StB 13/25
BUNDESGERICHTSHOF StB 13/25 BESCHLUSS vom 16. April 2025 in dem Strafverfahren gegen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit u.a.
hier: sofortige Beschwerde des Angeschuldigten gegen die Ablehnung der Bestellung eines Pflichtverteidigers ECLI:DE:BGH:2025:160425BSTB13.25.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Angeschuldigten und seiner Verteidiger am 16. April 2025 gemäß § 142 Abs. 7 Satz 1, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1, § 311 StPO beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Angeschuldigten gegen den Beschluss des Vorsitzenden des 7. Strafsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. März 2025 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe: I.
1. Der Generalbundesanwalt hat gegen den Angeschuldigten und zwei Mitangeschuldigte am 20. Dezember 2024 Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf unter anderem wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit gemäß § 99 StGB durch eine Zusammenarbeit mit einem chinesischen Geheimdienst erhoben. Über die Eröffnung des Hauptverfahrens hat der mit der Sache befasste 7. Strafsenat des Oberlandesgerichts noch nicht befunden; allerdings sind mit den Verfahrensbeteiligten für den Fall einer positiven Eröffnungsentscheidung bereits Hauptverhandlungstermine für Mai und Juni 2025 abgesprochen worden.
2. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hatte dem Angeschuldigten ursprünglich mit Beschluss vom 22. April 2024 (1 BGs 215/24) Rechtsanwalt J. zum Pflichtverteidiger bestellt. Nachdem mit Schreiben vom 19. Juni 2024 Rechtsanwalt K. und mit Schriftsatz vom 20. Juni 2024 Rechtsanwalt Kl. jeweils angezeigt hatten, für den Angeschuldigten als Wahlverteidiger tätig zu sein, hob der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 10. Juli 2024 (1 BGs 544/24) die Bestellung von Rechtsanwalt J. zum Pflichtverteidiger gemäß § 143a Abs. 1 Satz 1 StPO auf.
3 Mit Schreiben vom 9. Januar 2025 hat Rechtsanwalt Dr. G.
die Verteidigung des Angeschuldigten als dritter Wahlverteidiger angezeigt. Am
10. Januar 2025 hat Rechtsanwalt K. mitgeteilt, er verteidige den Angeschuldigten nicht mehr. Am selben Tag hat der bisherige Wahlverteidiger Rechtsanwalt Kl. beantragt, ihn dem Angeschuldigten zum Pflichtverteidiger zu bestellen, und für den Fall der Beiordnung erklärt, sein Wahlverteidigermandat niederzulegen.
Mit Beschluss vom 19. März 2025 (III-7 St 8/24) hat der Vorsitzende des
7. Strafsenats des Oberlandesgerichts die beantragte Bestellung von Rechtsanwalt Kl. zum Pflichtverteidiger abgelehnt. Denn der Angeschuldigte habe mit dem Wahlverteidiger Rechtsanwalt Dr. G.
auch im Fall einer Mandatsniederlegung durch Rechtsanwalt Kl. weiterhin einen Verteidiger. Zudem sei die Mitwirkung eines zweiten Verteidigers nicht erforderlich.
Gegen den Beschluss vom 19. März 2025 wendet sich der Angeschuldigte mit der in seinem Namen von Rechtsanwalt Kl.
erhobenen sofortigen Beschwerde vom 21. März 2025, die am selben Tag beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingegangen ist.
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.
II.
1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 142 Abs. 7 Satz 1, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 306 Abs. 1, § 311 Abs. 1 und 2 StPO). Der Wahlverteidiger Rechtsanwalt Kl. hat das Rechtsmittel ausdrücklich für den allein rechtsmittelberechtigten Angeschuldigten eingelegt. Dieser ist beschwerdebefugt, denn er wäre durch eine rechtsfehlerhafte Ablehnung der Bestellung eines Pflichtverteidigers im Rechtssinne beschwert, weil er hierdurch zumindest in seinem Recht auf Wahrung des Beschleunigungsgrundsatzes (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2, Art. 6 Abs. 1 EMRK) betroffen sein könnte (vgl. für die Konstellation der Ablehnung eines zweiten Pflichtverteidigers BGH, Beschlüsse vom 19. März 2024 – StB 17/24, juris Rn. 7; vom 24. März 2022 – StB 5/22, juris Rn. 9; vom 31. August 2020 – StB 23/20, NJW 2020, 3736 Rn. 7, 9).
2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Der gemäß § 142 Abs. 3 Nr. 3 StPO zuständige Vorsitzende des mit der Sache befassten Strafsenats des Oberlandesgerichts hat zu Recht eine Pflichtverteidigerbestellung abgelehnt.
a) Zwar liegt gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO ein Fall der notwendigen Verteidigung vor. Der Angeschuldigte hat indes mit dem Wahlverteidiger Rechtsanwalt Dr. G.
einen Verteidiger, und zwar auch im Fall der in Aussicht gestellten Mandatsniederlegung durch Rechtsanwalt Kl. . Die allein theoretische Möglichkeit eines Wegfalls dieses Wahlverteidigers rechtfertigt es nicht, gewissermaßen vorsorglich Rechtsanwalt Kl. zum Pflichtverteidiger zu bestellen. Sollten beide Wahlverteidiger ihr Mandat niederlegen, läge es im Übrigen nahe, nicht Rechtsanwalt Kl. , sondern erneut den früheren Pflichtverteidiger dem Angeschuldigten beizuordnen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. August 2024 – StB 47/24, NStZ-RR 2024, 354, 355; vom 27. Dezember 2023 – 5 StR 499/23, NStZ-RR 2024, 59; KG, Beschluss vom 28. Oktober 2021 – 3 Ws 276/21, NStZ 2022, 383 Rn. 5, 9; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 143a Rn. 6).
b) Die Bestellung von Rechtsanwalt Kl. als zusätzlichen Pflichtverteidiger gemäß § 144 Abs. 1 StPO hat der Senatsvorsitzende beanstandungsfrei abgelehnt.
aa) Die diesbezüglichen rechtlichen Vorgaben verlangen, dass für einen zusätzlichen (Pflicht-)Verteidiger – etwa wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache – ein unabweisbares Bedürfnis besteht, um eine sachgerechte Wahrnehmung der Rechte des Beschuldigten sowie einen ordnungsgemäßen und dem Beschleunigungsgrundsatz entsprechenden Verfahrensverlauf zu gewährleisten. Eine solche Notwendigkeit ist regelmäßig anzunehmen, wenn sich eine Hauptverhandlung voraussichtlich über einen besonders langen Zeitraum erstrecken wird und zu ihrer regulären Durchführung sichergestellt werden muss, dass auch bei dem Ausfall eines Verteidigers weiterverhandelt werden kann, oder der Verfahrensstoff so außergewöhnlich umfangreich oder rechtlich komplex ist, dass er nur bei arbeitsteiligem Zusammenwirken mehrerer Verteidiger in der zur Verfügung stehenden Zeit durchdrungen und beherrscht werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Februar 2025 – StB 4/25 u.a., juris Rn. 8 ff.; vom 21. August 2024 – StB 47/24, NStZ-RR 2024, 354, 355; vom 26. Juni 2024 – StB 35/24, juris Rn. 20; vom 19. März 2024 – StB 17/24, NStZ 2024, 502 Rn. 11, 13; vom 5. Mai 2022 – StB 12/22, juris Rn. 10 ff.; vom 24. März 2022 – StB 5/22, NStZ 2022, 696 Rn. 13; vom 31. August 2020 – StB 23/20, BGHSt 65, 129 Rn. 14 mwN; s. auch BT-Drucks. 19/13829 S. 49 f.).
Bei der Entscheidung über die Bestellung eines Sicherungsverteidigers kommt dem hierzu gemäß § 142 Abs. 3 StPO berufenen Richter ein nicht voll überprüfbarer Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu. Dessen Beurteilung, dass die Sicherung der zügigen Durchführung des Verfahrens einen zusätzlichen (Pflicht-)Verteidiger nicht erfordert, kann das Beschwerdegericht daher nur beanstanden, wenn sie sich nicht mehr im Rahmen des Vertretbaren hält; anderenfalls hat es sie hinzunehmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Februar 2025 – StB 4/25 u.a., juris Rn. 7; vom 21. August 2024 – StB 47/24, NStZ-RR 2024, 354, 355; vom 19. März 2024 – StB 17/24, NStZ 2024, 502 Rn. 10; vom 5. Mai 2022 – StB 12/22, juris Rn. 8, 13; vom 24. März 2022 – StB 5/22, NStZ 2022, 696 Rn. 18; vom 31. August 2020 – StB 23/20, BGHSt 65, 129 Rn. 17 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 144 Rn. 12).
bb) Hieran gemessen ist gegen die angefochtene Entscheidung nichts zu erinnern. Der Vorsitzende des Strafsenats hat annehmen dürfen, ein zusätzlicher (Pflicht-)Verteidiger sei nicht zur Verfahrenssicherung, insbesondere wegen des Umfangs oder der Schwierigkeit der Sache, erforderlich. Denn das Verfahren hat keinen besonders erheblichen Umfang, so dass nicht mit einer sehr langen Hauptverhandlungsdauer zu rechnen ist und die Bearbeitung durch einen Verteidiger für eine effektive Wahrnehmung der Belange des Angeschuldigten ausreichend erscheint. Der gegenwärtige Aktenbestand ist überschaubar; geplant ist für den Fall einer Eröffnung des Hauptverfahrens, die Hauptverhandlung an 13 Sitzungstagen durchzuführen. Der Angeschuldigte hat zudem den äußeren Tatbestand des gegen ihn erhobenen Vorwurfs von zwei Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz im Ermittlungsverfahren eingeräumt. Komplexe Rechtsfragen, deren Durchdringung einem Verteidiger allein nicht möglich oder zumutbar wäre, wirft der Fall nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht auf.
Entgegen dem Vorbringen des Verteidigers Rechtsanwalt Kl. wäre eine Mitwirkung von zwei Verteidigern auch dann nicht erforderlich, wenn der Generalbundesanwalt an der Hauptverhandlung mit zwei Sitzungsvertretern teilnehmen sollte. Denn für eine Entscheidung nach § 144 Abs. 1 StPO ist ohne Relevanz, mit welcher Personenzahl die Staatsanwaltschaft den Sitzungsdienst bestreitet, weil für diese Entscheidung andere als die dort genannten Kriterien maßgeblich sein können. Zudem haben Staatsanwaltschaft und Verteidigung in der Hauptverhandlung verschiedene Funktionen. Deshalb verlangt das Gebot der Verfahrensfairness nicht, dass die Zahl der Verteidiger eines jeden Angeklagten der Anzahl der an der Hauptverhandlung mitwirkenden Staatsanwälte entspricht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Februar 2025 – StB 4/25 u.a., juris Rn. 20; vom 24. März 2022 – StB 5/22, NStZ 2022, 696 Rn. 22 mwN).
Gleiches gälte, wenn das Oberlandesgericht die Hauptverhandlung gemäß § 122 Abs. 2 Satz 2 GVG in einer Besetzung mit fünf Richtern durchführen sollte (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 19. Februar 2025 – StB 4/25 u.a., juris Rn. 19; vom 27. März 2024 – StB 19/24, NStZ-RR 2024, 178, 179; vom 19. März 2024 – StB 17/24, NStZ 2024, 502 Rn. 17; vom 25. August 2022 – StB 35/22, NStZ-RR 2022, 353, 354). Denn wegen der unterschiedlichen Aufgaben von Gericht und Verteidigung in der Hauptverhandlung kann nicht schon aus einer solchen Besetzung des Spruchkörpers der Schluss gezogen werden, dass die Verteidigung in der Hauptverhandlung von einem Pflichtverteidiger allein nicht leistbar wäre. Hinzu kommt, dass das Verfahren gegen drei Angeschuldigte geführt wird, woraus ein erhöhter Aufwand für das Gericht, nicht aber in gleichem Umfang auch für die Verteidigung eines jeden Angeschuldigten resultiert.
3. Nach alledem ist die sofortige Beschwerde des Angeschuldigten mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.
Schäfer Anstötz Kreicker