AnwZ (Brfg) 14/24
BUNDESGERICHTSHOF AnwZ (Brfg) 14/24 BESCHLUSS vom
14. Juni 2024 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ECLI:DE:BGH:2024:140624BANWZ.BRFG.14.24.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, den Richter Dr. Remmert und die Richterin B. Grüneberg sowie den Rechtsanwalt Dr. Lauer und die Rechtsanwältin Niggemeyer-Müller am 14. Juni 2024 beschlossen:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 5. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 13. Dezember 2023 wird abgelehnt. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe: I.
Die im Jahr 1982 geborene Klägerin ist seit August 2017 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 8. März 2023 widerrief die Beklagte ihre Zulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die dagegen gerichtete Klage der Klägerin hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen.
Nunmehr beantragt die Klägerin die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der Zulassungsantrag hat in der Sache keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Die Rechtssache hat entgegen der Ansicht der Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Diese, vom Beschwerdeführer bzw. Antragsteller darzulegenden Voraussetzungen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 12. September 2022 - AnwZ (Brfg) 10/22, juris Rn. 46 und vom 13. März 2024 - AnwZ (Brfg) 43/23, juris Rn. 15, jeweils mwN) sind hier nicht erfüllt.
a) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, welche Voraussetzungen an eine Verpflichtung zwischen Arbeitgeber und angestelltem Rechtsanwalt zu stellen sind, um eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 1 BRAO auszuschließen, ist durch die Rechtsprechung des Senats bereits geklärt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Wertung grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 53/16, NJW 2017, 1181 Rn. 15 f.; vom 30. Mai 2022 - AnwZ (Brfg) 43/21, juris Rn. 8 und vom 7. Dezember 2023 - AnwZ (Brfg) 25/23, juris Rn. 19; jeweils mwN). Die Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 30. Mai 2022 - AnwZ (Brfg) 43/21, juris Rn. 8 mwN). Auch wenn die Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, nach der der Vermögensverfall die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden indiziert, nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen des Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 7; vom 30. Dezember 2021 - AnwZ (Brfg) 27/21, juris Rn. 15; vom 30. Mai 2022 - AnwZ (Brfg) 43/21, juris Rn. 8 und vom 7. Dezember 2023 - AnwZ (Brfg) 25/23, juris Rn. 19). Will er weiterhin als Rechtsanwalt tätig werden, ist es daher von besonderer Bedeutung, dass er rechtlich abgesicherte Maßnahmen trifft, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Hierzu gehört eine wirksame Kontrolle. Denn Maßnahmen, die zwar inhaltlich zum Schutz der Mandanteninteressen geeignet sind, deren Einhaltung aber nicht wirksam kontrolliert werden oder die jederzeit - unkontrolliert - beendet werden können, sind zum Ausschluss der Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht tauglich (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Mai 2022 - AnwZ (Brfg) 43/21, juris Rn. 8).
Schließt der in Vermögensverfall geratene Rechtsanwalt mit einem Dritten einen Anstellungsvertrag, mittels dessen die Gefährdung der Rechtsuchenden ausgeschlossen werden soll, setzt dies nach der Rechtsprechung des Senats daher zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. etwa Senat, Beschlüsse vom 27. August 2019 - AnwZ (Brfg) 35/19, ZInsO 2019, 2209 Rn. 21; vom 12. März 2012 - AnwZ (Brfg) 1/21, juris Rn. 8 f.; vom 20. Januar 2022 - AnwZ (Brfg) 38/21, juris Rn. 7 f. und vom 7. Dezember 2023 - AnwZ (Brfg) 25/23, juris Rn. 19; jeweils mwN). Außerdem ist eine Vereinbarung der Vertragsparteien dahingehend erforderlich, dass eine (wesentliche) Änderung der Vereinbarung, insbesondere ihre Beendigung, der Rechtsanwaltskammer mitgeteilt wird (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Mai 2022 - AnwZ (Brfg) 43/21, juris Rn. 8 mwN).
b) Weitergehender Klärungsbedarf besteht nicht und wird in der Begründung des Zulassungsantrags auch nicht aufgezeigt.
Dass die oben dargelegten Grundsätze im Schrifttum oder in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung in klärungsbedürftiger Weise umstritten wären oder mit neuen erheblichen Argumenten in Frage gestellt würden, macht die Klägerin nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich. Das anwaltsrechtliche Schrifttum hat sich der Rechtsprechung des Senats im Wesentlichen angeschlossen (vgl. Weyland/Vossebürger, BRAO, 11. Aufl., § 14 Rn. 61 f.; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 14 BRAO Rn. 44 f.; Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 6. Aufl., § 14 Rn. 46 ff.; grundsätzlich auch Kleine-Cosack in Kleine-Cosack, BRAO, 9. Aufl., § 14 Rn. 26 ff., der sich in Rn. 44 f. allerdings gegen die - indes im Gesetz angelegte (s.o.) - These der abstrakten Gefährlichkeit des Vermögensverfalls wendet). Abweichende Rechtsprechung der Anwaltsgerichtshöfe liegt nicht vor.
Auch einer Präzisierung der Senatsrechtsprechung dahingehend, wie genau die vertraglichen Vereinbarungen (insbesondere Kontrollmechanismen) in einem anwaltlichen Anstellungsvertrag ausgestaltet sein müssen, um den Anforderungen an einen rechtssicheren und effektiven Ausschluss der Gefährdung von Mandanteninteressen zu genügen, ist entgegen der Ansicht der Klägerin weder geboten noch abstrakt-generell möglich. Die grundsätzlichen Vorgaben dafür sind den vom Senat hierzu entwickelten, oben genannten Grundsätzen zu entnehmen. Ob der jeweilige Anstellungsvertrag diesen Vorgaben genügt, bedarf stets einer Gesamtbewertung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls wie etwa der organisatorischen Strukturen der Anstellungskanzlei, der konkret vereinbarten Schutz- und Kontrollmechanismen (insbesondere auch in Vertretungsfällen) und ihrer tatsächlichen Umsetzung sowie der Sicherstellung einer Information der Rechtsanwaltskammer über (wesentliche) Änderungen der Vereinbarung. Beispiele dafür sind der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu entnehmen (siehe etwa Senat, Beschlüsse vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 f.; vom 25. Juni 2007 - AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924 Rn. 8 f.; vom 27. August 2019 - AnwZ (Brfg) 35/19, ZInsO 2019, 2209 Rn. 25; vom 12. März 2021 - AnwZ (Brfg) 1/21, juris Rn. 9; vom 20. Januar 2022 - AnwZ (Brfg) 38/21, juris Rn. 11; vom 30. Mai 2022 - AnwZ (Brfg) 43/21, juris Rn. 10 und vom 7. Dezember 2023 - AnwZ (Brfg) 25/23, juris Rn. 24).
2. Weitere Zulassungsgründe werden im Zulassungsantrag bereits formal nicht ordnungsgemäß geltend gemacht, sind aber auch in der Sache nicht gegeben.
a) Insbesondere bestehen an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils keine ernstlichen Zweifel (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Anwaltsgerichtshof hat zutreffend angenommen, dass der Vermögensverfall der Klägerin aufgrund ihrer sieben Eintragungen im Schuldnerverzeichnis (§ 882b ZPO) im Zeitpunkt des Widerrufs ihrer Zulassung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 2 BRAO zu vermuten war und sie diese Vermutung weder mit ihrem Vorbringen im Widerrufsverfahren noch im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof widerlegt hat. Dagegen hat die Klägerin mit der Begründung des Zulassungsantrags auch nichts vorgebracht.
Keine ernstlichen Zweifel bestehen auch an der weiteren Feststellung des Anwaltsgerichtshofs, dass die Voraussetzungen für einen ausnahmsweisen Ausschluss der Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall der Klägerin gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 1 BRAO nicht erfüllt sind. Der Anwaltsgerichtshof hat hierzu zutreffend nicht nur darauf abgestellt, dass die Klägerin jedenfalls die derzeit im vorliegenden Verfahren bekannten Verbindlichkeiten nicht bedienen konnte und kann, Ratenzahlungen teilweise abgelehnt wurden und ihr derzeit generiertes Einkommen nicht dargetan sei, sondern auch darauf, dass Ausführungen zur tatsächlichen Ausgestaltung ihres vorgetragenen Anstellungsverhältnisses ab dem Jahr 2023 (Regelung der Konten, Zugriffsmöglichkeiten etc.) nicht erfolgt seien. Auch dagegen bringt die Klägerin mit der Begründung des Zulassungsantrags nichts Erhebliches vor, sondern beschränkt sich auf die Behauptung, dass in ihrem Angestelltenverhältnis seit 1. Januar 2023 "bereits zu Beginn der Tätigkeit der Zugriff auf Kanzleikonten und Mandantengeldern (sic) kategorisch ausgeschlossen" sei. Das reicht nach den oben dargelegten Maßstäben nicht aus. Abgesehen davon, dass die Klägerin nicht bei einer Sozietät, sondern bei einer Einzelanwältin angestellt ist, genügt ihre pauschale Behauptung nicht ansatzweise der erforderlichen substantiierten Darlegung effektiver Schutz- und Kontrollmechanismen (insbesondere in Vertretungsfällen) und deren tatsächlicher Handhabung und enthält zudem keine Angaben zu der erforderlichen Sicherstellung einer Information der Rechtsanwaltskammer über etwaige (wesentliche) Vertragsänderungen.
b) Soweit der Vorwurf der Klägerin, seitens der Beklagten und des Anwaltsgerichtshofs seien keine weiteren Ausführungen erfolgt, "um einen Maßstab erkennen zu lassen, welche Anforderungen rein grundsätzlich erfüllt sein müssen, um eine Ausnahme [Anm.: von der Gefährdung der Interessen Rechtsuchender] generieren zu können", als Geltendmachung eines entscheidungserheblichen Verfahrensmangels (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zu verstehen sein sollte, dringt sie auch damit nicht durch. Die Anforderungen waren der oben dargelegten ständigen Rechtsprechung des Senats und dem einschlägigen Schrifttum bereits vor Erlass des Widerrufsbescheids am 8. März 2023 hinreichend zu entnehmen.
III. 15 Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Limperg Lauer Remmert Grüneberg Niggemeyer-Müller Vorinstanz: AGH München, Entscheidung vom 13.12.2023 - BayAGH I - 5 - 3/23 -