M2), erfolgt bei diesem „feathering“ der NI-5 aber keine funktional von der Größe der Windgeschwindigkeit abhängige Reduzierung der Leistung und Drehzahl.

Die Klägerin führt an, dass zumindest in der NI-5, Fig. 3, mit dortigem Bereich 24 genau diese Abhängigkeit jedoch dargestellt sei. Denn dort sänken ab einer bestimmten Windgeschwindigkeit, s. Pkt. 29 (Ni-5a: „Cut-out“), die Leistungskennlinie (Ni-5a: „Output“ 25) und die Drehzahlkennlinie (Ni-5a: „Rotational speed“ 26) abhängig von der Windgeschwindigkeit (siehe Abszisse in Ni-5a, Fig. 3, mit Bezeichnung „Wind speed“).

Allerdings betrachtet der Fachmann Beschreibung und Zeichnung zusammen und nicht einzeln. Auch misst er nicht jeder von ihnen einen sich widersprechenden Inhalt zu, wenn sich – wie in der NI-5 – aus deren Zusammenhang ergibt, dass in der Zeichnung ein Fehler enthalten ist (vgl. BGH X ZB 16/72 – Stromversorgungseinrichtung; s. a. Schulte, Patentgesetz, 9. Auflage, § 34 Rdn 313):

Denn das Augenmerk der Erfindung nach NI-5 liegt in einer Regelung zur Stabilisierung einer konstanten Drehzahl (vgl. NI-5a, S. 4, letzte 9 Zeilen bis S. 5, Z. 13 in Verbindung mit Fig. 2; S. 5, Abs. 3; S. 5, letzte Zeile bis S. 6, Abs. 2). Das Einregeln auf eine Nenndrehzahl wird bei Windgeschwindigkeiten unterhalb der Nennwindgeschwindigkeit („prescribed wind speed“) erreicht durch einen festen Pitchwinkel und einer mittels eines Frequenzumrichters an die gerade vorherrschende Windgeschwindigkeit angepasste Generatorleistung (vgl. NI-5a, S. 3, Abs. 3, Z. 1-7, 10-15; S. 4, Z. 9 von unten bis S. 5, Z. 13 in Verbindung mit Fig. 2; S. 5, Abs. 3; S. 5, letzte Zeile bis S. 6, Abs. 1; S. 6, Abs. 2, Z. 5-8; S. 6, Abs. 4, Z. 2 f. in Verbindung mit Fig. 3, dortiger Bereich 22 mit konstanter Drehgeschwindigkeit 26). Bei Windgeschwindigkeiten oberhalb der Nennwindgeschwindigkeit und Überschreiten der Nennleistung des Generators („prescribed electric power“) erfolgt die Regelung auf eine möglichst konstante abgegebene Leistung und auf eine Drehzahl ebenfalls nahe der Nenndrehzahl mittels einer Veränderung des Pitchwinkels der Rotorblätter (NI-5a, S. 3, Abs. 3, Z. 7-10,15 ff.; S. 5, Z. 13 bis 23 in Verbindung mit Fig. 2; S. 6, Abs. 2; S. 6, Abs. 4, Z. 3-6 in Verbindung mit Fig. 3, dortiger Bereich 23).

Maßgeblich für die Beurteilung der Patentfähigkeit des Gegenstands nach dem Streitpatent gegenüber dem Stand der Technik nach NI-5 ist jedoch derjenige Bereich der NI-5, bei dem – offensichtlich ab dem „Cut out“-Punkt 29 im Bereich 24 – die Windgeschwindigkeit den Betriebsbereich überschreitet (vgl. NI-5a, S. 6, Abs. 3, Z. 1: „if the wind speed exceeds the operating wind speed“). Denn hier erfolgt nun laut der Beschreibung der NI-5 ein Drehen der Rotorblätter in die Fahnenstellung (NI5a, S. 6, Abs. 3, Z. 2) und die Turbine fährt herunter (NI-5a, S. 6, Abs. 3, Z. 2 f: „the wind turbine initiates feathering and enters the stop operation“; S. 6, Abs. 4, Z. 6 f.: „the wind turbine is feathering“). Diese Leistungs- und Drehzahlreduzierung erfolgt jedoch nicht abhängig „vom Anstieg der Windgeschwindigkeit“ im Sinne der Merkmale 1M5 und 4M4, nämlich, dass mit steigender Windgeschwindigkeit dementsprechend die Leistung und die Drehzahl reduziert würden. Denn aufgrund der in der Beschreibung der NI-5 verwendeten Wortwahl, u. a. mit „Überschreiten des Betriebswindgeschwindigkeitsbereichs“ („exceeds the operating wind speed“) sowie „Drehen in Fahnenstellung“ („feathering“) und dem Herunterfahren („and enters the stop operation“) sieht der Fachmann im Bereich 24 der Fig. 3, beginnend mit dem Punkt 29 („Cut out“) und darüber hinaus (also in der Fig. 3 rechts davon) keine windgeschwindigkeitsabhängige Regelung der Drehzahl und der Leistung. Denn ab Überschreiten der Betriebswindgeschwindigkeit im Punkt 29 („Cut out“) werden stattdessen die Rotorblätter unmittelbar in die Fahnenstellung gedreht (S. 6, Abs. 3, Z. 1 f.: „Finally, if the wind speed exceeds the operating wind speed, or upon receiving another stop command, the wind turbine initiates feathering, and enters the stop operation“). Würde nun gleichzeitig der Generators vom Netz getrennt und damit das Generatorgegenmoment fehlen, stiege während des „feathering“-Vorgangs aufgrund des zwar dabei sinkenden, aber noch vorhandenem (aerodynamischen) Antriebsdrehmoments die Drehgeschwindigkeit der Turbine unerwünscht an. Um dies zu verhindern, erfolgt bei der NI-5 im Punkt 29 („Cut out“) keine sofortige Lasttrennung. Stattdessen erzeugt der Generator über die „power generation control“ weiterhin elektrische Energie (NI-5a, S. 6, Abs. 3; Abs. 4, Z. 6 f.). Die Turbine bleibt dann noch solange am Netz, bis aufgrund des „feathering“ (das zu einem sinkenden Antriebsmoment führt) die Drehzahl auf 50 % der Nenndrehzahl gefallen ist. Erst dann erfolgt die Trennung des Generators vom Stromnetz (NI-5a, S. 6, Abs. 3).

Die NI-5 offenbart damit in ihrer Beschreibung für den besagten Bereich 24 keine Abhängigkeit der Drehzahl und Leistung von der ansteigenden Windgeschwindigkeit. Offenbart ist lediglich das sofortige, ungeregelte „feathering“ der Rotorblätter oberhalb einer bestimmten Windgeschwindigkeit (ab Punkt 29). Mit dem „feathering“ sinkt das aerodynamische Antriebsmoment des Rotors bei zunächst beibehaltenem Gegenmoment des Generators, so dass die Drehgeschwindigkeit und damit die Leistung sinkt.

Dieser in der Beschreibung angegebene Vorgang ist auch in der Fig. 3 der NI-5a insofern plausibel dargestellt, als auch hier ab dem Punkt 29 („Cut-out“) die Leistungkurve (Pos. 25) und die Drehgeschwindigkeitskurve (Pos. 26) sinken. Ebenfalls übereinstimmend mit der Beschreibung erfolgt ab einer Drehzahl von 50 % der Nenndrehzahl eine Trennung des Generators vom Netz, der am schlagartigen Sinken der elektrischen Leistung auf 0 ersichtlich ist. Allein die Bezeichnung der Abszisse („Wind speed“) ist ab dem Punkt 29 („Cut out“) mit der Beschreibung nicht in Einklang zu bringen. Die Beschreibung und auch die Figuren 1 und 2 sowie die Darstellung der Bereiche 21 bis 23 in der Fig. 3 sind dagegen in sich schlüssig.

Daher muss der Fachmann davon ausgehen, dass der in der Fig. 3 von der Beschreibung abweichende Bereich 24 (ab dem Punkt 29) falsch dargestellt ist.

Eine vom Gesamtinhalt abweichende zusätzliche Offenbarung entnimmt der Fachmann diesem Fehler wiederum nicht. Denn er reagiert auf eine solche fehlerhafte Darstellung in aller Regel damit, dass er den erkennbaren Fehler richtigstellt. Er untersucht aber nicht die Frage, ob auch die von der Beschreibung abweichende Zeichnung für sich allein einen Sinn ergäbe (vgl. BGH X ZB 16/72 – Stromversorgungseinrichtung, Ziff. 4.c; s. a. Schulte, Patentgesetz, 9. Auflage, § 34 Rdn 313).

Demzufolge wird er die Darstellung ab Punkt 29 entweder ignorieren oder – wegen der ansonsten beschreibungskonformen und damit korrekten Darstellung der in Fig. 3 dargestellten Leistungskurve (25) und Drehgeschwindigkeitskurve (26) – lediglich für die Bereiche 21, 22, 23 die Abszisse als Windgeschwindigkeitsachse (siehe die in Fig. 3 eingezeichnete Benennung „Wind speed“) betrachten. Obwohl sogar unmittelbar unter dem Bereich 24 die Abszisse mit „Wind speed“ bezeichnet ist, wird der Fachmann ab dem Punkt 29 und damit für den Bereich 24 jedoch den weiteren Achsenabschnitt nicht mehr als Darstellung der Windgeschwindigkeitsachse betrachten. Stattdessen wird er ab diesem Punkt 29 einen zeitlichen Zusammenhang zwischen „Rotational speed“ und „Electric power“ sehen.

Die Klägerin stützt ihre Argumentation, dass der Fachmann der Fig. 3 (NI-5) sehr wohl eine eigene Lehre entnehmen würde, auf die Entscheidung BGH X ZR 43/13 – Rotorelemente. Gegenstand dieser Entscheidung ist die Ermittlung des Sinngehalts eines Patentanspruchs bei einem vorhandenen Widerspruch zwischen Beschreibung und fehlerbehaftetem Patentanspruch. Diese Argumentation greift jedoch nicht. Im vorliegenden Fall handelt es sich nämlich um einen Widerspruch zwischen der Beschreibung und einer Figur (NI-5, Fig. 3). Darüber hinaus räumt diese BGHEntscheidung der Beschreibung insofern ebenfalls einen entscheidenden Stellenwert ein, als bei „der Ermittlung des Sinngehalts eines Patentanspruchs [...] auch ein für sich genommen eindeutiger Wortlaut nicht ausschlaggebend ist, wenn die Auslegung des Anspruchs unter Heranziehung der Beschreibung und der weiteren Patentansprüche ergibt, dass zwei im Patentanspruch verwendete Begriffe gegeneinander auszutauschen sind.“ (siehe den Leitsatz zur Entscheidung „Rotorelemente).

Sinngemäß übertragen auf die Gesamtoffenbarung der NI-5 bedeutet dies, dass zur Ermittlung des Sinngehalts einer Figur (NI-5, Fig. 3) auch eine für sich genommen eindeutige Darstellung nicht ausschlaggebend ist, wenn die Auslegung der Figur unter Heranziehung der Beschreibung und der weiteren Figuren ergibt, dass die Bezeichnung der Abszisse ab einem bestimmten Punkt (NI-5: „Cut out“ 29) bzw. in einem bestimmten Bereich (NI-5, S. 6, Abs. 4, Z. 6 f.: „operating region [24] when the wind turbine is feathering and the power control is performed by the frequency converter“) nicht mehr korrekt ist.

Zusammenfassend kann damit die NI-5 eine windgeschwindigkeitsabhängige gleichzeitige Reduzierung von Leistung und Drehzahl im Sinne des Anspruchs 1 wie auch des Anspruchs 4 nach der geltenden Anspruchsfassung weder vorwegnehmen noch dem Fachmann nahelegen.

Bei der von der Klägerin herangezogenen Entgegenhaltung NI-6 („Bossanyi“) handelt es sich zwar – wie beim Streitpatent – um eine aktiv pitchregelte Windkraftanlage.

Bei dieser wird ab einer bisherigen Abschaltgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit die Leistung reduziert (NI-6, Fig. 3 und Beschreibung, S. 266, Abs. 4-7). Dabei fehlen jedoch die Merkmale 1M3 und 1M5 des geltenden Anspruchs 1 sowie das Merkmal 4M2 des geltenden Anspruchs 4. Denn eine Reduzierung der Drehzahl ist mit dem Synchrongenerator nach NI-6 nicht möglich.

Zwar mag es für den Fachmann naheliegen, das Konzept der NI-6 wegen des damit verbundenen Vorteils (kein schlagartiger Leistungseinbruch bei vorüberziehender Schlechtwetterfront mit hohen Windgeschwindigkeiten in einem Windpark) auf eine dem Fachmann bekannte drehzahlvariable, pitchgeregelte Anlage (vgl. Lehrbuch NI24, Kap. 9.5), zu übertragen. Denn mit der nun anpassbaren Rotordrehzahl kann diese Windkraftanlage durch zusätzliche Nutzung der Windenergie im unteren Teillastbereich (also bei niedrigeren Windgeschwindigkeiten) ihren Ertrag gegenüber einer drehzahlstarren Anlage steigern.

Der Fachmann kann der NI-6 jedoch keine Anregung entnehmen, ab Überschreiten der bisherigen Abschaltgeschwindigkeit neben der Leistung auch noch gleichzeitig die Betriebsdrehzahl zu reduzieren. Denn bei der drehzahlstarren Anlage nach NI-6 kann die Leistungsreduzierung nur über das Pitchen erfolgen, während die Drehzahl aufgrund des eingesetzten Synchrongenerators unverändert bleibt. 50 Bei Übertragung auf eine drehzahlvariable Anlage wird der Fachmann daher die Regelung so ausführen, dass bei Überschreiten der bisherigen Abschaltgeschwindigkeit die Drehzahl analog der NI-6 erst einmal beibehalten und die Leistung lediglich über das Pitchen der Rotorblätter reduziert wird. Selbst nach darüber hinausgehenden Überlegungen, die sich für den Fachmann bei der Übertragung auf eine drehzahlvariable Windkraftanlage aufdrängen, ist es für den Fachmann naheliegend, zwar die Leistung über ein verringertes Rotorantriebsmoment (durch Pitchen) zu verringern, dabei jedoch die Regelung und Betriebsführung der Windkraftanlage, welche den vollautomatischen Betrieb der Anlage sicherstellt, – zumindest im unmittelbaren Bereich oberhalb der bisherigen Abschaltwindgeschwindigkeit – weiterhin auf eine konstante Drehzahl hin regeln zu lassen. Dies hat gegenüber einer sofortigen Drehzahlreduzierung den Vorteil, dass die Anlage bei später wieder nachlassendem Wind nicht erneut auf Nenndrehzahl hochbeschleunigt werden muss.

Die naheliegende und vorteilhafte Übertragung der Betriebsführung einer drehzahlstarren, aktiv pitchbaren Windkraftanlage nach NI-6 („Bossanyi“) auf eine dem Fachmann bekannte drehzahlvariable, ebenfalls aktiv pitchbare Windkraftanlage führt somit nicht zu einem Gegenstand wie nach geltendem Anspruch 1 bzw. 4. Denn es fehlen die Merkmale 1M3 in Verbindung mit 1M5 bzw. 4M2 in Verbindung mit 4M3, wonach (ab Überschreiten einer überlastungsgefährdenden Windgeschwindigkeit) abhängig vom Anstieg der Windgeschwindigkeit neben der Leistung (zugleich) auch die Betriebsdrehzahl reduziert wird.

Die NI-7 (US 13 247, „Frantz“) kann als passiv pitchgeregelte Anlage bereits keinen unmittelbaren Hinweis auf die Regelung einer aktiv pitchgeregelten Anlage geben.

Hinzu kommt, dass in der NI-7, einer Druckschrift aus dem Jahr 1855, auch jeglicher Hinweis auf eine mögliche Verwendung zur elektrischen Energieerzeugung fehlt. Eine Übertragung auf die im Verfahren befindlichen und ausschließlich der Stromerzeugung dienenden aktiv pitchgeregelten Windkraftanlagen (NI-10; NI-17; NI-

18; NI-23, Kap. 11.3.2; NI-24; NI-25, Kap. 6.6.3) ist nicht naheliegend. Als weiteres Hindernis gibt die NI-7 keinen Zusammenhang zwischen Rotordrehzahl und Leistung an und kann damit auch keine Anregung für eine Ausgestaltung gemäß den Merkmalen 1M3 in Verbindung mit 1M5 beziehungsweise 4M2 in Verbindung mit 4M3 geben.

Die NI-8 (EP 0 266 715 A2) mit ihrer passiv pitchgeregelten Windkraftanlage (s. S. 2, Z. 31: „passive pitch control“) kann ebenfalls keinen unmittelbaren Hinweis auf die Regelung einer aktiv pitchgeregelten Anlage geben.

Ihr fehlt auch jegliche Offenbarung, die Anlage ab einer bestimmten Windgeschwindigkeit mit gleichzeitig reduzierter Leistung und Drehzahl zu betreiben.

Bei den in der NI-8, Fig. 6, dargestellten drei Kennlinien gilt die kleinere der durchgezogenen Kennlinie („low speed“-Linie) dem Bereich geringen Windes. Die anderen beiden Kennlinien gelten für einen höheren Windgeschwindigkeitsbereich. Hier sinkt gem. Fig. 6 oberhalb der Nennwindgeschwindigkeit und dem damit beginnenden passiven Pitchen nach einer Plateau-Phase die Leistung der Windkraftanlage. Ein damit ggf. zusammenhängendes gleichzeitiges Absinken der Rotordrehzahl entsprechend den Merkmalen 1M3 in Verbindung mit 1M5 bzw. 4M2 in Verbindung mit 4M3 ist in der NI-8 jedoch nicht offenbart. Die NI-8 kann dieses folglich auch nicht nahelegen.

Die in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin angeführte Druckschrift NI-15 (US 5 425 619, „Aylor“) behandelt ebenfalls ausschließlich eine passiv pitchgeregelte Windenergieanlage. Aufgrund der passiven Pitchregelung besteht für den Fachmann bereits keine Veranlassung, dieses Konzept auf eine aktiv pitchgeregelte Anlage zu übertragen. Zudem handelt es sich bei der Bauweise der NI-15 um eine halbaxiale Anlage, bei welcher der axial einströmende Wind um 90° umgelenkt wird und radial ausströmt. Dies findet bei den im Verfahren befindlichen aktiv pitchgeregelten Anlagen, die ausschließlich axial durchströmt sind, keine konstruktive Entsprechung. Deswegen ist die Übertragung der Technik der NI-15 auf eine der aktiv pitchgeregelten Anlagen im Verfahren nicht naheliegend.

Die weiteren schriftsätzlich ins Verfahren eingeführten Druckschriften liegen weiter ab und spielten zu Recht in der mündlichen Verhandlung keine Rolle mehr.

Die im Verfahren befindlichen Druckschriften können weder in Kombination untereinander wie auch in Verbindung mit dem Fachwissen keinen Gegenstand wie nach dem geltenden Anspruch 1 bzw. 4 gemäß Hauptantrag nahelegen.

II.4 Unteransprüche 59 Die geltenden Unteransprüche 2 und 3 der verteidigten Fassung betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen des Gegenstands nach Anspruchs 1. Sie sind auf den Hauptanspruch rückbezogenen und werden von diesem mitgetragen. Daher sind sie ebenfalls patentfähig.

B. Kostenentscheidung Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 92 Abs. 1 ZPO. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der nach Hauptantrag als schutzfähig verbleibende Patentgegenstand gegenüber demjenigen der erteilten Fassung eingeschränkt ist, so dass die Beklagte – wegen des Fortbestands des Streitpatents nur in beschränkter Fassung – einen Teil der Rechtsstreitkosten zu tragen hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG in Verbindung mit § 709 ZPO.

C. Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben. Die Berufungsschrift, die auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) vom 24. August 2007 (BGBl. I S. 2130) eingereicht werden kann, muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet oder im Fall der elektronischen Einreichung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz oder mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur versehen sein, die von einer internationalen Organisation auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes herausgegeben wird und sich zur Bearbeitung durch das jeweilige Gericht eignet. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden. Die Berufungsschrift muss innerhalb eines Monats schriftlich beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, eingereicht oder als elektronisches Dokument in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes (www.bundesgerichtshof.de/erv.html) übertragen werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Berufung vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht.

Schmidt Kortbein Schlenk Krüger Ausfelder

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