Paragraphen in 21 W (pat) 3/14
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 3/14 Verkündet am 15. Dezember 2015
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend die Patentanmeldung 10 2012 019 302.5 hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Häußler sowie der Richterin Hartlieb, des Richters Dipl.-Ing. Veit und der Richterin Dipl.-Phys Zimmerer beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 154 05.11 Gründe I
Die Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2012 019 302.5 ist am 29. September 2012 mit der Bezeichnung „Verwendung von Implantaten zum Knochenersatz“ beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht und am 17. April 2014 offengelegt worden.
Im Prüfungsverfahren sind folgende Druckschriften D1 DE 10 2008 036 134 A1 D2 DE 10 2004 045 410 A1 in Betracht gezogen worden.
Mit Beschluss vom 27. September 2013 hat die Prüfungsstelle für Klasse A 61 F die Anmeldung zurückgewiesen. Dem Beschluss lagen die mit Eingabe vom 22. August 2013 eingereichten neuen Patentansprüche 1 bis 5 und neue Beschreibungsseiten 1 bis 3 zugrunde. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Verwendung eines Implantats zum Knochenersatz bei Operationen am Pferd nach dem geltenden Anspruch 1 nicht neu sei. Es seien die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 PatG (sog. erste medizinische Indikation) nicht erfüllt. Darüber hinaus seien auch die Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 PatG (sog. zweite medizinische Indikation) nicht erfüllt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, der beantragt,
den angefochtenen Beschluss vom 27. September 2013 aufzuheben und das Patent zu erteilen auf der Grundlage folgender Unterlagen:
Patentansprüche 1 bis 5, gemäß Schriftsatz vom 22. August 2013; Beschreibung, Seiten 1 bis 3, gemäß Schriftsatz vom 22. August 2013.
Danach lautet der geltende Patentanspruch 1 nach Merkmalen gegliedert:
M1 Verwendung eines Implantats zum Knochenersatz mit den nachstehenden Merkmalen bei Operationen am Pferd:
M1.1 - das Implantat umfasst eine Struktur mit einem in dieser ausgebildeten interkonnektierenden Porensystem zur Aufnahme von nach dem Einbringen der Struktur in den Hohlraum am Knochen in die Poren hineinwachsender Spongiosa,
M1.2 - die Struktur ist mit einer Vielzahl einzelner, den Hohlraum am Knochen im wesentlichen ausfüllender Formkörper gebildet, die aneinander anliegend mit ihren Zwischenräumen das Porensystem bilden, wobei M1.3 - die Formkörper ohne besondere Verbindung aneinander anliegen und sich stützen.
Bezüglich der geltenden Unteransprüche 2 bis 5 sowie der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II
1. Die Beschwerde des Anmelders ist form- und fristgerecht erhoben worden und damit zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung erweist sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 als nicht patentfähig.
2. Die Anmeldung betrifft die Verwendung eines Implantats zum Knochenersatz bei Operationen am Pferd (vgl. Offenlegungsschrift, Ansprüche 1 und 3).
Gemäß der Beschreibung (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. [0001]) sind Implantate zum Knochenersatz für die Anwendung beim Menschen in vielen Variationen bekannt.
Wie in der Beschreibung weiter ausgeführt ist, ist aus der deutschen Offenlegungsschrift 10 2008 036 134 ein für die Verwendung im Humanbereich vorgesehenes, im Prinzip aber auch für den Einsatz in der Tiermedizin geeignetes Implantat bekannt, das einen Formkörper mit einem in diesem ausgebildeten interkonnektierenden Porensystem zur Aufnahme von nach dem Einsetzen des Formkörpers in den Hohlraum am Knochen in die Poren hineinwachsender Spongiosa umfasst (Abs. [0002]).
Nach der Beschreibung der Anmeldung seien für den Einsatz im Humanbereich vorgesehene Implantate zum Knochenersatz nach der gefestigten Meinung der Fachwelt im allgemeinen nicht in der Tiermedizin einsetzbar, weil die Randbedingungen für Knochen einbeziehende Operationen dort gänzlich andere seien als beim Menschen. Das wohl größte Problem bei Tieren sei, dass diese nicht dazu in der Lage seien, Schonhaltungen einzunehmen, um die Operationsstelle direkt im Anschluss an die Operation vor schädlicher Belastung zu schützen, so dass der Operationserfolg verloren gehe. Anders möge das allenfalls im Bereich von Behandlungen für Kleintiere sein, wo gewisse Möglichkeiten bestünden, Gliedmaße vorübergehend zu versteifen, bspw. das Bein eines Hundes. Den in der DE 10 2008 036 134 A1 pauschal enthaltenen Hinweis, die in dieser Schrift offenbarten Implantate könnten auch in der Tiermedizin verwandt werden, interpretiere der Fachmann daher ganz eindeutig nur dahingehend, dass hier allenfalls die Behandlung von Kleintieren gemeint sein könne - der Einsatz solcher Implantate bei Großtieren erscheine dem Fachmann hingegen geradezu abwegig, zumal der Stand der Technik auch keine Beispiele dafür liefere, dass aus dem Humanbereich bekannte Implantate bei Großtieren erfolgreich angewandt worden seien (Abs. [0007]).
Besonders Operationen an Pferden hätten einen etwas anderen Ablauf als herkömmliche Tier-Operationen und würden andere Risiken bergen. Pferde müssten nach erfolgter Operation immer selber aufstehen (Abs. [0008]).
Der Senat sieht als objektive Aufgabe der Erfindung, ein Implantat zum Knochenersatz anzugeben, das für die Verwendung bei Operationen am Pferd geeignet ist.
Diese Aufgabe soll gemäß der Anmeldung mit dem aus der DE 10 2008 036 134 A1 im Prinzip bekannten Implantat gelöst werden. Wie in der Beschreibung der Anmeldung ausgeführt (vgl. Abs. [0009]), habe sich entgegen der gefestigten Meinung der Fachwelt nun überraschend gezeigt, dass Implantate zum Knochenersatz der Art, wie sie aus der DE 10 2008 036 134 A1 insbesondere für den Humanbereich bekannt seien, erfolgreich auch bei Pferden angewandt werden könnten, dass diese Implantate trotz der hohen, beim Aufstehen des Pferdes nach der Operation und bei nachfolgenden Bewegungen des Pferdes in der Schonbox eintretenden Belastungen nicht beeinträchtigt würden und dass die vollkommene Ausheilung der Operationsstelle beim Pferd möglich sei, wenn Implantate der aus der genannten Offenlegungsschrift bekannten Art zum Einsatz kämen.
Diese Erkenntnis führe zu einem bedeutenden Fortschritt, denn in vielen Fällen könnten beeinträchtigte Pferde, die bisher mangels einer für ihre Operation geeigneten Verfahrensweise aufgegeben werden mussten, nunmehr wieder hergestellt werden (Abs. [0010]).
3. Als Fachmann sieht der Senat eine Tierarzt, der bezüglich technischer Fragestellungen mit einem Ingenieur der Fachrichtung Medizintechnik zusammenarbeitet.
4. Die im Patentanspruch 1 beanspruchte Verwendung ergibt sich für den Fachmann in naheliegender Weise in Anbetracht der Druckschrift DE 10 2008 036 134 A1 (D1).
Das gemäß Merkmal M1 zur Verwendung bei Operationen am Pferd vorgesehene Implantat (Merkmale M1.1 bis M1.3) ist – wie auch der Anmelder in der mündlichen Verhandlung zugestanden hat – an sich aus der D1 bekannt.
Dort ist u. a. ein Implantat zum Knochenersatz beschrieben (vgl. Anspruch 3; Abs. [0005] und [0007]), das eine Struktur mit einem in dieser ausgebildeten interkonnektierenden Porensystem zur Aufnahme von nach dem Einbringen der Struktur in den Hohlraum am Knochen in die Poren hineinwachsender Spongiosa umfasst (Anspruch 3: „… mit in allen oder wenigstens in einigen der Formkörper ausgebildeten interkonnektierenden Porensystemen zur Aufnahme von in die Poren hineinwachsender Spongiosa, wobei die Gesamtheit der Formkörper das Implantat bildet“) [= Merkmal M1.1], wobei die Struktur mit einer Vielzahl einzelner, den Hohlraum am Knochen im wesentlichen ausfüllender Formkörper gebildet ist (Anspruch 3: „… mit einer Vielzahl einzelner, den Hohlraum am Knochen im Wesentlichen ausfüllender Formkörper von insbesondere kugeliger oder quaderförmiger Raumform“), die aneinander anliegend mit ihren Zwischenräumen das Porensystem bilden (bei kugeligen aneinander anliegenden Formkörpern bilden sich zwangsläufig Zwischenräume) [= Merkmal M1.2]. Da das bekannte Implantat aus einer Vielzahl einzelner, den Hohlraum am Knochen im Wesentlichen ausfüllender Formkörper besteht (vgl. Anspruch 3), liegen diese Formkörper zwangsläufig ohne besondere Verbindung aneinander an und stützen sich [= Merkmal M1.3].
Zur Verwendung des aus der D1 bekannten Implantats ist dort angegeben (vgl. Abs. [0002]), dass solche Implantate in vielen Fällen als Knochenersatz verwendet würden, insbesondere im Bereich der Orthopädie, in der Kieferchirurgie, bei Arthrosen, Endoprothesenoperationen, Frakturen oder dergleichen. Als Anwendungsgebiet komme aber auch der Bereich der Tiermedizin in Betracht.
Der Anmelder machte in der mündlichen Verhandlung geltend, dass der Fachmann, der hier ein Tierarzt sei, der sich auf die Behandlung von Großtieren spezialisiert hat, den Hinweis in der D1 dahingehend interpretiere, dass allenfalls die Behandlung von Kleintieren in Frage kommen könnte, nicht aber von Großtieren wie Pferden. Das Problem bei diesen sei, dass sie nicht in der Lage seien, eine für den Heilungserfolg notwendige Schonhaltung einzunehmen. Dies sei bei Kleintieren unproblematisch, da bei diesen bspw. operierte Gelenke durch Schienen ruhig gestellt werden könnten. Bei Pferden sei derartiges unmöglich. Es erschließe sich dem Fachmann daher keineswegs, dass das bekannte Implantat mit Erfolg beim Pferd eingesetzt werden könne. Bisher müssten Pferde zwangsläufig bei größeren Gelenkdefekten aufgegeben werden, weil mangels einer Möglichkeit das Gelenk ruhigzustellen, bspw. mit Schienen, die Ausheilung verhindert würde. Unter der Angabe „sofortige Primärstabilität“ in der D1 verstehe der Fachmann eine Stabilität in einer für die Humanmedizin und auch in der Tiermedizin für Kleintiere ausreichenden Größenordnung, jedoch nicht für die bei Pferden um ein Vielfaches höhere Gelenkbelastung.
Dieser Einwand kann den Senat nicht überzeugen.
Die Angabe einer sofortigen Primärstabilität des betroffenen Knochenareals und einer hohen Belastbarkeit des Implantats (vgl. D1, Abs. [0011]) gibt dem Fachmann genug Anregung, im Rahmen orientierender Versuche, diese bekannte Implantattechnik auch bei Großtieren wie bspw. Pferden einzusetzen. Zumal auch Großtiere wie Pferde durchaus mit Orthesen versorgt werden können, wodurch in der Regel eine deutliche Entlastung der betroffenen Gelenke bzw. Knochenbereiche erwartet werden kann.
Der Fachmann konnte daher durchaus erwarten, dass eine entsprechende Behandlung unterstützt durch orientierende Versuche, erfolgreich sein kann, und nicht von vornherein völlig unmöglich ist. Dies gab dem Fachmann ausreichend Veranlassung, die bekannte Implantattechnik, zumindest versuchsweise, auch bei Großtieren wie Pferden einzusetzen. Damit war der Fachmann aber bereits auf naheliegende Weise zu der beanspruchten Verwendung gelangt.
5. Mit dem nicht gewährbaren Patentanspruch 1 fallen aufgrund der Antragsbindung auch die Unteransprüche 2 bis 5 (vgl. BGH, GRUR 1983, 171 – Schneidhaspel). Im Übrigen hat eine Überprüfung des Senats ergeben, dass auch ihre Gegenstände nicht patentfähig sind.
III Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Dr. Häußler Hartlieb Veit Zimmerer Hu
Urheber dieses Dokuments ist das Bundespatentgericht. Nach § 5 UrhG geniessen Entscheidungen und Gesetze keinen urheberrechtlichen Schutz. Auflagen des Gerichts können aber die kommerzielle Verwertung einschränken. In Anlehnung an Creative Commons Lizenzen ist die Nutzung mit einer CC BY-NC-SA 3.0 DE Lizenz vergleichbar. Bitte beachten Sie, dass diese Entscheidung urheberrechtlich geschützte Abbildungen enthalten kann. Vor einer Nutzung - über die reine Wiedergabe der Entscheidung hinaus - sind in solchen Fällen entsprechende Nutzungsrechte bei den jeweiligen Rechteinhabern einzuholen.
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