IX ZB 17/23
BUNDESGERICHTSHOF IX ZB 17/23 BESCHLUSS vom 11. Juli 2024 in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung ECLI:DE:BGH:2024:110724BIXZB17.23.0 Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Schoppmeyer, die Richter Röhl, Dr. Schultz, Weinland und Kunnes am 11. Juli 2024 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 2. März 2023 wird auf Kosten der Antragsgegnerin als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 95.085 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Urteils des Amtsgerichts Tel Aviv-Jaffa vom 19. Oktober 2008 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 30. November 2008 nach dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 20. Juli 1977 (BGBl. 1980 II S. 925; fortan: Vertrag). Auf ihren zuletzt eingeschränkten Antrag hat das Landgericht eine entsprechende Teilvollstreckungsklausel erteilt.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 22. August 2014 zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin hat der erkennende Senat den Beschluss vom 22. August 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen (Beschluss vom 12. Oktober 2017 - IX ZB 64/14, WM 2018, 93). Nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nebst zweier Ergänzungsgutachten sowie Einreichung weiterer Unterlagen durch die Antragstellerin und Vorlage zweier Privatgutachten durch die Antragsgegnerin hat das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 2. März 2023 die Beschwerde erneut zurückgewiesen, die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des ersten Rechtsbeschwerdeverfahrens jedoch der Antragstellerin auferlegt. Gegen die Entscheidung in der Hauptsache wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
Die gemäß Art. 11 des Vertrags in Verbindung mit § 15 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes in der Fassung vom 3. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3830; fortan: AVAG), § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Vollstreckbarerklärung lägen vor. Die Antragstellerin habe die nach Art. 15 des Vertrags erforderlichen Urkunden beigebracht. Insbesondere habe sie mit der vorgelegten "korrekten Kopie" vom 18. Oktober 2020 eine beglaubigte Abschrift der zu vollstreckenden Entscheidung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 des Vertrags eingereicht. Die behandelnde Richterin habe diese Abschrift auch trotz ihrer zwischenzeitlichen Abordnung vom Amtsgericht Tel Aviv-Jaffa an das Amtsgericht Herzliya unterzeichnen dürfen. Ferner bezeuge die "korrekte Kopie" vom 18. Oktober 2020 die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit der Entscheidung, deren Vollstreckbarerklärung begehrt werde, wie es Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 und 3 des Vertrags verlange. Die Antragsgegnerin mache selbst nicht geltend, dass eine Vollstreckbarkeit der Entscheidung in Israel nicht gegeben und die Entscheidung nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Schließlich habe die Antragstellerin eine Übersetzung beigebracht, die von dem in Israel zugelassenen Notar A. als richtig bescheinigt worden sei und damit den Anforderungen von Art. 15 Abs. 1 Nr. 7 des Vertrags genüge. Zwar habe der Notar H. hinsichtlich der von ihm zuvor vorgenommenen Beglaubigung der Übersetzung der Entscheidung beachtliche Verstöße gegen das israelische Recht begangen, welche bezüglich Art. 15 Abs. 1 Nr. 7 des Vertrags relevante Fehler begründeten. Diese Fehler seien jedoch durch die von Notar A. vorgenommene Beglaubigung der Übersetzung der beglaubigten Abschrift der Entscheidung des Amtsgerichts Tel Aviv vom 18. Oktober 2020 geheilt worden.
2. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß Art. 11 des Vertrags in Verbindung mit § 15 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d AVAG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nach § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
a) Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert sie die Fortbildung des Rechts. Die Rechtsbeschwerde hat Grundsatzfragen nicht geltend gemacht. Solche sind im Hinblick auf die in der Rechtssache bereits ergangene Entscheidung des Senats (Beschluss vom 12. Oktober 2017 - IX ZB 64/14, WM 2018, 93) im Übrigen auch nicht ersichtlich.
b) Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist ferner nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, denn entscheidungserhebliche Verstöße des Beschwerdegerichts gegen den Anspruch der Antragsgegnerin auf die Gewähr rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG liegen nicht vor.
aa) Entscheidungen israelischer Gerichte sind gemäß Art. 10 des Vertrags in Deutschland zur Zwangsvollstreckung zuzulassen, wenn sie in Israel vollstreckbar und in Deutschland nach den Bestimmungen des zweiten Abschnitts des Vertrags anzuerkennen sind. Nach Art. 3 des Vertrags werden die in Zivilund Handelssachen über Ansprüche der Parteien ergangenen Entscheidungen, die nicht mehr mit einem ordentlichen Rechtsmittel angefochten werden können, anerkannt. Entscheidungen, die noch nicht rechtskräftig sind, werden zwar ebenfalls zur Zwangsvollstreckung zugelassen, jedoch sind gemäß Art. 21 des Vertrags nur solche Maßnahmen zulässig, die der Sicherung des betreibenden Gläubigers dienen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2017 - IX ZB 64/14, WM 2018, 93 Rn. 6).
bb) Bei der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Zwangsvollstreckung hat sich das angerufene Gericht gemäß Art. 16 Abs. 1 des Vertrags auf die Prüfung zu beschränken, ob die nach Art. 15 des Vertrags erforderlichen Urkunden beigebracht sind und ob einer der in Art. 5 oder Art. 6 Abs. 2 des Vertrags genannten Versagungsgründe vorliegt. Liegen keine Versagungsgründe vor und sind die erforderlichen Urkunden beigebracht, darf die Vollstreckbarerklärung folglich nicht versagt werden (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2017 - IX ZB 64/14, WM 2018, 93 Rn. 7).
cc) Das Beschwerdegericht hat bei der Prüfung des Vorliegens der Nachweise gemäß Art. 15 Abs. 1 des Vertrags den aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Anspruch der Antragsgegnerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
(1) Ein Tatrichter hat Einwendungen einer Partei gegen das Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen zu berücksichtigen. Er ist verpflichtet, sich mit von der Partei vorgelegten Privatgutachten auseinanderzusetzen und auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken, wenn sich aus den Privatgutachten ein Widerspruch zum Gerichtsgutachten ergeben kann. Wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige die sich aus einem Privatgutachten ergebenden Einwendungen weder durch eine schriftliche Ergänzung seines Gutachtens noch im Rahmen seiner Anhörung ausräumen kann, muss der Tatrichter im Rahmen seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung ein weiteres Gutachten einholen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1991 - VI ZR 234/90, NJW 1992, 1459 f; vom 22. April 2016 - V ZR 256/14, NJW-RR 2016, 1251 Rn. 12; Beschluss vom 6. Juni 2023 - VI ZR 197/21, NJW-RR 2023, 1038 Rn. 10). Das Gericht ist gehalten, sich mit den Streitpunkten zwischen dem gerichtlichen Sachverständigengutachten und dem Privatgutachten sorgfältig und kritisch auseinanderzusetzen und die Streitpunkte zu würdigen (BGH, Beschluss vom 28. März 2023 - VI ZR 29/21, MDR 2023, 794 Rn. 8). Insbesondere hat es zu begründen, warum es einem von ihnen den Vorzug gibt (BGH, Beschluss vom 17. Mai 2017 - VII ZR 36/15, NJW 2017, 3661 Rn. 11).
(2) Nach diesen Grundsätzen hat das Beschwerdegericht den Anspruch der Antragsgegnerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Das Beschwerdegericht ist aufgrund einer Würdigung der Ausführungen der Gerichtssachverständigen zu dem Stempel "korrekte Kopie" auf der Abschrift vom 18. Oktober 2020 von dem Vorliegen einer beglaubigten Abschrift im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 des Vertrags ausgegangen.
(a) Das Beschwerdegericht ist auf die unter Verweis auf die Privatgutachten erfolgten Einwendungen der Antragsgegnerin zum Erfordernis eines Stempels "originalgetreu" zwar nicht im Einzelnen eingegangen. Die Verweise auf die Praxis am Amtsgericht Tel Aviv und die Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen belegen allerdings, dass das Beschwerdegericht die Einwendungen der Antragsgegnerin nicht gehörswidrig übergangen hat.
(b) Zudem hat das Beschwerdegericht im Hinblick auf die Qualifizierung der "korrekten Kopie" vom 18. Oktober 2020 als beglaubigte Abschrift im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 des Vertrags die auf den Privatgutachten basierenden Einwendungen der Antragsgegnerin nicht außer Acht gelassen, sondern vielmehr die Implikationen des Gerichtswechsels der behandelnden Richterin vom Amtsgericht Tel Aviv an das Amtsgericht Herzliya letztlich als unproblematisch erachtet.
(c) Aus den vorstehenden Gründen verstößt auch die Argumentation des Beschwerdegerichts, jedenfalls die "korrekte Kopie" vom 18. Oktober 2020 bezeuge die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit der Entscheidung nach israelischem Recht (Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 und 3 des Vertrags), nicht gegen den Anspruch der Antragsgegnerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.
(3) Ein Gehörsverstoß ist ferner nicht ersichtlich, soweit das Beschwerdegericht ergänzend ausführt, die Antragsgegnerin habe selbst nicht geltend gemacht, dass eine Vollstreckbarkeit der Entscheidung in Israel nicht gegeben sei. Zwar hat die Antragsgegnerin vorgetragen, die Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung in Israel seien nicht erfüllt. Es fehle hierfür an der Vorlage einer Abschrift des Urteils, also nicht bloß seiner Beschlussformel, welche mit dem Stempel "originalgetreu" beglaubigt sei. Hieraus wird indes nicht hinreichend deutlich, dass die Antragsgegnerin auch das Vorliegen einer vollstreckbaren Entscheidung bestritten hat. Ein solch spezifisches Bestreiten der Vollstreckbarkeit der fraglichen Entscheidung wäre im Kontext von Art. 15 Abs. 1 Nr. 3 des Vertrags jedoch erforderlich gewesen. Denn das dort erwähnte Erfordernis einer vollstreckbaren Entscheidung ist lediglich eine von mehreren Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung, so dass mit dem Bestreiten anderer Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nicht gleichsam ein Bestreiten der Vollstreckbarkeit der fraglichen Entscheidung einhergeht.
(4) Schließlich hat das Beschwerdegericht die Einwendungen der Antragsgegnerin hinsichtlich der Mängel der vorgelegten Übersetzung im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Nr. 7 des Vertrags hinreichend gewürdigt.
Nach Art. 15 Abs. 1 Nr. 7 des Vertrags ist eine Übersetzung der nach Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 6 des Vertrags einzureichenden Dokumente beizubringen, die von einem amtlich bestellten oder vereidigten Übersetzer oder einem dazu befugten Notar als richtig bescheinigt sein muss. Das Beschwerdegericht hat beachtliche Verstöße des Notars H. hinsichtlich der von diesem vorgenommenen Beglaubigung der Übersetzung gegen das israelische Recht eingeräumt, welche einen bezüglich Art. 15 Abs. 1 Nr. 7 des Vertrags relevanten Fehler begründeten. Jedoch hat das Beschwerdegericht aufgrund der Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen diese Fehler durch die von Notar A. vorgenommene Beglaubigung der Übersetzung der "korrekten Kopie" vom 18. Oktober 2020 als geheilt angesehen. Auf Grund dessen ist nicht ersichtlich, dass das Beschwerdegericht bei seiner Würdigung den weiteren Vortrag der Antragsgegnerin bezüglich der Fehlerhaftigkeit auch der durch Notar A. vorgenommenen Beglaubigung der Übersetzung nicht berücksichtigt hat.
dd) Die durch die Rechtsbeschwerde gerügten Gehörsverletzungen wären im Übrigen auch nicht entscheidungserheblich. Die Antragsgegnerin hat letztlich weder geltend gemacht, dass es sich bei dem zu vollstreckenden Titel nicht um eine rechtskräftige Entscheidung eines israelischen Gerichts handelt, noch dass dieser Titel in Israel als dem Urteilsstaat nicht vollstreckbar ist (vgl. Art. 10, Art. 1 und Art. 2 des Vertrags).
c) Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Schoppmeyer Weinland Röhl Kunnes Schultz Vorinstanzen: LG Karlsruhe, Entscheidung vom 18.07.2013 - 11 O 54/12 OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 02.03.2023 - 10 W 9/17 -