VIII ZB 14/21
BUNDESGERICHTSHOF VIII ZB 14/21 BESCHLUSS vom 17. August 2021 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2021:170821BVIIIZB14.21.0 Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. August 2021 durch die Richterin Dr. Fetzer als Vorsitzende, die Richter Dr. Bünger und Kosziol, die Richterin Dr. Liebert sowie den Richter Dr. Schmidt beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Stralsund - 1. Zivilkammer - vom 2. März 2021 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf bis zu 30.000 € festgesetzt.
Gründe:
I. 1 Der Beklagte wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde gegen den vorbezeichneten Beschluss des Landgerichts, mit dem dieses dessen Berufung gegen das Teilurteil des Amtsgerichts vom 31. Juli 2020 wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen hat. Er macht insbesondere geltend, das Berufungsgericht habe den von ihm selbst gestellten Antrag vom 23. Dezember 2020 auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit unzutreffender Begründung abgelehnt und es zudem unter Verkennung und in Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung unterlassen, diesen Antrag in ein Begehren auf Bestellung eines Notanwalts umzudeuten.
II.
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte und auch den Form- und Fristerfordernissen genügende Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (siehe nur Senatsbeschluss vom 11. Mai 2021 - VIII ZB 50/20, NJW-RR 2021, 935 Rn. 7 mwN), sind nicht erfüllt. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert sie - anders als die Rechtsbeschwerde geltend macht - eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 ZPO).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss den Anspruch des Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) nicht. Auch ist eine Zulassung nicht - wie von der Rechtsbeschwerde geltend gemacht - wegen Divergenz (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) geboten.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen, weil der Beklagte sie entgegen § 520 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig begründet hat. Dem Antrag des Beklagten vom 23. Dezember 2020 auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist konnte nicht stattgegeben werden, weil er bereits wegen des hierfür nach § 78 Abs. 1 ZPO geltenden Anwaltszwangs unwirksam war und überdies nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO eingegangen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 20. August 2019 - VIII ZB 19/18, NJW 2019, 3310 Rn. 13 mwN).
2. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht das unwirksame Fristverlängerungsgesuch nicht in einen Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts umgedeutet hat. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Umdeutung von Prozesshandlungen (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juni 2012 - VIII ZB 80/11, juris Rn. 9 mwN) nicht verkannt und einen hiervon abweichenden Obersatz nicht aufgestellt. Vielmehr hat es im Ergebnis zutreffend davon abgesehen, eine solche Umdeutung vorzunehmen, so dass es unschädlich ist, dass es sich mit diesem Gesichtspunkt nicht ausdrücklich befasst hat. Denn eine entsprechende Umdeutung kommt nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen einer anderen, dem gleichen Zweck dienenden Prozesshandlung erfüllt sind (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juni 2012 - VIII ZB 80/11, aaO mwN). Dies ist hier nicht der Fall, weil der Beklagte in dem Fristverlängerungsantrag die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notanwalts (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2020 - VIII ZA 6/20, juris Rn. 7; vom 29. September 2016 - III ZR 102/16, juris Rn. 6 und vom 12. Juni 2012 - VIII ZB 80/11, aaO; jeweils mwN) weder hinreichend dargelegt noch nachgewiesen hat.
3. Die Zulassung ist auch nicht - wie die Rechtsbeschwerde meint erforderlich zur Fortbildung des Rechts zu den Fragen, wie weit die Bemühungen einer einen Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts stellenden Partei, einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu finden, gehen müssen, und welche Anforderungen an den Nachweis, einen Rechtsanwalt nicht gefunden zu haben, zu stellen sind. Die grundlegenden Fragen sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt. Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, diesbezüglich weitere Leitsätze aufzustellen.
4. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 2, 3 ZPO abgesehen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Fetzer Dr. Liebert Dr. Bünger Kosziol Dr. Schmidt Vorinstanzen: AG Greifswald, Entscheidung vom 31.07.2020 - 45 C 348/17 LG Stralsund, Entscheidung vom 02.03.2021 - 1 S 85/20 -