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4 StR 80/25

BUNDESGERICHTSHOF StR 80/25 BESCHLUSS vom 27. August 2025 in der Strafsache gegen

1. 2.

wegen zu 1.: Beihilfe zum Totschlag zu 2.: Totschlags u.a.

ECLI:DE:BGH:2025:270825B4STR80.25.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 27. August 2025 beschlossen:

1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 24. Juni 2024 werden als unbegründet verworfen.

Beide Angeklagte haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

2. Die Antragsteller H.

M. und L.

M. sind zum Anschluss als Nebenkläger nicht berechtigt.

Gründe:

1 Das Landgericht hat den Angeklagten G.

wegen Totschlags und wegen Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten E. wegen Beihilfe zum Totschlag zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt.

I.

Die Revisionen der Angeklagten bleiben aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

Ergänzend bemerkt der Senat zur Revision des Angeklagten G. das Folgende:

Die Verfahrensrügen, mit denen sich die Revision gegen die Verwertung der Angaben des Angeklagten aus seiner polizeilichen Zeugenvernehmung vom 15. Oktober 2021 wendet und hier Verstöße gegen § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO durch Täuschungen über eine vermeintliche Anordnung eines Zwangsgeldes durch die Staatsanwaltschaft (RB S. 426) und über das Recht, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren (RB S. 431), geltend macht, bleiben ohne Erfolg, weil sich bereits aus dem Revisionsvortrag derartige Rechtsverstöße nicht ergeben (vgl. zum Maßstab BGH, Beschluss vom 7. Juni 1983 – 5 StR 409/81, BGHSt 31, 395, 399 f.; Urteil vom 31. Mai 1990 – 4 StR 112/90, BGHSt 37, 48, 53; Urteil vom 24. Februar 1994 – 4 StR 317/93, BGHSt 40, 66, 72; Urteil vom 8. Oktober 1993 – 2 StR 400/93, BGHSt 39, 335, 348; KK-StPO/Diemer, 9. Aufl., § 136a Rn. 19, 21 mwN).

II.

Auf die – auch im Revisionsverfahren zulässigen – Anträge auf Zulassung der Nebenklage war gemäß § 396 Abs. 2 Satz 1 StPO die fehlende Nebenklageberechtigung beider Antragsteller auszusprechen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 1954 – 3 StR 122/54, BGHSt 6, 103, juris Rn. 2 und 4).

6

1. Der Antragsteller H.

M. ist der leibliche Vater des durch die verfahrensgegenständliche Tat am 22. April 2020 getöteten W. ,

die Antragstellerin L.

M. ist dessen leibliche Halbschwester. Der Getötete wurde am 28. September 1973 als Sohn von H.

M. geboren und bereits im Jahr 1974 als Kleinkind von den Eheleuten W. adoptiert,

infolgedessen er fortan den Namen W. führte. Im Jahr 1993 wurde die Antragstellerin L.

M. als Tochter des Antragstellers H.

M. geboren. Am 10. März 2025 beantragten H.

M. und L. M.

, als leiblicher Vater beziehungsweise als leibliche

(Halb-)Schwester des W.

die Nebenklagezulassung im vorliegenden Verfahren.

2. Eine Nebenklagebefugnis der Antragssteller liegt nicht vor. Wer befugt ist, sich als Hinterbliebener eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten dem Verfahren als Nebenkläger anzuschließen, regelt § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO abschließend. Maßgeblich ist der Verfahrenszeitpunkt (vgl. Wenske in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 395 Rn. 45, 47 mwN). Berechtigt sind danach zwar auch Personen, deren Kinder und Geschwister – wozu auch Halbgeschwister zählen (Schmitt in Schmitt/Köhler, StPO, 68. Aufl., § 395 Rn. 8 mwN) – durch eine rechtswidrige Tat getötet wurden. Beide Antragsteller gehören als nicht im Rechtssinne, sondern „lediglich“ leiblicher Vater beziehungsweise leibliche Halbschwester des Getöteten jedoch nicht zu diesem Personenkreis (vgl. BGH, Beschluss vom 18. September 2012 – 3 BGs 262/12, NJW 2012, 3524 zur Nebenklageberechtigung nach Ehescheidung).

a) Einer Nebenklagebefugnis der beiden Antragsteller steht schon der Wortlaut der maßgeblichen Regelungen entgegen. Gemäß Art. 51 EGBGB finden, soweit in der Strafprozessordnung rechtliche Folgen an die Verwandtschaft geknüpft sind, die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über Verwandtschaft Anwendung. Gemäß § 1755 Abs. 1 Satz 1 BGB erlöschen das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes und seiner Abkömmlinge zu den bisherigen Verwandten und die sich aus ihm ergebenden Rechte und Pflichten mit der Annahme

(sog. Volladoption). Danach ist das Verwandtschaftsverhältnis des Antragstellers H. M. zu dem Getöteten durch dessen Annahme als Kind durch die Eheleute W. im Jahr 1974 erloschen. Anderes würde vorliegend nur dann gelten, wenn der gemäß § 10 des „Gesetzes über die Annahme als Kind und zur Änderung anderer Vorschriften (Adoptionsgesetz)“ vom 2. Juli 1976 zum 1. Januar 1977 in Kraft getretene § 1755 BGB (BGBl. I S. 1749, 1761) auf die bereits erfolgte Annahme des Getöteten W. keine Anwendung fände.

Das setzte indes voraus, dass bis zum 31. Dezember 1977 eine Erklärung nach

§ 2 Abs. 2 des Adoptionsgesetzes durch den dort genannten Personenkreis erfolgt ist, wonach auf die Annahme des Getöteten nicht die Vorschriften dieses Gesetzes über die Annahme Minderjähriger angewandt werden sollten. Für die Abgabe einer solche Erklärung gibt es vorliegend keinen Anhalt.

Aus dem im Jahr 2013 neu eingeführten § 1686a BGB, der die Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters regelt, folgt nichts Anderes, denn Statusfolgen sind damit nicht verbunden (vgl. BeckOGK/Altrogge, 15. Juli 2024, BGB § 1686a Rn. 23).

Auch die Antragstellerin L. M. gilt nach dem Ausgeführten nicht als (Halb-)Schwester des Getöteten im Sinne des § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO, denn die Wirkung des Erlöschens nach § 1755 Abs. 1 Satz 1 BGB gilt auch für die Verwandtschaftsbeziehungen zu anderen Personen, die über die bisherige Eltern-Kind-Beziehung vermittelt wurden, und für die Zukunft ab Wirksamkeit der Adoption (vgl. BeckOK-BGB/Pöcker, 75. Ed., § 1755 Rn. 2 f.), so dass sie aufgrund der bereits vor ihrer eigenen Geburt erfolgten Adoption des Getöteten nie in einem rechtlichen Geschwisterverhältnis zu diesem stand.

b) Der Berechtigung der beiden Antragsteller als Nebenkläger stehen auch die Gesetzessystematik, nach der eine Erstreckung auf erloschene Näheverhältnisse, insbesondere erloschene Verwandtschaftsverhältnisse, nicht generell, sondern nur bei entsprechender ausdrücklicher Regelung anzunehmen ist, und der gesetzgeberische Wille entgegen.

Anders als etwa die Legaldefinition des Begriffs des „Angehörigen“ im Strafgesetzbuch (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB), die im Hinblick auf die Regelung des Art. 51 EGBGB insoweit keine Anwendung findet (Art. 1 Abs. 1 Halbsatz 2 EGStGB), aber ausdrücklich auch nicht mehr bestehende Näheverhältnisse erfasst, enthält § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO eine entsprechende Erstreckung nicht. Gleichermaßen finden sich auch in der Strafprozessordnung ausdrücklich an bestehende und nicht mehr bestehende Näheverhältnisse anknüpfende Regelungen, so insbesondere bei den gesetzlichen Ausschließungsgründen vom Richteramt gemäß § 22 Nr. 2 und Nr. 3 StPO sowie bei den Regelungen über die Berechtigung zur Zeugnisverweigerung nach § 52 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 2a und Nr. 3 StPO. Überdies machte der Gesetzgeber im Zuge der Neuregelung des Adoptionsrechts zugleich auch deutlich, dass er zwischen leiblicher Abstammung und Verwandtschaft unterschied, indem er den Straftatbestand des § 173 StGB aF, der den Beischlaf unter „Verwandten“ unter Strafe stellte, dahingehend im Wortlaut anpasste, dass dieser stattdessen fortan von „leiblichem Abkömmling“ sprach, um so den insoweit geltenden Rechtszustand beizubehalten (BTDrucks. 7/3061 S. 10, 61).

Es entsprach zudem dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen, das infolge der Neuregelung des Adoptionsrechts zum 1. Januar 1977 nach § 1755 BGB erloschene Verwandtschaftsverhältnis des adoptierten Kindes zu seinen bisherigen Verwandten nur noch in einigen „Sonderbereichen“ weiterhin zu berücksichtigen (vgl. BT-Drucks. 7/3061 S. 43), zu denen die Nebenklagebefugnis nicht gehörte (vgl. BT-Drucks. 7/3061 S. 10 f., 61 ff.). Ausdrücklich sah bereits der – später so umgesetzte – Gesetzentwurf ein Fortbestehen des Zeugnisverweigerungsrechts und des Ausschließungsgrundes auch nach Erlöschen des Verwandtschaftsverhältnisses zu den leiblichen Verwandten im Hinblick auf zu diesen fortbestehende persönliche Bindungen vor, während er etwa einen Übergang des Strafantragsrechts auf Angehörige, zu denen zivilrechtlich ein Verwandtschaftsverhältnis nicht (mehr) besteht, ausdrücklich als nicht gerechtfertigt ansah (vgl. BT-Drucks. 7/3061 S. 61 f.).

Explizit Abstand nahm der Gesetzgeber von einer Neuregelung der Anschlussbefugnis der Angehörigen eines Getöteten beim Erlass des „Ersten Gesetzes zur Verbesserung der Stellung der Verletzten im Strafverfahren (Opferschutzgesetz)“ vom 18. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2496). Die bestehenden Regelungen für deren Anschlussbefugnis sah er vielmehr ausdrücklich als „weiterhin sachgerecht“ an, weshalb sie sachlich unverändert beibehalten bleiben könnten (BT-Drucks. 10/5305 S. 11). Auch die mit dem „Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften“ vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266) einhergehende Erweiterung der Nebenklagebefugnis auf Lebenspartner in § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO (BGBl. I S. 275) und die entsprechenden Anpassungen etwa der Regelungen der § 22 Nr. 2 StPO und § 52 Nr. 2a StPO – Erstreckungen auf bestehende und beendete Lebenspartnerschaften – nahm der Gesetzgeber nicht zum Anlass, auch die Nebenklagebefugnis als solche auf beendete Verwandtschaftsverhältnisse auszuweiten (vgl. BT-Drucks. 14/3751 S. 58 f.).

c) Schließlich gebieten Sinn und Zweck der Nebenklageberechtigung, den nahen Angehörigen, die durch die Straftat in eigenen Vermögensrechten betroffen sind, ein Recht zur Nebenklage zu geben, um ihren Anspruch auf Genugtuung und Entschädigung durch Beteiligung am Strafverfahren durchzusetzen und so divergierende Entscheidungen in einem zivilgerichtlichen Rechtsstreit auf Schadensersatz zu vermeiden, keine erweiternde Anwendung der Regelung des § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 1993 – 2 BvR 1491/91, NJW 1993, 3316 mwN; BGH, Beschluss vom 18. September 2012 – 3 BGs 262/12, NJW 2012, 3524 Rn. 23 ff.). Vielmehr ist es geboten, diese rechtssicher und praktikabel ihrem klaren Wortlaut folgend anzuwenden, zumal Gründe, die eine Gleichstellung der leiblichen Verwandtschaft mit dem in § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO genannten Personenkreis veranlasst erscheinen ließen, nicht ersichtlich sind.

Quentin Momsen-Pflanz Maatsch Gödicke Scheuß Vorinstanz: Landgericht Bremen, 24.06.2024 - 21 Ks 271 Js 900044/21 (1/22)

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4 1755 BGB
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1 1686 BGB
1 1 EGStGB
1 11 StGB
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