10 W (pat) 20/10
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 20/10 Verkündet am 14. März 2013
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache
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betreffend das Patent DE 60 2005 004 587 (= EP 1 659 843) wegen Wiedereinsetzung hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2013 durch den Richter Eisenrauch als Vorsitzenden, die Richterin Dr. Kober-Dehm und die Richterin Kortge BPatG 154 05.11 beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Mai 2010 insoweit aufgehoben, als der hilfsweise gestellte Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen wurde.
2. Die Antragstellerin wird in die Frist zur Zahlung der Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung des Patents 60 2005 004 587 wiedereingesetzt.
Gründe I.
Das Europäische Patentamt (EPA) hat der Patentinhaberin auf ihre Anmeldung vom 28. Oktober 2005 das europäische Patent 1 659 843 mit der Bezeichnung "Ventilator und seine Trägerstruktur" mit Wirkung u.a. für die Bundesrepublik Deutschland erteilt. Der Hinweis auf die in der Verfahrenssprache Englisch erfolgte Patenterteilung wurde am 30. Januar 2008 veröffentlicht. Das Patent wird beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) unter dem Aktenzeichen 60 2005 004 587.2-08 geführt.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2008 wies das DPMA die Inlandsvertreter der Patentinhaberin darauf hin, dass bei nicht in deutscher Sprache veröffentlichten europäischen Patenten innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung eine deutsche Übersetzung der Patentschrift einzureichen und eine Gebühr von 150,- € für deren Veröffentlichung zu entrichten sei. Hierauf übermittelte die Patentinhaberin am 1. April 2008 ein laut Übertragungsbericht insgesamt 28 Seiten umfassendes Telefax, wobei die Seite 1 aus dem - ausgefüllten - Amtsformular P2030 „Einreichung der Unterlagen zur Veröffentlichung der deutschen Übersetzung der europäischen Patentschrift“ bestand. In Feld 8 dieses Formulars war für die Gebührenzahlung die Variante „Einzugsermächtigung – Vordruck (A 9507) ist beigefügt“ angekreuzt. Die Seite 2 war ein zur Zurücksendung an den Absender bestimmter, mit der Bezeichnung „Empfangsbescheinigung“ überschriebener Durchschlag des Amtsformulars P2030. Die Seite 3 bestand aus einem weiteren Durchschlag dieses Formulars, der mit der Überschrift „Für Ihre Akten - Bitte nicht mit einsenden“ versehen war. Die Seiten 4 bis 28 enthielten die deutsche Übersetzung des europäischen Patents, bestehend aus der Zusammenfassung, der Beschreibung und den Patentansprüchen sowie die Zeichnungen der Patentschrift. Das DPMA sandte die Empfangsbescheinigung an die Inlandsvertreter der Patentinhaberin zurück mit der in Feld 8 neben dem Wort „Einzugsermächtigung“ in roter Farbe angebrachten handschriftlichen und zweimal unterstrichenen Anmerkung „fehlt!“.
Mit einer maschinell erstellten Mitteilung vom 17. Oktober 2008, die mit dem handschriftlichen Zusatz „Einzugsermächtigung nicht beigefügt“ versehen war und dem Inlandsvertreter am 27. November 2008 zugegangen ist, informierte das DPMA die Patentinhaberin darüber, dass die Wirkungen des europäischen Patents für Deutschland als von Anfang nicht eingetreten gelten, und wies gleichzeitig auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung hin.
Am 4. Dezember 2008 entrichtete die Patentinhaberin die Veröffentlichungsgebühr mittels Einzugsermächtigung. Mit am 26. Januar 2009 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage beantragte die Patentinhaberin festzustellen, dass sie die Gebühr fristgerecht entrichtet habe, sowie hilfsweise, Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung.
Nach entsprechendem Zwischenbescheid vom 4. Dezember 2009 hat die Patentabteilung 34 des DPMA mit Beschluss vom 3. Mai 2010 die Anträge der Patentinhaberin, zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Patentinhaberin mit der Beschwerde. Sie beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 34 des DPMA vom 3. Mai 2010 insoweit aufzuheben, als darin der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung zurückgewiesen wurde, sowie dem Wiedereinsetzungsantrag stattzugeben.
Die Patentinhaberin macht geltend, sie habe von der Fristversäumung erst erfahren, als den Inlandsvertretern die Mitteilung des DPMA über den Rechtsverlust zugegangen sei, nämlich am 27. November 2008. Die Empfangsbescheinigung des DPMA mit dem Vermerk „fehlt!“ sei zwar am 7. April 2008 in der Kanzlei eingegangen, jedoch keinem der Anwälte vorgelegt worden, sondern versehentlich ohne weitere Bearbeitung in der Anwaltsakte abgeheftet worden. Die Patentinhaberin ist der Auffassung, dass sowohl die Übermittlung von Dokumenten an das DPMA als auch das Abheften der Empfangsbescheinigung Routinearbeiten darstellten, die der Vertreter an zuverlässiges Büropersonal delegieren könne. In der Kanzlei des Inlandsvertreters werde für die Nationalisierung eines europäischen Patents ein eigens dafür entwickeltes Computerprogramm verwendet, das die außer der Übersetzung erforderlichen Dokumente automatisch erstelle und auch die weiteren Arbeitsabläufe in Form eines Workflows steuere. Im Streitfall habe der Vertreter die Übersetzung des Patents angefertigt und mithilfe des genannten Programms die weiteren Unterlagen wie das Antragsformular und die Einzugsermächtigung selbst erstellt und diese dann unterzeichnet an die zuständige Bürokraft, Frau S…, zur Übermittlung an das DPMA übergeben. In Bezug auf die Übermittlung von Schriftsätzen per Telefax bestehe in der Kanzlei des Vertreters die strikte Anweisung, den korrekten Ausgang in folgenden Einzelschritten zu kontrollieren: Die tatsächlich gefaxten Seiten seien zu zählen und mit der im Sendeprotokoll angegebenen Anzahl der übermittelten Seiten abzugleichen. Anschließend sei die Empfängernummer zu kontrollieren. Diese Vorgänge seien von der Bürokraft mit ihrem Namenskürzel zu bestätigen. Damit sei eine hinreichende Ausgangskontrolle geschaffen.
Für die Behandlung der eingehenden Post seien ebenfalls hinreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen, die eine zuverlässige Erledigung sicherstellten. Insoweit bestehe die Arbeitsanweisung, dass alle Schriftstücke mit dem Eingangsdatum zu versehen seien. Eingehende Schreiben, die eine Frist auslösten oder einer besonderen Bearbeitung bedürften, seien in einer Posteingangsmappe abzulegen, die täglich den in der Kanzlei anwesenden Anwälten, in der Regel mindestens zwei, vorzulegen sei, die sich so nicht nur einen Überblick über die eingegangene Post verschafften, sondern zugleich eine kursorische Prüfung der notierten Fristen vornähmen („Vier-Augen-Prinzip“). Für Fälle, in denen sich aus dem Schriftverkehr die Notwendigkeit weiteren Tätigwerdens ergeben könne oder bei denen Fristen zu beachten seien, existiere die – in der Vergangenheit vom Hilfspersonal stets beachtete – Weisung, dass derartige Schreiben mit notierter geeigneter Frist in die Postmappe zu geben seien, damit die Vertreter in der täglichen Postkonferenz die Fristen prüfen und im Übrigen über das weitere Vorgehen entscheiden könnten. Sonstige Schriftstücke, wie beispielsweise auch Empfangsbescheinigungen, würden nicht in die Posteingangsmappe gegeben, sondern sogleich in die dazugehörende Akte eingeordnet, die dann in einem Bearbeitungsfach der zuständigen Sachbearbeiterin oder in einem allgemeinen Bearbeitungsfach im Sekretariat abgelegt werde. Die eingehende Post werde jeden Tag von einer bestimmten Mitarbeiterin verteilt, wobei diese die Zuordnung entweder in die den Anwälten vorzulegende Posteingangsmappe oder – weil eine gesonderte Bearbeitung nicht veranlasst ist – in die Verfahrensakte selbständig ohne Beisein eines Anwalts vornehme. Das Procedere werde jedoch regelmäßig von einem der Anwälte überprüft. Die am 7. April 2008 für den Posteingang zuständige Mitarbeiterin, Frau J…, habe den handschriftlichen Vermerk „fehlt!“ auf der Empfangs bescheinigung offenbar übersehen und dementsprechend die Bescheinigung nicht als besonderen Vorgang eingestuft, der in die den Anwälten vorzulegende Posteingangsmappe einzulegen gewesen wäre. In diesem Zusammenhang stelle sich insbesondere die Frage, ob der handschriftliche Vermerk auf der Empfangsbescheinigung überhaupt einen ausreichenden Hinweis auf das Fehlen der Einzugsermächtigung darstelle. Die Empfangsbescheinigung habe die Funktion, die Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen zu beurkunden, so dass es an sich nicht ausgestellt werden dürfte, wenn – wie im Streitfall - ein Schriftstück fehle. Hier wäre vielmehr ein gesonderter Bescheid angezeigt gewesen. Frau J… sei aus gebildete Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellte. Sie sei durch die Patentanwälte in der Kanzlei umfassend in ihre Aufgaben eingewiesen worden, die sie stets tadellos erledigt habe. Sie sei – wie alle Mitarbeiter der Kanzlei – regelmäßig auf die Bedeutung von Fristen und die Folgen von Fristversäumnissen oder der Nichtzahlung von Anmelde- und Veröffentlichungsgebühren hingewiesen und stichprobenartig überprüft worden. Insgesamt handle es sich bei dem fehlerhaften Abheften des Empfangsbekenntnisses um einen einmaligen Fehler, der den Vertretern der Patentinhaberin nicht angelastet werden könne.
Die Patentinhaberin hat eine eidesstattliche Versicherung ihres Vertreters und von Frau J… sowie einen Abdruck der zum damaligen Zeitpunkt zu beachtenden Verfahrensabläufe bei der Bearbeitung von deutschen Patentanmeldungen vorgelegt, die unter Punkt IV Anweisungen zur Bearbeitung amtlicher Empfangsbescheinigungen enthalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Patentabteilung hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Frist zur Zahlung der Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung des europäischen Patents 1 659 843 zu Unrecht zurückgewiesen.
Soweit mit dem in der mündlichen Verhandlung verkündeten Beschlusstenor unter Ziffer 1 die vollständige Aufhebung des Beschlusses der Patentabteilung 34 des DPMA vom 3. Mai 2010 - nämlich auch hinsichtlich der Zurückweisung des Antrags auf Feststellung der fristgerechten Zahlung der Gebühr - ausgesprochen wurde, handelt es sich um eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 95 PatG, die entsprechend zu berichtigen war.
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist statthaft, da er auf eine Frist gerichtet ist, deren Versäumung nach einer gesetzlichen Frist einen Rechtsnachteil zur Folge hat (§ 123 Abs. 1 Satz 1 PatG). Nach Art. II § 3 Abs. 1 Satz 1 IntPatÜG (in der bis zum 30. April 2008 geltenden Fassung) i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG hat der Patentinhaber dann, wenn ein vom EPA mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteiltes Patent nicht in deutscher Sprache abgefasst ist, innerhalb von drei Monaten nach der Veröffentlichung des Hinweises über die Erteilung im Europäischen Patentblatt beim DPMA eine deutsche Übersetzung einzureichen und innerhalb dieser Frist auch eine Gebühr in Höhe von 150,-- € zu zahlen (§ 2 Abs. 1 PatKostG i. V. m. Gebührenverzeichnis Nr. 313 820). Diese Bestimmung findet auf den vorliegenden Fall gemäß der Übergangsregelung des Art. XI § 4 IntPatÜG noch Anwendung, da der Hinweis auf die Patenterteilung vor dem 1. Mai 2008, nämlich am 30. Januar 2008, veröffentlicht worden ist. Die Gebühr hätte danach bis zum 30. April 2008 gezahlt werden müssen. Die Patentinhaberin hat die Gebühr jedoch erst am 4. Dezember 2008 entrichtet. Die verspätete Zahlung hat nach Art. II § 3 Abs. 2 IntPatÜG a. F. zur Folge, dass die Wirkungen des europäischen Patents für die Bundesrepublik Deutschland als von Anfang an nicht eingetreten gelten.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist die zweimonatige Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG eingehalten. Die Frist beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses, d.h. in dem Zeitpunkt, in dem der Säumige oder dessen Vertreter bei Aufwendung der zumutbaren Sorgfalt nicht mehr gehindert ist, die versäumte Handlung vorzunehmen, oder wenn das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (vgl. Schulte, PatG mit EPÜ, 8. Aufl., § 123 Rn. 27).
a) Die Inlandsvertreter der Patentinhaberin haben von der Versäumung der Zahlungsfrist mit Zugang des Bescheids des DPMA vom 17. Oktober 2008 am 27. November 2008, mit dem ihnen mitgeteilt worden ist, dass die Wirkungen des Patents als Anfang an nicht eingetreten gelten, Kenntnis erlangt. Das Hindernis ist damit am 27. November 2008 weggefallen. Der am 26. Januar 2009 beim DPMA eingegangene Wiedereinsetzungsantrag ist daher fristgerecht gestellt.
b) Zwar entfällt das Hindernis nicht erst bei Kenntnis des wahren Sachverhalts, sondern vielmehr bereits dann, wenn der Säumige die eingetretene Säumnis hätte erkennen können und müssen, d. h. wenn die Unkenntnis und damit die Verhinderung nicht mehr als unverschuldet anzusehen ist (Vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 2011- XII ZB 88/11, MDR 2011, 1208 Rn. 7; Beschluss vom 5. April 2011 VIII ZB 81/10, NJW 2011, 1601 Rn. 9). Dennoch ist im vorliegenden Fall für den Beginn der Zweimonatsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG nicht auf den Zugang der Empfangsbescheinigung mit dem Vermerk „fehlt!“ am 7. April 2008 abzustellen, weil zu diesem Zeitpunkt die Unkenntnis des Hindernisses noch nicht als verschuldet anzusehen gewesen wäre.
Angesichts des in roter Farbe angebrachten patentamtlichen Vermerks „fehlt!“ auf der Empfangsbescheinigung hätten die Inlandsvertreter zwar auf die fehlende Einzugsermächtigung aufmerksam werden müssen. Jedoch ist die Empfangsbescheinigung nach dem glaubhaften Vortrag keinem der Vertreter der Patentinhaberin zur Kenntnis gelangt, da die Kanzleimitarbeiterin, Frau J…, die Emp fangsbescheinigung ohne weitere Bearbeitung in der Anwaltsakte abgelegt hat. Ob darin ein schuldhaftes Fehlverhalten der Angestellten zu sehen ist oder ob ein solches zu verneinen wäre, etwa weil das DPMA bei Unvollständigkeit der Unterlagen die Empfangsbescheinigung gar nicht hätte zurücksenden dürfen, sondern in einem gesonderten Bescheid hätte mitteilen müssen, dass der Empfang nicht bestätigt werden könne, weil die Einzugsermächtigung fehle, kann letztlich offen bleiben. Denn auch dann, wenn die Angestellte bei der Behandlung der Empfangsbescheinigung einen vorwerfbaren Sorgfaltsverstoß begangen haben sollte, wäre dieses Verschulden weder der Patentinhaberin noch ihren Vertretern gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Beim Einsatz von Hilfspersonen muss sich ein Verfahrensbeteiligter oder dessen Vertreter deren Versagen dann nicht zurechnen lassen, wenn er glaubhaft macht, dass er bei der Auswahl, Unterweisung und Überwachung der Hilfsperson mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen ist und entsprechend geeignete Aufgaben übertragen hat (Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 86 ff.).
Ein Verschulden der Vertreter der Patentinhaberin in Form eines Auswahl-, Unterweisungs- oder Überwachungsverschuldens ist nicht feststellbar. Vielmehr ist insoweit vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass es sich bei Frau J… um eine bereits seit mehreren Jahren in der Kanzlei der Vertreter beschäftigte Mitarbeiterin handelt, die ihre Aufgaben stets zuverlässig und gewissenhaft erledigt hat, die eingehend in ihre Aufgaben eingewiesen und regelmäßig von den Anwälten überprüft worden ist. Ebenso wenig kann ein Organisationsverschulden der Kanzlei angenommen werden. Bei der Zuordnung des Posteingangs handelt es sich um eine Aufgabe, die grundsätzlich geeignet ist, dem Büropersonal übertragen zu werden. Hierfür gibt es in der Kanzlei sowohl eine Arbeitsanweisung zum Umgang mit amtlichen Empfangsbekenntnissen als auch eine allgemein für die Bearbeitung und Zuordnung des Posteingangs geltende Anordnung, wonach Eingänge, welche Fristen auslösen und eine Fristnotierung oder ein sonstiges besonderes Vorgehen verlangen, stets in die den Anwälten vorzulegende Posteingangsmappe einzulegen sind. Damit haben die Vertreter für die Bearbeitung des Posteingangs ausreichende organisatorische Anordnungen erlassen, die sicherstellen, dass Schriftstücke, die ein besonderes Tätigwerden erfordern, stets den Anwälten vorgelegt werden. Dass bei einem Empfangsbekenntnis, das in Bezug auf eine wichtige Unterlage mit dem Vermerk „fehlt!“ versehen ist, etwas zu veranlassen ist, liegt für gut qualifiziertes Personal, wozu Frau J… zählt, auf der Hand. Einer konkreten Einzelanweisung, wonach Empfangsbescheinigungen auf Vermerke der zurücksendenden Stelle abzusuchen ist, die das Fehlen von Unterlagen anzeigen könnten, hat es vor diesem Hintergrund nicht bedurft.
Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 123 Abs. 2 PatG sind ebenfalls eingehalten. Der Wiedereinsetzungsantrag enthält die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen. Die vorgetragenen Tatsachen sind glaubhaft gemacht worden. Die Veröffentlichungsgebühr war bei Stellung des Antrags auf Wiedereinsetzung bereits gezahlt, so dass die versäumte Handlung ebenfalls innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden ist (§ 123 Abs. 2 Satz 3 PatG).
3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist auch begründet. Die Patentinhaberin hat glaubhaft gemacht, dass sie die Frist zur Zahlung der Gebühr für die Veröffentlichung des europäischen Patents ohne Verschulden versäumt hat. Es trifft weder sie selbst ein Verschulden noch liegt ein der Patentinhaberin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden ihrer Vertreter vor.
Nach dem eidesstattlich versicherten Vortrag, an dessen Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, sind die Arbeitsabläufe für die Validierung von europäischen Patenten in der Kanzlei der Vertreter der Patentinhaberin hinreichend organisiert.
a) Die eigentliche Ursache für die Fristversäumung wurde am 1. April 2008 gesetzt, als anstelle der Einzugsermächtigung das für die Unterlagen des Vertreters bestimmte Exemplar des Formulars P 2030 an das DPMA übermittelt wurde. Die hierfür verantwortliche Mitarbeiterin in der Kanzlei der Vertreter, Frau S…, ist nach dem glaubhaft gemachten Vortrag der Vertreter seit Jahren in der Kanzlei tätig, hinreichend in ihre Aufgaben eingewiesen und wird auch regelmäßig überwacht, so dass insoweit kein Auswahl-, Unterweisungs- oder Überwachungsver- schulden der Vertreter vorliegt. Die einfach zu erledigende Aufgabe der Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes per Telefax kann ein Anwalt seinem geschulten und zuverlässig arbeitenden Büropersonal überlassen. Er braucht die Ausführung der erteilten Weisung nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren (vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 2008 – I ZB 101/06, NJW-RR 2008, 1288 Rn. 8). Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Vertreter besteht in der Kanzlei eine eindeutige Anweisung, welche Unterlagen im Falle der Einreichung einer deutschen Übersetzung eines europäischen Patents an das DPMA zu übermitteln sind. Ferner gilt für die Übermittlung per Telefax allgemein die Anweisung, anhand des Sendeberichts zu prüfen, ob die Sendung vollständig an die korrekte Empfängernummer übermittelt worden ist. Damit haben die Vertreter ausreichende organisatorische Vorkehrungen für die Ausgangskontrolle getroffen. Die fehlerhafte Ausführung dieser Anweisungen durch eine bis dahin beanstandungsfrei arbeitende Bürokraft braucht sich die Patentinhaberin nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO als Verschulden ihrer Vertreter zurechnen zu lassen.
b) Ebenso wenig begründet die fehlerhafte Behandlung der vom DPMA zurückgesandten Empfangsbescheinigung durch die Angestellte, Frau J…, ein Verschulden, das sich die Patentinhaberin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO als Verschulden ihrer Vertreter zurechnen lassen müsste. Wie bereits oben dargelegt, liegt auch in Bezug auf diese Mitarbeiterin kein Auswahl-, Unterweisungs- oder Überwachungsverschulden der Vertreter vor. Ebenso wenig ist in Bezug auf die für die Behandlung des Posteingangs geltenden Arbeitsabläufe ein Organisationsmangel in der Kanzlei der Vertreter zu bejahen.
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