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IV ZR 307/21

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES IV ZR 307/21 URTEIL in dem Rechtsstreit Verkündet am: 30. November 2022 Heinekamp Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2022:301122UIVZR307.21.0 Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Karczewski, die Richterinnen Harsdorf-Gebhardt, Dr. Brockmöller, Dr. Bußmann und den Richter Dr. Bommel im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 14. Oktober 2022 für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten und unter Zurückweisung der weitergehenden Revision wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 7. September 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als

1. festgestellt worden ist, dass die Erhöhungen des Monatsbeitrages im Tarif V zum 1. Januar 2012 um

45,00 € und zum 1. April 2013 um 39,00 € in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer KV … unwirksam sind und der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhö- hungsbetrages verpflichtet ist;

2. die Beklagte zur Zahlung von mehr als 2.746,86 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. November 2017 verurteilt worden ist,

3. festgestellt worden ist, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe von Nutzungen verpflichtet ist, die sie vor dem 1. November 2017 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger jeweils im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Oktober 2017 auf die Beitragserhöhungen im Tarif V zum 1. Januar 2012 in Höhe von monatlich

45,00 € und zum 1. April 2013 in Höhe von monatlich 39,00 € gezahlt hat, und dass diese herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 14. November 2017 zu verzinsen sind, und

4. die Beklagte zur Freistellung des Klägers von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von mehr als 729,23 € verurteilt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 14.296,44 € festgesetzt.

Von Rechts wegen Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.

Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen umfassen unter anderem die "Musterbedingungen 2009 - MB/KK 2009 - des Verbandes der privaten Krankenversicherung" (im Folgenden:

MB/KK) sowie die "Tarifbedingungen" der Beklagten. In den Muster- und Tarifbedingungen heißt es, wobei die Tarifbedingungen kursiv gedruckt sind:

"§ 8b Beitragsanpassung

1. Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Leistungen des Versicherers z.B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleicht der Versicherer zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt diese Gegenüberstellung für eine Beobachtungseinheit eines Tarifs eine Abweichung von mehr als dem gesetzlich oder tariflich festgelegten Vomhundertsatz, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst. […]

1.1 Ergibt die Gegenüberstellung nach Absatz 1 Satz 2 bei den Versicherungsleistungen eine Abweichung von mehr als 10 %, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst; bei einer Abweichung von mehr als 5 % können alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst werden. […]

2. Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.

3. […]"

3 Der Kläger unterhält unter anderem die Tarife V und T . Die Beklagte informierte ihn über folgende Beitragserhöhungen:

- zum 1. Januar 2011 im Tarif T um 10 € (Schreiben vom November 2010) - zum 1. Januar 2012 im Tarif V um 45 € (Schreiben vom November 2011) - zum 1. April 2013 im Tarif V um 39 € (Schreiben vom Februar 2013)

- zum 1. April 2016 im Tarif V um 94,99 € und im Tarif T um 9,90 € (Schreiben vom Februar 2016)

- zum 1. April 2017 im Tarif T um 7,13 € (Schreiben vom Februar 2017)

Im Schreiben vom November 2010, dem unter anderem ein Nachtrag zum Versicherungsschein beigefügt war, hieß es auszugsweise:

"[…] Ihr Krankenversicherungsschutz wird ständig umfangreicher und damit wertvoller. So werden etwa verbesserte Diagnose- und Behandlungsmethoden oder auch neue Medikamente weitgehend automatisch zu zusätzlichen Leistungsbestandteilen Ihrer Versicherung. Ob krank oder gesund, jung oder alt, Sie haben die Sicherheit, im Krankheitsfall die bestmögliche Behandlung zu erhalten - jetzt und in Zukunft.

Um das garantieren zu können, ist es notwendig, die Versicherungsleistungen und Beiträge in einem ausgewogenen Verhältnis zu halten. Die jährliche Überprüfung hat ergeben, dass die Beiträge in einigen unserer Tarife angeglichen werden müssen. […]" Im Schreiben vom Februar 2016, dem unter anderem ein Nachtrag zum Versicherungsschein beigefügt war, hieß es auszugsweise:

"[…] Warum ändert sich Ihr Beitrag? Der wichtigste Grund sind die gestiegenen Gesundheitskosten. Diagnose- und Therapiemethoden entwickeln sich stets weiter. Diese haben ihren Preis. Doch sie helfen Ihnen, schneller gesund zu werden. Und mehr Lebensqualität zu genießen.

Leider müssen wir dieses Jahr auch die Beiträge für einige Krankentagegeld-Tarife anheben. Grund ist die Zunahme langwieriger Krankheitsfälle, gerade bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems. Dadurch steigen die Ausgaben für Versicherungen, die einen Verdienstausfall abdecken. […]" Im Schreiben vom Februar 2017, dem unter anderem ein Nachtrag zum Versicherungsschein beigefügt war, hieß es auszugsweise:

"[…] Warum ändert sich Ihr Beitrag? In Deutschland nehmen langwierige Krankheitsfälle zu, gerade im Bereich psychischer Erkrankungen wie Depressionen. Auch Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems, Rückenschmerzen und Bandscheibenschäden treten immer häufiger auf. Weil Betroffene oft lange arbeitsunfähig sind, steigen die Ausgaben für Versicherungen, die einen Verdienstausfall abdecken. Deshalb müssen wir die Beiträge einiger Krankentagegeldversicherungen erhöhen. […]" Der Kläger hält die Beitragserhöhungen für unrechtmäßig. Mit Anwaltsschreiben vom 27. Oktober 2017 forderte er die Beklagte unter anderem zur Rückzahlung der seiner Ansicht nach zu viel gezahlten Prämien einschließlich der daraus gezogenen Nutzungen auf. Die Beklagte wies die Forderung mit Schreiben vom 8. November 2017 zurück.

Soweit für die Revision noch von Interesse hat der Kläger mit seiner Klage zunächst neben der Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten die Rückzahlung der auf die genannten sowie weitere Erhöhungen in anderen Tarifen entfallenden Prämienanteile in Höhe von 10.629,86 € nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass die Beitragserhöhungen in den Tarifen V und T unwirksam seien und er nicht zur Zahlung der Erhöhungsbeträge verpflichtet sei. Bezüglich der Erhöhungen im Tarif T haben die Parteien nach Kündigung des Tarifs diesen Feststellungsantrag übereinstimmend für erledigt erklärt. Außerdem hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur Herausgabe der vor dem 1. November 2017 gezogenen Nutzungen aus den Prämienanteilen, die er auf die genannten Beitragserhö- hungen sowie weitere in anderen Tarifen gezahlt hat, sowie zur Verzinsung dieser Nutzungen verpflichtet ist.

Das Landgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage festgestellt, dass die Beitragserhöhungen im Tarif V zum 1. Januar 2012, zum 1. April 2013 und zum 1. April 2016 unwirksam sind und der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrags verpflichtet ist. Weiter hat es festgestellt, dass die Beklagte zur Herausgabe der vor dem 1. November 2017 gezogenen Nutzungen aus den Prämienanteilen,

die der Kläger auf die Beitragserhöhungen im Tarif V sowie auf die Beitragserhöhungen im Tarif T zum 1. Januar 2011 und 1. April jeweils im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Oktober 2017 gezahlt hat, verpflichtet ist und diese Nutzungen ab dem 14. November 2017 zu verzinsen sind. Außerdem hat es die Beklagte zur Zahlung von 6.714,69 € nebst Zinsen verurteilt. Dagegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Berufung des Klägers das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels dahingehend abgeändert, dass die Beklagte zur Zahlung von 6.778,86 € nebst Zinsen seit dem 14. November 2017 und zur Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.025,55 € verurteilt worden ist. Die Feststellungsaussprüche hat es aufrechterhalten.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

Die - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung unbeschränkt zugelassene - Revision hat nur zum Teil Erfolg.

I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in VersR 2021, 1285 veröffentlicht ist, geht davon aus, dass die Beitragserhöhungen im Tarif V zum 1. Januar 2012, 1. April 2013 und

1. April 2016 materiell unwirksam seien, da die Beitragsanpassungsklausel in § 8b Abs. 1.1, 2 MB/KK unwirksam sei. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 8b Abs. 1.1, 2 MB/KK werde dem Versicherer die Möglichkeit eingeräumt, auch im Falle einer nur vorübergehenden Veränderung der Versicherungsleistungen eine Beitragsanpassung vorzunehmen. Dies widerspreche insoweit §§ 12b Abs. 2 Satz 2 VAG a.F., § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG, § 203 Abs. 2 VVG, nach denen eine Prämienanpassung nur zulässig sei, wenn die Veränderung nicht nur vorübergehender Art sei.

13 Die Prämienerhöhungen im Tarif T zum 1. Januar 2011, zum

1. April 2016 und 1. April 2017 seien formell unwirksam. Die Mitteilungsschreiben aus November 2010, Februar 2016 und Februar 2017 genügten nicht den zu stellenden Mindestanforderungen an eine Mitteilung der maß- geblichen Gründe. Konkrete Angaben zu den Rechnungsgrundlagen und deren Veränderung, die den angepassten streitgegenständlichen Tarifen zugrunde liegen, fänden sich nicht. Die zu viel gezahlten Beträge errechneten sich in Höhe von 6.026,79 € für die Erhöhungen im Tarif V sowie in Höhe von 64,17 €, 207,90 € und 480 € im Tarif T . Die dar- über hinaus geltend gemachten Ansprüche bis Ende 2013 seien verjährt.

Der Kläger habe einen Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Oktober 2017. Ihm stehe auch ein Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.025,55 € zu. Die Zinsansprüche folgten aus

§ 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 BGB.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand.

1. Das Berufungsgericht hat den erforderlichen Inhalt der nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden maßgeblichen Gründe zutreffend bestimmt. Wie der Senat mit Urteil vom 16. Dezember 2020 (IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56) entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen,

in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 26).

2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die von der Beklagten mitgeteilten Gründe für die Prämienerhöhungen zum 1. Januar 2011, 1. April 2016 und 1. April 2017 diese Voraussetzungen einer nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Mitteilung nicht erfüllen. Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 38). Revisionsrechtlich relevante Fehler sind hier nicht zu erkennen.

Nach der im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Beurteilung des Berufungsgerichts enthalten die Mitteilungen nebst Anlagen keine Angaben dazu, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über dem geltenden Schwellenwert die konkreten Beitragserhöhungen ausgelöst hat. Das Berufungsgericht hat den Schreiben vom Februar 2016 und 2017 nur die Erwähnung gestiegener Ausgaben entnommen. Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich auch aus der Nennung der "gestiegenen Gesundheitskosten" als wichtigsten Grund der Beitragserhöhung im Schreiben vom Februar 2016 oder der im Schreiben vom November 2010 erwähnten Notwendigkeit, "die Versicherungsleistungen und Beiträge in einem ausgewogenen Verhältnis zu halten", nichts anderes. Anders als die Revision meint das Berufungsgericht auch eine Mitteilung, die dem Versicherungsnehmer abverlangt, die richtigen Schlussfolgerungen aus der fehlenden Erwähnung der Sterbewahrscheinlichkeit oder einer Ausgabensteigerung gerade im betroffenen Versicherungsverhältnis zu ziehen, nicht für ausreichend halten. Seine Annahme, es fehle in den Schreiben vom Februar 2016 und 2017 an konkreten Angaben zur Veränderung der Rechnungsgrundlagen, ist nicht zu beanstanden; dies verweist darauf, dass die Veränderung einer Rechnungsgrundlage den im Gesetz oder den in den Versicherungsbedingungen festgelegten Schwellenwert überschritten haben muss.

Soweit das Berufungsgericht eine Bezugnahme auf die konkreten Tariferhöhungen vermisst hat, bezieht sich dies auf die Überschreitung einer bestimmten Rechnungsgrundlage im festgelegten Umfang als Voraussetzung der Prämienanpassung, und nicht auf die Frage, in welchem Tarif die Beklagte eine Prämienanpassung vorgenommen hat. Entgegen der Ansicht der Revision ist es daher nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht auch die beigefügten Nachträge zum Versicherungsschein, in denen für jeden Tarif die jeweilige Prämienerhöhung aufgeführt war, nicht als ausreichende Mitteilung angesehen hat.

3. Das Berufungsgericht ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Rückgewähranspruch des Klägers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Erhöhungsbeträge, die er ohne wirksame Prämienanpassungserklärung gezahlt hat, der Höhe nach uneingeschränkt umfasst. Die Höhe des Rückzahlungsanspruchs wird von der Revision - bis auf die Einrede der Verjährung - zu Recht nicht angegriffen.

4. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen die Prämienanpassungen im Tarif V mit der Begründung für endgültig unwirksam gehalten, dass es für diese Erhöhungen an einer wirksamen Prämienanpassungsklausel fehle.

a) Bei diesen Prämienanpassungen lag die Veränderung der Versicherungsleistungen unterhalb des gesetzlich vorgesehenen Schwellenwerts von 10 % gemäß § 203 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG. Diese gesetzlichen Vorschriften erlauben jedoch eine Herabsetzung des Schwellenwerts in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte nach § 8b MB/KK 2009 in Verbindung mit § 8b Abs. 1.1 der Tarifbedingungen den Schwellenwert auf 5 % gesenkt; dieser Wert wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch die Veränderung der Versicherungsleistungen bei den hier in Rede stehenden Prämienanpassungen überschritten.

b) Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom 22. Juni 2022 (IV ZR 253/20, VersR 2022,1078) entschieden und im Einzelnen begründet hat, stehen die Regelungen in § 8b MB/KK zu den Voraussetzungen einer Prämienanpassung einer Anwendung des niedrigeren Schwellenwertes für eine Prämienanpassung aus den Tarifbedingungen des Versicherers nicht entgegen. Zwar ist § 8b Abs. 2 MB/KK unwirksam (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 2022 aaO Rn. 31 f.), dies lässt aber die Wirksamkeit von § 8b Abs. 1 MB/KK und einer Regelung wie § 8b Abs. 1.1 der Tarifbedingungen der Beklagten unberührt (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 2022 aaO Rn. 33 ff.).

c) Die materiellen Voraussetzungen der Prämienanpassungen im Übrigen liegen hier unstreitig vor.

5. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Verjährung des Anspruchs auf Rückzahlung der ab dem 1. Januar 2014 geleisteten Prämienanteile durch die am 22. Januar 2018 erfolgte Zustellung der Klageschrift, die am 22. Dezember 2017 bei Gericht eingegangen war (§ 167 ZPO), rechtzeitig gehemmt wurde und diese Ansprüche nicht verjährt sind.

Die dreijährige Regelverjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entgegen der Ansicht der Revision entsteht jedoch nicht mit der unwirksamen Prämienerhöhung und der ersten darauf erfolgten monatlichen Teilzahlung bereits ein einheitlicher Bereicherungsanspruch in Höhe aller in Zukunft darauf geleisteter Prämien. Die Rückzahlungsansprüche aufgrund unwirksamer Beitragserhöhungen entstehen vielmehr jeweils mit der Zahlung der Erhöhungsbeträge (vgl. Senatsurteil vom 17. November 2021 - IV ZR 113/20, BGHZ 232, 31 Rn. 41). Bei rechtsgrundlos erbrachten Leistungen, die periodisch fällig und dementsprechend bezahlt werden, entsteht mit jeder Zahlung ein sofort fälliger und damit ein regelmäßig zeitlich wiederkehrender Bereicherungsanspruch (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2008 - XI ZR 409/06, WM 2008, 1258 Rn. 12). Wie der Senat mit Urteil vom 22. Juni 2022 (IV ZR 253/20, VersR 2022, 1078 Rn. 43) entschieden und im Einzelnen begründet hat, können die Grundsätze der Verjährung bei der Schadenseinheit nicht auf Bereicherungsansprüche übertragen werden.

6. Auch die Feststellung der Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen weist keine Rechtsfehler auf. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht keine Nutzungen für einen Zeitraum zugesprochen, in dem die zugrundeliegenden Prämienrückzahlungsansprüche bereits verjährt waren. Da die Herausgabepflicht der Beklagten auf die Nutzungen beschränkt wurde, die sie aus den vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Oktober 2017 gezahlten Prämienanteilen gezogen hat, ist die Ziehung von Nutzungen im verjährten Zeitraum vor dem 1. Januar 2014 ausgeschlossen.

7. Rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Feststellung der Pflicht zur Verzinsung der herauszugebenen Nutzungen. Das Berufungsgericht geht rechtsfehlerfrei davon aus, dass die Beklagte in ihrer Erwiderung vom 8. November 2017 auf die Forderungen des Klägers aus dessen Schreiben vom 27. Oktober 2017 die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hat, wodurch sie in Verzug geraten ist, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Die Beklagte hat dort die geltend gemachten Rückzahlungsansprüche - und damit auch die Herausgabe jeglicher aus den Prämienanteilen gezogenen Nutzungen - bestimmt und ohne Einschränkung zurückgewiesen.

8. Im Ergebnis und dem Grunde nach zu Recht hat das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch wegen vertraglicher Pflichtverletzung aus §§ 280, 257 BGB hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten angenommen.

a) Das Berufungsgericht hat die nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Begründungen der Prämienanpassungen als Vertragsverletzung der Beklagten angesehen. Ungeachtet dessen, ob dies bereits eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung darstellt, liegt eine solche jedenfalls in der unberechtigten Geltendmachung der nicht geschuldeten Erhöhungsbeträge aus der unwirksamen Prämienanpassung bei der Beitragsabrechnung der Beklagten. Entgegen der Ansicht der Revision kann diesem Anspruch nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber als Folge einer unzureichenden Begründung in § 203 Abs. 5 VVG allein das Nichtwirksamwerden der Prämienanpassung vorgesehen habe. Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das ihr nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2022 - IV ZR 291/20, VersR 2022, 503 Rn. 26 m.w.N.). Wenn ein Partner eines gegenseitigen Vertrags aus diesem Vertrag Ansprüche gegen den anderen Partner ableitet, die ihm nicht zustehen, kommt daher ein Anspruch aus der Verletzung vertraglicher Pflichten aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2022 aaO).

b) Von dem Vorwurf des nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermuteten Verschuldens hat sich die Beklagte nicht entlastet. Soweit sich die Revision darauf beruft, die Beklagte habe ihren Rechtsstandpunkt bis zu einer höchstrichterlichen Klärung der Begründungsanforderungen aus § 203 Abs. 5 VVG für plausibel halten dürfen, beruft sie sich auf einen Rechtsirrtum, der im Allgemeinen nicht entschuldigt (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2022 aaO Rn. 27 m.w.N.). Insoweit werden an die Sorgfaltspflicht strenge Anforderungen gestellt; es reicht nicht aus, dass sie sich ihre Meinung nach sorgfältiger Prüfung und sachgemäßer Beratung gebildet hat; entschuldigt wäre sie erst, wenn mit der Möglichkeit des Unterliegens im Rechtsstreit nicht zu rechnen war (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2022 aaO). Davon ist hier nicht auszugehen. Der Versicherer hat die Gestaltung seiner Mitteilungen zu Prämienanpassungen selbst in der Hand und kann auch angesichts der Auslegungsbedürftigkeit einer Vorschrift, zu der noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist, im Zweifel eine rechtssichere Formulierung wählen (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 37).

9. Die Sache ist nur teilweise entscheidungsreif. Die bereits als begründet anzusehenden Ansprüche umfassen die Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragserhöhung im Tarif V zum 1. April 2016 und der entsprechenden Nichtzahlungspflicht sowie die Rückzahlung der Erhöhungsbeträge aus den Prämienanpassungen zum 1. Januar 2011 im Tarif T , zum 1. April 2016 im Tarif T und V und zum

1. April 2017 im Tarif T , soweit sie im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2017 gezahlt wurden, nebst Zinsen. Außerdem begründet ist der Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen nebst Zinsen im ausgeurteilten Umfang, soweit sich dieser auf die Beitragserhöhungen zum 1. Januar 2011 und 1. April 2016 bezieht. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zur formellen Unwirksamkeit der Beitragserhöhung zum

1. April 2016 erfassen auch die in dieser Mitteilung enthaltene Erhöhung im Tarif V

; diesbezüglich ging das Berufungsgericht zwar - unzutreffend - von einer endgültigen materiellen Unwirksamkeit aus, was aber an der formellen Unwirksamkeit auch dieser Prämienanpassung nichts ändert. Damit ergibt sich für die Beitragserhöhungen zum 1. Januar

2011, 1. April 2016 und 1. April 2017 ein Rückzahlungsanspruch von 2.746,86 € (94,99 € x 21 Monate + 10,00 € x 48 Monate + 9,90 € x 21 Monate + 7,13 € x 9 Monate).

Außerdem bereits begründet ist ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 €. Der zugrunde zu legende Gegenstandswert umfasst die zum Zeitpunkt der anwaltlichen Tätigkeit im Oktober 2017 begründeten Zahlungs- und Feststellungsansprüche, die mindestens 7.627,66 € entsprachen. Die begründeten Zahlungsansprüche aus den formell unwirksamen Erhöhungen beliefen sich auf 2.502,82 € (94,99 € x 19 Monate + 10 € x 46 Monate + 9,90 € x 19 Monate + 7,13 € x 7 Monate), der Wert der Ansprüche auf Feststellung der künftigen Unwirksamkeit der Erhöhungen - einschließlich derer im Tarif T

- auf 5.124,84 € ((94,99 € + 10 € + 9,90 € + 7,13 €)

x 42 Monate). Bei Ansatz der vom Berufungsgericht angenommenen

1,3 Geschäftsgebühr ergäbe sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung ein Betrag von 729,23 € (456 € Gebühr x 1,3 + 20 € Pauschale + 116,43 € Umsatzsteuer).

Die darüberhinausgehende Klage bedarf dagegen zu ihrer Entscheidung noch einer Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit der Prämienanpassungen im Tarif V zum 1. Januar 2012 und zum 1. April 2013 durch das Berufungsgericht. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben,

soweit die Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen im Tarif V zum 1. Januar 2012 und zum 1. April 2013 und die entsprechende Nichtzahlungspflicht festgestellt worden sind und die Beklagte zur Rückzahlung der vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2017 auf diese Prämienanpassungen gezahlten Erhöhungsbeträge nebst Zinsen sowie zur Herausgabe der daraus gezogenen Nutzungen nebst Zinsen verurteilt worden ist. Dasselbe gilt für die Freistellung von den Rechtsanwaltskosten, die den begründeten Mindestbetrag übersteigen.

III. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das zu prüfen haben wird, ob die Prämienanpassungen im Tarif V zum 1. Januar 2012 und zum 1. April 2013 formell rechtmäßig waren.

Prof. Dr. Karczewski 49 Harsdorf-Gebhardt Dr. Brockmöller Dr. Bußmann Dr. Bommel

50 Vorinstanzen: LG Bonn, Entscheidung vom 02.09.2020 - 9 O 396/17 OLG Köln, Entscheidung vom 07.09.2021 - 9 U 199/20 -

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Paragraphen in IV ZR 307/21

Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit Paragraph
9 203 VVG
3 280 BGB
2 286 BGB
1 199 BGB
1 241 BGB
1 257 BGB
1 288 BGB
1 812 BGB
1 12 VAG
1 155 VAG
1 167 ZPO

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