AnwZ (Brfg) 32/21
BUNDESGERICHTSHOF AnwZ (Brfg) 32/21 BESCHLUSS vom
19. Januar 2022 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache wegen Widerrufs der Zulassung ECLI:DE:BGH:2022:190122BANWZ.BRFG.32.21.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat am 19. Januar 2022 durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, die Richterinnen Dr. Liebert und Ettl sowie den Rechtsanwalt Dr. Kau und die Rechtsanwältin Merk beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 27. Mai 2021 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe: I.
Der Kläger ist seit dem Jahr 1988 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 16. März 2020 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof nach mündlicher Verhandlung in Abwesenheit des Klägers abgewiesen. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung.
II.
Der nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag des Klägers hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Dem Anwaltsgerichtshof ist kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem sein Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Der Kläger beruft sich darauf, dass der Anwaltsgerichtshof verfahrensfehlerhaft in seiner Abwesenheit verhandelt habe, obwohl er einen begründeten Verlegungsantrag gestellt habe. Die Ablehnung des Verlegungsantrags durch den Anwaltsgerichtshof rechtfertigt jedoch bei Gesamtwürdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls den insoweit vom Kläger erhobenen Vorwurf der Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht.
Gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen verlegt werden; nach § 227 Abs. 2 ZPO sind die erheblichen Gründe auf Verlangen des Vorsitzenden des Gerichts glaubhaft zu machen. Im Hinblick auf die durch einen Vermögensverfall indizierte Gefährdung der Interessen der rechtsuchenden Mandanten sind dabei an den Verhinderungsgrund und dessen Glaubhaftmachung strenge Anforderungen zu stellen (Senat, Beschlüsse vom 4. Juli 2009 - AnwZ (B) 14/08, juris Rn. 12 und vom 18. Mai 2020 - AnwZ (Brfg) 63/18, juris Rn.14). Macht in einem solchen Fall der Rechtsanwalt zum wiederholten Mal eine krankheitsbedingte Verhinderung geltend, kommt eine weitere Verlegung des Termins nur nach Vorlage eines amtsärztlichen Attests in Betracht (Senat, Beschlüsse vom 31. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 45/17, juris Rn. 33 mwN und vom 2. Dezember
- AnwZ (B) 41/08, juris Rn. 12; vgl. auch BFH, Beschluss vom 21. April 2008 - XI B 206/07 u.a., juris Rn. 4).
a) Der Anwaltsgerichtshof hat zu Recht die Vorlage eines amtsärztlichen Attests verlangt. Der Kläger beantragte zunächst mit Schriftsatz vom 16. November 2020 eine Verlegung des auf den 18. November 2020 angesetzten Termins und legte ein Attest des Arztes Dr. M. vor, wonach der Kläger sich mit starken Beschwerden einer Gastroenteritis vorgestellt habe, was durch eine körperliche Untersuchung verifiziert worden sei. Auch hinsichtlich des auf den 16. Dezember verlegten Termins beantragte der Kläger, dem die Ladung am 18. November 2020 zugestellt worden war, eine Verlegung. Dabei legte er mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2020 eine vom 29. Oktober 2020 datierende Ladung des Amtsgerichts A.
zu einer Strafverhandlung vor, bei der er als Wahlverteidiger der Angeklagten beauftragt war. Der Vorsitzende des Anwaltsgerichtshofs verfügte am 14. Dezember 2020 die Verlegung des Termins und die Benachrichtigung der Beteiligten, was die Geschäftsstelle am 15. Dezember 2020 durchführte. Am 15. Dezember 2020 hatte die Sekretärin des Klägers mit einem um 7.46 Uhr eingegangenen Fax mitgeteilt, der Kläger befinde sich zur Zeit im Uniklinikum und werde für einen längeren, noch nicht absehbaren Zeitraum vollständig ausfallen. Aus diesem Grund bitte sie darum, den auf den 16. Dezember angesetzten Termin aufzuheben und zu vertagen. Ein Attest war nicht beigefügt. Ein weiterer Termin wurde aufgrund eines Antrags der Beklagten verlegt.
Der Termin vom 27. Mai 2021 war somit der Termin, in dem der Kläger zum dritten Mal eine krankheitsbedingte Verhinderung geltend machte.
b) Der Anwaltsgerichtshof hat zu Recht die vom Kläger vorgebrachte Entschuldigung für die Nichtvorlage eines amtsärztlichen Attests als nicht ausreichend angesehen.
Ist dem Betroffenen der Nachweis durch Vorlage eines amtsärztlichen Attests aufgegeben, hat er Anstrengungen zu unternehmen, um ein amtsärztliches Attest beim zuständigen Gesundheitsamt einzuholen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2017 - 2 WDB 2/17, juris Rn. 15) und dieses zumindest in angemessener Frist nachreichen zu können (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2009 - AnwZ (B) 41/08, juris Rn. 13).
Dass der Kläger mit Fax vom 27. Mai 2021 darauf hingewiesen hat, dass es in B.
kein Gesundheitsamt mehr gebe und das für ihn zuständige Gesundheitsamt in A.
sei, er sich wegen seiner fiebrigen Erkrankung und insbesondere des anhaltenden Brechdurchfalls aber nicht dorthin begeben könne, genügt diesen Anforderungen nicht. Dem Kläger wäre es zumutbar gewesen, das Gesundheitsamt telefonisch zu kontaktieren und die Sachlage zu schildern. Dann hätte er Auskunft darüber erhalten, ob Untersuchungen nur in A. erfolgen und, wenn ja, wann unter Berücksichtigung des Beschwerdebilds des Klägers eine Untersuchung an einem der nächsten Tage möglich ist und welche Unterlagen (zum Beispiel Ergebnisse von Voruntersuchungen, welche in der Zwischenzeit beim Hausarzt zu veranlassen sind) beizubringen sind,
um auch auf der Grundlage dieser späteren Untersuchung noch eine amtsärztliche Beurteilung zur Verhandlungsfähigkeit des Klägers abgeben zu können.
Soweit der Kläger erst mit Schriftsatz vom 23. August 2021 vorgetragen hat, das Gesundheitsamt führe nur eine Untersuchung durch, wenn dem Gesundheitsamt hierzu durch die Behörde oder Institution, die das Attest verlange, ein Untersuchungsauftrag erteilt werde, reicht dies als bloße Behauptung ohne Vorlage von Belegen nicht aus (vgl. BFH, Beschlüsse vom 21. April 2008 - XI B 206/07 u.a., juris Rn. 4 und vom 17. Mai 2000 - IV B 86/99, juris Rn. 7). Zudem hatte der Vorsitzende des Anwaltsgerichtshofs dem Kläger mit Fax vom 26. Mai 2021 mitgeteilt, dass der Verhinderungsgrund nur durch ein amtsärztliches Attest glaubhaft gemacht werden könne. Der Kläger hätte daher mit dem Gesundheitsamt abklären können, ob eine Vorlage dieses Faxschreibens für ein Tätigwerden des Gesundheitsamts ausreicht oder ob hierzu weitere Schreiben erforderlich sind.
c) Vor diesem Hintergrund kommt es auf den Inhalt des vom Kläger vorgelegten Attests des Arztes Dr. B.
vom 27. Mai 2021 nicht an. Der Anwaltsgerichtshof war wegen der vorangegangenen, auf Krankheit gestützten Verlegungsanträge gerade nicht mehr gehalten, das Attest eines den Kläger behandelnden Arztes allein für eine Verlegung des Termins ausreichen zu lassen.
Der Anwaltsgerichtshof musste das Attest auch nicht als ausreichende Entschuldigung dafür ansehen, dass ein amtsärztliches Attest nicht beizubringen war. In dem Attest war zwar ausgeführt, dass der Kläger vom 25. Mai 2021 bis 31. Mai 2021 verhandlungs- und reiseunfähig sei. Allerdings stand wegen der fehlenden Kontaktaufnahme des Klägers mit dem Gesundheitsamt nicht fest, unter welchen Umständen und an welchem Ort eine Untersuchung erfolgen konnte und welche Mitwirkungshandlungen des Klägers dafür erforderlich waren. Das Attest konnte sich darauf daher gar nicht beziehen.
2. Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat - wenn auch nur im Zusammenhang mit der Darlegung des Zulassungsgrunds des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO - vorgebracht, dass er bei Teilnahme an der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hätte, dass den Verbindlichkeiten, die zur Eintragung ins Schuldnerverzeichnis geführt hätten, entsprechende Freistellungsansprüche gegen seine beiden Haftpflichtversicherer gegenüberstünden, welche bereits zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerrufsbescheids vorhanden gewesen seien.
Dies führt jedoch nicht dazu, die Feststellung des Vermögensverfalls durch den Anwaltsgerichtshof in Frage zu stellen.
Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs ist allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (Senat, Beschluss vom 3. Juli 2018 - AnwZ (Brfg) 26/18, juris Rn. 4).
Vermögenswerte wie die vom Kläger behaupteten Ansprüche gegen die Versicherungen können nur dann von Bedeutung sein, wenn sie liquide sind und dem Antragsteller zur Tilgung von Verbindlichkeiten zur Verfügung stehen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 3. Juli 2018 - AnwZ (Brfg) 26/18, juris Rn. 7 mwN und vom 6. Mai 2021 - AnwZ (Brfg) 38/20, ZInsO 2021, 1437 Rn. 10). Dass eine derartige Liquidität zum Zeitpunkt des Widerrufs bestand, ergibt sich aus der Angabe des Klägers jedoch nicht.
Auch soweit der Kläger ausführt, dass durch ausreichende Maßnahmen bereits seit geraumer Zeit vollständig sichergestellt worden sei, dass keinerlei Gefährdung der Mandanten des Klägers bestehe bzw. zu befürchten sei, genügt dies nicht, um Zweifel an der Richtigkeit des Urteils darzulegen.
Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft (vgl. nur Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 7). Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 7 und vom 4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 82/18, juris Rn. 5 ff.).
Der allgemeine Verweis des Klägers auf ausreichende Maßnahmen lässt vor diesem Hintergrund keine Beurteilung zu, ob eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden vorliegt oder nicht.
III. 19 Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Limperg Liebert Kau Merk Vorinstanzen: AGH Koblenz, Entscheidung vom 27.05.2021 - 2 AGH 4/20 - Ettl