III ZR 48/23
BUNDESGERICHTSHOF III ZR 48/23 IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR:
ja JNeu:
nein in dem Rechtsstreit Angemessene Bearbeitungszeit eines Bauantrags, Kollegialgerichtsrichtlinie, enteignungsgleicher Eingriff BGB § 839 Abs. 1 Ca, Fe i.V.m. GG Art. 34; BayBO § 68 Abs. 1 Satz 1; GO BY §§ 29 ff a) Zur Frage der amtspflichtwidrigen Verzögerung der Entscheidung über einen Bauantrag, die nach § 32 Abs. 2 Satz 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern in Verbindung mit kommunalem Ortsrecht einem beschließenden Ausschuss übertragen ist.
b) Die Gemeinde ist nicht unmittelbar im Zeitpunkt der Entscheidungsreife verpflichtet, über den Bauantrag zu entscheiden. Eine solche Entscheidungspflicht ergibt sich vielmehr erst nach Ablauf eines ihr zuzubilligenden Bearbeitungs- und Prüfungszeitraums, innerhalb dessen die ordnungsgemäße, ermessensfehlerfreie und zügige Bearbeitung des (entscheidungsreifen) Baugesuchs abgeschlossen sein muss. Innerhalb eines solchen Zeitraums ist die Gemeinde nicht gehindert, gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB einen Aufstellungsbeschluss für eine dem Vorhaben entgegenstehende geänderte Planung zu fassen und etwa eine Veränderungssperre zu beschließen (Fortführung von Senat, Beschluss vom 23. Januar 1992 - III ZR 191/90, NVwZ 1993, 299).
BGH, Urteil vom 24. Oktober 2024 - III ZR 48/23 - OLG Bamberg LG Bamberg ECLI:DE:BGH:2024:241024UIIIZR48.23.0 Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2024 durch die Richter Dr. Remmert und Reiter, die Richterinnen Dr. Arend und Dr. Böttcher sowie den Richter Dr. Herr für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg - 4. Zivilsenat - vom 13. Februar 2023 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18. April 2023 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 13. Oktober 2021 wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen Tatbestand Die Klägerin nimmt die beklagte Stadt unter dem Vorwurf der amtspflichtwidrigen Behandlung eines Bauantrags auf Schadensersatz in Anspruch.
1. Die Klägerin ist Eigentümerin eines auf dem Gebiet der Beklagten gelegenen Grundstücks, das mit einem siebengeschossigen Gebäude bebaut ist. Am 23. Dezember 2015 beantragte sie die Erteilung einer Baugenehmigung für einen Umbau und eine Nutzungsänderung des Gebäudes dahingehend, dass aus den vorhandenen Büroräumen im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss ein Hotel mit 66 Betten und aus darüber liegenden Mietwohnungen sogenannte "Stadtappartements" werden sollten.
Zu diesem Zeitpunkt existierte für das betreffende Gebiet noch kein Bebauungsplan, sondern nur ein 2013 vom Stadtplanungsamt erarbeiteter "Städtebaulich-denkmalpflegerischer Rahmenplan", nach dem ein Bebauungsplan aufgestellt und ein Rückbau des der Klägerin gehörenden Hochhauses auf ein stadtbild- und denkmalverträgliches Maß angestrebt werden sollte.
Mit Stellungnahme vom 4. Mai 2016 wies das Stadtplanungsamt auf den Rahmenplan sowie das Erfordernis einer Beteiligung des Bau- und Werksenats der Beklagten hin und führte aus, dass zwar unklar sei, ob es sich bei den geplanten "Stadtappartements" um Ferienwohnungen handele, aber in dem vorhandenen Allgemeinen Wohngebiet gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO auch eine Nutzung als Beherbergungsbetrieb ausnahmsweise zulässig sei. Mit Schreiben vom 7. Juli 2016 teilte das Bauordnungsamt der Klägerin mit, dass für die weitere Bearbeitung des Bauantrags Umplanungen und Ergänzungen sowie die Einholung eines schallschutztechnischen Gutachtens erforderlich seien.
Am 17. Oktober 2016 schloss die Klägerin für das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss einen Mietvertrag mit einer örtlichen Hotelbetreiberin ab.
Der Bauantrag der Klägerin sollte in der Sitzung des Bau- und Werksenats am 9. November 2016 behandelt werden. Die vom Bauordnungsamt erstellte Sitzungsvorlage vom 27. Oktober 2016 enthielt den Vermerk, dass der Antrag am 19. Oktober 2016 vollständig vorgelegen habe, und den Beschlussvorschlag, der baurechtlichen Genehmigung zuzustimmen.
Am 7. und 9. November 2016 beantragten zwei Stadtratsfraktionen, für das Gebiet, in dem das Grundstück der Klägerin liegt, ein Bebauungsplanverfahren durchzuführen und zu dessen Sicherung eine Veränderungssperre zu erlassen. Daraufhin beschied der Bau- und Werksenat den Bauantrag nicht, sondern beauftragte die Verwaltung mit der Vorbereitung eines Bebauungsplans und einer Veränderungssperre.
Am 6. Dezember 2016 beschloss der Bau- und Werksenat für das betreffende Gebiet die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 124 F und die Satzung über die Veränderungssperre. Am 23. Dezember 2016 wurden der Planaufstellungsbeschluss und die Veränderungssperre, die am selben Tag in Kraft trat, bekanntgemacht.
Im Dezember 2018 trat der ein Allgemeines Wohngebiet ausweisende Bebauungsplan Nr. 124 F in Kraft. Nach seinen textlichen Festsetzungen sollten die dort ausnahmsweise zulässigen Nutzungen unter anderem durch Betriebe des Beherbergungsgewerbes nicht Planbestandteil und neben Ferienwohnungen im Sinne des § 13a BauNVO auch "ähnliche Nutzungen" unzulässig sein. Bezüglich des Grundstücks der Klägerin sah der Bebauungsplan ein - nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauGB durch einen vorherigen Rückbau des rückwärtigen Bestandsgebäudes auf vier Geschosse bedingtes - Baurecht für einen straßenseitigen Neubau mit drei Geschossen vor.
2. Mit Urteil vom 28. September 2017 wies das Verwaltungsgericht die Klage auf Erteilung der Baugenehmigung für die beabsichtigte Hotelnutzung des Erdgeschosses und des ersten Obergeschosses wegen der von ihm für wirksam gehaltenen Veränderungssperre ab. Zugleich verpflichtete es die Beklagte, der Klägerin eine Baugenehmigung zur geänderten Nutzung des zweiten bis sechsten Obergeschosses als voll ausgestattete "Stadtappartements" zur befristeten Kurzzeitvermietung an Berufstätige zu erteilen, da es sich dabei um eine nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 BauGB den künftigen Festsetzungen des zum damaligen Zeitpunkt noch in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans nicht entgegenstehende und deshalb von der Veränderungssperre ausgenommene Wohnnutzung handele. Der dagegen gerichtete Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Juni 2022 abgelehnt.
Auf einen Normenkontrollantrag der Klägerin stellte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 1. Oktober 2019 fest, dass die Satzung über die Veränderungssperre wegen eines Ausfertigungsmangels formell unwirksam war. In einem weiteren von der Klägerin angestrengten Verfahren nach § 47 VwGO erklärte er mit Urteil vom 11. Oktober 2021 unter Ablehnung des Antrags im Übrigen den Bebauungsplan Nr. 124 F lediglich in Bezug auf den Ausschluss (Ferienwohnungs-)"ähnlicher Nutzungen" für unwirksam. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision wurde durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 2022 zurückgewiesen.
3. Das Landgericht hat die Klage in Kammerbesetzung wegen Fehlens einer Amtspflichtverletzung abgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise aufgehoben, die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, die Verpflichtung der Beklagten festgestellt, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die aus der Nichtverbescheidung des Baugesuchs entstanden sind und noch entstehen werden (Antrag II 7) und die Berufung hinsichtlich eines von ihm für unzulässig erachteten weiteren Feststellungsantrags (Antrag II 3) zurückgewiesen. Außerdem hat es die im Berufungsrechtszug auf die Zahlung von Zinsen für verauslagte Gerichtskosten "nach Maßgabe der Kostenquote" erweiterte Klage (Antrag II 8) abgewiesen und den Rechtsstreit zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs, über einen die Freistellung von Schadensersatzansprüchen aus dem Mietvertrag betreffenden Feststellungsantrag (Antrag II 4) und über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen. Ferner hat es die Revision zugelassen, "soweit die Klage im Antrag Ziffer II 8 abgewiesen wurde" und sie "im Übrigen […] nicht zugelassen".
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Revision, die der Senat auf ihre vorsorglich erhobene Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen hat, die Wiederherstellung des die Klage vollumfänglich abweisenden landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe Die unbeschränkt zulässige Revision hat in der Sache Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat - soweit im Revisionsrechtszug noch von Bedeutung - angenommen, der Klägerin stehe dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG zu, und dazu unter anderem ausgeführt:
Der Bau- und Werksenat der Beklagten habe es amtspflichtwidrig unterlassen, am 9. November 2016 über den ihm entscheidungsreif und genehmigungsfähig vorliegenden Bauantrag positiv zu entscheiden.
Die angemessene Bearbeitungszeit für einen Bauantrag richte sich nach den Umständen des Einzelfalls und insbesondere der Komplexität des Vorhabens. Im Regelfall sei im Hinblick auf § 75 Satz 2 VwGO eine Frist von drei Monaten als angemessen anzusehen. Dies schließe aber nicht aus, dass gegebenenfalls auch ein wesentlich kürzerer Zeitraum anzusetzen sei. Diese Bearbeitungsfrist beginne zwar grundsätzlich erst zu laufen, wenn die Antragsunterlagen der Behörde vollständig vorlägen. Allerdings habe die der Beklagten zuzubilligende Bearbeitungszeit nicht erst am 19. Oktober 2016 begonnen. Gewichtige Argumente sprächen dafür, dass sie bereits bei Antragseingang am 23. Dezember 2015 hätte prüfen müssen, ob Bedarf für eine geänderte Bauleitplanung bestehe. Jedenfalls sei die Prüfung der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens spätestens mit der Stellungnahme des Stadtplanungsamts am 4. Mai 2016 abgeschlossen gewesen. Bei den von der Klägerin zuletzt nachgereichten Unterlagen habe es sich lediglich um die Barrierefreiheit betreffende Umplanungen und ein Schallschutzgutachten gehandelt. Auch habe die Beklagte in der Sitzungsvorlage vom 27. Oktober 2016 selbst zu erkennen gegeben, dass der Antrag entscheidungsreif vorgelegen und am 9. November 2016 habe genehmigt werden sollen. Für den Beginn der Bearbeitungszeit könne nicht darauf abgestellt werden, dass der Bau- und Werksenat an diesem Tage erstmals mit der Sache befasst worden sei. Denn ein Oberbürgermeister sei verpflichtet, den Gemeinderat beziehungsweise den zuständigen beschließenden Ausschuss über planungsrechtlich relevante Bauanträge in einer Weise zu informieren, die es diesem ermögliche, auf das konkrete Bauvorhaben durch Einsatz planungsrechtlicher Instrumente nach §§ 14 ff BauGB zu reagieren. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass die Mitglieder des Bau- und Werksenats das am 3. Juni 2016 öffentlich bekanntgemachte streitgegenständliche Vorhaben bereits zu diesem Zeitpunkt zur Kenntnis genommen hätten. Die möglicherweise fehlende Ausschussmehrheit ändere an der am 9. November 2016 gegebenen Entscheidungsreife des Antrags nichts.
Die bewusste Nichtbehandlung des Bauantrags durch den Bau- und Werksenat in Kenntnis der Sitzungsvorlage vom 27. Oktober 2016 lasse zumindest den Schluss auf bedingten Vorsatz zu. Die Kollegialgerichtsrichtlinie greife nicht. Denn das Landgericht, das das Verhalten der Beklagten als nicht amtspflichtwidrig angesehen habe, habe den Sachverhalt nicht sorgfältig und erschöpfend gewürdigt, da es für den Beginn der angemessenen Bearbeitungsfrist formal auf den 19. Oktober 2016 abgestellt habe.
II.
Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts stellt es keine Amtspflichtverletzung dar, dass die Beklagte den Bauantrag der Klägerin in der Sitzung des Bau- und Werksenats am 9. November 2016 nicht positiv beschieden hat.
a) Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO ist die - gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO unter anderem für die Änderung und Nutzungsänderung von baulichen Anlagen regelmäßig erforderliche - Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Ungeachtet der Sonderregelung in Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO, der der Behörde aus verfahrensökonomischen Gründen ein Versagungsermessen einräumt, wenn das Vorhaben gegen sonstige, nicht zum Prüfungsprogramm des Genehmigungsverfahrens gehörende öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt (Decker in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Kommentar, Stand Januar 2024, Art. 68 Rn. 187), wird damit ein auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG fußender öffentlich-rechtlicher Rechtsanspruch des Antragstellers auf Erteilung der Genehmigung beziehungsweise - soweit es auf von der Genehmigungsbehörde zu prüfende Ermessensvorschriften ankommt - auf pflichtgemäße Ermessensausübung begründet, der auch einen Anspruch auf Entscheidung über den Bauantrag innerhalb angemessener Frist umfasst (Decker, aaO Rn. 213 ff).
b) Die Verzögerung der Entscheidung über ein Baugesuch kann dementsprechend eine Amtspflichtverletzung darstellen (z.B. Senat, Urteil vom 12. Juli 2001 - III ZR 282/00, NVwZ 2002, 124; Beschlüsse vom 23. Januar 1992 - III ZR 191/90, NVwZ 1993, 299 und vom 21. September 1989 - III ZR 41/88, BeckRS 1989, 31069286). Allerdings ist es im Hinblick auf die kommunale Planungshoheit nicht grundsätzlich unzulässig, dass eine Gemeinde einen Bauantrag, der nach der bestehenden Rechtslage positiv beschieden werden müsste, zum Anlass nimmt, ändernde Planungsmaßnahmen einzuleiten und diese nach den §§ 14 ff BauGB zu sichern. So kann sie - was vom Antragsteller hingenommen werden muss - den für eine ordnungsgemäße und zügige Bearbeitung des Baugesuchs ohnehin (noch) erforderlichen Zeitraum zugleich dazu nutzen, gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB einen Aufstellungsbeschluss für eine dem Vorhaben entgegenstehende geänderte Planung zu fassen und etwa eine Veränderungssperre zu beschließen (vgl. Senat, Urteile vom 30. November 2006 - III ZR 352/04, BGHZ 170, 99 Rn. 12 und vom 12. Juli 2001, aaO; Beschluss vom 23. Januar 1992, aaO S. 300). Dagegen ist die Gemeinde im Hinblick auf die bis zur Sicherung ihrer Planungsabsichten zu beachtende Rechtsposition des Antragstellers nicht berechtigt, die Bearbeitung eines (schon) entscheidungsreifen Bauantrags bewusst hinauszuschieben, um die gesetzlichen Voraussetzungen für Maßnahmen nach den §§ 14 ff BauGB überhaupt erst zu schaffen (vgl. Senat, Urteile vom 12. Juli 2001, aaO S. 125 und vom 23. September 1993 - III ZR 54/92, NVwZ 1994, 405, 406; Beschluss vom 23. Januar 1992, aaO). Dies bedeutet indes nicht, dass die Gemeinde unmittelbar im Zeitpunkt der Entscheidungsreife verpflichtet ist, über den Bauantrag zu entscheiden. Eine solche Entscheidungspflicht ergibt sich vielmehr erst nach Ablauf eines ihr zuzubilligenden Bearbeitungs- und Prüfungszeitraums, innerhalb dessen die ordnungsgemäße, ermessensfehlerfreie und zügige Bearbeitung des (entscheidungsreifen) Gesuchs abgeschlossen sein muss (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Januar 1992, aaO). Innerhalb eines solchen Zeitraums ist die Gemeinde nicht gehindert, gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB einen Aufstellungsbeschluss für eine dem Vorhaben entgegenstehende geänderte Planung zu fassen und etwa eine Veränderungssperre zu beschließen. Es kommt daher in erster Linie darauf an, bis zu welchem Zeitpunkt das Baugesuch bei angemessen zügigem Vorgehen ordnungsgemäß hätte beschieden werden müssen. Dagegen ist nicht entscheidend, ob die Gemeinde ihre infolge der Antragstellung geänderten Planungsabsichten auch schon früher durch einen wirksamen Planaufstellungsbeschluss zum Ausdruck hätte bringen und nach den §§ 14 ff BauGB hätte sichern können.
c) Der für die Bearbeitung eines Baugesuchs (noch) als angemessen anzusehende Zeitraum ist einer generellen und allgemeingültigen Festlegung nicht zugänglich. Insbesondere lässt sich aus § 75 Satz 2 VwGO, der die für eine verwaltungsgerichtliche Untätigkeitsklage erforderliche Dreimonatsfrist lediglich als besondere Prozessvoraussetzung normiert, nicht ableiten, dass erst nach Ablauf von mindestens drei Monaten eine amtspflichtwidrige Verzögerung der Bearbeitung anzunehmen ist. Vielmehr kann eine Amtspflichtverletzung nach den konkreten Umständen des Einzelfalls auch schon bei einem kürzeren Verzögerungszeitraum vorliegen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 23. Januar 1992, aaO und vom 21. September 1989, aaO; OLG Koblenz, NVwZ-RR 2017, 19 Rn. 30 ff). Dabei kommt es vor allem auf die Komplexität des vorgeschriebenen Verfahrensablaufs und der in der Sache zu treffenden Entscheidung an.
d) Davon ist auch das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend ausgegangen. Seine Schlussfolgerung, dass danach der Bauantrag der Klägerin spätestens in der Sitzung des Bau- und Werksenats am 9. November 2016 hätte genehmigt werden müssen, ist jedoch von Rechtsfehlern beeinflusst.
aa) Rechtsfehlerhaft, zumindest aber missverständlich hat die Vorinstanz angenommen, dass die der Beklagten zuzubilligende Bearbeitungszeit nicht erst am 19. Oktober 2016, sondern bereits früher, nämlich am 4. Mai 2016, begonnen habe. Insoweit ist klarzustellen, dass - was im Übrigen durch Art. 65 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 4 und 5 BayBO bestätigt wird - Voraussetzung für die ordnungsgemäße Bearbeitung eines Baugesuchs durch die zuständige Behörde das Vorliegen vollständiger und prüffähiger Antragsunterlagen ist, weshalb - auch aus Gründen der Rechtssicherheit - für den Beginn der angemessenen Bearbeitungsfrist auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist (Shirvani in: Busse/Kraus, aaO Art. 65 Rn. 33 mwN). Allenfalls kann erwogen werden, ob und in welchem Maße sich die mit Eingang der vollständigen Antragsunterlagen begonnene Bearbeitungszeit im Einzelfall dadurch verkürzt hat, dass die Behörde schon zuvor mit der Sache befasst gewesen ist und dabei ihr Prüfungsprogramm teilweise bereits abgearbeitet hat. Anders ist auch die vom Berufungsgericht zitierte Senatsrechtsprechung nicht zu verstehen, nach der es zu einer wesentlichen Abkürzung der Bearbeitungsdauer führen kann, wenn bei der Entscheidung über einen Antrag, der lediglich eine Modifikation eines früheren Antrags ist, die Ergebnisse der früheren Prüfung unverändert übernommen und genutzt werden können (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Januar 1992, aaO).
bb) Vorliegend hat sich der angemessene Bearbeitungszeitraum, der danach erst begonnen hat, als - wie vom Berufungsgericht festgestellt (S. 13 des angefochtenen Urteils) - die vollständigen Antragsunterlagen am 19. Oktober 2016 eingegangen waren, nicht so weit verkürzt, dass er bereits am 9. November 2016 und damit nach nur drei Wochen abgelaufen gewesen wäre. Davon ist aber das Berufungsgericht im Ergebnis zu Unrecht ausgegangen, was wesentlich darauf zurückzuführen ist, dass es die Vorgaben der bayerischen Gemeindeordnung und des Satzungsrechts der Beklagten zum Ablauf des Baugenehmigungsverfahrens unter Beteiligung des Bau- und Werksenats nicht hinreichend beachtet hat.
(1) Nach Art. 29 BayGO obliegt die Verwaltung der Gemeinde dem Gemeinderat, soweit nicht - was eine Zuständigkeitsvermutung für den Gemeinderat begründet - der erste Bürgermeister selbständig entscheidet (vgl. Glaser in: Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand Januar 2024, Art. 29 Rn. 17). Letzteres ist vor allem bei laufenden Angelegenheiten der Fall, die für die Kommune keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayGO). Im Rahmen seiner umfassenden Verwaltungsbefugnis entscheidet der Gemeinderat in seiner Gesamtheit als Verwaltungsorgan (nicht als Parlament) gemäß Art. 30 Abs. 2 BayGO über alle Angelegenheiten, die er nicht nach Art. 32 Abs. 2 Satz 1 BayGO zu seiner Entlastung auf beschließende Ausschüsse (Gemeindesenate)
übertragen hat (vgl. Glaser aaO Art. 29 Rn. 5, 11 und Art. 32 Rn. 2), wobei, wie sich aus Art. 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayGO ergibt, zu den übertragbaren Aufgaben auch der Erlass von Bebauungsplänen und Veränderungssperren gehört. Die Gemeindesenate, die ein verkleinertes Abbild des Gemeinderatsplenums sind (vgl. Art. 33 Abs. 1 und 2 BayGO), erledigen die ihnen übertragenen Aufgaben selbständig an dessen Stelle (vgl. BayVGH, BeckRS 1983, 107334; Glaser aaO Art. 32 Rn. 2), wenn nicht ihr Vorsitzender oder jeweils ein Quorum der Ausschuss- oder der Gemeinderatsmitglieder binnen einer Woche die Nachprüfung durch den gesamten Gemeinderat beantragt, Art. 32 Abs. 3 Satz 1 BayGO. Ein solcher Nachprüfungsantrag hat zur Folge, dass der Ausschussbeschluss nicht wirksam wird und die Entscheidungszuständigkeit auf das Plenum übergeht, das die Angelegenheit auch wieder in den Ausschuss zurückverweisen kann (Glaser aaO Art. 32 Rn. 35). Zusammensetzung und Geschäftsgang der beschließenden Ausschüsse ergeben sich aus dem kommunalen Ortsrecht, insbesondere aus der Geschäftsordnung des jeweiligen Gemeinderats, und den entsprechend anzuwendenden Vorschriften der Art. 46 bis 54 BayGO (vgl. Art. 33 Abs. 1 Satz 1 und Art. 45 Abs. 2 Satz 2 BayGO). Ausweislich der 2016 geltenden Geschäftsordnung für den Stadtrat der Beklagten und ihrer Satzung zur Regelung von Fragen des örtlichen Gemeindeverfassungsrechts (Ortssatzung) sollte der aus dem Oberbürgermeister und zwölf Stadtratsmitgliedern bestehende Bau- und Werksenat mit der analog Art. 51 Abs. 1 BayGO erforderlichen Mehrheit unter anderem über die Behandlung von außerhalb des Bereichs eines qualifizierten Bebauungsplans liegenden Bauvorhaben mit besonderen Auswirkungen auf öffentliche Belange oder besonderer infrastruktureller, wirtschaftlicher, sozialer, städtebaulicher oder denkmalpflegerischer Bedeutung entscheiden (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 2 der Ortssatzung und § 12 Abs. 3 Nr. 2 B) 3. a) und b) der Geschäftsordnung für den Stadtrat).
(2) Entscheidet danach über die Genehmigung eines in dieser Weise bedeutsamen, nicht mehr als laufende Angelegenheit anzusehenden Bauvorhabens der Stadtrat als Verwaltungsorgan oder an Stelle des Stadtratsplenums der beschließende Ausschuss, sind diese Gremien dadurch, dass Bedienstete der Stadtverwaltung sich schon früher mit dem (unvollständig oder vollständig vorliegenden) Bauantrag beschäftigt haben, nicht vorbefasst in dem Sinne, dass bereits gewonnene eigene Prüfungsergebnisse unbesehen übernommen und genutzt werden könnten. Dies wäre nur dann anders zu beurteilen, wenn der das Gesuch prüfende Sachbearbeiter der Bauaufsichtsbehörde dieses schließlich namens des an der Verwaltungsspitze stehenden Oberbürgermeisters auch bescheidet (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Januar 1992, aaO). Der Bau- und Werksenat war daher nicht gehalten, den Beschlussvorschlag in der durch das federführende Bauordnungsamt erstellten Sitzungsvorlage vom 27. Oktober 2016, in der unter anderem die bauordnungsrechtliche Beurteilung mitsamt den (zahlreichen) Nachbareinwendungen und dem von der Klägerin nachgereichten Schallschutzgutachten zusammengefasst sind, einfach "durchzuwinken". Ihm oblag es vielmehr, den Baugenehmigungsantrag unter Verwendung dieser vorbereitenden Unterlagen eigenständig zu prüfen und zu bescheiden. Dies hat das Berufungsgericht verkannt, indem es die bauplanungsrechtliche Zulässigkeitsprüfung mit der Stellungnahme des Stadtplanungsamts am 4. Mai 2016 als "abgeschlossen" und den Umstand, dass der Bau- und Werksenat am 9. November 2016 erstmals mit der Sache befasst war, als bedeutungslos angesehen hat.
(3) Für diese eigenständig und mit der gebotenen Gründlichkeit vorzunehmende Prüfung und Beschlussfassung ist dem Bau- und Werksenat als kollegialem Verwaltungsorgan - anders als unter Umständen einem mit der Sache vorbefasst gewesenen Beamten (vgl. Senat, Beschluss vom 21. September 1989,
aaO) - grundsätzlich Bedenkzeit zuzubilligen. Insbesondere war er nicht verpflichtet, schon am 9. November 2016 über den Baugenehmigungsantrag zu entscheiden, weil er zu diesem Zeitpunkt entscheidungsreif war (s.o. zu b). Zwar implizieren die analog anzuwendenden Vorschriften der Art. 46 bis 54 BayGO, dass ein beschließender Ausschuss über eine ihm rechtzeitig zugeleitete Vorlage im Allgemeinen in seiner darauffolgenden Sitzung berät und nach Abstimmung entscheidet. Rechtlich zwingend ist dies aber nicht, insbesondere im Hinblick auf die Redebefugnis und das Antragsrecht der Ausschussmitglieder, das zu ergänzenden Prüfungs- und Berichterstattungsaufträgen an die Verwaltung führen kann (vgl. Gaß in: Widtmann/Grasser/Glaser, aaO Art. 46 Rn. 15 a, b und Glaser, aaO Art. 47 Rn. 6), und die Möglichkeit einer wegen Beschlussunfähigkeit erforderlichen nochmaligen Einberufung des Ausschusses (vgl. Art. 47 Abs. 3 BayGO sowie Gaß, aaO Art. 45 Rn. 13 und 14 b) sowie einer Vertagung einzelner Tagesordnungspunkte wegen zusätzlichen Informationsbedarfs (vgl. Glaser, aaO Art. 47 Rn. 2 a), wobei das nach Maßgabe des § 8 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 b der Geschäftsordnung für den Stadtrat bestehende Recht der Mitglieder des Bauund Werksenats zur Einsichtnahme in Verwaltungsakten in den Diensträumen des aktenführenden Amtes und zur Einholung von Auskünften bei den zuständigen Amtsleitern zu beachten ist. Ungeachtet dessen spricht auch vorliegend nichts dafür, dass der Bau- und Werksenat spätestens am 9. November 2016 und damit binnen drei Wochen nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen über das Baugesuch hätte befinden müssen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich um ein umfangreiches, komplexes, von Planergänzungen, Umplanungen, (gutachterlichen) Stellungnahmen und einer Vielzahl von Nachbareinwendungen begleitetes Vorhaben mit erheblicher Bedeutung für die Beklagte handelte, dessen Genehmigung - aus ihrer vertretbaren Sicht - aufgrund des zu beurteilenden Sachverhalts unter anderem eine Ermessensentscheidung nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 15 BauNVO erfordern konnte. Etwas Anderes folgt entgegen der Meinung des Berufungsgerichts nicht daraus, dass die Mitglieder des Bau- und Werksenats möglicherweise schon seit Juni 2016 das Vorhaben kannten und - wie mit der Revisionserwiderung vorgetragen - (auf damals noch unvollständiger Tatsachengrundlage) bereits "intern" (vor-)beraten hatten, da nicht ersichtlich ist, welche später verwendbaren Erkenntnisse sie dabei gewonnen haben sollen.
(4) Unter Berücksichtigung der Komplexität des vorgegebenen Verwaltungsverfahrens und der zu treffenden Sachentscheidung war die im konkreten Fall als angemessen anzusehende Zeitspanne ab Eingang der vollständigen Antragsunterlagen am 19. Oktober 2016, innerhalb deren das Baugesuch der Klägerin bei amtspflichtgemäßem Vorgehen hätte beschieden werden müssen, noch nicht abgelaufen, als die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 124 F und die Satzung über die Veränderungssperre am 6. Dezember 2016 vom Bau- und Werksenat beschlossen und am 23. Dezember 2016 - also nur wenig mehr als zwei Monate nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen - ortsüblich bekannt gemacht worden sind. Dabei geht der Senat, wie bereits ausgeführt, nicht davon aus, dass eine amtspflichtwidrige behördliche Untätigkeit stets erst nach Ablauf von mindestens drei Monaten vorliegt, wenn auch insoweit die in § 75 Satz 2 VwGO normierte - und hier ungeachtet des aufwendigen Verfahrensablaufs und der schwierigen Sachentscheidung deutlich unterschrittene - Dreimonatsfrist eine gewisse Orientierung bietet. Danach hat es die Beklagte jedenfalls bis zum 23. Dezember 2016 nicht amtspflichtwidrig unterlassen, über die Erteilung der beantragten Baugenehmigung zu entscheiden, wobei es nicht darauf ankommt, dass der Bau- und Werksenat diese Angelegenheit bei seiner erstmaligen Befassung nicht durch förmlichen Beschluss vertagt hat. Auch spielt es keine Rolle, ob mit der vorgenommenen Bekanntmachung nur der Planaufstellungsbeschluss nach § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB wirksam geworden ist und nicht auch die nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom
1. Oktober 2019 fehlerhaft ausgefertigte Satzung über die Veränderungssperre (vgl. dazu Senat, Urteile vom 25. März 2004 - III ZR 227/02, NVwZ 2004, 1143 und vom 12. Juli 2001, aaO S. 125 f).
2. Selbst wenn man der beklagten Stadt eine objektive Verletzung ihrer Amtspflichten bis zum 23. Dezember 2016 anlasten würde, wäre den dem Bauund Werksenat angehörenden Stadtratsmitgliedern jedenfalls nach den Grundsätzen der sogenannten Kollegialgerichtsrichtlinie (vgl. nur Senat, Urteile vom 11. März 2021 - III ZR 27/20, NVwZ-RR 2021, 671 Rn. 20; vom 9. Juli 2020 - III ZR 245/18, NVwZ-RR 2021, 298 Rn. 17; vom 11. November 2004 - III ZR 200/03, NVwZ-RR 2005, 149, 151 und vom 14. März 2002 - III ZR 302/00, BGHZ 150, 172, 184) subjektiv kein Verschulden nach § 839 Abs. 1 BGB vorzuwerfen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts greift keine der Ausnahmen von dieser Richtlinie (vgl. dazu nur Senat, Urteile vom 11. März 2021, aaO; vom 9. Juli 2020, aaO und vom 21. Februar 2019 - III ZR 115/18, NJW 2019, 1374 Rn. 20) ein. Insbesondere hat das Landgericht nicht deshalb den Sachverhalt unsorgfältig und unvollständig gewürdigt, weil es richtigerweise für den Beginn der angemessenen Bearbeitungszeit des Baugesuchs auf den 19. Oktober 2016 abgestellt hat. Zudem hat es nicht rechtsfehlerhaft im Grundsatz außer Acht gelassen, dass der Behörde auch eine weniger als drei Monate betragende Bearbeitungszeit zuzubilligen sein kann. Schließlich kann ihm nicht vorgeworfen werden, nicht beachtet zu haben, dass die Beklagte aufgrund der Sitzungsvorlage vom 27. Oktober 2016 die Prüfung der Baugenehmigung abgeschlossen hatte. Denn insoweit ist - wie ausgeführt (s.o. zu 1 d bb (2)) - nicht auf das die Sitzungsvorlage erstellende Bauordnungsamt, sondern auf den Bau- und Werksenat der Beklagten abzustellen.
3. Da die Klägerin schon nach den vorstehenden Erwägungen Schadensersatzansprüche bereits dem Grunde nach nicht auf eine objektiv und subjektiv amtspflichtwidrige Nichtbescheidung ihres Baugesuchs durch die Beklagte am 9. November 2016 - und nachfolgend bis zum 23. Dezember 2016 - stützen kann, hat der Senat keine Veranlassung, auf die übrigen Ausführungen des Berufungsgerichts zur Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens, zum Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens und zur haftungsausfüllenden Kausalität sowie auf die dagegen geführten Revisionsangriffe und das weitere Revisionsvorbringen einzugehen.
4. Soweit es um das Vorliegen einer schuldhaft begangenen Amtspflichtverletzung geht, ist das angefochtene Grund- und Teilurteil des Berufungsgerichts auch nicht gemäß § 561 ZPO deshalb richtig, weil es - was die Klägerin erst mit ihrer Berufungsbegründung (vgl. GA IV 713) als einen weiteren Streitgegenstand geltend gemacht hat - der beklagten Stadt als amtspflichtwidrig vorgeworfen werden könnte, auch nach dem 23. Dezember 2016 den Bauantrag (weiterhin) nicht positiv beschieden zu haben, obgleich die Veränderungssperre unwirksam war.
a) Ein rechtswidriger Eingriff in eine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition kann auch in der verzögerten Bearbeitung eines nach geltendem Recht positiv zu bescheidenden, entscheidungsreifen Bauantrags oder in dem Erlass einer unwirksamen Veränderungssperre zu sehen sein (vgl. Senat, Urteile vom 12. Juli 2001, aaO S. 125 und vom 10. Februar 1972 - III ZR 188/69, BGHZ 58, 124, 127 zum enteignungsgleichen Eingriff). Ist allerdings der Eingriff nur deswegen rechtswidrig, weil er an einem formellen und nicht an einem sachlich-rechtlichen Fehler leidet, so führt dieser Mangel nicht notwendig zu einer Schadensersatz- oder Entschädigungspflicht (vgl. Senat, Urteil vom 10. Februar 1972, aaO). Das gilt vorliegend auch für die Nichtbescheidung des Bauantrags nach dem 23. Dezember 2016 infolge der (formell fehlerhaften) Veränderungssperre. Dies beruht auf dem Gedanken des rechtmäßigen Alternativverhaltens, wonach der Eingriff auch bei formeller Rechtmäßigkeit ohne Ausgleich hingenommen werden müsste (vgl. Papier/Shirvani, MüKo-BGB, 9. Aufl., § 839 Rn. 61 ebenfalls zum enteignungsgleichen Eingriff). Diese Kontrollüberlegung greift insbesondere, wenn ein Eingriff formelle Mängel aufweist, die nachträglich heilbar sind, was bei einer fehlerhaften Bekanntmachung einer Veränderungssperre der Fall ist (vgl. Senat, Urteil vom 25. März 2004, aaO S. 1144).
b) So liegt es hier. Denn die Veränderungssperre ist nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. Oktober 2019 (nur) deshalb rechtswidrig gewesen, weil sie am 23. Dezember 2016 mit einer nicht ordnungsgemäß ausgefertigten Planurkunde bekanntgemacht worden ist, was durch eine ordnungsgemäße Neubekanntmachung geheilt werden könnte. Damit ist die Satzung über die Veränderungssperre lediglich formell, aber nicht materiell rechtswidrig. Etwas Anderes folgt auch nicht daraus, dass der Bebauungsplan Nr. 124 F nach dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Oktober 2021 zulässigerweise allein eine Hotelnutzung ausgeschlossen hat, nicht aber eine Wohnnutzung in Gestalt von "Stadtappartements". Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB eine Veränderungssperre, die lediglich einen Planaufstellungsbeschluss voraussetzt, im Interesse der Sicherung der kommunalen Planungshoheit inhaltlich die Durchführung von Vorhaben im Sinne von § 29 BauGB schlechthin und nicht nur dann verbieten kann, soweit sie den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans voraussichtlich widersprechen (vgl. VGH Baden-Württemberg, NJW 1986, 149). Sie ist daher nicht schon deshalb von Anfang an materiell rechtswidrig, weil der später erlassene Bebauungsplan sich als ganz oder teilweise materiell rechtswidrig erweist. Dies ist vielmehr nur der Fall, wenn bereits die im Planaufstellungsbeschluss manifestierte Planung offensichtlich rechtswidrig und der Mangel schlechterdings nicht behebbar ist (vgl. BVerwG, NVwZ 1994, 685, 686; Stock in: Ernst-ZinkahnBielenberg, BauGB, Stand 1. April 2024, § 14 Rn. 53 ff mwN). Auch leidet die Veränderungssperre dann an einem sachlich-rechtlichen Mangel, wenn ihr als Grundlage ein Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans fehlt (vgl. Senat, Urteil vom 10. Februar 1972, aaO S. 128). Eine dieser Konstellationen liegt hier jedoch nicht vor.
Entgegen der Ansicht der Klägerin scheidet die Anwendung der Grundsätze des rechtmäßigen Alternativverhaltens auch nicht im Hinblick auf ein vorsätzliches Verhalten der Mitglieder des Bau- und Werksenats aus. Auch wenn die Veränderungssperre durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. Oktober 2019 wegen eines Ausfertigungsmangels für formell unwirksam erklärt wurde, hatte das mit drei Berufsrichtern besetzte Verwaltungsgericht sie in seinem vorhergehenden Urteil vom 28. September 2017 ausdrücklich für wirksam gehalten. Dass die Mitglieder des Bau- und Werksenats sich aufgrund der erlassenen Veränderungssperre zu weiterer Untätigkeit berechtigt (und verpflichtet) fühlten, ist daher jedenfalls nicht als schuldhaftes, geschweige denn vorsätzliches Fehlverhalten anzusehen. Ungeachtet dessen würde auch hier die Kollegialgerichtsrichtlinie eingreifen.
Die erst mit der ergänzenden Revisionserwiderung als eine weitere Amtspflichtverletzung geltend gemachte Nichtbescheidung des Antrags der Klägerin vom 15. Dezember 2016 auf Gewährung einer Ausnahme von der Veränderungssperre durch die Beklagte ist vorinstanzlich nicht streitgegenständlich gewesen und unterliegt nicht der Beurteilung durch den Senat (§ 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es handelt sich zudem um eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageerweiterung (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2024 - VI ZR 660/20, WM 2024, 1137 Rn. 8).
5. Weil es aus den vorstehenden Gründen an der objektiven Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Beklagten fehlt beziehungsweise der Rechtsgedanke des rechtmäßigen Alternativverhaltens eingreift (s.o. Nr. 4), scheiden auch Ansprüche der Klägerin auf der (verschuldensunabhängigen) Grundlage des enteignungsgleichen Eingriffs aus.
III.
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann gemäß § 563 Abs. 3 ZPO selbst in der Sache entscheiden, da der Rechtsstreit entscheidungsreif ist.
Remmert Reiter Arend Böttcher Herr Vorinstanzen: LG Bamberg, Entscheidung vom 13.10.2021 - 23 O 517/19 OLG Bamberg, Entscheidung vom 13.02.2023 - 4 U 455/21 - Verkündet am: 24. Oktober 2024 Uytterhaegen, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle