XI ZR 266/21
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES XI ZR 266/21 URTEIL in dem Rechtsstreit Verkündet am: 28. Juni 2022 Schwaninger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2022:280622UXIZR266.21.0 Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat gemäß § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 14. Juni 2022 eingereicht werden konnten, durch den Richter Dr. Grüneberg, die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Derstadt, den Richter Dr. Schild von Spannenberg und die Richterin Ettl für Recht erkannt:
Der Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt. Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 14. April 2021 wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Streitwert: bis 40.000 €
Von Rechts wegen Tatbestand: 1 Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers. 2 Der Kläger erwarb im November 2016 einen Neuwagen Mini Cooper zum Kaufpreis von 37.131,18 €. Zur Finanzierung des über eine Anzahlung von 8.072 € hinausgehenden Kaufpreises und der Prämie für eine Shortfall GAP Versicherung in Höhe von 528,03 € schlossen die Parteien mit Datum vom 16. November 2016 einen Darlehensvertrag über 29.587,21 €. Das Darlehen sollte ab April 2017 in 35 Monatsraten zu je 400 € und einer Schlussrate von 17.045,11 € zurückgezahlt werden. Seite 5 des Darlehensvertrags enthält folgende Angabe über die Verzugsfolgen:
"Für ausbleibende Zahlungen werden die gesetzlichen Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr … berechnet." Nummer 3.3 der Allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten beinhaltet eine gleichlautende Regelung nebst der Ergänzung, dass der Basiszinssatz jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres ermittelt und von der Deutschen Bundesbank im Bundesanzeiger bekannt gegeben wird.
Der Kläger führte das Darlehen im März 2020 vertragsgemäß vollständig zurück, worauf die Beklagte die Sicherheiten freigab. Mit E-Mail vom 4. Mai 2020 widerrief der Kläger seine Vertragserklärung und bot der Beklagten das finanzierte Fahrzeug gegen Zahlung aller bislang geleisteten Raten und der Anzahlung an. Die Beklagte wies den Widerruf als verfristet zurück. Daraufhin forderte der Kläger die Beklagte mit einem Anwaltsschreiben nochmals zur Rückabwicklung des Darlehensvertrags auf.
Mit der Klage hat der Kläger (1.) die Zahlung von 39.117,11 € nebst Zinsen nach Rückgabe und Übereignung des finanzierten Fahrzeugs, (2.) die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und (3.) die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten begehrt. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der - vom Senat im Hinblick auf den Zahlungsantrag zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Begehren insoweit weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Kläger habe seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf sei verfristet, weil sich die Beklagte im Hinblick auf die dem Kläger erteilte Widerrufsinformation auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen könne und im Übrigen die ihm zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde alle für die Ingangsetzung der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB enthalten habe. Dies gelte insbesondere für die Angaben zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, zum Verzugszinssatz und zum einzuhaltenden Verfahren bei Kündigung des Vertrags.
Davon abgesehen habe der Kläger sein Widerrufsrecht auch verwirkt. Der Widerruf sei mehr als drei Jahre nach Vertragsschluss erklärt worden. Im Zeitpunkt der Widerrufserklärung sei der Darlehensvertrag bereits beendet gewesen. Die Beklagte habe die Sicherheiten freigegeben. Aufgrund dessen habe sie davon ausgehen dürfen, dass der Kläger ein etwaiges Widerrufsrecht nicht mehr geltend machen werde. Schließlich seien die Anträge zu 2 und 3 unabhängig von der Wirksamkeit des Widerrufs unbegründet, weil sich die Beklagte bei Klageerhebung nicht in Annahmeverzug befunden habe. Der Kläger habe insoweit seiner Vorleistungspflicht aus § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht genügt, weil er selbst noch in der Klageschrift nur zu einer Zug-um-Zug-Leistung gegen Erstattung der von ihm geleisteten Zahlung bereit gewesen sei. Aufgrund dessen wäre sein Zahlungsantrag zu 1 jedenfalls als derzeit unbegründet abzuweisen.
II.
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung jedenfalls insoweit stand, als das Berufungsgericht den mit der Revision noch verfolgten Zahlungsanspruch als derzeit unbegründet abgewiesen hat.
1. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen (Haupt-)Begründung kann ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB unter anderem mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen AllgemeinVerbraucherdarlehensvertrags allerdings nicht verneint werden. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, ordnungsgemäß erfüllt hat.
Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert zwar die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nach den Maßstäben des nationalen Rechts nicht die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 5. November 2019 - XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 Rn. 52 mwN). Im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40 und ABl. 2011, L 234, S. 46) genügt dies aber den Anforderungen des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht, sondern verlangt die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 12. April 2022 - XI ZR 179/21, WM 2022, 979 Rn. 11 f.). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.
2. Das Berufungsgericht hat aber zu Recht angenommen, dass der vom Kläger mit der Revision verfolgte Klageanspruch aus § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB auf Rückgewähr der von ihm an die Beklagte geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen jedenfalls derzeit unbegründet ist. Insoweit steht der Beklagten - was sie mit der Klageerwiderung geltend gemacht hat nach § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB gegenüber dem vorleistungspflichtigen Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat. Dass die Beklagte angeboten hätte, das Fahrzeug beim Kläger abzuholen (§ 357 Abs. 4 Satz 2 BGB), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit der Kläger die Zahlung "nach" Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs begehrt, setzt dies in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB voraus, dass die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs im Verzug der Annahme ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 29). Dies ist indes nicht der Fall. Zwischen den Parteien steht aufgrund der rechtskräftigen Abweisung des Antrags des Klägers auf Feststellung des Annahmeverzugs fest, dass sich die Beklagte nicht in Annahmeverzug befunden hat (§ 322 Abs. 1 ZPO).
Soweit die Revision meint, die Beklagte könne sich auf das Leistungsverweigerungsrecht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht stützen, weil sie den Rückgewähranspruch des Klägers bereits dem Grunde nach in Abrede stelle, trifft dies nicht zu. Für den Kläger besteht in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB die Möglichkeit, Zahlung "nach" Herausgabe des Fahrzeugs zu verlangen, was er in seinem Zahlungsantrag berücksichtigt hat. Dies setzt allerdings des Weiteren voraus, dass die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs im Verzug der Annahme ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 29). Das ist hier nicht der Fall.
Vorsorglich weist der Senat für ein etwaiges Folgeverfahren darauf hin, dass aus der Abweisung des Rückgewähranspruchs als derzeit unbegründet lediglich in Rechtskraft erwächst, dass der Kläger gegen die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keinen zur Zahlung fälligen Anspruch hatte, nicht dagegen, dass die Beklagte einem solchen Anspruch nicht weitere Einreden und Einwendungen entgegenhalten kann (vgl. Senatsurteil vom 30. März 2021 - XI ZR 193/20, BKR 2021, 371 Rn. 18 mwN).
III.
Der Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über das Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg vom 19. März 2021 (2 O 282/19, 2 O 384/19, 2 O 474/20, 2 O 480/20, juris) hat keinen Erfolg, weil sich die dort aufgeworfenen Fragen vorliegend nicht stellen oder - im Hinblick auf die Vorleistungspflicht des Käufers und Darlehensnehmers und eine diesbezügliche Vorlagepflicht - vom Senat bereits beantwortet worden sind (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2021 - XI ZR 608/20, WM 2021, 2248 Rn. 19 f.).
Grüneberg Menges Schild von Spannenberg Derstadt Ettl Vorinstanzen: LG Landshut, Entscheidung vom 12.11.2020 - 24 O 1966/20 OLG München, Entscheidung vom 14.04.2021 - 19 U 7093/20 -