5 StR 346/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 346/24 BESCHLUSS vom 27. August 2024 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:270824B5STR346.24.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. August 2024 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. Dezember 2023 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die den Neben- und Adhäsionsklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Entgegen der Auffassung der Revision hält auch die Strafzumessung sachlichrechtlicher Überprüfung stand. Soweit die Strafkammer bereits bei der Bemessung der Einzelstrafen erschwerend die Vielzahl der Taten (75 Taten des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen) strafschärfend gewertet hat, ist dies rechtsfehlerfrei. Die Bewertungsrichtung und das Gewicht der Strafzumessungstatsachen bestimmt in erster Linie das Tatgericht, dem hierbei von Rechts wegen ein weiter Entscheidungs- und Wertungsspielraum eröffnet ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 5. Januar 2023 – 5 StR 386/22, NStZ 2023, 340, 343 mwN).
Der Bundesgerichtshof hat hierbei insbesondere die strafschärfende Berücksichtigung einer Gesamttatserie schon bei der Bemessung der Einzelstrafen in ständiger Rechtsprechung gebilligt: „Es ist allerdings anerkannt, dass dann, wenn ein Täter mehrere gleichartige und gleichwertige Taten begangen hat, es mitunter seiner Schuld nicht gerecht wird, bei der Strafzumessung jede Tat zunächst nur für sich zu betrachten und die übrigen Taten unberücksichtigt zu lassen. Da die Schuld des Täters in Bezug auf die Einzeltaten durch die Mehrheit der Taten erhöht werden kann, ist es dem Gericht nicht verwehrt, bereits bei der Bemessung jeder Einzelstrafe in Betracht zu ziehen, dass der Täter mehrere Straftaten begangen hat“ (BGH, Urteil vom 9. Februar 1988 – 1 StR 703/87, BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung 2; ebenso BGH, Urteile vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271; vom 29. Oktober 1981 – 4 StR 541/81; vom 17. November 1987 – 1 StR 550/87; vom 23. Februar 1989 – 4 StR 8/89, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 7; vom 15. Mai 1991 – 2 StR 130/91, NStZ 1991, 527; vom 17. März 2009 – 1 StR 627/08, BGHSt 53, 221, 232; Beschluss vom 29. November 2011 – 1 StR 459/11, NZWiSt 2012, 112; Urteile vom 28. März 2013 – 4 StR 467/12; vom 20. Juli 2016 – 2 StR 18/16, NStZ-RR 2016, 368; vom 25. Juli 2017 – 5 StR 176/17). Durch die Einbettung von Einzeltaten in eine Serie kann das Gewicht jeder Einzeltat deutlich erhöht werden, bei der nicht nur Vortaten, sondern grundsätzlich auch nachfolgende Taten strafschärfend berücksichtigt werden können, sofern ein innerer kriminologischer Zusammenhang besteht (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 – 3 StR 401/02, NStZ-RR 2003, 110, 111 mwN).
Zwar hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in einer Entscheidung (BGH, Beschluss vom 12. April 2016 – 2 StR 483/15, StV 2017, 35; dem folgend BGH, Beschluss vom 5. März 2024 – 6 StR 45/24; vgl. auch – anders gelagert – BGH, Beschluss vom 13. Mai 2015 – 2 StR 535/14) in Abkehr von dieser ständigen Rechtsprechung und ohne deren Erwähnung vertreten, eine über einen langen Tatzeitraum reichende Tatserie dürfe bei der Bemessung der Einzelstrafe nur dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn sie von vorneherein geplant gewesen sei („Auch dass die Taten sich über einen langen Zeitraum erstreckten, durfte nicht bei der Strafrahmenwahl und der konkreten Zumessung der Einzelstrafen zu Ungunsten des Angeklagten berücksichtigt werden. Dass einer ersten oder zweiten Tat weitere nachgefolgt sind, ist regelmäßig für deren Unrechtsgehalt ohne strafzumessungsrelevante Bedeutung. Dies mag anders sein, wenn von vornherein eine Mehrzahl von Taten geplant sind und darin die nach § 46 Abs. 2 StGB berücksichtigungsfähige ‚rechtsfeindliche Gesinnung‘ des Täters zum Ausdruck kommt [vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 40 Rn. 34a]“). Dies bindet den Senat aber nicht im Sinne von § 132 Abs. 2 GVG. Denn diese Erwägung war nicht tragend für die Entscheidung über den Strafausspruch, der schon wegen eines anderen Rechtsfehlers aufgehoben werden musste (vgl. MüKo-StPO/Cierniak/Pohlit, § 132 GVG Rn. 12 mwN). Gleiches gilt für die Entscheidung des 6. Strafsenats, da in diesem Fall von vorneherein eine Mehrzahl von Taten geplant war und der Senat den Strafausspruch unbeanstandet gelassen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2024 – 6 StR 45/24).
2. Die Nebenklägerinnen haben inzwischen formgerecht ihren Anschluss nach § 395 Abs. 1 StPO erklärt. Einer Beistandsbestellung nach § 397a Abs. 1 StPO bedarf es nicht, weil bereits das Landgericht diese vorgenommen hat und sie demnach auch für das Revisionsverfahren gilt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 397a Rn. 17 mwN).
Cirener Gericke Mosbacher von Häfen Werner Vorinstanz: Landgericht Berlin, 18.12.2023 - (539 KLs) 284 Js 579/22 (3/23)