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III ZR 18/24

BUNDESGERICHTSHOF III ZR 18/24 BESCHLUSS vom 24. April 2025 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

nein BGHR:

ja JNeu:

nein BNotO § 19 Abs. 1 Satz 1; BeurkG § 53 Ein Notar hat sicherzustellen, dass eine Auflassungsvormerkung nicht vor nachrangigen, nicht übernommenen Belastungen gelöscht wird.

BGH, Beschluss vom 24. April 2025 - III ZR 18/24 - OLG Düsseldorf LG Düsseldorf ECLI:DE:BGH:2025:240425BIIIZR18.24.0 Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. April 2025 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, den Richter Dr. Remmert, die Richterinnen Dr. Arend und Dr. Böttcher sowie den Richter Dr. Ostwaldt beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 2024 gemäß § 544 Abs. 9 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des dritten Rechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 149.269,67 €

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt als Mitglied einer Erbengemeinschaft nach ihrer am 2. April 2016 verstorbenen Großmutter (nachfolgend Erblasserin) die beklagte Notarin aus Amtshaftung auf Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Grundstücksrückübertragung im Jahr 2011 in Anspruch.

Im Jahr 2008 übertrug die Erblasserin zwei in ihrem Eigentum stehende Grundstücke ("N.

14", eingetragen im Grundbuch von K.

Bl. 2182,

und "Gartenland K.

Straße", eingetragen im Grundbuch von K.

Bl. 2371) auf einen ihrer Söhne, Herrn Dr. med. K. B. , den Vater der Klä- gerin. Aus Anlass dieser Veräußerung wurde ein Rückauflassungsanspruch der Erblasserin - etwa für den Fall der Zwangsvollstreckung in die Grundstücke - vereinbart und durch im Grundbuch in Abteilung II eingetragene Vormerkungen abgesichert. Der Erblasserin sollte ein "lastenfreies" Rückübertragungsrecht zustehen. Zwischen 2009 und 2011 wurden die Grundstücke durch Gläubiger des Dr. B. mit Zwangssicherungshypotheken belastet ("N.

14" in Abteilung III lfd. Nummern 5-7 im Gesamtnennwert von 116.743,18 € und "K.

Straße" in Abteilung III lfd. Nummern 2-4 im Gesamtnennwert von 32.526,49 €).

Anfang Mai 2011 forderte die Erblasserin die Rückübereignung der Grundstücke. Die Beklagte beurkundete am 11. Mai 2011 den nunmehr in Rede stehenden Rückübertragungsvertrag.

In § 3 Nr. 2 der Urkunde ("Lasten und Beschränkungen") ist Folgendes geregelt:

"(…)

Die im Grundbuch von K. Blatt 2182 und Blatt 2371 jeweils in Abteilung II Nr. 2 zu Gunsten der Erwerberin eingetragene Rückauflassungsvormerkung ist zu löschen, jedoch nur gleichzeitig mit der Eigentumsumschreibung.

(…)

Im Übrigen wird der Grundbesitz übertragen frei von nicht übernommenen privatrechtlichen Belastungen und Beschränkungen sowie von nicht übernommenen Zinsen, Steuern und Abgaben." In § 4 der Urkunde ("Grundbucherklärungen") heißt es unter Nr. 2:

"(…) Die Beteiligten beantragen alle Löschungen, Pfandfreigaben und Rangänderungen auch an allen Mithaftstellen, stimmen diesen zu und bewilligen diese, soweit sie selbst berechtigt sind, insbesondere bezüglich der Rechte Grundbuch von K. Bl. 2182 Abteilung III Nummern 5, 6 und 7 und der Rechte im Grundbuch von K.

Bl. 2371 Abteilung III Nummern 2, 3 und 4. Die Notarin wird mit der Einholung der Löschungsunterlagen nach erfolgter Eigentumsumschreibung beauftragt. Die Löschung der vorgenannten Belastungen soll erst nach der Eigentumsumschreibung erfolgen." Die Erblasserin wurde im Juli 2011 wieder als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Zugleich wurden die zu ihren Gunsten bestellten Rückauflassungsvormerkungen gelöscht. Sie erhielt darüber zeitnah eine Eintragungsnachricht und einen unbeglaubigten Grundbuchauszug. Eine Löschung der Zwangssicherungshypotheken erfolgte jedoch nicht, weil weder die Beklagte noch die Urkundsbeteiligten insoweit tätig wurden. Im Juli 2013 wurde für beide Grundstücke ein Zwangsversteigerungsvermerk im Grundbuch eingetragen. Zwei Jahre später ordnete das Amtsgericht K.

die Zwangsversteigerung beider Grundstücke an. In Bezug auf das Grundstück "N.

14" erging am 21. August 2015 ein Zuschlagsbeschluss zugunsten einer dritten Erwerberin. Nach dem - von der Klä- gerin allerdings nicht vorgelegten - Teilungsplan des Amtsgerichts K.

soll der Versteigerungserlös in Höhe von insgesamt 116.743,18 € an die Gläubiger der Zwangssicherungshypotheken Nummern 5-7 gezahlt worden sein. Der Zwangsversteigerungsantrag bezüglich des Grundstücks "K.

Straße", das die Erblasserin im Jahr 2014 verkauft und aufgelassen hatte, wurde zurückgenommen und der Zwangsversteigerungsvermerk gelöscht. Zu einer Abwicklung dieses Vertrags kam es bisher nicht.

Die Klägerin nimmt die Beklagte in Höhe von 149.269,67 € (die Summe der Nominalbeträge der Zwangssicherungshypotheken) wegen ihr vorgeworfener Amtspflichtverletzungen - namentlich der unterbliebenen Einholung der Löschungsbewilligungen - auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagte, die eine Handlungspflicht in Abrede nimmt, hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, Schadensersatzansprüche der Klägerin seien verjährt.

Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Das Oberlandesgericht, das angenommen hat, die Beklagte sei mit der Einholung der Löschungsunterlagen beauftragt gewesen, hat eine ihr vorzuwerfende Pflichtverletzung bejaht, ihre Haftung aber für ausgeschlossen erachtet, weil die Erblasserin, ihr Vertreter oder die Rechtsnachfolger es schuldhaft versäumt hätten, den Schaden rechtzeitig durch den Gebrauch von Rechtsmitteln abzuwenden (§ 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO iVm § 839 Abs. 3 BGB). Es habe die Möglichkeit bestanden, Beschwerde gemäß § 15 Abs. 2 BNotO wegen der Untätigkeit der Beklagten einzulegen. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, die Beklagte habe die Sache "verdunkelt". Die Vertragsregelung zur Einholung der Löschungsunterlagen sei eindeutig und klar verständlich. Ebenso eindeutig seien durch die Gläubiger des Dr. B. im Jahr des Zwangsversteigerungsverfahrens Ansprüche aus den vorhandenen Zwangssicherungshypotheken angemeldet worden, was insbesondere diesem bekannt gewesen sei. Er habe sich nach dem Vortrag der Klägerin unter anderem wegen der gelöschten Vormerkung sogar direkt an die Rechtspflegerin des Zwangsvollstreckungsgerichts gewandt. Darüber hinaus habe der Erblasserin beziehungsweise der Erbengemeinschaft die Möglichkeit offen gestanden, die Gläubiger ungeachtet der gelöschten Vormerkung auf Löschung der Zwangssicherungshypotheken gemäß § 888 Abs. 1,

§ 883 Abs. 2 BGB in Anspruch zu nehmen und damit die Grundstücke der Haftung für Schulden des Dr. B. zu entziehen. Denn ohne materiell-rechtliche Aufgabeerklärung habe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Vormerkung ihre Wirkung nicht verloren. Durch Ergreifen der genannten Rechtsbehelfe wäre es grundsätzlich möglich gewesen, Zwangsversteigerungsmaßnahmen zu verhindern, weil die Rechte rechtzeitig hätten gelöscht werden können. Die Klägerin habe keinen Grund dargelegt, der erkennen lasse, weshalb die Gläubiger den Anspruch auf Löschung trotz Einleitung der Zwangsversteigerung hätten ablehnen können. Soweit sich diese Ansprüche - mittlerweile - nicht mehr durchsetzen ließen, gehe dies zu Lasten der Klägerin.

II.

Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

1. Die Vorinstanz hat angenommen, die Beklagte habe ihre der Erblasserin gegenüber aus § 4 Nr. 2 Satz 2 der Urkunde bestehende Amtspflicht verletzt, (zeitnah) nach der Beurkundung des Rückübertragungsvertrags die Bewilligungen der nachrangigen Gläubiger des Dr. B. zur Löschung der Zwangssicherungshypotheken einzuholen und für die Löschung dieser Rechte in Abteilung III der Grundbücher zu sorgen. Dies nimmt die Beschwerde als ihr günstig hin und ist insbesondere wegen der in dieser Würdigung enthaltenen tatrichterlichen Beurteilungselemente aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch die Beschwerdeerwiderung erhebt keine Gegenrügen.

2. Zu Recht rügt die Beschwerde, dass sich das Berufungsgericht im Zusammenhang mit dem von ihm bejahten Anspruchsausschluss wegen des schuldhaft unterbliebenen Gebrauchs eines Rechtsmittels zur Abwendung des geltend gemachten Schadens (§ 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO, § 839 Abs. 3 BGB) mit wesentlichen Teilen des Vortrags der Klägerin im Ergebnis nicht beschäftigt und die dazu angebotenen Beweise nicht erhoben hat.

a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Zwar muss sich das Gericht in seinen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich mit jedem Parteivorbringen befassen. Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, dass es das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist aber anzunehmen, wenn besondere Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht beachtet worden ist (vgl. zB Senat, Beschlüsse vom 26. Januar 2023 - III ZR 91/22, NJW 2023, 2042 Rn. 7 und vom 27. August 2020 - III ZR 105/19, BeckRS 2020, 24306 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 - VI ZR 1206/20, NJW-RR 2021, 1294 Rn. 13). Solche Umstände liegen etwa dann vor, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Vortrags eines Beteiligten zu einer zentralen Frage des Verfahrens in den Entscheidungsgründen nicht eingeht oder diesen nicht erfasst, sofern er nicht nach seinem Rechtsstandpunkt unerheblich oder aber - wie hier allerdings nicht - offensichtlich unsubstantiiert war (zB Senat, Beschlüsse vom 26. Januar 2023 und vom 27. August 2020; jew. aaO und mwN; BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2022 - VII ZR 271/19, ZfBR 2023, 242 Rn. 15 mwN). Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass es allenfalls den Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei wahrgenommen hat (zB BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2022 aaO mwN).

b) Ein solcher Gehörsverstoß ist dem Oberlandesgericht unterlaufen. Denn es hat in einer entscheidungserheblichen Frage den wesentlichen Kern des Vortrags der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen beziehungsweise in seiner Bedeutung nicht erfasst und deshalb bei der Entscheidung nicht beachtet.

Das Berufungsgericht hat sich bei der Prüfung eines Haftungsausschlusses gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO, § 839 Abs. 3 BGB nicht hinreichend mit der Frage befasst, ob sich aus dem Vortrag der Klägerin Anhaltspunkte ergeben, die einem Verschulden der Erblasserin oder ihres Vertreters entgegenstehen.

aa) Als Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB kommen alle Maßnahmen des Geschädigten in Betracht, die geeignet sind, Nachteile aufgrund des schädigenden Verhaltens des Notars - hier die unterbliebene Einholung der Löschungsbewilligungen - abzuwenden. Der Begriff des Rechtsmittels wird weit ausgelegt und ist nicht im technischen Sinn zu verstehen (vgl. zB Senat, Urteile vom 8. Januar 2004 - III ZR 39/03, NJW-RR 2004, 706, 707 und vom 3. Juni 1993 - III ZR 104/92, BGHZ 123, 1, 7). Das Rechtsmittel muss sich unmittelbar gegen eine bereits begangene Amtspflichtverletzung richten und deren Beseitigung oder Berichtigung bezwecken oder ermöglichen (Senat, Urteile vom 16. Oktober 2008 - III ZR 15/08, NJW 2009, 71 Rn. 24 und vom 8. Januar 2004 aaO; BeckOGK/Thomas, BGB, Stand: 1. Februar 2025, § 839 Rn. 681). Jeder Urkundsbeteiligte muss nach seinen Kräften daran mitwirken, dass das Urkundsgeschäft gemäß seinem Inhalt vollzogen wird (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1974 - VI ZR 71/72, NJW 1974, 639, 640). Insoweit kann es notwendig sein, sich beim Notar zu erkundigen, diesen zu erinnern oder aufzufordern, für einen Vollzug zu sorgen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2002 - IX ZR 474/00, juris Rn. 2; BGH, Urteil vom 5. Februar 1974 aaO), oder dies anderweit - etwa durch eine Beschwerde gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 BNotO - zu erwirken.

Dies zugrunde gelegt, hat das Berufungsgericht zutreffend in der unterlassenen Untätigkeitsbeschwerde gegen die Beklagte im Hinblick auf die nach dem unbeglaubigten Grundbuchblattauszug ersichtlich nicht eingeholten Löschungsbewilligungen ein Rechtsmittel im vorstehend genannten Sinn gesehen. Insoweit ist es zu Recht davon ausgegangen, dass die Vormerkung ihren Charakter als materielles Sicherungsmittel nicht mit ihrer Löschung im Grundbuch, sondern erst durch einen - vom Berufungsgericht nicht festgestellten - materiell-rechtlichen Erlöschenstatbestand etwa in Form der Aufhebung (§ 875 BGB) verliert und bis dahin auch außerhalb des Grundbuchs ein Recht aus der Vormerkung ("Vormerkungslage") fortbesteht, was das Grundbuch unrichtig macht (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1972 - V ZR 76/71, BGHZ 60, 46, 50 ff). Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand lag es auch nicht fern, dass die Gläubiger die Löschungsbewilligungen freiwillig erteilt hätten. Das Berufungsgericht wird insoweit jedoch noch zu berücksichtigen haben, dass für die Kausalität zwischen der Nichteinlegung des Rechtsmittels und dem Schadenseintritt der Schädiger und nicht der Anspruchsteller darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl. Senat, Urteil vom 9. Oktober 2003 - III ZR 342/02, BGHZ 156, 294, 299). Das Berufungsgericht hat weiterhin unter Bezugnahme auf das Urteil des V. Zivilsenats vom 15. Dezember 1972 (aaO) angenommen, die Erblasserin habe die Einlegung eines Rechtsmittels gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO, § 839 Abs. 3 BGB versäumt, indem sie es unterlassen habe, die Gläubiger ungeachtet der (nur grundbuch-, nicht aber materiell-rechtlich wirksamen) Löschung der Rückauflassungsvormerkung auf Ertei- lung der Löschungsbewilligungen für die Sicherungshypotheken oder auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung in Anspruch zu nehmen. Es kann im vorliegenden Verfahrensstadium auf sich beruhen, ob diese - bedenkliche - Rechtsauffassung zutrifft oder ob die unterbliebene Inanspruchnahme der Gläubiger möglicherweise (nur) als Mitverschulden der Erblasserin (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) berücksichtigt werden kann.

bb) Der unterbliebene Gebrauch eines Rechtsmittels führt nach dem diesbezüglich anzuwendenden subjektiven Maßstab nur dann zu einem Haftungsausschluss des Notars, wenn das Unterlassen des Geschädigten als (wenigstens) fahrlässig zu bewerten ist. Der Geschädigte hat diejenige Sorgfalt zu beachten, die nach den Umständen des Einzelfalls, nach seinem Bildungsstand sowie seiner Geschäftsgewandtheit geboten gewesen wäre. Die Feststellung eines Verschuldens setzt nicht voraus, dass der Geschädigte die Amtspflichtverletzung gekannt hat, sondern es genügt, wenn die Annahme dringlich naheliegt (vgl. Senat, Beschluss vom 27. September 1990 - III ZR 53/89, NVwZ 1991, 915; BGH, Urteil vom 31. März 1977 - VII ZR 336/75, NJW 1977, 1287, 1288 unter III mwN; OLG Celle BeckRS 2009, 3101 unter II 1 c; MüKo-BGB/Papier/Shirvani, 9. Aufl., § 839 Rn. 405). Ein Verschulden ist allerdings nicht allein deswegen zu verneinen, weil dem Verletzten die erforderlichen Rechtskenntnisse fehlen. Notfalls muss er rechtskundigen Rat einholen und eine Entscheidungsprognose stellen, ob ein Rechtsmittel mit Aussicht auf Erfolg eingelegt werden kann (Papier/ Shirvani aaO). Gegen den ausdrücklichen Rat eines Rechtskundigen muss der Geschädigte hingegen im Regelfall nicht handeln.

Das Berufungsgericht ist - allerdings ohne nähere Begründung - von einem schuldhaften Versäumnis der Erblasserin beziehungsweise ihres Vertreters ausgegangen. Dabei hat es übersehen, dass sich aus dem Vortrag der Klägerin Anhaltspunkte ergeben, die der Annahme eines Verschuldens entgegenstehen können.

(1) Die Klägerin hat in zweiter Instanz geltend gemacht, Dr. B. habe vor Einleitung der Zwangsversteigerung festgestellt, dass die Gläubiger Forderungen angemeldet hätten, und die Beklagte hierüber informiert. Diese habe ihm mitgeteilt, gegen die Zwangssicherungshypotheken könne wegen der Löschung der Vormerkung nichts mehr unternommen werden. Dr. B. habe die Richtigkeit dieser Aussage nicht bezweifelt und daher keinen Anlass gehabt, als Vertreter der Erblasserin verjährungsunterbrechende Maßnahmen gegen die Beklagte einzuleiten. Auch die Rechtspflegerin des Amtsgerichts K. habe die Aussage der Beklagten bestätigt, dass wegen der Löschung der Vormerkung nichts mehr unternommen werden könne. Zum Beweis all dessen hat sich die Klägerin auf das Zeugnis des Dr. B. berufen.

(2) Diesen - von der Beklagten in Abrede genommenen - Vortrag als zutreffend unterstellt, lag die Annahme nahe, die - von der mit der Angelegenheit befassten Rechtspflegerin bestätigte - Rechtsauskunft der Beklagten könnte Dr. B. als Vertreter der Erblasserin im Vertrauen auf deren Richtigkeit davon abgehalten haben, das vorstehend erörterte Rechtsmittel zu ergreifen, um damit eine Löschung der Zwangssicherungshypotheken zu bewirken und eine Versteigerung der Grundstücke durch deren Gläubiger zu verhindern, oder insoweit zumindest um weiteren Rechtsrat nachzusuchen. Anhaltspunkte, die der Erblasserin oder Dr. B. als juristischen Laien hätten Anlass geben können, an der Richtigkeit der Auskünfte zu zweifeln, sind nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin weiter behauptet hat, Dr. B. habe sich an seinen damaligen Rechtsanwalt gewandt, ist dies für die vorliegende Frage des Anspruchsausschlusses gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO iVm § 839 Abs. 3 BGB unbeachtlich, weil dies allenfalls eine anderweitige Ersatzmöglichkeit (§ 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO) in Form eines Schadensersatzanspruchs gegen den Anwalt begründen könnte, wozu das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - aber keine Feststellungen getroffen hat (siehe auch unten Nr. 3).

(3) Mit der von der Klägerin behaupteten Äußerung der Beklagten hat sich das Oberlandesgericht unter dem Aspekt des § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO iVm § 839 Abs. 3 BGB nicht befasst. Dies lässt nur den Schluss zu, dass es seine Bedeutung nicht vollständig erfasst und das Vorbringen deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der Verschuldensfrage in Erwägung gezogen hat. Soweit es den diesbezüglichen Vortrag im Zusammenhang mit dem von der Klägerin erhobenen Vorwurf, die Beklagte habe die Rechtslage "verdunkelt", aufgegriffen hat, beziehen sich seine Überlegungen und die daraus gezogene Schlussfolgerung, die Beklagte habe nichts "verdunkelt", nicht auf deren nachträgliche Einschätzung der Rechtslage, sondern auf die vorgängige Vertragsregelung zur Einholung der Löschungsbewilligung und damit einen anderen Gesichtspunkt. Dass der Vortrag der Klägerin vor allem mit Bezug zu der vom Landgericht in den Vordergrund gestellten Frage der Verjährung erfolgt ist, ändert nichts daran, dass das Oberlandesgericht ihn gleichwohl auch in dem hier maßgeblichen - seine Entscheidung tragenden - Kontext hätte berücksichtigen und in seine rechtliche Würdigung einbeziehen müssen.

(4) Der Vortrag der Klägerin ist entgegen der Annahme der Beklagten auch ausreichend substantiiert.

Ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs ist schlüssig und als Prozessstoff erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Das Gericht muss anhand des Parteivortrags beurteilen können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Dabei ist die Angabe näherer Einzelheiten nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (st. Rspr., zB Senat, Beschluss vom 25. November 2021 - III ZR 202/20, juris Rn. 11 m.zahlr.w.N.).

Dies zugrunde gelegt, bedurfte es insbesondere keiner näheren zeitlichen Eingrenzung der Gespräche zwischen Dr. B. und der Beklagten einerseits sowie der Rechtspflegerin andererseits. Aus dem Zusammenhang wird hinreichend deutlich, dass sie nach der Einleitung der Zwangsversteigerungsverfahren im Jahr 2013, aber vor der Erteilung des Zuschlags für das Grundstück "N. 14" beziehungsweise der Rücknahme des Zwangsversteigerungsantrags betreffend das Grundstück "K. Straße" geführt worden sein müssen.

(5) Damit, ob der erst in der Berufungsinstanz gehaltene Vortrag der Klägerin gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen gewesen wäre, hat sich das Oberlandesgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht beschäftigt. Dies kann der Senat nicht nachholen. Darüber zu befinden, ob das neue Vorbringen hätte zurückgewiesen werden müssen oder nicht, ist vielmehr Sache des Berufungsgerichts (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juni 2021 - III ZR 38/20, NJW-RR 2021, 1223 Rn. 20 mwN).

c) Darauf, ob die Vorinstanz, die erstmals in der Berufungsverhandlung darauf hingewiesen hat, die Klageabweisung anders als das Landgericht nicht auf den Gesichtspunkt der Verjährung, sondern auf den Anspruchsausschluss gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO, § 839 Abs. 3 BGB stützen zu wollen, der Klägerin darüber hinaus hätte Gelegenheit geben müssen, sich zu diesem Aspekt zu äußern (§ 139 Abs. 1 und 2 ZPO; vgl. zB BGH, Beschluss vom 26. Januar 2021 - VI ZR 1304/20, NJW-RR 2021, 249 Rn. 14 mwN), kommt es aus vorstehenden Gründen nicht mehr an.

3. Der Gehörsverstoß ist auch entscheidungserheblich. Hätte das Berufungsgericht den vorstehend wiedergegebenen Vortrag der Klägerin berücksichtigt und die dazu angebotenen Beweise erhoben, ist auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands nicht auszuschließen, dass es die Frage des Anspruchsausschlusses anders beurteilt hätte als bislang und einen auf der oben dargestellten Pflichtverletzung beruhenden gegen die Beklagte gerichteten kausalen Schadensersatzanspruch der Erbengemeinschaft gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO bejaht hätte. Dem stehen - anders als die Beklagte meint - die ersichtlich nur hilfsweise und in anderem Zusammenhang - nämlich mit einem von der Klägerin behaupteten, vom Oberlandesgericht aber abgelehnten Schuldbestätigungsvertrag - angestellten Erwägungen des Berufungsgerichts zu der aus seiner Sicht nicht nachvollziehbaren Schadenshöhe nicht entgegen. Weder handelt es sich dabei um eine die Klageabweisung selbständig tragende Begründung noch ist erkennbar, dass dadurch der geltend gemachte Schaden in seiner gesamten Höhe erfasst werden würde.

Da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - abschließende Feststellungen dazu, ob die Beklagte gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO nur subsidiär haftet, nicht getroffen und insoweit insbesondere offengelassen hat, ob die ihr vorgeworfene Pflichtverletzung ein selbständiges Vollzugsgeschäft im Sinne des § 24 Abs. 1 BNotO oder eine Annextätigkeit zu der Beurkundung betrifft, kann derzeit nicht beurteilt werden, ob dies einem Erfolg der Klage entgegenstehen könnte. Dies gilt gleichermaßen für die Frage, ob ein Haftungsausschluss gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO, § 839 Abs. 3 BGB auf andere - etwa dem behaupteten Gespräch mit der Beklagten zeitlich vorgelagerte - Gesichtspunkte gestützt werden könnte, oder die vorgebrachten Tatsachen die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung tragen.

4. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass - wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt hat - eine der späteren Vertragsabwicklung vorgelagerte Amtspflichtverletzung der Beklagten bereits darin liegt, dass die von ihr beurkundete Vertragsgestaltung nicht sicherstellte, dass die Rückauflassungsvormerkungen erst nach der Löschung der nachrangigen Zwangssicherungshypotheken gelöscht wurden (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation BGH, Urteil vom 29. November 1990 - IX ZR 107/90, DNotZ 1991, 757, 758). Infolge der dadurch geschaffenen Grundbuchlage - gelöschte Rückauflassungsvormerkungen bei fortbestehender Eintragung der nachrangigen Sicherungshypotheken - wurde der (im Übrigen auch im Hinblick auf § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB gefährliche) Anschein geschaffen, die rangwahrende Wirkung der Vormerkung sei entfallen. Dies führte vorliegend im Ergebnis dazu, dass die Sicherungsgläubiger sich weiter für berechtigt gehalten haben zu vollstrecken und sie dies bei einem der Grundstücke auch erfolgreich durchsetzen konnten.

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den - in zweiter Instanz gehaltenen diesbezüglichen Vortrag der Klägerin, sinnvollerweise wäre zu regeln gewesen, dass die Löschung der Rückauflassungsvormerkung erst nach Eigentumsumschreibung zu erfolgen habe (vgl. Berufungsbegründung S. 9), gemäß § 531 Abs. 2 ZPO als nicht berücksichtigungsfähig angesehen. Denn insoweit handelte es sich lediglich um eine rechtliche Bewertung der - bereits in erster Instanz vorgelegten - Vertragsurkunde, deren Inhalt nicht bestritten ist. Neue - und überdies bestrittene (vgl. dazu zB BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 - VI ZR 551/13, r + s 2015, 212 Rn. 5 mwN) - Tatsachen sind entgegen der Urteilsbegründung des Berufungsgerichts nicht zu erkennen.

Soweit die Vorinstanz darüber hinaus angenommen hat, auch einem auf eine solche Pflichtverletzung und nicht nur auf die unterlassene Einholung der Löschungsbewilligungen gestützten Schadensersatzanspruch stünde ein Anspruchsausschluss wegen des schuldhaften Unterbleibens eines zur Schadensabwendung geeigneten Rechtsmittels (§ 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO, § 839 Abs. 3 BGB) entgegen, hat es übersehen, dass sich die von ihm in Betracht gezogenen Möglichkeiten der Schadensabwendung in Form einer Untätigkeitsbeschwerde oder einem Vorgehen der Erblasserin gegen die Sicherungsgläubiger (vgl. o.) nicht unmittelbar gegen diese Amtspflichtverletzung hätten richten können. Denn durch solche Maßnahmen wäre die schädigende Vertragsgestaltung nicht berichtigt oder beseitigt worden. Dies hätte allenfalls durch eine - noch rechtzeitig vor der Löschung der Rückauflassungsvormerkung - erfolgte Vertragsänderung geschehen können. Es ist jedoch nicht ersichtlich, ob und warum die Urkundsbeteiligten überhaupt hätten Anlass haben können, die von der Beklagten gewählte Formulierung noch vor der mit der Eigentumsumschreibung einhergehenden Löschung der Rückauflassungsvormerkung in Zweifel zu ziehen.

Dass die rangwahrende Wirkung der Rückauflassungsvormerkung - wie ausgeführt - rechtlich nicht entfallen war und die Gläubiger trotz der Löschung gemäß § 888 Abs. 1, § 883 Abs. 2 BGB hätten in Anspruch genommen werden können, kann nur über den Mitverschuldenseinwand (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) Berücksichtigung finden (vgl. dazu zB Senat, Urteil vom 16. Oktober 2008 aaO Rn. 24). Auch in diesem Zusammenhang wird es darauf ankommen, ob die Behauptung der Klägerin zutrifft, die Beklagte habe Dr. B. auf Nachfrage erklärt, gegen die Zwangssicherungshypotheken könne nichts mehr unternommen werden, weil der Mitverschuldensvorwurf in diesem Fall entfallen oder jedenfalls gemindert sein könnte.

Herrmann Böttcher Vorinstanzen: LG Düsseldorf, Entscheidung vom 23.02.2022 - 23 O 98/20 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.01.2024 - I-18 U 68/22 -

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Paragraphen in III ZR 18/24

Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit Paragraph
12 19 BNotO
10 839 BGB
3 103 GG
2 254 BGB
2 883 BGB
2 15 BNotO
2 531 ZPO
2 544 ZPO
1 875 BGB
1 888 BGB
1 892 BGB
1 24 BNotO
1 2 ZPO
1 139 ZPO

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