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V ZB 110/13

BUNDESGERICHTSHOF V ZB 110/13 BESCHLUSS vom 10. April 2014 in der Zurückschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. April 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Lemke, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richter Dr. Czub und Dr. Kazele beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 18. Juli 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Betroffenen entschieden worden ist.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 23. Juni 2013 den Betroffenen auch in dem Zeitraum vom 18. Juli 2013 bis zum 2. August 2013 in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

Der Betroffene ist Staatsangehöriger von Bangladesch. Nachdem er sich zunächst in Griechenland aufgehalten und später einen Asylantrag in Ungarn gestellt hatte, reiste er am 23. Juni 2013 über Tschechien in das Bundesgebiet ein, ohne über einen Aufenthaltstitel zu verfügen. Die beteiligte Behörde erließ noch am selben Tag eine Verfügung über die Zurückschiebung des Betroffenen nach Ungarn und beantragte Sicherungshaft, die das Amtsgericht ebenfalls am 23. Juni 2013 anordnete und bis zum 3. August 2013 befristete.

Am 8. Juli 2013 stellte der Betroffene einen Asylantrag in Deutschland. Die ungarischen Behörden erklärten am 10. Juli 2013 die Bereitschaft zur Rückübernahme.

Auf die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2013 festgestellt, dass die Haftanordnung ihn bis zum 17. Juli 2013 (dem Tag der persönlichen Anhörung im Beschwerdeverfahren) in seinen Rechten verletzt habe; im Übrigen hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt der Betroffene, der am 2. August 2013 aus der Haft entlassen wurde, die Feststellung, dass der Beschluss des Amtsgerichts ihn auch über den 17. Juli 2013 hinaus in seinen Rechten verletzt hat.

II.

Das Beschwerdegericht meint, die Mängel der erstinstanzlichen Haftanordnung seien im Beschwerdeverfahren behoben, insbesondere die unzulänglichen Angaben zur erforderlichen Haftdauer ausreichend ergänzt worden. Die beteiligte Behörde sei für die Antragstellung zuständig. Der erst aus der Haft gestellte Asylantrag stehe nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG der Aufrechterhaltung der Haft nicht entgegen. Dass eine Rücküberstellung nach Ungarn wegen der dortigen Menschenrechtslage vor den Verwaltungsgerichten mit Erfolg angefochten werden könne, lasse sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit prognostizieren.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist nach Erledigung der Hauptsache mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Nr. 3 FamFG statthaft (vgl. nur Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360), form- und fristgerecht gemäß § 71 FamFG eingelegt und hat Erfolg.

Der Betroffene ist durch den die Haft anordnenden Beschluss des Amtsgerichts auch in dem Zeitraum vom 18. Juli 2013 bis 2. August 2013 in seinen Rechten verletzt. Das Beschwerdegericht hätte die Haftanordnung nicht aufrechterhalten dürfen, weil im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr davon auszugehen war, dass die Zurückschiebung des Betroffenen innerhalb der bis zum 3. August 2013 befristeten Haftdauer würde erfolgen können.

1. Da die Haft nach § 57 Abs. 3, § 62 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der Sicherung der Zurückschiebung dient, darf sie nicht aufrechterhalten werden, wenn sich im Beschwerdeverfahren ergibt, dass eine Zurückschiebung innerhalb des angeordneten Haftzeitraums nicht mehr durchgeführt werden kann. Eine mögliche, aber (noch) nicht angeordnete Haftverlängerung ist dabei nicht zu berücksichtigen. Die Aufrechterhaltung der angeordneten Sicherungshaft bis zu der Entscheidung über eine Haftverlängerung ist nämlich nicht zulässig. Sie diente dann nicht mehr unmittelbar der Sicherung der Zurückschiebung. Eine nur mittelbare Sicherung dieses Zwecks sieht das Gesetz nicht vor (vgl. Senat, Beschluss vom 21. März 2013 - V ZB 122/12, juris Rn. 9).

2. Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht im Zeitpunkt der ursprünglichen Haftanordnung erschien zwar eine Zurückschiebung bis zum 3. August 2013 durchführbar. Während des Beschwerdeverfahrens trat aber in Folge des von dem Betroffenen gestellten Asylantrags eine wesentliche Änderung ein. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Zurückschiebung auch während des laufenden Asylverfahrens zulässig ist. Die beteiligte Behörde hat nämlich – wie dem angegriffenen Beschluss zu entnehmen ist – angekündigt, dass vor einer Rücküberstellung des Betroffenen die Rechtsmittelfrist für die Anfechtung des erwarteten Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgewartet werden sollte. Mithin sollte die Zurückschiebung erst nach dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens erfolgen. Damit war der Prognose, ob die Zurückschiebung innerhalb der Haftdauer erfolgen kann, auch diese Erklärung der beteiligten Behörde zugrunde zu legen. Bei Berücksichtigung dieser Erklärung aber konnte nicht mehr von einer Zurückschiebung innerhalb der angeordneten Haftdauer ausgegangen werden.

Der Bescheid des BAMF lag im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung am 18. Juli 2013 lediglich als Entwurf vor und war demgemäß noch nicht zugestellt. Selbst bei einer Zustellung am folgenden Tag (19. Juli) hätte die Bestandskraft frühestens nach Ablauf der zweiwöchigen Klagefrist (§ 74 Abs. 1 AsylVfG) am 3. August 2013 eintreten können. Nach den Ausführungen der beteiligten Behörde im Haftantrag wären aber – im Anschluss an die Abstimmung mit dem Zielland Ungarn über eine Überstellung, die nach den Erfahrungen der Behörde 14 Tage in Anspruch nimmt und die gegebenenfalls parallel zum Ablauf der Klagefrist hätte erfolgen können – zumindest noch mehrere weitere Tage für die Flugorganisation sowie für Postläufe erforderlich gewesen.

Infolgedessen konnte im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr mit einer Zurückschiebung bis zum 3. August 2013 gerechnet werden; im Übrigen hatte der Betroffene in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht angekündigt, den erwarteten Bescheid des BAMF anzufechten.

3. Soweit das Beschwerdegericht ausführt, die beteiligte Behörde beabsichtige nunmehr, in Vollzug des - noch nicht erlassenen - Bescheids des BAMF eine Abschiebung durchzuführen, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Die Voraussetzungen für die Anordnung von Haft zur Sicherung einer Abschiebung lagen zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht vor.

Auch eine kraft Gesetzes vollziehbare Ausreisepflicht des Ausländers darf nicht durch Abschiebung durchgesetzt werden, wenn es an einer für die Vollstreckung erforderlichen Voraussetzung fehlt. Hierzu gehört die nach § 59 AufenthG notwendige Abschiebungsandrohung (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Mai 2013 - V ZB 44/12, NVwZ 2013, 1361 Rn. 9). Zwar kann die Abschiebungsandrohung zugleich - wenn die Ausreisepflicht nicht durch einen Verwaltungsakt (bspw. durch eine Ausweisungsverfügung nach §§ 53 bis 55 AufenthG) statuiert worden ist - die dem Haftrichter nachzuweisende Rückkehrentscheidung nach Art. 6 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - ABl. Nr. L 348 S. 98) begründen. Ohne die - hier fehlende - Abschiebungsandrohung darf eine Sicherungshaft nach § 62 Abs. 3 AufenthG aber grundsätzlich nicht angeordnet oder aufrechterhalten werden. Dass es einer solchen hier ausnahmsweise nicht bedurfte (z.B. nach § 59 Abs. 1 Satz 3 AufenthG oder nach § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG), lässt sich weder dem Haftantrag noch ergänzenden Angaben der beteiligten Behörde im Rahmen der Anhörung des Betroffenen entnehmen (vgl. zu den notwendigen Darlegungen Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - V ZB 214/12, juris, Rn. 8 mwN).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO, § 136 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG.

Stresemann Czub Lemke Kazele Schmidt-Räntsch Vorinstanzen: AG Dresden, Entscheidung vom 23.06.2013 - 270 XIV 52/13 LG Dresden, Entscheidung vom 18.07.2013 - 2 T 459/13 -

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