• Suche
  • Impressum

caselaw.de²

  • caselaw.de²

  • Suche
  • Impressum

  • Suche
  • Filter
  • Ergebnis
  • Entscheidung
Entscheidung
Paragraphen
Original
Teilen

5 Ni 91/12 (EP)

BUNDESPATENTGERICHT Ni 91/12 (EP) (Aktenzeichen)

…

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am

21. Januar 2015 …

In der Patentnichtigkeitssache BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 1 206 881 (DE 600 15 566)

hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2015 durch die Vorsitzende Richterin Klante sowie die Richter Schwarz, Dipl.-Ing. Musiol, Dipl.-Ing. Univ. Albertshofer und Dipl.-Geophys. Dr. Wollny für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 1 206 881 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 17 bis 28 und 46 bis 56 der erteilten Fassung teilweise für nichtig erklärt, soweit diese über die nachfolgende Fassung hinausgehen, mit der Maßgabe, dass das Streitpatent unter Anpassung der Nummerierung und der Rückbezüge bei einigen der nicht angegriffenen Ansprüche insgesamt folgende neue Fassung erhält:

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 206 881 (Streitpatent), das am 10. August 2000 angemeldet wurde und die Priorität der US-amerikanischen Anmeldung US 371641 vom 11. August 1999 in Anspruch nimmt. Das Streitpatent, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen DE 600 15 566.8 geführt wird, trägt in der Verfahrenssprache Englisch die Bezeichnung „APPARATUS AND METHOD FOR COMPRESSING A MOTION VEVTOR FIELD“, in der deutschen Übersetzung lautet die Bezeichnung „Verfahren und Vorrichtung zur Komprimierung eines Bewegungsvektorfeldes“. Das Streitpatent besteht aus 56 Patentansprüchen, wobei mit der Nichtigkeitsklage lediglich das Verfahren bzw. die Vorrichtung nach den nebengeordneten Patentansprüchen 17 und 46 samt der hierauf direkt oder indirekt rückbezogenen jeweiligen Unteransprüche 18 bis 28 bzw. 47 bis 56 angegriffen sind.

Die nebengeordneten Ansprüche 17 und 46 lauten in der Verfahrenssprache Englisch wie folgt:

Patentanspruch 17:

“A method of decoding encoded information representative of a video sequence, which has been encoded according to the method of claim 1, said video sequence comprising a plurality of video frames, the decoding method being characterised by:

receiving encoded information representative of a segment of a current frame of said video sequence; identifying a coding mode of the encoded information, the coding mode being one of at least a first coding mode and a second coding mode; if the identified coding mode is said first coding mode, reconstructing the segment of the current frame of said video sequence using a first motion field model derived using motion compensated prediction with respect to a previously-encoded frame of the video sequence; if the identified coding mode is said second coding mode, reconstructing the segment of the current frame of said video sequence using a second motion field model based on a motion field model determined for an adjacent previously-encoded segment of the current frame.”

Patentanspruch 46:

“A video decoder (14) for decoding encoded information representative of a video sequence, which has been encoded by a video encoder according to claim 29, said video sequence comprising a plurality of video frames, the decoder being characterised in that it includes: means (52) for receiving encoded information representative of a segment of a current frame of said video sequence; means (36) for identifying a coding mode of the encoded information, the coding mode being one of at least a first coding mode and a second coding mode; means (26, 36, 54, 56) for reconstructing the segment of the current frame of said video sequence using a first motion field model and motion compensated prediction with respect to a previouslyencoded frame of the video sequence if the identified coding mode is said first coding mode; and means (26, 36, 54, 56) for reconstructing the segment of the current frame of said video sequence using a second motion field model based on a motion field model determined for an adjacent previously-encoded segment of the current frame if the identified coding mode is said second coding mode.”

In der deutschen Übersetzung der Streitpatentschrift (EP 1 206 881) lauten die Ansprüche 17 und 46 wie folgt:

„17. Verfahren zum Decodieren von codierten Informationen, die eine Videosequenz darstellen, die gemäß dem Verfahren nach Anspruch 1 codiert worden ist, wobei die Videosequenz mehrere Videorahmen enthält, wobei das Decodierungsverfahren gekennzeichnet ist durch: Empfangen codierter Informationen, die ein Segment eines momentanen Rahmens der Videosequenz darstellen; Identifizieren einer Codierungsbetriebsart der codierten Informationen, wobei die Codierungsbetriebsart eine Betriebsart aus wenigstens einer ersten Codierungsbetriebsart und einer zweiten Codierungsbetriebsart ist; falls die identifizierte Codierungsbetriebsart die erste Codierungsbetriebsart ist, Rekonstruieren des Segments des momentanen Rahmens der Videosequenz unter Verwendung eines ersten Bewegungsfeldmodells, das unter Verwendung einer bewegungskompensierten Prädiktion in Bezug auf einen vorher codierten Rahmen der Videosequenz abgeleitet wird; und falls die identifizierte Codierungsbetriebsart die zweiten Codierungsbetriebsart ist, Rekonstruieren des Segments des momentanen Rahmens der Videosequenz unter Verwendung eines zweiten Bewegungsfeldmodells auf der Grundlage eines Bewegungsfeldmodells, das für ein benachbartes vorher codiertes Segment des momentanen Rahmens bestimmt wird.“

„46. Videodecodierer (14) zum Decodieren codierter Informationen, die eine Videosequenz darstellen, die durch den Videocodierer nach Anspruch 29 codiert worden sind, wobei die Videosequenz mehrere Videorahmen enthält, wobei der Decodierer dadurch gekennzeichnet, dass er umfasst:

Mittel (52) zum Empfangen codierter Informationen, die ein Segment eines momentanen Rahmens der Videosequenz darstellen; Mittel (36), die eine Codierungsbetriebsart der codierten Informationen identifizieren, wobei die Codierungsbetriebsart eine aus wenigstens einer ersten Codierungsbetriebsart und einer zweiten Codierungsbetriebsart ist; Mittel (26, 36, 54, 56), die das Segment des momentanen Rahmens der Videosequenz unter Verwendung eines ersten Bewegungsfeldmodells und einer bewegungskompensierten Prädiktion in Bezug auf einen vorher codierten Rahmen der Videosequenz rekonstruieren, falls die identifizierte Codierungsbetriebsart die erste Codierungsbetriebsart ist; und Mittel (26, 36, 54, 56), die das Segment des momentanen Rahmens der Videosequenz unter Verwendung eines zweiten Bewegungsfeldmodells auf der Grundlage eines Bewegungsfeldmodells, das für ein benachbartes vorher codiertes Segment des momentanen Rahmens bestimmt worden ist, rekonstruieren, falls die identifizierte Codierungsbetriebsart die zweite Codierungsbetriebsart ist.“

Mit ihrer am 8. November 2012 erhobenen Nichtigkeitsklage vertritt die Klägerin die Ansicht, der mit ihrer Klage angegriffene Gegenstand des Streitpatents sei für nichtig zu erklären, weil ihm im Umfang der angegriffenen Ansprüche die Patentfähigkeit fehle und das Streitpatent über die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus gehe. Mit Schriftsatz vom 3. Juni 2013 hat die Klägerin darüber hinaus vorgetragen, dass der Gegenstand des Anspruchs 46 nicht ausführbar und das Patent auch aus diesem Grund für nichtig zu erklären sei.

Dies stützt sie auf die Druckschriften (Nummerierung und Kurzzeichen nach Klageschriftsatz)

D1 WO 00/03545, D2 US 5, 512, 952, D3 SULLIVAN, Gary J; WIEGAND, Thomas: Rate-Distortion Optimization for Video Compression, 1998, D4 ITU-Standard H. 263: Video coding for low bit rate communication, Februar 1998. D5 JANG, S.-H.; KIM, S.-D.: Backward predictive block matching algorithm for low bit rate video coding. In: Electronics Letters, Vol. 27, No. 18, 29th August 1991, D6 HSIEH, C.-H. et. al.: „Motion estimation algorithm using interblock correlation“. In: Electronic Letters, 1st March 1990, Vol. 26, No. 5, D7 ZHANG, Kui; BOBER, Miroslaw; KITTLER, Josef: Image sequence coding using multiple-level segmentation and affine motion estimation; IEEE Journal on selected areas in communications, Vol. 15, No. 9, December 1997 D8 KIM, Sung Deuk / RA, jong Beom: A new motion vector coding technique using minimum bitrate prediction” ITG-Fachbericht 143, PCS 97, 1997 Picture coding symposium, 1997.

Die Klägerin beantragt,

das europäische Patent EP 1 206 881 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 17 bis 28 und 46 bis 56 für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise verteidigt sie ihr Streitpatent in Bezug auf die angegriffenen Ansprüche 17 bis 28 und 46 bis 56 mit Hilfsantrag 5a), überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 1. Oktober 2014, Hilfsanträgen 5b) und 5c) (Schriftsatz vom 9. Januar 2015), Hilfsanträgen 1) und 2) (Schriftsatz vom 15. Mai 2014), Hilfsanträgen 3) bis 5), Schriftsätze vom 27. August 2014 und 17. September 2014, Hilfsantrag 6a), überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 1. Oktober 2014 in dieser Reihenfolge.

Die unabhängigen Patentansprüche 17 und 44 laut Hilfsantrag 5a) haben folgende Fassung (Unterschiede zur erteilten Fassung in Fettdruck):

Patentanspruch 17:

Verfahren zum Decodieren von codierten Informationen, die eine Videosequenz darstellen, die gemäß dem Verfahren nach Anspruch 1 codiert worden ist, wobei die Videosequenz mehrere Videorahmen enthält, wobei das Decodierungsverfahren gekennzeichnet ist durch: Empfangen codierter Informationen, die ein Segment eines momentanen Rahmens der Videosequenz darstellen; Identifizieren einer Codierungsbetriebsart der codierten Informationen, wobei die Codierungsbetriebsart eine Betriebsart aus wenigstens einer ersten bewegungskompensierten prädiktiven Codierungsbetriebsart und einer zweiten bewegungskompensierten prädiktiven Codierungsbetriebsart ist; falls die identifizierte Codierungsbetriebsart die erste Codierungsbetriebsart ist, Rekonstruieren des Segments des momentanen Rahmens der Videosequenz unter Verwendung eines ersten Bewegungsfeldmodells, das unter Verwendung einer bewegungskompensierten Prädiktion in Bezug auf einen vorher codierten Rahmen der Videosequenz abgeleitet wird; und falls die identifizierte Codierungsbetriebsart die zweite(n) Codierungsbetriebsart ist, Berechnen von Anzahl und Ort von Anwärtersegmenten, wobei ein Anwärtersegment ein angrenzendes vorher codiertes Segment ist, dessen Bewegungsfeldmodell ungleich Null ist, Auswählen eines der Anwärtersegmente entsprechend wenigstens einem Auswahlbit, welches in den codierten Informationen, die das Segment des momentanen Rahmens der Videosequenz darstellen, empfangen wurde, wobei die Anzahl der empfangenen Auswahlbits verringert ist in Abhängigkeit von einer Verringerung der Anzahl der Anwärtersegmente, und Rekonstruieren des Segments des momentanen Rahmens der Videosequenz unter Verwendung eines zweiten Bewegungsfeldmodells auf der Grundlage eines Bewegungsfeldmodells, das für ein angrenzendes vorher codiertes Segment des momentanen Rahmens bestimmt wird, unter Verwendung des ausgewählten Anwärtersegments.

Patentanspruch 44:

Videodecodierer (14) zum Decodieren codierter Informationen, die eine Videosequenz darstellen, die durch den Videocodierer nach Anspruch 27 codiert worden sind, wobei die Videosequenz mehrere Videorahmen enthält, wobei der Decodierer dadurch gekennzeichnet ist, dass er umfasst Mittel (52) zum Empfangen codierter Informationen, die ein Segment eines momentanen Rahmens der Videosequenz darstellen; Mittel (36), die eine Codierungsbetriebsart der codierten Informationen identifizieren, wobei die Codierungsbetriebsart eine aus wenigstens einer ersten bewegungskompensierten prädiktiven Codierungsbetriebsart und einer zweiten bewegungskompensierten prädiktiven Codierungsbetriebsart ist; Mittel (26, 36, 54, 56), die das Segment des momentanen Rahmens der Videosequenz unter Verwendung eines ersten Bewegungsfeldmodells und einer bewegungskompensierten Prädiktion in Bezug auf einen vorher codierten Rahmen der Videosequenz rekonstruieren, falls die identifizierte Codierungsbetriebsart die erste Codierungsbetriebsart ist; und Mittel (26, 36, 54, 56), die Anzahl und Ort von Anwärtersegmenten berechnen, wobei ein Anwärtersegment ein angrenzendes vorher codiertes Segment ist, dessen Bewegungsfeldmodell ungleich Null ist, eines der Anwärtersegmente entsprechend wenigstens einem Auswahlbit auswählen, welches Auswahlbit in den codierten Informationen, die das Segment des momentanen Rahmens der Videosequenz darstellen, empfangen wurde, wobei die Anzahl der empfangenen Auswahlbits verringert ist in Abhängigkeit von einer Verringerung der Anzahl der Anwärtersegmente, und die das Segment des momentanen Rahmens der Videosequenz unter Verwendung eines zweiten Bewegungsfeldmodells auf der Grundlage eines Be- wegungsfeldmodells, das für ein angrenzendes vorher codiertes Segment des momentanen Rahmens bestimmt worden ist, unter Verwendung des ausgewählten Anwärtersegments rekonstruieren, falls die identifizierte Codierungsbetriebsart die zweite Codierungsbetriebsart ist.

Wegen des Wortlauts der auf die vorgenannten Ansprüche laut Haupt- und Hilfsantrag 5a) mittelbar oder unmittelbar rückbezogenen Unteransprüche 18 bis 28 und 47 bis 56 bzw. 18 bis 26 und 45 bis 52 wird auf die Streitpatentschrift sowie den Akteninhalt (Bl. 667 bis 674 GA), wegen des Wortlauts der weiteren Hilfsanträge auf den Akteninhalt (Hilfsantrag 5b: Bl. 681-687 GA, Hilfsantrag 5c: Bl. 695701 GA, Hilfsantrag 1: Bl. 337 f. GA, Hilfsantrag 2: Bl. 341 f. GA, Hilfsantrag 3: Bl. 457 GA, Hilfsantrag 4: Bl. 459 GA, Hilfsantrag 5: Bl. 461 GA, Hilfsantrag 6a: Bl. 570-572 GA) verwiesen.

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in jeder Hinsicht entgegen. Weder sei das Streitpatent unzulässig geändert noch fehle seinen Gegenständen die Patentfähigkeit, da es durch den vorgelegten Stand der Technik weder neuheitsschädlich vorweggenommen noch nahegelegt sei.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG mit Schreiben vom 8. Juli 2014 zugestellt. Wegen des Inhalts wird auf Blatt 347 bis 365 GA Bezug genommen.

Entscheidungsgründe A.

Die Klage, mit der die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ i. V. m. Art. 54 Abs. 1, 2 und Art. 56 EPÜ), der unzulässigen Erweiterung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. c i. V. m. Art. 123 Abs. 2 EPÜ) und der fehlenden Ausführbarkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. b EPÜ) geltend gemacht werden, ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet.

In der Fassung des Hilfsantrags 5a ist das Streitpatent patentfähig.

Im Einzelnen ist auszuführen:

I. Zum Hauptantrag (erteilte Fassung der Patentansprüche 17 bis 28 und 46 bis 56)

1. Das Streitpatent betrifft die Nutzung der Bewegungskompensation bei der Codierung einer Videosequenz, insbesondere eine Vorrichtung und ein Verfahren für die Codierung und Decodierung einer Videosequenz unter Nutzung einer bewegungskompensierten Prädiktion. Die Bewegungsfelder eines Videosegments werden aus benachbarten Segmenten eines Videorahmens prognostiziert. Hierdurch können Bewegungs-Vektorfelder mit einer reduzierten Bitzahl gebildet werden, während gleichzeitig der Vorhersagefehler niedrig gehalten wird (Streitpatent, [0001]).

Das Streitpatent geht davon aus, dass die Fortschritte in der digitalen Kommunikationstechnik die Entwicklung neuer verbesserter Kommunikationsformen erlauben. Beispielsweise seien Video-Kommunikationssysteme vorgeschlagen worden, die die Übertragung von Videobildern während einer Videokonferenz erlaubten (Streitpatent, [0002], [0003]).

Videosequenzen umfassten eine Folge von Bildern, die in schneller Folge (15 – 30 Videoframes pro Sekunde) dargestellt würden, um den Eindruck einer Bewegung hervorzurufen. Aufeinanderfolgende Videorahmen tendierten allerdings dazu, einander sehr ähnlich zu sein. So umfasse eine typische Szene einige stationäre Elemente, wie den Hintergrund, und einige bewegte Anteile, wie bewegten Verkehr (Streitpatent, [0005]).

Ein einzelnes Videobild werde hierbei repräsentiert durch einen Videorahmen, der aus einer großen Anzahl von Bildpunkten (Pixeln) aufgebaut sei. Eine große Anzahl dieser Videorahmen sei wiederum notwendig, um eine Videosequenz darzustellen. In der Folge sei die Datenmenge, die zur Übertragung einer Videosequenz benötigt werde, sehr groß (Streitpatent, [0004]). Das Problem bei der Übertragung von Videosequenzen bestehe also in der großen Menge von Information, die vom Sender zum Empfänger übertragen werden müsse (Streitpatent, [0006], [0007]).

In vielen Situationen stünde jedoch kein kapazitätsstarker Übertragungskanal zur Verfügung, so z. B. in Mobilfunknetzwerken. Es existiere bereits eine Anzahl von internationalen Standards, welche die Rahmenbedingungen für die VideoCodierung in solchen Umgebungen festlegten. Das Streitpatent nennt in diesem Zusammenhang die ITU-Standards H.261 und H.263 welche beide Gebrauch von einer Bewegungsprädiktions-Codierung machten (Streitpatent, [0011]).

Da – wie ausgeführt – eine typische Videosequenz mit einer vergleichsweise hohen Frame-Rate aufgenommen werde, bestehe zwischen den einzelnen Bildern in der Regel nur ein geringer Unterschied. So sei oft der Hintergrund stationär und nur einige Objekte des Bildes vollzögen eine gewisse Bewegung (Streitpatent, [0013]). Diese Redundanz könne genutzt werden, um die bezüglich einer Videosequenz zu übertragende Datenmenge zu reduzieren. Ein (Video-)Rahmen könne aus dem vorher übertragenen (dem sog. Referenzrahmen) vorhergesagt werden und es müssten nur die Unterschiede zwischen den beiden Rahmen codiert und übermittelt werden. Diese Art der Codierung sei als INTER-Codierung bekannt. Der Sender vergleiche den Referenzrahmen und den aktuell zu übertra- genden Rahmen, identifiziere die Unterschiede, codiere diese und übertrage sie zum Empfänger. Der Empfänger addiere die übertragenen Unterschiede zu dem auch ihm bekannten Referenzrahmen und rekonstruiere so den zu übertragenden Rahmen, der nun der neue Referenzrahmen werde (Streitpatent, [0014]).

In einigen Situationen könne diese Prädiktion allerdings nicht angewandt werden, so zum Beispiel beim ersten Rahmen einer Sequenz (denn dann gibt es ja noch keinen Referenzrahmen) oder bei Szenenschnitten (denn dann ist die Redundanz zwischen zwei Folgerahmen klein). In diesen Fällen müsse der gesamte Rahmen (nicht nur die Differenzen) übertragen werden, dies sei als INTRA-Codierung bekannt. Viele Codierungsverfahren nutzten auch diese INTRA-Codierung periodisch (alle 10 bis 20 Frames), da sich sonst die Codierungsfehler über die Maßen akkumulieren würden (Streitpatent, [0015]).

Die Bewegungsprädiktions-Codierung wiederum könne als Erweiterung der INTER-Codierung angesehen werden. Im Codierer werde der aktuelle Rahmen segmentweise untersucht und ein Vergleich zwischen jedem Segment des aktuellen Rahmens und dem Referenzrahmen vorgenommen, um eine bestmögliche Ähnlichkeit zwischen Pixeln im aktuellen Segment und Pixelgruppen im Referenzrahmen zu finden (Streitpatent, [0017]). Ist eine solche gefunden, wird die Korrespondenz zwischen dem aktuellen Segment und dem Segment des Referenzrahmens mittels Bewegungsvektoren beschrieben. Ein Bewegungsvektor könne hierbei beispielsweise als Verschiebungsvektor mit einer horizontalen und einer vertikalen Komponente verstanden werden. Der Vektor zeige von dem aktuellen Segment zu einer Pixelgruppe (Segment) im Referenzrahmen. Der Bewegungsvektor identifiziere somit den „Ursprung“ der Pixelgruppe im aktuellen Frame durch einen Vergleich mit dem Referenzrahmen. Die Codierung werde durchgeführt, bis der Ursprung aller Segmente des aktuellen Rahmens identifiziert sei. Die so erhaltene Menge von Bewegungsvektoren könne als Bewegungs-Vektoren-Feld betrachtet werden, das die Korrespondenz zwischen den beiden betrachteten Rahmen beschreibe (Streitpatent, [0019]).

Die Codierung eines gesamten Rahmens, Segment für Segment, bei Nutzung von Bewegungsvektoren erzeuge eine sehr effiziente Beschreibung des aktuellen Rahmens, da vergleichsweise wenige Bits benötigt würden, um die Bewegung jedes Segments als Bewegungsvektor zu codieren. Allerdings entstünden auch Codierungsfehler und Informationsverluste. Typischerweise sei es eben nicht möglich, alle Situationen korrekt zu codieren. Dies rühre aus folgendem Umstand her: Um die zu übertragende Datenmenge weiter zu reduzieren, nutzten bewegungsprädiktive Codierer typischerweise ein Bewegungsmodell, um die Art zu beschreiben, wie sich Pixelgruppen von Rahmen zu Rahmen verändern könnten. Das Bewegungs-Vektoren-Feld würde bei Verwendung solcher Modelle unter Nutzung eines Satzes von Basisfunktionen beschrieben. Der Bewegungsvektor sei dann eine Linearkombination solcher, jeweils mit Koeffizienten multiplizierter, Basisfunktionen. Da das Modell nicht geeignet sei, das Bewegungs-Vektoren-Feld exakt zu beschreiben, entstünde ein zusätzlicher Fehler. Trotzdem beinhalte dieses Vorgehen einen großen Vorteil, da nur die Koeffizienten selbst übertragen werden müssten, weil die Basisfunktionen selbst dem Sender (Codierer) wie dem Empfänger (Decodierer) bekannt seien. So sehe der Standard H.263 ein translatorisches Bewegungsfeldmodell vor, d. h. eines, dessen Basisfunktionen nur lineare Bewegungen in x- und y-Richtung beschreiben könnten, nicht jedoch Rotationen oder Verderhungen (Streitpatent, [0020]).

Schließlich würden typische bewegungsprädiktive Codierer, um den Fehler, der durch den Bewegungsfeld-Codierungsprozess eingeführt werde, zu kompensieren, eine Fehlerschätzungs-Funktion beinhalten. Eine Information über den Prädiktions-(Vorhersage-)Fehler werde zusammen mit den Bewegungsfeld-ModellKoeffizienten zum Dekoder übertragen. Um den Fehler zu schätzen, würde der Codierer selbst auch eine Decodiereinrichtung besitzen, identisch zu der im Dekoder. Sei nun der aktuelle Rahmen codiert, wobei wie beschrieben eine Bewegungsprädiktion verwendet wurde, rekonstruiere der „Decodierer im Codierer“ den aktuellen Rahmen und vergleiche ihn mit der Originalversion des aktuellen Rahmens. Durch diesen Vergleich könne ein Prädiktions-Fehler-Rahmen erstellt werden, der den Unterschied zwischen dem codierten Rahmen und dem originalen aktuellen Rahmen beinhalte. Diese Information werde nun zusammen mit den Bewegungsfeld-Modell-Koeffizienten an den Dekoder übermittelt (Streitpatent, [0021]).

Trotz all dieser im Stand der Technik bekannten Maßnahmen sei jedoch immer noch eine signifikante Menge an Daten zu übertragen, um eine Videosequenz zu repräsentieren (Streitpatent, [0022]).

2. Das Streitpatent stellt sich der Aufgabe, eine verbesserte Weise bereitzustellen, wie Videosequenzen mit einer reduzierten Menge von Bits bzw. einer reduzierten Bitrate codiert werden können und gleichzeitig der Prädiktions-Fehler gering gehalten werden kann (Streitpatent, [0023]).

3. Der Kern der Lösung des Streitpatents besteht darin, dass für jedes Segment eines zu übertragenden Videorahmens verglichen wird, ob die Verwendung eines ersten Bewegungsfeldmodells, das unter Verwendung einer bewegungskompensierten Prädiktion in Bezug auf einen vorher codierten Rahmen (neu) erzeugt wurde oder eines zweiten Modells, das auf Basis eines Bewegungsfeldmodells eines vorher codierten benachbarten Segments des momentanen Rahmens bestimmt wurde, günstiger ist. Kann das auf Basis eines Bewegungsfeldmodells eines vorher codierten benachbarten Segments des momentanen Rahmens bestimmte Bewegungsmodell „wiederverwendet“ werden, kann die Menge der Information, die an den Decodierer übertragen werden muss, reduziert werden, da dann der Bewegungsvektor selbst nicht übertragen werden muss. Das günstigere Modell wird schließlich verwendet (vgl. Patentanspruch 1).

Die mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen unabhängigen Patentansprüche 17 und 46 beziehen sich auf die Decodierung von Videosequenzen, die – wie gerade beschrieben – unter Verwendung von zwei verschiedenen Modellen codiert worden sind.

Der erteilte nebengeordnete Patentanspruch 17 lässt sich (in Anlehnung an den Vorschlag der Klägerin) wie folgt gliedern:

M 1 A method of decoding encoded information representative of a video sequence, which has been encoded according to the method of claim 1, said video sequence comprising a plurality of video frames, the decoding method being characterized by: Verfahren zum Decodieren von codierten Informationen, die eine Videosequenz darstellen, die gemäß dem Verfahren nach Anspruch 1 codiert worden ist, wobei die Videosequenz mehrere Videorahmen enthält und wobei das Decodierungsverfahren gekennzeichnet ist durch:

M2 receiving encoded information representative of a segment of a current frame of said video sequence; Empfangen codierter Informationen, die ein Segment eines momentanen Rahmens der Videosequenz darstellen; M3 identifying a coding mode of the encoded information, the coding mode being one of at least a first coding mode and a second coding mode; Identifizieren einer Codierungsart der codierten Informationen, wobei die Codierungsart eine von wenigstens einer ersten Codierungsart und einer zweiten Codierungsart ist; M4 if the identified coding mode is said first coding mode, reconstructing the segment of the current frame of said video sequence using a first motion field model derived using motion compensated prediction with respect to a previously-encoded frame of the video sequence; falls die identifizierte Codierungsart die erste Codierungsart ist, Rekonstruieren des Segments des momentanen Rahmens der Videosequenz unter Verwendung eines ersten Bewegungsfeldmodells, das unter Verwendung von bewegungskompensierter Prädiktion in Bezug auf einen vorher codierten Rahmen der Videosequenz abgeleitet wird; M5 if the identified coding mode is said second coding mode, reconstructing the segment of the current frame of said video sequence using a second motion field model based on a motion field model determined for an adjacent previously-encoded segment of the current frame. falls die identifizierte Codierungsart die zweite Codierungsart ist, Rekonstruieren des Segments des momentanen Rahmens der Videosequenz unter Verwendung eines zweiten Bewegungsfeldmodells auf der Basis eines Bewegungsfeldmodells, das für ein benachbartes vorher codiertes Segment des momentanen Rahmens bestimmt worden ist.

Der erteilte nebengeordnete Patentanspruch 46 lässt sich (in Anlehnung an den Vorschlag der Klägerin) wie folgt gliedern:

M46.1 A video decoder (14) for decoding encoded information representative of a video sequence, which has been encoded by a video encoder according to claim 29, said video sequence comprising a plurality of video frames, the decoder being characterized in that it includes: Videocodierer (14) zum Decodieren von codierten Informationen, die eine Videosequenz darstellen, die durch einen VideoCodierer gemäß Anspruch 29 codiert worden sind, wobei die Videosequenz mehrere Videorahmen enthält und wobei der Decodierer umfasst:

M46.2 means (52) for receiving encoded information representative of a segment of a current frame of said video sequence; Mittel (52) zum Empfangen codierter Informationen, die ein Segment eines momentanen Rahmens der Videosequenz darstellen; M46.3 means (36) for identifying a coding mode of the encoded information, the coding mode being one of at least a first coding mode and a second coding mode; Mittel (36) zum Identifizieren einer Codierungsart der codierten Informationen, wobei die Codierungsart eine von wenigstens einer ersten Codierungsart und einer zweiten Codierungsart ist; M46.4 means (26, 36, 54, 56) for reconstructing the segment of the current frame of said video sequence using a first motion field model and motion compensated prediction with respect to a previously-encoded frame of the video sequence if the identified coding mode is said first coding mode; and Mittel (26, 36, 54, 56) die das Segments des momentanen Rahmens der Videosequenz unter Verwendung eines ersten Bewegungsfeldmodells und bewegungskompensierten Prädiktion in Bezug auf einen vorher codierten Rahmen der Videosequenz rekonstruieren, falls die identifizierte Codierungsart die erste Codierungsart ist; und M46.5 means (26, 36, 54, 56) for reconstructing the segment of the current frame of said video sequence using a second motion field model based on a motion field model determined for an adjacent previously-encoded segment of the current frame if the identified coding mode is said second coding mode. Mittel (26, 36, 54, 56) die das Segment des momentanen Rahmens der Videosequenz unter Verwendung eines zweiten Bewegungsfeldmodells auf der Basis eines Bewegungsfeldmodells, das für ein benachbartes vorher codiertes Segment des momentanen Rahmens bestimmt worden ist rekonstruieren, falls die identifizierte Codierungsart die zweite Codierungsart ist.

Bezüglich der weiteren angegriffenen abhängigen Patentansprüche wird auf die Patentschrift verwiesen.

4. Der Senat erachtet als maßgeblichen Fachmann einen Diplomingenieur der Nachrichtentechnik mit Hochschulausbildung, der schwerpunktmäßig mit der Video- und Fernsehtechnik und der zugehörigen Übertragungstechnik befasst ist und über Kenntnisse der Standardisierungsvorschriften verfügt, die bei der Entwicklung und Inbetriebnahme von Video- und Fernsehgeräten und den zur Anwendung kommenden Übertragungsverfahren zu berücksichtigen sind.

5. Einige Begriffe des Patentanspruchs bedürfen der Auslegung. Der Senat geht von folgendem den einzelnen Begriffen zugrunde zulegenden fachmännischen Verständnis und Bedeutungsinhalt aus:

Videorahmen (video frame)

Ein Videorahmen entspricht einem Videostandbild und setzt sich typischerweise aus einer großen Anzahl von Pixeln zusammen; im Streitpatent genannt ist u. a. ein beispielhafter Videorahmen, welcher aus 640 auf 480 Pixeln besteht, wobei jedes Pixel eine RGB-Farbdarstellung von 8 bit pro Farbkomponente besitzt (SP, [0004], [0005]).

Videosequenz (video sequence)

Eine Videosequenz besteht aus einer Anzahl von Videorahmen, welche in schneller Abfolge dargestellt werden, um den Eindruck einer Bewegung zu erzeugen (SP, [0005]).

Segment (segment)

Das Streitpatent versteht unter einem Segment eine Menge von Pixeln eines Frames. Es können verschiedene Segmentierungsschemata angewendet werden, um einen Frame in – nicht zwingend disjunkte - Segmente zu zerlegen (Streitpatent, [0017], [0018]).

Codierung, INTRA-Codierung, INTER-Codierung (coding, INTRA coding, INTER coding)

Das Streitpatent geht davon aus, dass bereits im Stand der Technik eine Videocodierung genutzt wird, um die zur Darstellung einer Videosequenz notwendige Datenmenge zu verringern (Streitpatent, [0009]). Die einfachste Form einer solchen Codierung stellt die INTRA-Codierung da, bei der jeweils ein Rahmen (für sich) codiert und übertragen wird (Streitpatent, [0015]). Effizienter ist die INTER-Codierung, die den oft hohen Grad der Korrelation zwischen aufeinanderfolgenden Rahmen in einer Videosequenz nutzt. Hierbei wird nur die Differenz zwischen dem momentanen (zu codierenden) Rahmen und einem vorhergehenden Rahmen der Sequenz (dem Referenzrahmen) übertragen und im Empfänger wieder zu dem Referenzrahmen addiert (Streitpatent, [0014]).

bewegungskompensierte Prädiktion, Bewegungsvektor (motion compensated prediction, motion vector)

Eine Fortentwicklung der INTER-Codierung, eben die bewegungskompensierte Prädiktion, bildet nun nicht einfach die Differenz zwischen zwei Folgerahmen, sondern untersucht den jeweils momentanen (zu codierenden) Rahmen segmentweise. Für jedes Segment des momentanen Rahmens wird der „Ursprung“ im vorhergehenden Rahmen gesucht. Vereinfacht heißt dies, dass Bildbereiche, die über mehrere Einzelbilder hinweg sehr ähnlich aussehen, nicht ein weiteres Mal komplett gespeichert werden müssen, sondern nur die Veränderung ihrer Position gegenüber anderen Bildern. Findet sich für ein Segment ein ähnlicher Bildausschnitt, so wird nur der Verschiebungsvektor gespeichert um den sich dieser Ausschnitt von Rahmen zu Rahmen bewegt; dieser Vektor wird im Streitpatent als Bewegungsvektor bezeichnet (Streitpatent, [0016] bis [0019]).

Bewegungsvektorfeld, Bewegungs(vektorfeld)modell (motion vector field, motion (vector field) model)

Wie ausgeführt, wird bei der bewegungskompensierten Prädiktion für jedes Segment des momentanen Rahmens der „Ursprung“ im vorhergehenden Rahmen gesucht und seine Verschiebung gegenüber der Lage des Segmentes im momentanen Rahmen als Bewegungsvektor ermittelt. Die Gesamtheit der Bewegungsvektoren für alle Segmente des momentanen Rahmens bezeichnet das Streitpatent als Bewegungsvektorfeld (Streitpatent, [0019]). Die zur Darstellung eines Bewegungsvektors bzw. eines Bewegungsvektorfeldes notwendige Datenmenge kann gemäß Streitpatent reduziert werden, wenn ein Bewegungsmodell verwendet wird, um Bewegungsvektoren als Linearkombination von Basisfunktionen, welche primär das Bewegungsmodell ausbilden, darzustellen (Streitpatent, [0020]). Die Bewegungsvektoren werden also durch eine Summe approximiert, die als Summanden jeweils Basisfunktionen multipliziert mit Koeffizienten umfasst. Da die Basisfunktionen sowohl dem Codierer wie dem Decodierer bekannt sind, müssen nur die (relevanten) Koeffizienten übertragen werden (vgl. auch Streitpatent, [0044]). Wenn das Streitpatent davon spricht, dass „ein Bewegungsmodell bestimmt wird“, meint es damit die Bestimmung der Koeffizienten, mittels derer (unter Zugrundelegung definierter Basisfunktionen) ein Bewegungsvektor bzw. ein Bewegungsvektorfeld approximiert werden kann (vgl. insb. [0044] bis [0047]). Dies steht auch in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Beklagten in der Widerspruchsbegründung vom 25. Januar 2013, S. 6, le. Abs.: „Ein Bewegungsmodell lässt sich daher als Summe von mehr oder weniger dieser Basisfunktionen multipliziert mit jeweiligen Koeffizienten darstellen.“

Das Streitpatent nennt in diesem Zusammenhang als bekannten Stand der Technik den ITU-Standard H.263, der ein Translationsbewegungsfeldmodell nutze, dessen Basisfunktionen lediglich eine geradlinige Bewegung in x- bzw. y-Richtung darstellen könnten (vgl. ebenda). Weiter nennt das Streitpatent ein (orthogonales) affines Bewegungsvektorfeldmodell, mittels welchem auch weitere Bewegungen,

wie Drehungen oder Stauchungen (Zoomen) abgebildet werden könnten (Streitpatent, [0026] bis [0029]).

Codierungsart (coding mode)

Unter einer Codierungsart versteht der Fachmann zunächst schlicht die Art und Weise, wie Information codiert wurde.

In der Sprache des Streitpatents bezeichnet die Codierungsart insbesondere das Ergebnis der Wahl zwischen den verschiedenen Wegen, auf denen ein gegebenes Segment codiert werden kann (vgl. Streitpatent [0046]). Insoweit ist die Auslegung der Beklagten eher eng (vgl. Widerspruchsbegründung, S. 7, 2. Abs.: „Der Begriff Codierungsbetriebsart bezeichnet die Art und Weise, wie und/oder woraus die jeweiligen Bewegungsmodelle der Segmente bestimmt werden.“). Aber auch damit wird ausgedrückt, dass wenn man Bewegungsmodelle auf zwei verschiedene Arten bestimmt, damit zwei Codierungsarten (oder gleichbedeutend: Codierungsbetriebsarten) verwendet werden.

Im Streitpatent genannt werden - ohne dass die Codierungsart anspruchsgemäß hierauf eingeschränkt wäre - hierfür grundsätzlich zwei Möglichkeiten (vgl. ebenda):

1.) Ein gegebenes Segment kann als eine Summe eines Prädiktions(vektor)felds und eines Verfeinerungsfelds dargestellt werden oder das Segment kann lediglich als ein Prädiktions(vektor)feld dargestellt werden. Letztere Situation kann entstehen, wenn das Segment hinsichtlich des Bewegungsfelds eines oder mehrerer seiner vorher codierten Nachbarn adäquat dargestellt werden kann und keine Verfeinerungsinformationen erforderlich sind oder falls der Codierer festgestellt hat, dass es effizient ist, das Verfeinerungsfeld auf null zu verringern.

2.) Das besagte Segment kann unter Verwendung eines spezifisch für das Segment bestimmten Bewegungsmodells und unter Verwendung des Referenzrahmens codiert werden.

Abhängig von der verwendeten Codierungsart gibt es grundsätzlich zwei Arten von Informationen, die an den Decodierer übertragen werden müssen, um eine richtige Rekonstruktion eines gegebenen Segments zu ermöglichen (vgl. Streitpatent [0047]). Diese sind:

1.) Auswahlinformationen, die ermöglichen, dass die Decodierer das richtige Nachbarelement bzw. die richtigen Nachbarelemente zur Verwendung bei der Prädiktion auswählt bzw.

2.) Bewegungskoeffizient-Informationen.

Im Rahmen der Patentansprüche 17 und 46 dient der ermittelte „coding mode“ vorrangig dafür, die Art der anzuwendenden Decodierung festzulegen.

„gemäß dem Verfahren nach Anspruch 1 codiert“ bzw. „nach Anspruch 29 codiert“

Die Fassungen der erteilten Patentansprüche 1 bzw. 29 beschreiben die „Codiererseite“ der streitpatentgemäßen Lehre. Ihnen gemäß wird ein Segment des momentanen Rahmens codiert unter Verwendung entweder

1.) eines ersten Bewegungsfeldmodells unter Verwendung einer bewegungskompensierten Prädiktion in Bezug auf einen vorher codierten Rahmen der Videosequenz oder

2.) eines zweiten Bewegungsfeldmodells auf der Grundlage eines Bewegungsfeldmodells, das für ein benachbartes vorher codiertes Segment des momentanen Rahmens bestimmt wurde, und ggfls. Verfeinerungsinformationen.

Insoweit bestimmen die erteilten Patentansprüche 1 bzw. 29 die Verwendung der o. g. Codierungsarten.

6. Der Gegenstand des Patentanspruchs 17 gemäß Hauptantrag ist nicht neu. Er war zum Prioritätszeitpunkt mit der Druckschrift D5 (LANG, S.-H., KIM, S.-D.: Backward predictive block matching algorithm for low bit rate video coding, 29. August 1991) bereits bekannt.

Die Druckschrift D5 betrifft einen speziellen Algorithmus für ein rückwärts prädiktives „block matching“, kurz: rückwärts prädiktiver BMA („backward predictive block matching algorithm“), bei dem der Codierer keinen Bewegungsvektor an den Decodierer übertragen muss. Stattdessen schätzt der Decodierer den Bewegungsvektor unter Verwendung ihm bereits bekannter, zuvor abgeschätzter Bewegungsvektoren (D5, abstract, S. 1674). Diesen Algorithmus kombiniert die Druckschrift D5 mit dem bekannten Algorithmus für ein vorwärts prädiktives block matching (bei dem der Codierer einen Bewegungsvektor an den Decodierer überträgt; vgl. S. 1674, erster Absatz) zu einem so genannten Algorithmus für ein adaptives vorwärts oder rückwärts prädiktives block matching (D5, S. 1675, rechte Spalte, erster Absatz). Abhängig vom jeweiligen Vorhersagefehler der beiden Algorithmen wählt der Codierer für einen zu codierenden Block adaptiv den einen oder den anderen Algorithmus aus und informiert den Decodierer auch über die jeweils getroffene Auswahl (D5, S. 1675, rechte Spalte, zweiter Absatz).

Im Einzelnen zeigt die Druckschrift D5 unmittelbar und eindeutig:

M 1 A method of decoding encoded information (für den Fachmann selbstverständlich wurde die gemäß dem adaptiven Codierungsverfahren der D5 codierte Testsequenz [vgl. nur S. 1675, 3. Absatz] auch wieder decodiert, sonst wären die in den Figuren 2 bis 4 dargestellten Daten nicht ermittelbar) representative of a video sequence (hier der Testsequenz), which has been encoded according to the method of claim 1

(denn es wird entweder ein erstes Bewegungsfeldmodell [konventionelle bewegungskompensierte Prädiktion] unter Verwendung einer bewegungskompensierten Prädiktion in Bezug auf einen vorher codierten Rahmen der Videosequenz oder ein zweites Bewegungsfeldmodell [rückwärts-prädiktiver Segment-Findungs-Algorithmus] für das Segment des momentanen Videorahmens auf der Grundlage eines Bewegungsfeldmodells, das für ein benachbartes vorher codiertes Segment des momentanen Rahmens bestimmt wurde verwendet), said video sequence comprising a plurality of video frames (gemäß der D5 umfasst die Testsequenz 10 frames pro Sekunde, die Figuren 2 bis 4 zeigen jeweils die Daten von 50 übertragenen frames, vgl. S. 1675, 3. Absatz).

M2 receiving encoded information representative of a segment of a current frame of said video sequence (denn es wird segmentweise entweder der rückwärts-prädiktive Segment-Findungs-Algorithmus oder die konventionelle bewegungskompensierte Prädiktion angewendet (vgl. S. 1675, 1. Absatz) und die zugehörigen Daten segmentweise übertragen (vgl. S. 1675, 3. Absatz: “A difference from the standard coder is that in each coded block, backward/forward decision information is transmitted...”); M3 identifying a coding mode of the encoded information, the coding mode being one of at least a first coding mode and a second coding mode (vgl. wiederum S. 1675, 3. Absatz: “…in each coded block, backward/forward decision information is transmitted…” ; M4 if the identified coding mode is said first coding mode (hier: konventionelle bewegungskompensierte Prädiktion), reconstructing the segment of the current frame of said video sequence using a first motion field model derived using motion compensated prediction with respect to a previously-encoded frame of the video sequence (denn in diesem Fall wird die konventionelle segmentbasierte bewegungskompensierte Prädiktion genutzt, vgl. S. 1674, re. Spalte, Introduction); M5 if the identified coding mode is said second coding mode (hier: der mit der D5 neu vorgestellte rückwärts-prädiktive Segment-Findungs-Algorithmus), reconstructing the segment of the current frame of said video sequence using a second motion field model based on a motion field model determined for an adjacent previously-encoded segment of the current frame (denn in diesem Fall wird der Bewegungsvektor des Segments zunächst als gewichtete Summe bereits geschätzter benachbarter Bewegungsvektoren [und zwar des „linken“ und des „oberen“ benachbarten Segments] angenommen (vgl. S. 1675, li. Spalte, 3. Absatz, insb. Gleichung (1)). Dieser angenommene Bewegungsvektor wird dann noch summiert mit einem Korrekturvektor und so der endgültige Bewegungsvektor bestimmt (vgl. S. 1675, li. Spalte, 4. Absatz, insb. Gleichung (3)). Insgesamt wird also das Segment des momentanen Rahmens der Videosequenz rekonstruiert und zwar unter Verwendung eines Bewegungsfeldmodells auf der Basis eines Bewegungsfeldmodells, das für ein benachbartes vorher codiertes Segment des momentanen Rahmens bestimmt worden ist, denn mit diesem wird zumindest die gewichtete Summe bereits geschätzter benachbarter Bewegungsvektoren gebildet).

Die Beklagte trägt zur Druckschrift D5 vor, diese offenbare nicht das Merkmal M5. Sie begründet dies insbesondere damit, dass es sich bei den mit dem in der Druckschrift D5 gelehrten rückwärts prädiktiven BMA („backward predictive block matching algorithm“) gewonnenen Bewegungsvektoren, die aus zuvor abgeschätzten Bewegungsvektoren sowie rekonstruierten Pixeln in Nachbarschaft eines zu codierenden Blocks abgeschätzt werden, um keine Bewegungsvektoren im Sinne des Klagepatents handle. Zwar könne der vorhergesagte Bewegungsvektor (upi,j, vpi,j) einen echten Bewegungsvektor im Sinne des Streitpatents darstellen, da er aus den beiden Bewegungsvektoren gemittelt werde, die zuvor für die links und oberhalb des aktuellen Blocks liegenden Blöcke ermittelt wurden (D5, S. 1675, linke Spalte, Gleichung (1)). Indem der Korrekturvektor (uci,j, vci,j) - welcher keinen echten Bewegungsvektor im Sinne des Streitpatents darstelle - zu dem vorhergesagten Bewegungsvektor (upi,j, vpi,j) mathematisch addiert werde, verliere dieser die Eigenschaft eines echten Bewegungsvektors.

Hierzu ist zunächst zu beachten, dass die Art der Schätzung bzw. Ermittlung eines Bewegungsvektors nicht zwingend etwas an seiner Bedeutung als quantifizierte Abbildungsvorschrift zwischen Pixeln bzw. Pixelgruppen zweier Frames ändert. Aber selbst wenn man sich der vorgenannten Beurteilung der Beklagten anschließen wollte, wäre trotzdem das Merkmal M5 erfüllt. Dieses fordert nämlich lediglich das Rekonstruieren des Segments des momentanen Rahmens der Videosequenz unter Verwendung eines zweiten Bewegungsfeldmodells auf der Basis eines Bewegungsfeldmodells, das für ein benachbartes vorher Codiertes Segment des momentanen Rahmens bestimmt worden ist. Folgt man dem Gedankengang der Beklagten, dann wird nach der Lehre der Druckschrift D5 das Segment des momentanen Rahmens der Videosequenz auf der Basis eines Bewegungsfeldmodells, das für ein benachbartes vorher codiertes Segment des momentanen Rahmens bestimmt worden ist, rekonstruiert, denn diese Basis bildet der – auch nach dem Vortrag der Beklagten „echte“ – Bewegungsvektor (upi,j, vpi,j). Diese Basis wird dann durch Addition des Korrekturvektors (uci,j, vci,j) verfeinert, wie dies auch das Streitpatent kennt (vgl. dort nur die Absätze [0021] und [0046]).

Auch die Druckschrift D6 zeigt alle Merkmale des Patentanspruchs 17 nach Hauptantrag. Die Druckschrift D6 betrifft einen Bewegungs-Prädiktions-Algorithmus unter Nutzung der blockweisen Korrelation (vgl. Titel). Die wesentliche Sachaussage der D6 besteht darin, dass bei der Codierung eines Blocks eines Videorahmens zunächst drei räumlich benachbarte Blöcke (vgl. die Blöcke 2, 3 und 4 in Fig. 1) und ein Block eines zeitlich vorausgehenden Rahmens (vgl. den Block 1 in Fig. 1) in einer zuvor experimentell ermittelten Reihenfolge dahingehend überprüft werden, ob einer ihrer Bewegungsvektoren (innerhalb einer vorgegebenen Fehlerschwelle) als guter Schätzwert für den zu findenden Bewegungsvektor des aktuell zu codierenden Blockes herangezogen werden kann (vgl. S. 276, linke Spalte, letzter Absatz und rechte Spalte bis Absatz (i)).

Sobald einer der „benachbarten“ Bewegungsvektoren diese Bedingung erfüllt, terminiert der Algorithmus und die Bezeichnung des zugehörigen Blockes wird ermittelt, zum Empfänger übertragen und dort der entsprechende Bewegungsvektor verwendet (dies stellt die „zweite Codierungsart“ i. S. d. Streitpatents dar; vgl. S. 276, rechte Spalte, Absätze (i) und (ii) sowie zweiter Absatz des Abschnittes (iv)).

Erfüllt keiner der „benachbarten“ Bewegungsvektoren diese Bedingung (kein „benachbarter“ Bewegungsvektor kann also als hinreichend gute Schätzung verwendet werden), wird ein Ausgangswert für die Berechnung eines Bewegungsvektors für den aktuell zu codierenden Block ermittelt und auf dieser Basis der Bewegungsvektor berechnet (dies stellt die „erste Codierungsart“ i. S. d. Streitpatents dar; vgl. S. 276, rechte Spalte, Absätze (iii) und (iv)).

Wie sich im Einzelnen zutreffend aus dem Vortrag der Klägerin in ihrer Eingabe vom 27. August 2014 (dort Abschnitt A) ergibt, offenbart die Druckschrift D6 alle Merkmale der erteilten Patentansprüche 17 und 46.

Die Beklagte hat zur Druckschrift D6 insbesondere vorgetragen, im Unterschied zu streitpatentgemäßen Lehre werde nach der Lehre der Druckschrift D6 an erster Stelle ein Segment des (zeitlich) vorhergehenden Rahmens und nicht die räumlich benachbarten Segmente herangezogen und der Fachmann würde auf die Prüfung des (zeitlich) vorhergehenden Segments auch nicht verzichten. Im Ergebnis kann dies dahinstehen, denn jedenfalls offenbart die Druckschrift die Verwendung von räumlich benachbarten Segmenten (vgl. nur die Bezugszeichen 2, 3 und 4 in Fig. 1). Dem Decoder wird – sofern eines dieser räumlich benachbarten Segmente Verwendung findet – die Kennzeichnung dieses Segments übermittelt (vgl. vgl. S. 276, rechte Spalte, Absätze (i) und (ii) sowie zweiter Absatz des Abschnittes (iv), dort insb. „Moreover, the motion vectors need not to be transmitted to the receiver except for the two bit label.“) und diese dient dort zur Rekonstruktion des aktuellen Segments des momentanen Rahmens der Videosequenz (in Fig. 1 der Druckschrift D6 mit einem Stern gekennzeichnet) unter Verwendung eines Bewegungsfeldmodells auf der Basis eines Bewegungsfeldmodells, das für ein benachbartes vorher codiertes Segment des momentanen Rahmens bestimmt worden ist (eben dem Bewegungsfeld, das für eines der Segmente 2, 3 oder 4 gemäß Fig. 1 der Druckschrift D6 zuvor im Wege der Ermittlung von dessen Bewegungsvektor bestimmt worden ist). Dass fallweise nach der Lehre der Druckschrift D6 nicht ein räumlich benachbartes Segment sondern ein Segment des zeitlich vorangehenden Rahmens genutzt wird (falls dessen Bewegungsvektor den besseren Schätzwert liefert), schmälert nicht die vorgenannte Offenbarung und ist somit für die neuheitsschädliche Wirkung der Druckschrift D6 ohne Belang, denn die mit der Druckschrift D6 gelehrte Verwendung eines räumlich benachbartes Segments stellt die hier relevante zweite Codierungsbetriebsart dar. Dass daneben noch eine weitere (dritte) Codierungsbetriebsart, welche die Verwendung eines Segments eines zeitlich vorangehenden Rahmens umfasst, gelehrt wird, ist für die Neuheitsschädlichkeit der Druckschrift D6 ohne Belang, da der Patentanspruch 17 offen lässt, ob es neben der wenigstens ersten und zweiten Codierungsart eine oder mehrere weitere Codierungsarten gibt (vgl. Merkmal 3 des Patentanspruchs 17).

Zur Überzeugung des Senates stehen auch die Druckschriften D1 und D2 dem Patentanspruch 17 patenthindernd entgegen. Insoweit wird auf den Hinweis des Senats vom 8. Juli 2014 verwiesen.

7. Der nebengeordnete Patentanspruch 46 hat in der Sache nichts anderes als die Formulierung der im Patentanspruch 17 als Verfahrensanspruch niedergelegten Lehre in Form eines Vorrichtungsanspruchs zum Gegenstand. Die Gesichtspunkte, die der mangelnden Schutzfähigkeit des Patentanspruchs 17 zugrunde liegen, gelten daher für den Patentanspruch 46 gleichermaßen.

8. Mit den Patentansprüchen 17 und 46 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben, da der eingeführte Stand der Technik deren Gegenständen patenthindernd entgegensteht. Hinsichtlich der angegriffenen Unteransprüche 18 bis 28 und 47 bis 56 ist ein eigenständiger erfinderischer Gehalt weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich; die Beklagte hat ihr prozessuales Begehren vielmehr mit der Vorlage der Hilfsanträge definiert (BGH Urteil vom 12. Dezember 2006 – X ZR 131/02, GRUR 2007, 309 – Schussfädentransport).

9. Damit erübrigen sich an dieser Stelle weitere Ausführungen zur von der Klägerin geltend gemachten mangelnden Ausführbarkeit der Lehre des Streitpatents und zur angeblich unzulässigen Änderung des Gegenstandes des Streitpatents gegenüber der ursprünglich offenbarten Fassung.

II. Zu Hilfsantrag 5a

1. Der Patentanspruch 17 in der Fassung des Hilfsantrags 5a lautet (Unterschiede zur erteilten Fassung fett):

M1 Verfahren zum Decodieren von codierten Informationen, die eine Videosequenz darstellen, die gemäß dem Verfahren nach Anspruch 1 codiert worden ist, wobei die Videosequenz mehrere Videorahmen enthält, wobei das Decodierungsverfahren gekennzeichnet ist durch:

M2 Empfangen codierter Informationen, die ein Segment eines momentanen Rahmens der Videosequenz darstellen; M3 Identifizieren einer Codierungsbetriebsart der codierten Informationen, wobei die Codierungsbetriebsart eine Betriebsart aus wenigstens einer ersten bewegungskompensierten prädiktiven Codierungsbetriebsart und einer zweiten bewegungskompensierten prädiktiven Codierungsbetriebsart ist; M4 falls die identifizierte Codierungsbetriebsart die erste Codierungsbetriebsart ist, Rekonstruieren des Segments des momentanen Rahmens der Videosequenz unter Verwendung eines ersten Bewegungsfeldmodells, das unter Verwendung einer bewegungskompensierten Prädiktion in Bezug auf einen vorher codierten Rahmen der Videosequenz abgeleitet wird; und M5 falls die identifizierte Codierungsbetriebsart die zweite Codierungsbetriebsart ist, Berechnen von Anzahl und Ort von Anwärtersegmenten, wobei ein Anwärtersegment ein angrenzendes vorher codiertes Segment ist, dessen Bewegungsfeldmodell ungleich Null ist, Auswählen eines der Anwärtersegmente entsprechend wenigstens einem Auswahlbit, welches in den codierten Informationen, die das Segment des momentanen Rahmens der Videosequenz darstellen, empfangen wurde, wobei die Anzahl der empfangenen Auswahlbits verringert ist in Abhängigkeit von einer Verringerung der Anzahl der Anwärtersegmente, und Rekonstruieren des Segments des momentanen Rahmens der Videosequenz unter Verwendung eines zweiten Bewegungsfeldmodells auf der Grundlage eines Bewegungsfeldmodells, das für ein angrenzendes vorher codiertes Segment des momentanen Rahmens bestimmt wird, unter Verwendung des ausgewählten Anwärtersegments.

Der nebengeordnete Patentanspruch 44 in der Fassung des Hilfsantrags 5a lautet (Unterschiede zur erteilten Fassung des Patentanspruchs 46 fett):

M44.1 Videodecodierer (14) zum Decodieren codierter Informationen, die eine Videosequenz darstellen, die durch den Videocodierer nach Anspruch 27 codiert worden sind, wobei die Videosequenz mehrere Videorahmen enthält, wobei der Decodierer dadurch gekennzeichnet ist, dass er umfasst:

M44.2 Mittel (52) zum Empfangen codierter Informationen, die ein Segment eines momentanen Rahmens der Videosequenz darstellen; M44.3 Mittel (36), die eine Codierungsbetriebsart der codierten Informationen identifizieren, wobei die Codierungsbetriebsart eine aus wenigstens einer ersten bewegungskompensierten prädiktiven Codierungsbetriebsart und einer zweiten bewegungskompensierten prädiktiven Codierungsbetriebsart ist; M44.4 Mittel (26, 36, 54, 56), die das Segment des momentanen Rahmens der Videosequenz unter Verwendung eines ersten Bewegungsfeldmodells und einer bewegungskompensierten Prädiktion in Bezug auf einen vorher codierten Rahmen der Videosequenz rekonstruieren, falls die identifizierte Codierungsbetriebsart die erste Codierungsbetriebsart ist; und M44.5 Mittel (26, 36, 54, 56), die Anzahl und Ort von Anwärtersegmenten berechnen, wobei ein Anwärtersegment ein angrenzendes vorher codiertes Segment ist, dessen Bewegungsfeldmodell ungleich Null ist, eines der Anwärtersegmente entsprechend wenigstens einem Auswahlbit auswählen, welches Auswahlbit in den codierten Informationen, die das Segment des momentanen Rahmens der Videosequenz darstellen, empfangen wurde, wobei die Anzahl der empfangenen Auswahlbits verringert ist in Abhängigkeit von einer Verringerung der Anzahl der Anwärtersegmente, und die das Segment des momentanen Rahmens der Videosequenz unter Verwendung eines zweiten Bewegungsfeldmodells auf der Grundlage eines Bewegungsfeldmodells, das für ein angrenzendes vorher codiertes Segment des momentanen Rahmens bestimmt worden ist, unter Verwendung des ausgewählten Anwärtersegments rekonstruieren, falls die identifizierte Codierungsbetriebsart die zweite Codierungsbetriebsart ist.

2. Von dem erteilten Patentanspruch 17 unterscheidet sich der vorliegend hilfsweise beanspruchte Patentanspruch 17 also dadurch, dass a) Die erste und die zweite Codierungsbetriebsart bewegungskompensierte prädiktive Codierungsbetriebsarten sind b) falls die identifizierte Codierungsbetriebsart die zweite Codierungsbetriebsart ist, folgende Verfahrensschritte ausgeführt werden: i. Berechnen von Anzahl und Ort von Anwärtersegmenten, wobei ein Anwärtersegment ein angrenzendes vorher codiertes Segment ist, dessen Bewegungsfeldmodell ungleich Null ist, ii. Auswählen eines der Anwärtersegmente entsprechend wenigstens einem Auswahlbit, welches in den codierten Informationen, die das Segment des momentanen Rahmens der Videosequenz darstellen, empfangen wurde, iii. wobei die Anzahl der empfangenen Auswahlbits verringert ist in Abhängigkeit von einer Verringerung der Anzahl der Anwärtersegmente, und c) Rekonstruieren des Segments unter Verwendung des ausgewählten Anwärtersegments.

Während sich die unter a) und c) genannten Merkmalsergänzungen dem Fachmann unmittelbar erschließen, erscheinen zu den unter b) aufgezählten neuen Teil-Merkmalen Ausführungen sinnvoll. Der Senat misst diesen neu aufgenommenen Merkmalen den folgenden Bedeutungsinhalt bei:

Zu i: Teil des beanspruchten Decodierungsverfahrens ist es nunmehr, dass Anzahl und Ort (also [wenigstens relative] Lage) von Anwärtersegmenten im Verlauf der Decodierung berechnet werden. Die Menge der hierbei grundsätzlich zu betrachtenden Anwärtersegmente ergibt sich aus den Bestimmungen, dass nur zum aktuellen Segment angrenzende und bereits vorher codierte Segmente in Frage kommen und von dieser Menge alle Segmente zu entfernen sind, deren Bewegungsfeldmodell gleich Null ist (Bewegungsvektor = Nullvektor).

Zu ii: Aus der Menge der identifizierten Anwärtersegmente wird eines ausgewählt. Diese Auswahl geschieht entsprechend einer Information, die in Form wenigstens eines Auswahlbits empfangen wird. Die vorgenannte Information ist Teil der codierten Informationen, die das Segment des momentanen Rahmens der Videosequenz darstellen und vom Decodierer empfangen wurde.

Zu iii: Entsprechend dem beschriebenen Verfahren ist die Anzahl der in Frage kommenden Anwärtersegmente nicht konstant. Anspruchsgemäß wird nun die Anzahl der verwendeten (und somit natürlich auch der empfangenen) Auswahlbits verringert, wenn sich die Anzahl der Anwärtersegmente verringert, da dann weniger Auswahlbits für eine eindeutige Adressierung des zu verwendenden Anwärtersegments ausreichen.

3. Die Aufnahme der unter 2. genannten Merkmale in den Patentanspruch 17 führt zu einer zulässigen Beschränkung.

Ausgangspunkt für die Beurteilung einer unzulässigen Erweiterung muss gemäß Art. 138 (1) lit. c) EPÜ der Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung sein, die als WO 01/11891 A1 (vgl. NK6) veröffentlicht wurde.

Die Klägerin trägt vor (vgl. Klageschriftsatz, Abschnitt C, Seite 8 und Triplik, Abschnitt A, Seiten 2 und 3), das Streitpatent sei (auch) wegen unzulässiger Erweiterung für nichtig zu erklären, da die Gegenstände der Patentansprüche 17 und 46 über den Inhalt der Ursprungsanmeldung hinausgingen.

Die Begründung hierfür basiert auf folgenden Argumentationslinien:

i. Die Patentansprüche 17 und 46 des Streitpatents beanspruchten jeweils zwei verschiedene „coding modes“. Dieser Begriff sei in der ursprünglichen Anmeldung jedoch nur in Patentanspruch 61 und ihm untergeordneten Ansprüchen zu entnehmen. Der Patentanspruch 61 beziehe sich jedoch auf eine Codierung und enthalte zudem eine Kostenfunktion. Der Begriff des „coding modes“ lasse sich daher, in einer Bedeutung gemäß dem Streitpatent, den ursprünglichen Unterlagen nicht entnehmen.

ii. Die Fähigkeit des Decodierers, selbständig Mittel zur Rekonstruktion des Segments zu wählen, werde nicht ursprünglich offenbart.

iii. Mittel zur Rekonstruktion des Segments unter Verwendung eines ersten oder zweiten Bewegungsfeldmodells würden nicht ursprünglich offenbart.

Zusätzlich trägt die Klägerin speziell bezüglich der mit dem Hilfsantrag 5a verteidigten Fassung vor, eine unzulässige Änderung ergebe sich auch gemäß folgender Argumentationslinien (vgl. Abschnitt A des nachgelassenen Schriftsatzes vom 17. November 2014):

iv. Es sei nicht ursprungsoffenbart, dass die Anwärtersegmente mittels mindestens einem Auswahlbit ausgewählt würden, denn ein Videodecodierer, der bei der zweiten Codierungsbetriebsart das Anwärtersegment anhand mindestens eines Auswahlbits auswählt sei nicht ursprungsoffenbart (vgl. ebenda, Rdnr. 1 – 5). In der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2015 ergänzt die Klägerin ihr Vorbringen dahingehend, dass in Ansehung der Offenbarung der Absätze [0099] und [0100] des Streitpatents dem Fachmann klar sei, dass eine untrennbare Einheit zwischen der Mitteilung der zweiten Betriebsart an den Decoder durch die Übersendung eines Bits und der Nutzung von Auswahlbits zur Mitteilung des zu verwendenden zuvor codierten Segments bestehe.

v. Das Merkmal M5 erfordere, dass sowohl das Bewegungsfeldmodell eines angrenzenden Segments (zweites Bewegungsfeldmodell), als auch (zusätzlich) das ausgewählte Anwärtersegment in die Rekonstruktion des aktuellen Segments einflössen (vgl. ebenda, Rdnr. 6, insb. lit. d).

Zu i:

Mit den ursprünglichen Patentansprüchen 61, 62 sowie 48 und 49 ist die streitpatentgemäße Verwendung des Begriffs „coding mode“ dem Fachmann offenbart. Zunächst offenbart der Patentanspruch 61 die Verwendung von mindestens zwei „coding modes“ bei der Codierung eines Segments, der ursprüngliche Patentanspruch 62 dann die Übertragung dieser codierten Information an einen Decoder. Die mit der Decodierung befassten ursprünglichen Patentansprüche 48 und 49 offenbaren auf die empfangene Segment-Information angewandte „first segment reconstruction mode“ und „second segment reconstruction mode“; diese werden ausgewählt gemäß einer empfangenen „indication of an information type“. Für den Fachmann ist damit ganz offensichtlich, dass mit der „indication of an information type“ mitgeteilt wird, wie das Segment zu rekonstruieren ist. Der „coding mode“ im Sinne des Patentanspruchs 46 wird aber auch lediglich dazu verwendet, die Rekonstruktionsmethode festzulegen, ist also funktional identisch, nur begrifflich anders gefasst, und ist unschädlich (vgl. hierzu auch die BGH-Entscheidung Druckmaschinen Temperierungssystem II).

Zu ii:

Die Patentansprüche 17 und 46 fordern in keiner Weise die Fähigkeit des Decodierers, selbständig Mittel zur Rekonstruktion des Segments zu wählen. Der Wortlaut beider Ansprüche indiziert vielmehr, dass dieselben Mittel verwendet werden, nämlich die im Patentanspruch 46 mit den Bezugszeichen 26, 36, 54 bzw. 56 bezeichneten Mittel. Die diesbezügliche Offenbarungsrüge der Klägerin kann daher nicht durchgreifen.

Zu iii:

Die Argumentation der Klägerin, Mittel zur Rekonstruktion des Segments unter Verwendung eines ersten oder zweiten Bewegungsfeldmodells wären nicht ursprünglich offenbart, kann in Ansehung der ursprünglichen Patentansprüche 48, 49 und 55 nicht durchgreifen, denn diese zeigen dem Fachmann die Verwendung eines ersten oder zweiten Bewegungsfeldmodells (der „first segment reconstruction mode“ nutzt ein Bewegungsfeldmodell (motion field model) das aus dem das erste Segment repräsentierenden Bewegungsfeldmodell abgeleitet wird; der „second segment reconstruction mode“ nutzt Koeffizienten eines Bewegungsvektors und damit ein (jedenfalls in der Allgemeinheit) anderes Bewegungsfeldmodell). Damit müssen auch die Mittel zur Durchführung der vorgenannten Rekonstruktionen vorhanden sein (vgl. auch urspr. Patentanspruch 79).

Zu iv:

In Ansehung der Offenbarung der Anmeldung des Streitpatents (vgl. Offenlegungsschrift, dort S. 32, Z. 27 – 31) kann diese Argumentation nicht durchgreifen:

“In this implementation, whenever the bit sent to the decoder indicates that prediction from a neighboring segment is used, the number and location of prediction candidates is calculated, in both the encoder and decoder. If there are, e. g., two, three, or four prediction candidates, then one or two selection bits are sent to the decoder 14 to indicate the candidate to be used.”

Denn die Formulierung “whenever the bit sent to the decoder indicates that prediction from a neighboring segment is used”, sagt aus, dass die Übersendung des einen Bits einen Betriebszustand beim Decoder auslöst und der Decoder hierfür eingerichtet ist. Ist dieser Betriebszustand eingenommen, wertet der Decoder ein oder zwei Auswahlbits aus, um den zu nutzenden Kandidaten (das vorher codierte Segment aus der Gruppe der Anwärter) zu detektieren. In für den Fachmann offensichtlicher Art sind hiermit zwei aufeinander ab folgende Prozesse beschrieben: Zum Einen die Aktivierung eines Betriebszustandes, zum Zweiten die Nutzung von Auswahlbits (in diesem Betriebszustand), um das vorher codierte Segment aus der Gruppe der Anwärter zu detektieren. Diese beiden Prozesse sind voneinander unabhängig und bedingen sich nur insoweit, als die Betriebsartwahl vollzogen sein muss, bevor die Detektion des zu verwendenden Segments betrieben werden kann. Damit trifft es aber nach der Rechtsprechung des BGH auf keine Bedenken, dass die Beklagte den eigenständig für den erfinderischen Erfolg vorteilhaften Mechanismus der Detektion des zu verwendenden Segments durch Auswahlbits, so vollständig er in einem Ausführungsbeispiel des Streitpatents (vgl. dort die Absätze [0099] und [0100]) bzw. der ursprünglichen Offenbarung (vgl. dort Seiten 32 und 33) beschrieben ist, in den Anspruch aufnimmt. Einer gleichzeitigen Aufnahme des hiervon technisch unabhängigen Mechanismus zur Aktivierung des Betriebsmodus durch die Übersendung eines Bits bedarf es nicht (vgl. BGH, Urteil vom

24. Januar 2012 - X ZR 88/09, GRUR 2012, 475 - Elektronenstrahltherapiesystem, Rn. 34).

Zu v: Bei verständiger fachmännischer Auslegung ist offensichtlich, dass das Merkmal M5 davon ausgeht, dass eben das Bewegungsfeldmodell eines angrenzenden Segments verwendet wird und dies (mit dem letzten Teilsatz des Merkmals 5) wieter konkretisiert, indem das angrenzende Segment als das ausgewählte Anwärtersegment bestimmt wird.

Der verteidigte Patentanspruch 17 in der Fassung des Hilfsantrags 5a erweist sich folglich als zulässig.

4. Die Lehre des Streitpatents in der mit dem Hilfsantrag 5a verteidigter Fassung ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Die Klägerin trägt mit der Triplik vom 3. Juni 2013 vor, das Streitpatent (hier Reduktion des Vortrags auf den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 46) sei auch nach Artikel 138 (1) lit. b) EPÜ für nichtig zu erklären, weil aufgrund seiner Lehre dem Fachmann eine Nacharbeitung des in Patentanspruch 46 beschriebenen Decodierers nicht möglich sei (Triplik, Abschnitt B, Seite 3). Zur Begründung führt die Klägerin an, das Streitpatent (wie auch die ursprüngliche Anmeldung) offenbare an keiner Stelle, was ein Bewegungsfeldmodell sei und wie es sich von den in der Streitpatentschrift auch genannten Begriffen „Bewegungsmodell“, „Bewegungsvektorfeld“ und „Bewegungsfeld“ unterscheide. Zudem offenbare das Streitpatent nicht, was eine Codierungsbetriebsart sei.

Nach Auffassung des Senats kann der Vortrag der Klägerin nicht durchgreifen, da der Fachmann die vorgenannten Begriffe – soweit sie für ein Verständnis des Patentanspruchs 46 von Nöten sind - zwanglos mit technischen Inhalten belegen kann. Hierzu sei auf die obige Auslegung des Streitpatents verwiesen.

Bezüglich des mit dem Hilfsantrag 5a verteidigten Gegenstandes haben sich die Klägerinnen in keiner Weise auf die Ausführbarkeit der Unterschiedsmerkmale zur erteilten Fassung (Hauptantrag) bezogen. Auch der Senat hat keine Bedenken hinsichtlich der Ausführbarkeit dieser Merkmale, auch in ihrem Zusammenwirken mit den ursprünglich beanspruchten Merkmalen.

5. Der Gegenstand des Patentanspruchs 17 in der Fassung des Hilfsantrags 5a gilt als neu (Art. 54 EPÜ), denn keine der entgegengehaltenen Druckschriften lehrt ein Verfahren mit allen Merkmalen des verteidigten Patentanspruchs 17.

5.1 Die Klägerin trägt mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 17. November 2014 vor, die Druckschrift D7 offenbare alle Merkmale des verteidigten Patentanspruchs 17. Die Druckschrift D7 geht davon aus, dass low-bit-rate Codecs mit fester Blockgröße bekannt sind und bereits zu Codecs mit variabler Blockgröße weiterentwickelt wurden. Allerdings seien bislang nur translatorische Bewegungsmodelle verwendet worden, was zu großen Vorhersagefehlern im Falle einer komplexen Bewegung eines großen Blocks führe. Eine weitere Herausforderung sei, wie mit einer überlagerten Bewegung aufgrund einer Kamerabewegung umgegangen werden könne. Hierfür schlägt die D7 einen verbesserten Algorithmus für eine gleichzeitige Bewegungsschätzung und Segmentierung vor, welcher auf der Hough-Transformation beruht. Um die Effizienz der Bewegungskompensation zu steigern, schlägt die D7 weiter eine mehrstufige Struktur der Blocksegmentierung und eine adaptive affine Bewegungskompensation vor (vgl. Abschnitt I. Introduction).

Bei der mehrstufigen Segmentierung werden Vorder- und Hintergrundobjekte separiert. Ist der Hintergrund nicht stationär, wird zunächst eine Bewegungskompensation auf den ganzen Frame angewandt, um den Hintergrund zu stabilisieren (vgl. insb. Abschnitt II.A). Weiter werden nun bewegte Objekte separiert (vgl. insb. Abschnitt II.B) und in einem nächsten Schritt eine grobe Segmentierung der bewegten Regionen durchgeführt (vgl. insb. Abschnitte II. B und II.C). Zuletzt erfolgt ggfls. eine innere Blocksegmentierung und eine Bewegungskompensation der in ihrer Größe bestimmten Blöcke (vgl. insb. Abschnitt II.C).

Die Codierung des Bewegungsfeldes erfolgt unterschiedlich für Vordergrund- und Hintergrundregionen (vgl. Abschnitt III.B). Hintergrundblöcke werden lauflängencodiert. Für Vordergrundblöcke wird eine Interblock-Vorhersage und Differenzcodierung zur Codierung der Bewegungsparameter genutzt (vgl. ebenda).

Die D7 geht davon aus, dass ein Vordergrundobjekt oft aus einer Anzahl von Blöcken besteht. Es sei sehr wahrscheinlich, dass zwei benachbarte Blöcke denselben Bewegungsvektor haben und dann sei es ausreichend, dem Empfänger mitzuteilen, welcher der Nachbarblöcke sich mit derselben Geschwindigkeit bewege. Für die Suche nach solchen Blöcken werden nur Blöcke über und links vom aktuellen Block untersucht. Da benachbarte Blöcke unterschiedliche Größen haben können, wird das den aktuellen Block umgebende Bild in Basisblöcke (Blöcke minimaler Größe) unterteilt und jeder dieser Basisblöcke relativ zum aktuellen Block indexiert. Der geeignetste dieser Basisblöcke wird dann herangezogen (vgl. S. 1708, li. Sp., l. Abs. – re. Sp., 1. Abs.). Um die Indizes der Basisblöcke zu codieren, verwendet die D7 einen Code variabler Länge, da auf der Empfängerseite die Struktur der Blöcke über und links vom aktuellen Block bekannt ist (vgl. S. 1708, re. Sp., 2. Abs.). Ist die Größe des Blocks über bzw. links vom aktuellen Block größer oder gleich der des aktuellen Blocks, genügt jeweils 1 Bit für die Codierung; maximal ist die Bitanzahl gleich der für eine Fixlängencodierung (vgl. S. 1708, re. Sp., 2. Abs. von unten). Hat keiner der Nachbarblöcke den gleichen Bewegungsvektor wird eine Differenzcodierung angewandt (vgl. S. 1708, re. Spalte, letzter Absatz).

Die D7 zeigt jedenfalls nicht das Teilmerkmal des Merkmals M5 demgemäß „ein Anwärtersegment ein angrenzendes vorher codiertes Segment ist, dessen Bewegungsfeldmodell ungleich Null ist“. Soweit die Klägerin hierzu vorträgt (vgl. die Ziffern 4 und 5 auf den Seiten 11 und 12 des nachgelassenen Schriftsatzes vom 17. November 2014), ist ihr zuzustimmen, dass die Segmente eines Rahmens nach der Lehre der D7 in Vorder- und Hintergrundsegmente unterteilt werden. Nicht richtig ist jedoch schon, dass Segmente ohne Bewegung als Hintergrundsegmente eingeordnet würden, denn die D7 kennt auch bewegte Hintergrundsegmente, z. B. aufgrund eines Kameraschwenks (vgl. in der D7 nur S. 1706, Abschnitt B, 1. Abs.). Auch müssen Vordergrundsegmente nicht immer einen Bewegungsvektor ungleich Null haben (z. B. im Falle eines relativ zu einem bewegten Hintergrund stehenden Vordergrundmotivs). Letztlich kann dies aber auch dahinstehen, denn die Behauptung der Klägerin, es würden nur Vordergrundsegmente herangezogen, um zu prüfen, ob ein Bewegungsvektor eines angrenzenden vorher codierten Segments zur Rekonstruktion des aktuellen Segments verwendet werden kann, ist falsch. Die von der Klägerin herangezogene Textstelle der D7 (S. 1707, re. Sp., letzter Absatz bis S. 1708, li. Sp. 1. Absatz) sagt (übereinstimmend mit der gesamten Lehre der D7) lediglich, dass für die Bewegungsfeld-Codierung von Vorder- und Hintergrundsegmenten bzw. Vorder- und Hintergrundblöcken eines Frames verschiedene Techniken angewendet werden. Damit ist aber nur gesagt, dass ein aktueller Block entweder nach der für den Vordergrund oder der für den Hintergrund vorgesehenen Technik codiert wird. Nicht ausgesagt ist hiermit (und darauf deutet in der D7 auch nichts hin, vgl. nur die Figuren 5 und 6), dass bei den in Frage kommenden benachbarten Blöcken unterschieden würde, ob sie dem Vorder- bzw. dem Hintergrund zugehören oder ob ihr Bewegungsvektor Null ist (was wie gesagt auch bei einem Vordergrundblock der Fall sein könnte).

Daher ist das Merkmal M5 jedenfalls insoweit von der D7 nicht offenbart. Die D7 kann daher nicht neuheitsschädlich wirken.

5.2 Die Klägerin selbst gesteht zu, dass die Druckschriften D1, D2 und D6 weder die dynamische Anpassung der Anzahl von Auswahlbits noch die Heranziehung nur von Anwärtersegmenten, deren Bewegungsfeldmodell ungleich Null ist, offenbaren (vgl. die Ziffer 4 auf Seite 14 des nachgelassenen Schriftsatzes vom 17. November 2014, erster Absatz). Der Senat teilt insoweit diese Einschätzung.

Die Druckschrift D8 betrifft eine neuartige Bewegungsvektor-Codiertechnik (vgl. Titel). Gemäß der Lehre der D8 wird der Bewegungsvektor des aktuellen Segments dadurch vorhergesagt, dass jeder von drei Nachbarvektoren untersucht wird und derjenige ausgewählt wird, welcher eine minimale Bitrate bei der Codierung des aktuellen Bewegungsvektors liefert (nach Differenzbildung; vgl. S. 73, re. Sp. letzter Absatz). Damit zeigt auch die D8 keine dynamische Bestimmung von Anwärtersegmenten, was die Klägerin auch nicht behauptet. Die D8 hat vielmehr eine andere Lösung als das Streitpatent gefunden, um die Übertragungs-Bitrate zu reduzieren, nämlich die decoderseitige Auswertung der jeweils zuerst übertragenen Minimum-Bitrate-Codierung der Vektordifferenz zwischen aktuellem Bewegungsvektor und Anwärterbewegungsvektor, was in einigen Fällen die Nutzung einer verringerten Anzahl von Bits zur Kennzeichnung des Anwärtersegments erlaubt (vgl. S. 74, Abschnitt 2.3 Reduction of MODE bits).

Die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen weiter ab (Druckschriften D3 und D4, hierzu sei auf den qualifizierten Hinweis des Senates verwiesen) bzw. zeigen auch nicht die Heranziehung nur von Anwärtersegmenten, deren Bewegungsfeldmodell ungleich Null ist (Druckschrift D5).

6. Das Verfahren nach dem Patentanspruch 17 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ).

Keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften offenbart jedenfalls das Heranziehen nur von Anwärtersegmenten, deren Bewegungsfeldmodell ungleich Null ist.

Soweit die Klägerin vorträgt, dieses Merkmal zu realisieren sei rein fachmännisch und naheliegend (vgl. den nachgelassenen Schriftsatz vom 17. November 2014, S. 14 und 15, Abschnitt 4b), so verkennt sie, dass es zwar allgemeinem Fachwissen entsprechen mag, Segmente, die keine Bewegung aufweisen abweichend zu codieren. Dies bedeutet aber nicht automatisch (und genau dies zeigt der eingeführte Stand der Technik), dass diese Segmente als Anwärtersegmente ausgeschlossen würden. So sagt beispielsweise die D8 ganz klar: „In motion vector co- ding as shown in Fig. 1, the current motion vector MV is predicted using three neighboring motion vectors MVl, MV2, and MV3.” und “To predict the current motion vector, we examine every neighboring motion vector candidate {MV1, MV2, and MV3} and select the one that produces minimum bitrate in motion vector coding.” (S. 73, Abschnitt 2.1, 1. und 2. Abs.). Im Stand der Technik ist vielmehr nicht angelegt, dynamisch die Anzahl der Anwärtersegmente zu bestimmen, indem die Gruppe der benachbarten Segmente auf die Gruppe der Anwärtersegmente reduziert wird, indem alle Segmente, deren Bewegungsvektor Null ist, verworfen werden. Ebenso wenig angelegt ist ein Decodierer der diesen Umstand bei der Berechnung der möglichen Anwärtersegmente berücksichtigt. Dieses Teilmerkmal trägt auch zur Lösung eines technischen Problems bei, nämlich der Reduzierung der zu übertragenden Bitrate.

Die Reduzierung der Menge der benachbarten Segmente um alle Segmente, deren Bewegungsvektor Null ist, um so ggfls. eine kleinere Menge der zu prüfenden Anwärtersegmente zu ermitteln, stellt einen gegenüber dem Stand der Technik zusätzlichen Schritt der Codierung wie Decodierung dar, war vom Stand der Technik und dem fachmännischen Wissen nicht angeregt und verlässt daher den Bereich fachmännischen Handelns. Dieses Teilmerkmal alleine begründet somit schon eine erfinderische Tätigkeit.

7. Die Merkmale der abhängigen Patentansprüche 18 bis 26 gehen über reine Selbstverständlichkeiten hinaus, sie begegnen insoweit keinen Bedenken.

8. Der nebengeordnete Patentanspruch 44 hat in der Sache nichts anderes als die Formulierung der im Patentanspruch 17 als Verfahrensanspruch niedergelegten Lehre in Form eines Vorrichtungsanspruchs zum Gegenstand. Die Gesichtspunkte, die der Schutzfähigkeit von Patentanspruch 17 zugrunde liegen, gelten daher für den Patentanspruch 44 gleichermaßen.

Auch gelten die Ausführungen zu den abhängigen Patentansprüchen 18 bis 26 (vgl. oben) sinngemäß für die abhängigen Patentansprüche 45 bis 52.

III.

Da die vorrangig mit Hilfsantrag 5a) verteidigte beschränkte Fassung des Streitpatents somit patentfähig ist, war das Streitpatent nur insoweit für nichtig zu erklären, als es über diese Fassung hinausgeht. Auf die Frage, ob die weiteren Hilfsanträge schutzfähig sind, kommt es mithin nicht mehr an.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO. Da eine genaue Bestimmung des Obsiegens und Verlierens beider Parteien, die beide mit ihrem jeweiligen Hauptbegehren nicht erfolgreich waren, nicht möglich ist, waren danach die Kosten gegeneinander aufzuheben.

C. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.

D. Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.

Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden.

Sie kann auch als elektronisches Dokument eingereicht werden (§ 125a Absatz 2 des Patentgesetzes in Verbindung mit der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) vom 24. August 2007 (BGBl. I S. 2130). In diesem Fall muss die Einreichung durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes erfolgen (§ 2 Absatz 2 BGH/BPatGERVV).

Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Berufung vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Klante Schwarz Musiol Albertshofer Dr. Wollny Pü

Wir stellen das Dokument etwas schmaler dar, um die Lesbarkeit zu erhöhen.

Bitte nutzen Sie nur das Original für den Druck des Dokuments.

Werbung

Urheber dieses Dokuments ist das Bundespatentgericht. Nach § 5 UrhG geniessen Entscheidungen und Gesetze keinen urheberrechtlichen Schutz. Auflagen des Gerichts können aber die kommerzielle Verwertung einschränken. In Anlehnung an Creative Commons Lizenzen ist die Nutzung mit einer CC BY-NC-SA 3.0 DE Lizenz vergleichbar. Bitte beachten Sie, dass diese Entscheidung urheberrechtlich geschützte Abbildungen enthalten kann. Vor einer Nutzung - über die reine Wiedergabe der Entscheidung hinaus - sind in solchen Fällen entsprechende Nutzungsrechte bei den jeweiligen Rechteinhabern einzuholen.

▲ Anfang

Paragraphen in 5 Ni 91/12 (EP)

Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit Paragraph
2 6 EPÜ
2 54 EPÜ
2 56 EPÜ
2 138 EPÜ
1 2 EPÜ
1 123 EPÜ
1 83 PatG
1 84 PatG
1 99 PatG
1 92 ZPO
1 709 ZPO

Die aufgeführten Paragraphen wurden durch eine ausgeklügelte Software ermittelt.

Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass dabei auch falsche Kombinationen aus Paragraph und Gesetz ermittelt werden können.

Sollte ein Gesetz in Gänze übersehen worden sein, dann teilen Sie uns diesen Umstand bitte mit.

Sortiert nach dem Alphabet
Häufigkeit Paragraph
1 2 EPÜ
2 6 EPÜ
2 54 EPÜ
2 56 EPÜ
1 123 EPÜ
2 138 EPÜ
1 83 PatG
1 84 PatG
1 99 PatG
1 92 ZPO
1 709 ZPO

Original von 5 Ni 91/12 (EP)

Der nachfolgende Link führt Sie zum originalen Dokument. Aufgrund der technischen Natur des Internets ist es möglich, dass der Link zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gültig ist. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir nicht alle Links einer ständigen Prüfung unterziehen können.

Öffnen

Bitte nutzen Sie möglichst das Original für den Druck des Dokuments.

Teilen von 5 Ni 91/12 (EP)

Wenn Sie in einer E-Mail auf diese Entscheidung hinweisen möchten, dann können Sie diese komfortabel erstellen lassen, wenn Ihr Mail-Programm diese Option unterstützt. Alternativ können Sie den nachfolgenden Link in Ihre E-Mails und Webseiten einbauen:

Bitte nutzen Sie den Link in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Google+.

Das ist ein wirksames Mittel um mehr Menschen auf unsere Dienste aufmerksam zu machen.

Eine Dienstleistung von caselaw.de | Diese Datensammlung unterliegt der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 DE | Impressum