19 W (pat) 4/14
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 4/14 Verkündet am 5. Dezember 2016
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend das Patent 102 32 166 hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Ing. J. Müller und Richter Dipl.-Phys. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi beschlossen:
Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der Patentabteilung 1.32 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Oktober 2013 aufgehoben und das Patent 102 32 166 beschränkt mit folgenden Unterlagen aufrechterhalten:
Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 5. Dezember 2016,
Beschreibung und Zeichnungen wie erteilt gemäß Erteilungsbeschluss.
Gründe I
Auf die am 16. Juli 2002 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingegangene Patentanmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents mit der Nummer 102 32 166 am 5. Juli 2012 veröffentlicht worden.
Es trägt die Bezeichnung
„Verfahren zur Erhöhung der Verfügbarkeit eines Gebläsesystems“.
Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schreiben vom 20. September 2012, beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen am selben Tag, Einspruch erhoben mit der Begründung, der Gegenstand des Patents beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. § 4 PatG).
Die Patentabteilung 1.32 hat das Patent mit am Ende einer mündlichen Anhörung am 11. Oktober 2013 verkündeten Beschluss widerrufen.
Die Patentinhaberin beschwert sich mit Schreiben vom 3. Dezember 2013 gegen den Beschluss der Patentabteilung.
Die Patentinhaberin beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 1.32 des Deutschen Patentund Markenamts vom 11. Oktober 2013 aufzuheben und das Patent 102 32 166 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten,
Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 5. Dezember 2016,
Beschreibung und Zeichnungen wie erteilt gemäß Erteilungsbeschluss.
Die Einsprechende beantragt,
die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet unter Einfügung einer Gliederung in Anlehnung an eine Gliederung durch die Einsprechende, wobei die Änderungen gegenüber der erteilten Fassung durch Unterstreichung kenntlich gemacht sind:
a1 Verfahren zur Ansteuerung eines elektrischen Antriebs (2), a2 der als Lüftermotor für ein Kühlgebläse im Kühlerbereich einer Verbrennungskraftmaschine ausgebildet ist, a3 über ein Ansteuerungsmodul (9),
b1 das mit einer Elektronikplatine (4) elektrisch verbundene Leistungsschalter (3) über ein PWM-Signal (27) ansteuert,
b2 wobei der elektrische Antrieb (2) über einen oder mehrere Leistungsschalter (3) angesteuert wird,
mit nachfolgenden Verfahrensschritten:
c1 a) bei Erreichen einer ersten Grenztemperatur ϑ1 (24) der die Leistungsschalter (3) ansteuernden Elektronikplatine (4)
c2 wird das momentane Tastverhältnis TV sprungartig auf ein modifiziertes, maximales Tastverhältnis (22) TV = 100 % geändert und e nach einer Abkühlung unter die erste Grenztemperatur ϑ1 (24) auf einen durch das PWM-Signal (27) vorgegebenes Tastverhältnis TV zur Ansteuerung der Leistungsschalter (3) zurücksetzt und d1 b) bei Erreichen einer zweiten Grenztemperatur ϑ2 (26), die höher liegt als die erste Grenztemperatur ϑ1 (24),
d2 wird das momentane Tastverhältnis TV sprungartig auf ein modifiziertes, minimales Tastverhältnis (21) TV' = 0 zurückgenommen.
Als Aufgabe ist in der Beschreibungseinleitung angegeben, unter Vermeidung der Nachteilen, die bei bekannten Verfahren bestünden, ein Sicherheitskonzept für einen elektrischen Antrieb vorzuschlagen, welches die Verlustleistung von Elektronikkomponenten senkt und eine Erhöhung der thermischen Wärmeableitung an den Elektronikkomponenten, die zur Ansteuerung des elektrischen Antriebs erforderlich sind, erreicht (Absatz 0007 der Patentschrift).
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere zum Einspruchsverfahren vor der Patentabteilung sowie zum Wortlaut der abhängigen Patentansprüche 2 und 3 wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde der Einsprechenden ist statthaft und auch sonst zulässig (§ 73 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 PatG, § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG).
2. Die Beschwerde hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des Beschlusses der Patentabteilung 1.32 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 11. Oktober 2013 und zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents führt.
2.1 Als Fachmann legt der Senat einen Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik zugrunde, der mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung von Gebläsekühlungen und der Entwärmung von elektrischen Baugruppen hat. Hinsichtlich der Besonderheiten im Zusammenhang mit der Kühlung einer Verbrennungskraftmaschine zieht er einen Maschinenbauingenieur (FH) mit Schwerpunkt Kraftfahrzeugtechnik zurate.
2.2 Im Prüfungs- und Einspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt ist auf folgende Druckschriften Bezug genommen worden:
E1 DE 41 16 254 A1 E2 DE 31 33 036 A1 E3 MARKS, Walter; RITZ, Dr. Siegfried: Störungsfreie Motorsteuerungen. in: Elektronik 12/2001, Seiten 90-94 E4 AMS Austria Mikro Systeme International AG, Schloß Premstätten, 8141 Unterpremstätten, Österreich: AS8410 PWM DC Motor Regulator, Data Sheet (Preliminary), Rev. 1.0, December 2000 E5 AMS Austria Mikro Systeme International AG, Schloß Premstätten, 8141 Unterpremstätten, Österreich: AS8420 Single Motor H-Controller with LIN I/F, Preliminary Data Sheet, Revision No. 0, Date 2001-10-12 E6 US 6 188 189 B1 E7 US 6 390 379 B1.
2.3 Der Senat legt seiner Entscheidung folgendes Verständnis der Angaben in den Patentansprüchen zugrunde:
Hinsichtlich der Ansteuerung der Leistungsschalter 3 ist im Patentanspruch 1 zum einen angegeben, dass dies über das Ansteuermodul 9 erfolge (Merkmale a3, b1, b2). Zum anderen ist dem Merkmal c1 zu entnehmen, dass die Elektronikplatine 4 diese Funktion habe. Dazu kommt, dass im Merkmal b1 angegeben ist, dass die Leistungsschalter 3 mit der Elektronikplatine elektrisch verbunden seien. Die zeichnerische Darstellung in der Figur 1 hilft dem Fachmann nur bedingt weiter, da demnach die Leistungsschalter 3 auf der Elektronikplatine 4 angeordnet sind und elektrische Verbindungen zu dem separat dargestellten Ansteuermodul 9 bestehen. Diese Angaben scheinen zwar in sich widersprüchlich zu sein, der Fachmann ist jedoch nach Überzeugung des Senats in der Lage, die Leistungshalbleiter sowie die zu deren Ansteuerung und Schutz erforderlichen Bauelemente in geeigneter Weise auf einer gemeinsamen Platine oder auch auf getrennten Platinen anzuordnen sowie ein geeignetes Layout zu entwerfen.
Die dem Fachmann geläufige Abkürzung PWM steht für Puls-Weiten-Modulation. Dabei wechselt die elektrische Spannung, die am Steuereingang des Leistungsschalters anliegt zwischen zwei Werten derart, dass der Leistungsschalter entweder ein- oder ausgeschaltet ist. Eingeschaltet wird mit konstanter Frequenz (= Taktfrequenz); variiert wird die Länge des angelegten Rechteckpulses, so dass abhängig von der Länge der Rechteckpulse der Mittelwert des durch die Laststrecke des Leistungsschalters fließenden Stromes veränderbar ist Unter dem Tastverhältnis versteht der Fachmann im Rahmen des Streitpatents die Einschaltdauer der Leistungsschalter bezogen auf die Periodendauer der Taktfrequenz. Somit liegt das Tastverhältnis zwischen 0 % (= immer Aus) und 100 % (= immer Ein). Der Bezeichnung „modifiziert“ misst der Fachmann im Zusammenhang mit dem Tastverhältnis des PWM-Signals nicht mehr Bedeutung bei, als dass das Taktverhältnis mit dem der Leistungsschalter betrieben wird, nicht das sich aus der Regelung der Temperatur der Verbrennungskraftmaschine ergebende ist, sondern ein davon abweichendes.
Die Temperaturregelung der Verbrennungskraftmaschine selbst ist nicht Gegenstand der Patentansprüche und wird auch in den übrigen Teilen der Patentschrift nicht beschrieben, sondern als bekannt vorausgesetzt. Derartige Regelungen dimensioniert der Fachmann im Rahmen seines routinemäßigen Handelns.
Die Angabe „sprungartig“ in den Merkmalen c2 und d2 liest der Fachmann als möglichst schnelle Änderung zwischen zwei sich deutlich voneinander unterscheidbaren Werten, hier des Tastverhältnisses. Dabei ist ihm gegenwärtig, dass in einem realen technischen System ein derartiger Sprung nicht in beliebig kurzer Zeit ablaufen kann. Der den Schutzbereich des Patents nicht beschränkenden Beschreibung ist zu entnehmen, dass Tastverhältnisse von 80 % sowie zwischen 92 % und 99 % vermieden werden sollen. Daraus zieht der Fachmann den Schluss, dass mit der Angabe in Merkmal c2 beispielsweise ein Sprung des Tastverhältnisses von unter 80 % auf 100 % gemeint ist. Als minimaler Ausgangswert ist in Absatz 0031 der Patentschrift ein Tastverhältnis von 30 % genannt. Durch die Merkmale d1, d2 ist der Fall einer Notabschaltung berücksichtigt, d. h. die Abschaltung des Lüftermotors falls sich die Temperatur der Leistungsschalter trotz der Änderung des Tastverhältnisses auf 100 % entsprechend Merkmal c2 weiter erhöhen sollte. Dies stellt selbstredend eine sprungartige Zurücknahme des Tastverhältnisses von 100 % auf 0 % dar.
Der Wortsinn des Merkmals e besagt zwar, dass das Tastverhältnis nach Abkühlung unter die erste Grenztemperatur ϑ1 von 100 % wieder auf das durch das PWM-Signal vorgegebene Tastverhältnis zurückgesetzt wird. Dem Fachmann ist jedoch bewusst, dass er die Temperaturschwelle, bei der wieder auf den normalen Regelbetrieb zurückgesetzt wird, etwas niedriger wählen muss als die in Merkmal c1 genannte Grenztemperatur. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass das System instabil wird.
3. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig.
Ihre Gegenstände gehen nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen hinaus (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG). Die Merkmale des geltenden Anspruchs 1 gehen wie folgt auf die ursprünglichen Unterlagen zurück:
Merkmal des geltenden Patentanspruchs 1 a1 a2 a2 b1 b2 c1 c2 d1 d2 e
Ursprüngliche Unterlagen Patentanspruch 1 Seite 5, Zeilen 10-13 Patentanspruch 1 Patentanspruch 1 Seite 5, Zeilen 13-14 Patentanspruch 1 Patentansprüche 1, 9 Patentanspruch 1 Patentanspruch 1, Seite 7, Zeilen 18-19, Seite 9, Zeilen 4-10 Patentanspruch 7, Seite 8, Zeile 34 bis Seite 9 Zeile 4 Insbesondere durch den seitenübergreifenden Absatz von Seite 8 auf Seite 9 der ursprünglichen Unterlagen ist auch die Kombination aller im geltenden Patentanspruch 1 genannten Merkmale ursprünglich offenbart, da dort sowohl auf die Figur 2 Bezug genommen ist, in der die beiden sprungartigen Änderungen des Tastverhältnisses (Merkmale c2, d2) dargestellt sind, als auch die Wiederaufnahme des Betriebs mit einem vorgegebenen Tastverhältnis Tv erwähnt ist, wenn die erfasste Temperatur wieder unter die erste Grenztemperatur ϑ1 absinkt.
Weiterhin entspricht der geltende Patentanspruch 2 dem ursprünglichen Patentanspruch 2 und der geltenden Anspruch 3 dem ursprünglichen Anspruch 8.
Ferner ist keine Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Patents feststellbar (§ 22 Abs. 1 Halbsatz 2 PatG). Sämtliche Merkmale der geltenden Patentansprüche sind den erteilten Ansprüchen entnommen oder schränken diese ein.
4. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 (Hilfsantrag 5 vom 5. Dezember 2016) gilt gegenüber dem im Verfahren entgegengehaltenen Stand der Technik als neu und auch bei Einbeziehung des Wissens und Könnens des Fachmanns als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 PatG sowie § 4 PatG):
4.1 Der Inhalt der Entgegenhaltung US 6 188 189 B1 (= E6), auf die die Patentabteilung ihren Widerrufsbeschluss im Wesentlichen gestützt hatte, geht nicht über Folgendes hinaus: ein a1 Verfahren zur Ansteuerung eines elektrischen Antriebs 102 (Spalte 1, 1. Absatz),
a3 über ein Ansteuerungsmodul 201 (Figur 2 i. V. m. Spalte 6, Zeilen 22-29),
b1 das mit einer Elektronikplatine 201 (wie oben ausgeführt umfasst der Wortlaut des Patentanspruchs 1 die Lesart, dass Ansteuermodul und Elektronikplatine zusammenfallen) elektrisch verbundene Leistungsschalter 103 über ein PWM-Signal 215, 216 ansteuert,
b2 wobei der elektrische Antrieb 102 über einen Leistungsschalter 103 angesteuert wird, mit den Verfahrensschritten:
c1 a) bei Erreichen einer ersten Grenztemperatur TMAX der die Leistungsschalter 103 ansteuernden Elektronikplatine 201 (Gemäß Spalte 10, Zeilen 37-40, 46-49 befindet sich auch im Bereich des Ansteuermoduls ein Temperatursensor; ggf. hat dieser, sofern mit diesem die Grenztemperatur Tmax erreicht wird, Priorität. Zudem ist in Spalte 5, Zeilen 39-41 die Möglichkeit erwähnt, eine „critical temperature“ (= TCRITICAL) vorzugeben, bei der der Lüfter mit voller Geschwindigkeit läuft)
c2 wird das momentane Tastverhältnis TV auf ein maximales Tastverhältnis TV = 100 % geändert (Spalte 9, Zeilen 15-17).
Soweit die Vertreter der Patentinhaberin geltend gemacht haben, der Beschreibung zu Figur 8 (Spalte 10, Zeilen 59-65) sei zu entnehmen, dass die maximale Lüftergeschwindigkeit nicht mit einem Tastverhältnis von 100 % gleichgesetzt werden müsse, ist festzustellen, dass an anderer Stelle der Entgegenhaltung E6 (Spalte 9, Zeilen 15-17) dieser, von der Beklagten bestrittene Zusammenhang hergestellt ist.
Es mag bei dem Lüfterantrieb gemäß Entgegenhaltung E6, wie allgemein sowohl bei Elektromotoren als auch bei Prozessoren üblich, ein Überhitzungsschutz vorgesehen sein, der d1 bei Erreichen einer zweiten Grenztemperatur, die höher liegt als die erste Grenztemperatur Tmax bzw. TCRITICAL,
diesen außer Betrieb setzt um irreversible Schäden zu vermeiden. Der Fachmann mag dazu auch in Betracht ziehen d2 das momentane Tastverhältnis TV sprungartig auf ein minimales Tastverhältnis von 0 zurückzunehmen.
Da gemäß Entgegenhaltung E6 auch für die Lüftersteuerung ein Temperatursensor vorgesehen ist (Spalte 10, Zeilen 37-40), führt unter der Annahme eines Überhitzungsschutzes auch das Überschreiten der besagten zweiten Grenztemperatur auf der den Leistungsschalter 103 ansteuernden Elektronikplatine 201 zur Abschaltung gemäß Merkmal d2.
Während der Patentanspruch 1 aber in der geltenden Fassung ausdrücklich auf die Ausbildung des elektrischen Antriebs als Lüftermotor für ein Kühlgebläse im Kühlerbereich einer Verbrennungskraftmaschine (Merkmal a2),
gerichtet ist, handelt es sich bei dem Gegenstand der Entgegenhaltung E6 um ein Verfahren zur Ansteuerung eines Lüftersystems eines Computersystems (Spalte 2, Zeilen 24-29). Diese beiden Technologiebereiche unterscheiden sich in vielerlei Weise voneinander, hinsichtlich der streitgegenständlichen Kühlung beispielsweise im Temperaturbereich, in der Kühlleistung, in der Baugröße, sowie in den Zuverlässigkeitsanforderungen.
Außerdem besteht ein Unterschied zwischen dem Gegenstand des geltenden Patentanspruchs1 und dem Verfahren gemäß Entgegenhaltung E6 in der sprungartigen Änderung von einem momentanen Tastverhältnisses auf das Tastverhältnis 100 % bei Erreichen einer Grenztemperatur (Merkmal c2).
In der Entgegenhaltung E6 ist zwar mehrfach ausgeführt, dass der Lüfter ab einer Grenztemperatur mit maximaler Geschwindigkeit betrieben wird (Spalte 5, Zeilen 38-41; Spalte 11, Zeilen 14-18, 29-33; Spalte 15, Zeilen 5-7). Dieser Druckschrift entnimmt der Fachmann jedoch ausschließlich den in der Figur 8 dargestellten rampenförmigen Verlauf, wonach bei Erreichen der Grenztemperatur TMAX die Geschwindigkeit nicht weiter proportional ansteigt, sondern konstant auf dem Maximalwert bleibt.
Somit ist das Verfahren gemäß geltendem Patentanspruch 1 gegenüber dem aus der Entgegenhaltung E6 Bekannten neu.
4.2 Aus der Entgegenhaltung MARKS, Walter; RITZ, Dr. Siegfried: Störungsfreie Motorsteuerungen (= E3) ist in Worten des Streitpatents ausgedrückt, Folgendes bekannt: Im Betriebsmode 1 ein a1 Verfahren zur Ansteuerung eines elektrischen Antriebs (Bild 2 und Bild 3a),
a2 der als Lüftermotor für ein Kühlgebläse im Kühlerbereich einer Verbrennungskraftmaschine ausgebildet ist (Seite 90, rechte Spalte, 2. Absatz; Seite 93, linke Spalte, 4. Absatz),
a3 über ein Ansteuerungsmodul (Motorsteuerungsbaustein AS8410),
b1 das mit einer Elektronikplatine (Motorsteuerungsbaustein) elektrisch verbundene Leistungsschalter (Tr1) über ein PWMSignal 16 ansteuert (Bild 2; Seite 90, mittlere Spalte, letzter Absatz)
b2 wobei der elektrische Antrieb über einen Leistungsschalter (Tr1) angesteuert wird,
mit nachfolgenden Verfahrensschritten:
c1teilw. c2 bei Erreichen einer ersten Grenztemperatur (Seite 93, linke Spalte, 4. Absatz, Temperaturschwelle im Betriebsmode 1) wird das momentane Tastverhältnis von dem durch das Sollwertsignal bestimmten PWM-Signal 16 auf 100 % geändert; dass dies möglichst schnell ablaufen soll, also sprungartig, ist für den Fachmann selbstverständlich.
Der Entgegenhaltung E3 ist nicht mit Bestimmtheit zu entnehmen, wo der Temperatursensor RTP1, RTP2 platziert sein soll. Bei Bild 3 handelt es sich lediglich um Stromlaufpläne, die üblicherweise vor allem hinsichtlich der Funktion übersichtlich dargestellt sind, jedoch keinen Rückschluss auf die räumliche Anordnung der externen Bauelemente zulassen. Den Erläuterungen zum Betriebsmode 1 (Seite 93, linke Spalte) ist lediglich zu entnehmen, dass ein System geschützt werden soll, „bei dem die Verlustleistung nicht vom zu regelnden DC-Motor erzeugt wird, z. B. überhitzter Verbrennungsmotor, der durch den DC-Elektromotor (Gebläse) gekühlt wird.“
Sollte der Temperatursensor, wie die Einsprechende geltend gemacht hat, mit dem Motorsteuerungsbaustein auf derselben Platine angeordnet sein, wäre das Merkmal c1 vollständig durch die Entgegenhaltung 3 vorweggenommen. Die weiteren Ausführungen in dieser Druckschrift lassen aber sogar auch die Lesart zu, dass der Temperatursensor im Bereich des Verbrennungsmotors angeordnet ist. Unter der Randbedingung eines überhitzten Verbrennungsmotors wird beim Abstellen der Zündung von Betriebsmode 1 auf Betriebsmode 2 umgeschaltet und das Tastverhältnis dabei ebenfalls auf 100 % gesetzt, bis die höchste zulässige Motortemperatur (des Verbrennungsmotors) unterschritten wird.
Somit ist weder der Rest des Merkmals c1 eindeutig aus der Entgegenhaltung E3 bekannt, noch das Merkmal e, da der dort erwähnte Abkühlvorgang auf die Motortemperatur Bezug nimmt, nicht aber auf die Temperatur der Steuerungselektro- nik der Leistungsschalter. Aus demselben Grund sind auch die Merkmale d1, d2 nicht zweifelsfrei durch die Entgegenhaltung 3 vorweggenommen.
Hinsichtlich des Übertemperaturschutzes der Elektronikplatine der Leistungsschalter entnimmt der Fachmann der Entgegenhaltung E3 als Betriebsmodus 2 die Anweisung, bei unzulässig hohen Verlusten der Leistungsschalter, die mit einer Erwärmung gleichzusetzen ist, den Lüftermotor herunterzuregeln, also das Tastverhältnis kontinuierlich zu verringern, bis zum Abschalten des Lüftermotors, das dem Tastverhältnis 0 % entspricht. Abgesehen davon, dass für den Betriebsmodus 2 - außer bei abgestellter Zündung - kein Fall beschrieben ist, bei dem das Tastverhältnis auf 100 % springen würde, ist gemäß Betriebsmodus 2 bei einem Anstieg der Temperatur im Bereich der Steuerelektronik nicht zu erwarten, dass es zu einer Notabschaltung mit einer sprungartigen Zurücknahme des Tastverhältnisses auf 0 % kommt. Vielmehr entnimmt der Fachmann der Erläuterung zum Betriebsmodus 2, dass es reicht, die Lüfterleistung zu verringern. Selbst wenn es im Extremfall zum Abschalten des Lüftermotors kommen sollte, wäre dies nicht mit einer sprungartigen Änderung des Tastverhältnisses verbunden.
Somit ist das Verfahren gemäß geltendem Patentanspruch 1 gegenüber dem aus der Entgegenhaltung E3 Bekannten neu.
4.3 Der Fachmann mag ausgehend von der Entgegenhaltung E3, speziell für den Betriebsmodus 2, der nach Überzeugung des Senats den nächstkommenden Stand der Technik darstellt, die Anordnung des Temperatursensors auf der Elektronikplatine, auf der die Steuerelektronik der Leistungsschalter angeordnet ist, mit dem der Laststrom des Lüftermotors geschaltet wird, in Erwägung gezogen haben. Da aber der Motorsteuerungsbaustein AS8410 nur einen Eingang TP für ein Temperatursignal aufweist, müsste der Fachmann dabei den Temperatursensor jedoch so anordnen, dass sich aus seinem Signal sowohl eine Aussage über die Temperatur des Motorsteuerungsbausteins als auch des Leistungshalbleiters Tr1 und/oder des Motors M ableiten ließe. Dies würde zudem eine intensive thermische Kopplung zwischen Steuerungselektronik einerseits und Leistungsteil mit Leistungshalbleiter und Lüftermotor andererseits voraussetzen. Der Senat hat er- hebliche Zweifel, dass der Fachmann diese Maßnahme tatsächlich in naheliegender Weise ergriffen hätte, da er üblicherweise darauf bedacht ist, thermische Kopplungen zwischen wärmeempfindlicher Elektronik und Leistungsteil zu vermeiden.
Im Übrigen wird mit dem Verfahren gemäß Entgegenhaltung 3 ohnehin ein anderes Konzept für das Wärmemanagement verfolgt als dem Streitpatent zugrunde liegt. Gemäß Absatz 0025 der Streitpatentschrift geht die Temperatur des Verbrennungsmotors und die Umgebungstemperatur in das PWM-Signal ein, das dem Ansteuerungsmodul 9 am Eingang 27 zugeführt wird. Ferner wird gemäß Absatz 0021 der Streitpatentschrift auf eine physikalische Erfassung der Temperatur am Lüftermotor verzichtet und stattdessen aus der Laststrommessung auf die Verlustleistung PV geschlossen, die am elektrischen Antrieb 2 und den Leistungsschaltern 3 abfällt. Mit dem Verfahren gemäß geltendem Patentanspruch 1 wird lediglich ein Temperaturmanagement für die Elektronikplatine, die die Leistungsschalter des Lüftermotors ansteuert, bereitgestellt. Demgegenüber soll gemäß Entgegenhaltung E3 offenbar ein Verfahren durchgeführt werden, bei dem nicht nur die Verlustwärme des Leistungsschalters berücksichtigt wird, sondern auch die Verlustwärme des Lüftermotors, des Verbrennungsmotors sowie die Umgebungswärme.
Für das Konzept gemäß Entgegenhaltung E3 mag der in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Einwand des Vertreters der Einsprechenden zutreffen, dass der Fachmann die Steuerschaltung so dimensioniert, dass sie der in ihr selbst sowie im Leistungsschalter abfallenden Wärme unbeschadet standhält, während das temperaturabhängige Drehzahlmanagement dazu dient die durch den Verbrennungsmotor sowie aus der Umgebung eingetragene Wärme abzuführen, bzw. falls dies nicht hinreichend gelingen sollte, entsprechende Notmaßnahmen einzuleiten.
Da den Motorsteuerungsbaustein AS8410 betreffenden Datenblätter, die die Einsprechende als Entgegenhaltungen E4 und E5 zur Akte gereicht hat, kein anderes Steuerungskonzept zu entnehmen ist als der Entgegenhaltung E3, kann dahinge- stellt bleiben, ob diese Unterlagen – wie von der Einsprechenden behauptet und von der Patentinhaberin bestritten – bereits vor dem Anmeldetag des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich waren.
Somit hatte der Fachmann ausgehend von der Entgegenhaltung E3 keinerlei Anlass zu einem Verfahren gemäß geltendem Patentanspruch 1 zu gelangen.
Auch die Entgegenhaltung E6 konnte den Fachmann nicht dazu veranlassen, ausgehend von dem Verfahren gemäß Entgegenhaltung E3 zu einem Verfahren zur Ansteuerung eines Lüftermotors gemäß geltendem Patentanspruch 1 zu gelangen. Dies gilt auch abgesehen davon, dass bereits fraglich ist, ob der Fachmann bei der Entwicklung einer Komponente im Automotive-Bereich ohne weiteres Anregungen aus der Kühlung von Computersystemen aufgegriffen hätte. Selbst bei einer Zusammenschau der beiden Entgegenhaltung E3 und E6 ergibt sich insgesamt nicht die sprungartige Veränderung des Tastverhältnisses entsprechen Merkmal c2.
Auch die weiteren im Verfahren zwischenzeitlich zitierten Entgegenhaltungen geben dem Fachmann keinen Hinweis in diese Richtung. Die Vertreter der Einsprechenden haben hierzu in der mündlichen Verhandlung auch nichts mehr geltend gemacht.
Somit hat sich das Verfahren gemäß geltendem Patentanspruch 1 nicht in naheliegender Weise aus dem berücksichtigten Stand der Technik ergeben.
5. Da über die vorgenommene Beschränkung des Patentanspruchs 1 hinaus die Unterlagen, die der erteilten Fassung zugrunde lagen, unverändert geblieben sind, bestand für den Senat kein Anlass auf weitergehende Klarstellungen hinzuwirken. Vielmehr war der Beschwerde der Patentinhaberin stattzugeben und das Patent in der von der Patentinhaberin zuletzt beanspruchten Fassung beschränkt aufrechtzuerhalten.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu, wenn der Beschwerdesenat sie in dem Beschluss zugelassen hat (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Hat der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. 5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind. 6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck J. Müller Arnoldi Ko