VII ZB 4/25
BUNDESGERICHTSHOF VII ZB 4/25 BESCHLUSS vom
20. August 2025 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ:
ja BGHR:
ja JNEU:
nein BGB § 264 Abs. 1, § 650 f; ZPO § 887 a) Ein Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB wird gemäß § 887 ZPO vollstreckt.
b) Auch bei der Vollstreckung eines Titels über einen Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB kann der Gläubiger, der Hinterlegung als Art der Sicherheitsleistung gewählt hat, vom Schuldner gemäß § 887 Abs. 2 ZPO Vorauszahlung des zu hinterlegenden Betrags an sich selbst und nicht lediglich an die Hinterlegungsstelle verlangen.
BGH, Beschluss vom 20. August 2025 - VII ZB 4/25 - OLG Karlsruhe LG Karlsruhe ECLI:DE:BGH:2025:200825BVIIZB4.25.0 Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. August 2025 durch den Vorsitzenden Richter Pamp, den Richter Halfmeier sowie die Richterinnen Graßnack, Sacher und Dr. Brenneisen beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 20. Februar 2025 - 19 W 5/25 - insoweit aufgehoben, als das Beschwerdegericht die Zahlungsverpflichtung auf eine Zahlung an die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts beschränkt hat. Insoweit wird die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der Zivilkammer VI des Landgerichts Karlsruhe vom 2. Dezember 2024 zurückgewiesen. Die Schuldnerin trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
Gründe: I.
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Versäumnisurteil, mit dem die Schuldnerin verurteilt worden ist, an sie für Vergütungsansprüche einschließlich Nebenforderungen eine Sicherheit gemäß § 650f BGB in Höhe von 224.325,95 € zu leisten.
Auf Antrag der Gläubigerin hat das Landgericht die Gläubigerin nach § 887 Abs. 1 ZPO ermächtigt, die der Schuldnerin auferlegte Handlung durch Hinterlegung des entsprechenden Betrags bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Karlsruhe vornehmen zu lassen; die Schuldnerin habe die Vornahme der Handlung zu dulden. Zugleich hat es die Schuldnerin nach § 887 Abs. 2 ZPO verpflichtet, einen Vorschuss in Höhe des Sicherungsbetrags zum Zwecke der Hinterlegung bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Karlsruhe an die Gläubigerin zu zahlen.
Diesen Beschluss hat das Beschwerdegericht auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin - soweit hier von Interesse - dahingehend abgeändert, dass die Schuldnerin verpflichtet ist, den Sicherungsbetrag zu Gunsten der Gläubigerin an die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts zu zahlen.
Mit der vom Beschwerdegericht insoweit zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Gläubigerin erreichen, dass die Schuldnerin zur Vorauszahlung an die Gläubigerin verpflichtet wird.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und zulässig, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3, § 575 ZPO. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rechtsprechung und Schrifttum beurteilten unterschiedlich, ob der Gläubiger einer Bauhandwerkersicherung im Vollstreckungsverfahren nach Ausübung der Wahl zu Gunsten der Hinterlegung Zahlung an sich selbst oder nur an die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts verlangen könne. Das Beschwerdegericht schließe sich der Auffassung an, nach der Zahlung nur an die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts - und damit nicht an den Gläubiger - verlangt werden könne.
Eine andere Handhabung hätte zur Folge, dass die Gläubigerin im Vollstreckungsverfahren etwas erlangen würde, auf das sie materiell-rechtlich keinen Anspruch habe; nach § 650f BGB könne sie lediglich Stellung einer Sicherheit verlangen. Hierin bestehe der Unterschied etwa zu einer Verurteilung zur Beseitigung von Mängeln.
Bei einer Zahlung in das frei verfügbare Vermögen des Gläubigers bestehe neben der Gefahr einer zweckwidrigen Verwendung der Sicherheitsleistung auch das Risiko, dass eine (zunächst) dem Gläubiger zufließende Sicherheit von dessen Gläubigern gepfändet werden könnte, bevor der Gläubiger die Hinterlegung vornehmen könne. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob durch die Zahlung in das Vermögen des Gläubigers ein Sicherungstreuhandverhältnis entstehe, das der Schuldnerin im Falle der Zwangsvollstreckung die Erhebung einer Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO ermöglichen würde. Auch eine solche Möglichkeit würde die mit dieser Handhabung verbundenen Nachteile für die Schuldnerin nicht vollständig beseitigen, weil sie zum einen rechtzeitig von der Pfändung erfahren müsste und ihr zum anderen die Klagelast auferlegt würde.
Der Wortlaut des § 887 Abs. 2 ZPO stehe nicht entgegen. Dass der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme verurteilt werden könne, bedeute nicht zwangsläufig, dass die Vorauszahlung auch unmittelbar an ihn erfolgen müsse.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass der Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB als vertretbare Handlung (vgl. OLG Schleswig, Teilurteil vom 6. September 2023 - 12 U 59/23, MDR 2023, 1413, juris Rn. 18; OLG Karlsruhe, Teilurteil vom 11. Oktober 2016 - 8 U 102/16, juris Rn. 7) gemäß § 887 ZPO vollstreckt wird, wobei dem Gläubiger mit Beginn der Zwangsvollstreckung die Wahl der Art der Sicherheitsleistung aus § 232 BGB oder § 650f Abs. 2 BGB zukommt, § 264 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB (vgl. zu § 648a BGB a.F. OLG Hamm, Teilurteil vom 9. Januar 2019 - 12 U 123/18 Rn. 23, BauR 2019, 1657 = NZBau 2019, 176; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 15. April 2015 - 5 W 24/15, NJW-RR 2015, 1206, juris Rn. 6).
b) Hiernach ist der Gläubiger gemäß § 887 Abs. 1 ZPO auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners die Handlung vornehmen zu lassen. Nach § 887 Abs. 2 ZPO kann der Gläubiger zugleich beantragen, den Schuldner zur Vorauszahlung der Kosten zu verurteilen, die durch die Vornahme der Handlung entstehen werden.
c) Nach allgemeiner Auffassung ist diese Vorauszahlung vom Schuldner an den Gläubiger zu leisten (vgl. etwa MünchKommZPO/Gruber, 7. Aufl., § 887 Rn. 38; betreffend die Vollstreckung eines Befreiungsanspruchs: BGH, Urteil vom 28. Juni 1983 - VI ZR 285/81, NJW 1983, 2438, juris Rn. 9; Beck, Die Umwandlung des Befreiungsanspruchs, 2021, S. 11 m.w.N.).
Für die Zwangsvollstreckung wegen einer Sicherheitsleistung, insbesondere die Vollstreckung des Anspruchs gemäß § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB, gilt nichts Anderes. Auch bei der Vollstreckung eines Titels über einen Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB kann der Gläubiger, der Hinterlegung als Art der Sicherheitsleistung gewählt hat, vom Schuldner gemäß § 887 Abs. 2 ZPO Vorauszahlung des zu hinterlegenden Betrags an sich selbst und nicht lediglich an die Hinterlegungsstelle verlangen.
aa) Die Vorschrift des § 887 ZPO regelt die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung vertretbarer Handlungen einheitlich, ohne nach dem Inhalt der geschuldeten Handlung zu differenzieren. Eine Verurteilung zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB weist keine Besonderheiten auf, die eine einschränkende Anwendung des § 887 ZPO rechtfertigen würden.
(1) Entgegen der vom Beschwerdegericht sowie von Teilen der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. Dezember 2007 - 24 W 61/07, juris Rn. 4 zum Fall einer Bürgschaft; BeckOGK ZPO/Piekenbrock, Stand: 1. Juni 2025, § 887 Rn. 59) spricht dafür nicht der Umstand, dass der Gläubiger mit der Vorauszahlung etwas erlangt, auf das er materiell-rechtlich keinen Anspruch hat. Ein Gläubiger hat in allen Fällen einer Zwangsvollstreckung gemäß § 887 ZPO materiell-rechtlich (nur) einen Anspruch auf Durchführung der jeweiligen (nach dem Inhalt des Titels vom Schuldner dem Gläubiger) geschuldeten Handlung. Der Zahlungsanspruch ergibt sich nicht aus dem materiellen Recht, sondern nach der Ermächtigung des Gläubigers zur Vornahme der Handlung gemäß § 887 Abs. 1 ZPO aus § 887 Abs. 2 ZPO.
Wie auch bei der Vollstreckung zur Erwirkung anderer vertretbarer Handlungen darf der Gläubiger die Vorauszahlung nicht behalten, sondern hat sie zweckgebunden zur Vornahme der geschuldeten Handlung - der Sicherheitsleistung durch Hinterlegung - zu verwenden. Der Vorauszahlungsanspruch dient der Verwirklichung des titulierten Anspruchs, ersetzt ihn aber nicht.
(2) Die Gefahr, dass Gläubiger des Gläubigers bei diesem die Vorauszahlung pfänden, noch bevor er sie zur Hinterlegung verwenden kann (vgl. KG, Teilurteil vom 7. Mai 2024 - 21 U 129/23 Rn. 9 ff., NJW 2024, 2045), ist der Regelung des § 887 Abs. 2 ZPO immanent. Sie besteht - ebenso wie die Möglichkeit der zweckwidrigen Verwendung durch den Gläubiger - bei der Zwangsvollstreckung zur Erwirkung jeder vertretbaren Handlung. Der Schuldner ist jedenfalls durch den ihm zustehenden Abrechnungs- und Rückzahlungsanspruch (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 14. September 2011 - 10 W 9/11, NZBau 2012, 42, juris Rn. 30; KG Beschluss vom 22. Juni 1993 - 1 W 6759/92, BeckRS 1993, 9197 Rn. 5) geschützt. Zwar ist dieser erforderlichenfalls in einem eigenständigen Klageverfahren geltend zu machen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 14. August 1996 - 19 W 31/96, juris Rn. 3). Der etwaig nötige Aufwand ist aber dem Schuldner, der sich durch Nichterfüllung des titulierten Anspruchs selbst der Zwangsvollstreckung ausgesetzt hat, zuzumuten. Eines weiteren Schutzes davor, dass der Gläubiger sich bereits die Erfüllung des durch eine geschuldete Sicherheit gesicherten Hauptanspruchs verschaffen könnte, bedarf es nicht; ein solcher ist im Gesetz in § 887 ZPO nicht angelegt (vgl. zu anderen Fällen §§ 720, 839 ZPO; a.A. Stein/Jonas/Bartels, ZPO, 23. Aufl., ZPO § 887 Rn. 48; Hk-ZV/ Bendtsen, 4. Aufl., § 887 ZPO Rn. 56).
Der Schuldner eines Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB kann solche Gefahren im Übrigen auch abwenden, indem er seiner Verpflichtung zur Sicherheitsleistung in anderer Weise nachkommt, da er sich auch nach Beginn der Zwangsvollstreckung noch von der Verbindlichkeit befreien kann, § 264 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1995 - IX ZR 100/94, NJW 1995, 3189, juris Rn. 11; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 15. April 2015 - 5 W 24/15, juris Rn. 9 m.w.N.; OLG Hamburg, Teilurteil vom 23. Oktober 2015 - 9 U 91/15, juris Rn. 9; OLG Schleswig, Teilurteil vom 6. September 2023 - 12 U 59/23, juris Rn. 18; OLG Frankfurt, Teilurteil vom 16. Februar 2024 - 21 U 65/23, BauR 2024, 1545 = NZBau 2024, 471, juris Rn. 40; KG, Beschluss vom 6. Januar 2025 - 21 W 45/24 Rn. 19, NJW-RR 2025, 531).
bb) Nach alledem kommt es auch nicht darauf an, ob der zu vollstreckende Titel - wie hier - rechtskräftig oder vorläufig vollstreckbar ist; in letzterem Fall kommt es auch nicht auf die Höhe einer etwaig zu leistenden Sicherheit an (a.A. KG, Beschluss vom 6. Januar 2025 - 21 W 45/24, NJW-RR 2025, 531 juris Rn. 16 ff.). Eine etwaig zu niedrig bemessene Sicherheitsleistung darf die Vollstreckungsmöglichkeiten des Gläubigers nicht einschränken. Vielmehr muss sich umgekehrt eine zu bestimmende Sicherheit an den mit einer Vollstreckung verbundenen Risiken orientieren.
III.
Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1, Halbsatz 1 ZPO im Umfang der Anfechtung aufzuheben. Gemäß § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. Hiernach ist die Beschwerde der Schuldnerin insoweit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Einer Aufhebung der Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts bedarf es nicht, da dort die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu Recht insgesamt der Schuldnerin auferlegt worden sind, § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Pamp Sacher Halfmeier Graßnack Brenneisen Vorinstanzen: LG Karlsruhe, Entscheidung vom 02.12.2024 - 6 O 140/24 OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 20.02.2025 - 19 W 5/25 -