23 W (pat) 3/11
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 3/11 Verkündet am 6. Mai 2014
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BESCHLUSS In der Einspruchsbeschwerdesache …
betreffend das Patent 103 31 335 BPatG 154 05.11 hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Strößner, des Richters Brandt, der Richterin Dr. Hoppe sowie des Richters Dr. Zebisch beschlossen:
1. Der Beschluss der Patentabteilung 1.33 des Deutschen Patentund Markenamts vom 21./28. Oktober 2010 wird aufgehoben.
2. Das Patent Nr. 103 31 335 wird in beschränktem Umfang aufrechterhalten nach Maßgabe folgender Unterlagen: - Ansprüche 1 bis 6 (Hilfsantrag 2), eingereicht am 6. Mai 2014 sowie - Beschreibung Absatz [0001] bis [0015] und [0017] bis [0086] gemäß Streitpatentschrift sowie - Beschreibung Absatz [0016] vom 6. Mai 2014 sowie - 10 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 21 gemäß Streitpatentschrift.
3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe I.
Die Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deutschen Patent- und Markenamts hat das am 10. Juli 2003 unter Inanspruchnahme der japanischen Priorität JP 2002-29 243 vom 13. November 2002 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldete und mit der DE 103 31 335 A1 offengelegte Patent 103 31 335
(Streitpatent) mit der Bezeichnung „Leistungs-Halbleitervorrichtung“ durch Beschluss vom 26. Mai 2008 erteilt. Das Patent wurde am 16. Oktober 2008 veröffentlicht.
Im Prüfungsverfahren hat die Prüfungsstelle den Stand der Technik gemäß den folgenden Druckschriften zitiert:
D1 US 3 539 875, D2 JP 59-218 759 A, D3 JP 2000-228 490 A D4 DE 38 36 002 A1.
und Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 16. Januar 2009, am selben Tag beim Deutschen Patent- und Markenamt über Fax eingegangen, fristgerecht Einspruch erhoben. In ihrem Schriftsatz hat sie beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen (§ 61 PatG). Als Widerrufsgründe hat sich die Einsprechende auf den Widerrufsgrund der fehlenden Ausführbarkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) sowie der fehlenden Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) und hierbei insbesondere auf die fehlende Neuheit (§ 3 PatG) und die fehlende erfinderische Tätigkeit (§ 4 PatG) gegenüber dem Stand der Technik berufen. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.
Die Einsprechende hat sich bei ihrer Begründung im Hinblick auf die fehlende Patentfähigkeit vor allem auf folgende Dokumente gestützt:
E1 DE 196 30 173 A1, E2 Y.Li et al.: “A New Innovative Solution for Integrated Power Circuits”
In: Proc. PCIM ’97 in Hongkong, PC 3.1, S. 111-119 und E3 DE 196 46 396 A1.
Die Patentinhaberin ist dem Vorbringen der Einsprechenden mit den Schriftsätzen vom 15. Juli 2009 und dem 7. Oktober 2010 in allen Punkten entgegengetreten. In der Anhörung vor der Patentabteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts am 21. Oktober 2010 hat die Patentinhaberin beantragt, das Patent im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragte sie eine beschränkte Aufrechterhaltung im Umfang eines der eingereichten Hilfsanträge I bis III. Die Einsprechende hat in der Anhörung ihren Antrag, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, wiederholt.
Als Ergebnis der Anhörung wurde das Streitpatent durch Beschluss der Patentabteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 PatG widerrufen. Die Patentabteilung führte in ihrem Beschluss aus, dass die Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 zwar ausführbar sei, aber sein Gegenstand nicht patentfähig sei, da er gegenüber der Druckschrift D2 unter Berücksichtigung der Druckschrift D3 auf keiner erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruhe. Die Gegenstände der Hauptansprüche gemäß Hilfsantrag I und II gingen über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie ursprünglich eingereicht worden ist. Die Lehre des Anspruchs 1 des Hilfsantrags III werde zwar so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne, doch sei sein Gegenstand wiederum nicht patentfähig, da er ausgehend von Druckschrift D2 unter Berücksichtigung üblicher fachmännischer Maßnahmen nahegelegt sei. Der auf den 28. Oktober 2010 datierte Beschluss wurde der Patentinhaberin am 16. Dezember 2010 zugestellt und am selben Tag an die Einsprechende per Einschreiben versandt.
Gegen diesen Beschluss hat die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 11. Januar 2011, am selben Tag beim Deutschen Patent- und Markenamt per Fax eingegangen, fristgerecht Beschwerde eingelegt, welche sie mit Schriftsatz vom 2. Mai 2011 begründet hat.
In der mündlichen Verhandlung am 6. Mai 2014 hat die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin zwei neue Hilfsanträge 1 und 2 mit Ansprüchen 1 bis 7 bzw. 1 bis 6 eingereicht und den Antrag gestellt:
1. Den Beschluss der Patentabteilung 1.33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21./28. Oktober 2010 aufzuheben.
2. (Hauptantrag) Das Patent Nr. 103 31 335 mit der Bezeichnung „Leistungs-Halbleitervorrichtung“, dem Anmeldetag 10. Juli 2003 und der japanischen Priorität JP 2002-329 243 vom 13. November 2002 in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.
2a. Hilfsweise (Hilfsantrag 1), das vorgenannte Patent in beschränktem Umfang aufrechtzuerhalten nach Maßgabe folgender Unterlagen: - Ansprüche 1 bis 7, eingereicht am 6. Mai 2014, - Beschreibung Absatz [0001] bis [0086] gemäß Streitpatentschrift sowie - 10 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 21 gemäß Streitpatentschrift.
2b. Hilfsweise (Hilfsantrag 2), das vorgenannte Patent in beschränktem Umfang aufrechtzuerhalten nach Maßgabe folgender Unterlagen: - Ansprüche 1 bis 6, eingereicht am 6. Mai 2014 sowie - Beschreibung Absatz [0001] bis [0015] und [0017] bis [0086] gemäß Streitpatentschrift sowie - Beschreibung Absatz [0016] vom 6. Mai 2014 - 10 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 21 gemäß Streitpatentschrift.
Die Einsprechende und Beschwerdegegnerin ist den Ansichten der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten und hat den Antrag gestellt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der gemäß Hauptantrag geltende erteilte Anspruch 1 lautet (mit bei unverändertem Wortlaut eingefügter Gliederung):
„1. Leistungs-Halbleitervorrichtung, die folgendes aufweist: 1.1 einen Wärmeverteiler (5; 5a, 5b), der eine erste Hauptfläche (5T) und eine zweite Hauptfläche (5B) aufweist, die einander gegenüberliegend sind; 1.2 ein Leistungs-Halbleiterelement (7a, 7b, 8a, 8b), das auf der ersten Hauptfläche (5T) vorgesehen ist; 1.3 ein Formharzgehäuse (1) 1.3.1 mit einer ersten Hauptfläche (1B) und einer zweiten Hauptfläche (1T), die gegenüberliegend zu der ersten Hauptfläche (1B) angeordnet ist, 1.3.2 wobei das Formharzgehäuse (1) den Wärmeverteiler (5; 5a, 5b) und das Leistungs-Halbleiterelement (7a, 7b, 8a, 8b) überdeckt, während die zweite Wärmeverteiler-Hauptfläche (5B) freiliegt; 1.4 mindestens eine Durchgangsöffnung (2; 2a, 2b), die in einem nicht peripheren Bereich des Formharzgehäuses (1) ausgebildet ist und die sich unter Umgehung des Leistungs-Halbleiterelements (7a, 7b, 8a, 8b) und des Wärmeverteilers (5; 5a, 5b) durch die erste Hauptfläche (1B) sowie die zweite Hauptfläche (1T) des Formharzgehäuses (1) erstreckt; 1.5 eine Wärmeabstrahlungs-Rippeneinrichtung (10) mit einer oberen Oberfläche, wobei die Wärmeabstrahlungs-Rippeneinrichtung (10) eine in ihrer oberen Oberfläche ausgebildete Schraubenöffnung (11) aufweist; und 1.6 eine Schraube (14) mit einem Kopf, die in die Schraubenöffnung (11) und in die mindestens eine Durchgangsöffnung (2; 2a, 2b) einschraubbar ist, um das Formharzgehäuse (1) mit seiner ersten Hauptfläche
(1B) gegen die obere Oberfläche der Wärmeabstrahlungs-Rippeneinrichtung (10) zu drücken, 1.7 wobei die erste Hauptfläche (1B) des Formharzgehäuses (1) in der gleichen Ebene wie die zweite Hauptfläche (5B) des Wärmeverteilers (5; 5a, 5b) angeordnet ist, und 1.8 wobei das Formharzgehäuse (1) derart gekrümmt ausgebildet ist, daß ein zentraler Bereich seiner ersten Hauptfläche (1B) relativ zu seinem Randbereich vorsteht, oder daß ein zentraler Bereich seiner zweiten Hauptfläche (1T) relativ zu seinem Randbereich vorsteht.“
Im geltenden Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist das Ende des Anspruchs gegenüber dem erteilten Anspruch 1 verändert. Dort sind die Merkmale 1.6 bis 1.8 durch die folgenden Merkmale 1.6‘ bis 1.8‘ ersetzt:
„1.6‘ eine Andrückplatte (12) und eine Schraube (14) mit einem Kopf, die in die Schraubenöffnung (11) und in die mindestens eine Durchgangsöffnung (2; 2a, 2b) einschraubbar ist, um die Andrückplatte (12) unter Zwischenanordnung des Formharzgehäuses (1) gegen die obere Oberfläche der Wärmeabstrahlungs-Rippeneinrichtung (10) zu drücken,
1.7‘ so daß dann die erste Hauptfläche (1B) des Formharzgehäuses gegen die obere Oberfläche der Wärmeabstrahlungs-Rippeneinrichtung (10) drückt und in der gleichen Ebene wie die zweite Hauptfläche (5B) des Wärmeverteilers (5; 5a, 5b) angeordnet ist, und
1.8‘ wobei das Formharzgehäuse (1) derart gekrümmt ausgebildet ist, daß ein zentraler Bereich seiner ersten Hauptfläche (1B) relativ zu seinem Randbereich vorsteht, und zwar bevor das Formharzgehäuse (1) mittels der Andrückplatte (12) und der Schraube (14) an der Wärmeabstrahlungs-Rippeneinrichtung (10) angebracht ist.“
Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wird der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 durch folgende an das Ende des Anspruchs gesetzte Merkmale weiter eingeschränkt:
„1.9 wobei das Formharzgehäuse (1) aus einem unter Wärme ausgehärteten Harzmaterial gebildet ist, wobei das Material des Formharzgehäuses (1) und das Material des Wärmeverteilers (5, 5a, 5b) so gewählt sind, daß das Ausmaß an Schrumpfen aufgrund von Aushärten und das Ausmaß an durch den Formvorgang bedingtem Schrumpfen des Materials des Formharzgehäuses (1) größer ist als das Ausmaß an Wärmeschrumpfen des Materials des Wärmeverteilers (5, 5a, 5b), und
1.10 daß der lineare Ausdehnungskoeffizient des Materials des Formharzgehäuses (1) niedriger ist als der lineare Ausdehnungskoeffizient des Materials des Wärmeverteilers (5; 5a, 5b).“
II.
Die zulässige Beschwerde der Patentinhaberin hat insoweit Erfolg, als der Beschluss der Patentabteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21./28. Oktober 2010 aufgehoben wird und das Patent gemäß dem Hilfsantrag 2 beschränkt aufrecht erhalten wird. Im Übrigen hat die Beschwerde keinen Erfolg, denn sowohl die Leistungshalbleitervorrichtung nach dem erteilten Anspruch 1 als auch die Leistungshalbleitervorrichtung nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sind nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2014 nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).
1. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von Amts wegen in jedem Verfahrensstadium, auch im Beschwerdeverfahren, zu prüfen (Vgl. Schulte PatG, 9. Auflage, § 59 Rdn. 51 und 150 bis 152, BGH GRUR 1972, 592 – „Sortiergerät“), da nur das Vorliegen eines zulässigen Einspruchs die sachliche Überprüfung eines erteilten Patents erlaubt.
Vorliegend ist der form- und fristgerecht erhobene Einspruch zulässig, weil die Einsprechende zu beiden geltend gemachten Einspruchsgründen substantiiert Stellung genommen hat. So hat sie zum Einspruchsgrund der fehlenden Ausführbarkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) detailliert dargelegt, dass und wie sich aus dem Anspruchswortlaut in Verbindung mit der Beschreibung ein Widerspruch ergebe. Außerdem wurde dargestellt, welche Begriffe des Anspruchs nicht definiert seien, weshalb der Fachmann die Lehre des Anspruchs nicht ausführen könne. Zum Einspruchsgrund der fehlenden Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) hat die Einsprechende genau angegeben, wo welche Merkmale des Gegenstands des Anspruchs 1 in den einzelnen Druckschriften offenbart seien. Auch zu den Unteransprüchen wurde substantiiert Stellung genommen. Insgesamt sind somit die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen aufgeführt (§ 59, Abs. 1, Satz 4 PatG). Die Patentabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts und auch die Patentinhaberin ist demnach in die Lage versetzt worden, ohne eigene Nachforschungen festzustellen, ob die behaupteten Einspruchsgründe vorliegen (vgl. hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, liSp, Abs. 1 - „Epoxidation“; Schulte, PatG, 9. Auflage, § 59 Rdn. 84 bis 89).
2. Das Streitpatent betrifft Leistungshalbleitervorrichtungen (Vgl. Abs. [0001] der Streitpatentschrift).
So ist aus der US 3 539 875 A (= D1) eine Halbleitervorrichtung bekannt, die einen Halbleiterchip aufweist, der auf einer ersten Hauptfläche in Form einer oberen Oberfläche eines Basisteiles angeordnet ist. Das Basisteil besteht aus einem beliebigen, gut wärmeleitenden Material, das gute elektrische Isoliereigenschaften besitzt. Insofern wirkt das Basisteil der herkömmlichen Anordnung als Wärmeverteiler. Die herkömmliche Anordnung weist ferner ein Formharzgehäuse aus einem Kapselungsmaterial auf, das gute Isoliereigenschaften besitzen soll, wobei der Formharzkörper dazu ausgelegt ist, dass er das Basisteil und den Halbleiterchip überdeckt, derart, dass eine untere Hauptfläche des Basisteils, welche der oberen Oberfläche gegenüberliegt, freiliegt. Die herkömmliche Halbleiteranordnung besitzt ferner ein Durchgangsloch, das nicht in einem Umfangsbereich des Formharzgehäuses vorgesehen ist, wobei das Durchgangsloch durch die obere und untere Hauptfläche des Formharzgehäuses hindurchgeht, jedoch das Halbleiterelement und den Wärmeverteiler nicht beeinträchtigt. Das Durchgangsloch dient zur Aufnahme einer Schraube, um die Anordnung an einer Montageplatte zu befestigen (Vgl. Abs. [0002] der Streitpatentschrift).
Bei einer herkömmlichen Leistungshalbleitervorrichtung sind Leistungshalbleiterelemente mittels Lötmaterial mit einer oberen Oberfläche eines isolierenden Substrats verbunden, wobei die Bodenfläche des isolierenden Substrats mittels Lötmaterial mit der oberen Oberfläche einer Metallbasisplatte verbunden ist. Die Leistungshalbleiterelemente sind durch Verbindungsdrähte mit Elektroden auf dem isolierenden Substrat verbunden (Vgl. Abs. [0003] der Streitpatentschrift).
Die Metallbasisplatte ist mittels einer Vielzahl von Schrauben an der oberen Oberfläche eines mit Rippen versehenen Kühlkörpers befestigt. Öffnungen zum Einführen der Schrauben sind an mehreren Stellen entlang des Umfangs der Metallbasisplatte sowie an einer Stelle im Zentrum der Metallbasisplatte gebildet. Ein Harzgehäuse ist an der oberen Oberfläche der Metallbasisplatte befestigt, und zwar unter Aussparung der einen Schraube, die im Zentrum der Metallbasisplatte angeordnet ist (Vgl. Abs. [0004] der Streitpatentschrift).
Das isolierende Substrat, mit dem die Leistungshalbleiterelemente verbunden sind, ist im Inneren des Gehäuses angeordnet. In das Gehäuse ist Gel eingespritzt, um für Isolierung zu sorgen und die Drähte zu schützen. Ferner enthält das Gehäuse auch Epoxidharz, das auf dem Gel platziert ist, um für eine luftdichte Ausführung zu sorgen. Eine derartige Vorrichtung wird beispielsweise in der japanischen Offenlegungsschrift JP 2000-228 490 A (= D3) in den dortigen Fig. 1 und 2 offenbart (Vgl. Abs. [0005] der Streitpatentschrift).
Bei einer solchen herkömmlichen Leistungshalbleitervorrichtung ist das Gehäuse an der Metallbasisplatte unter Freilassung der Schraube fixiert, die sich Zentrum der Metallbasisplatte befindet. Dies führt zu nutzlosem, verschwendetem Raum im Zentrum der Metallbasisplatte und damit wiederum zu einem Anstieg der Größe der Vorrichtung. Ferner ist das Gehäuse teuer und verursacht eine Steigerung der Kosten. Zusätzlich dazu führen die Prozesse des Einspritzens und Aushärtens des Gels sowie des Einspritzens und Aushärtens des Epoxidharzes zu einer Verringerung der Produktivität (Vgl. Abs. [0006] bis [0008] der Streitpatentschrift).
Bei Verwendung der herkömmlichen Leistungshalbleitervorrichtung in einer Anwendung, in der diese externen Vibrationen (z.B. bei Verwendung in einem Fahrzeug) ausgesetzt ist, vibrieren bzw. schwingen das Gehäuse und die Metallbasisplatte nahezu zusammen, jedoch schwingt das Gel erst nach einer gewissen Verzögerung, so dass es zu einer relativen Verlagerung zwischen dem Gel sowie dem Gehäuse und der Metallbasisplatte kommt. Das Gel zieht dann an den Drähten, die aufgrund von Ermüdung an den Verbindungen mit den Elektroden brechen können (Vgl. Abs. [0009] der Streitpatentschrift).
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent nach dessen Angaben als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine klein dimensionierte, leichte und kostengünstige Leistungshalbleitervorrichtung mit ausgezeichneter Produktivität und Vibrationsbeständigkeit anzugeben (Vgl. Abs. [0010] der Streitpatentschrift). Objektiv liegt dem Streitpatent ausgehend vom Stand der Technik die Aufgabe zugrunde, den ansonsten eher unerwünschten Effekt einer Krümmung des Gehäuses nach der Herstellung gezielt zu nutzen, um die Wärmeübertragung vom Gehäuse auf einen Kühlkörper gegenüber einem ungekrümmten Gehäuse zu verbessern.
Diese Aufgabe wird durch die Gegenstände der Ansprüche 1 der einzelnen Anträge und zusätzlich durch den Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 2 des Hilfsantrags I gelöst.
Die beanspruchte Leistungshalbleitervorrichtung besteht demnach aus einer Anordnung mit drei bzw. vier miteinander nicht notwendigerweise verbundenen Teilen, nämlich einer Wärmeabstrahlungsrippeneinrichtung, einer Schraube und dem verkapselten Leistungshalbleiterelement. Bei den Ansprüchen 1 der beiden Hilfsanträge kommt als viertes Teil noch eine Andrückplatte hinzu.
Unter der „Wärmeabstrahlungs-Rippeneinrichtung“ ist dabei ein mit Kühlrippen versehener Kühlkörper zu verstehen, auch wenn dieser die Wärme eher durch Wärmekonvektion als durch Wärmeabstrahlung abgibt. Dieser Kühlkörper weist eine obere Oberfläche auf, in der eine Schraubenöffnung ausgebildet ist.
Das verkapselte Leistungshalbleiterelement besitzt einen Wärmeverteiler, der zwei einander gegenüberliegende Hauptflächen, welche als erste und zweite Hauptfläche bezeichnet werden, aufweist. Auf der ersten Hauptfläche befindet sich das Leistungshalbleiterelement. Das Gehäuse des verkapselten Leistungshalbleiterelements besteht aus einem als „Formharz“ bezeichneten Kunstharz und besitzt ebenfalls zwei Hauptflächen, welche wiederum als erste und als zweite Hauptfläche bezeichnet werden und einander gegenüberliegen. Dieses Formharzgehäuse überdeckt den Wärmeverteiler und das Leistungshalbleiterelement, wobei die zweite Hauptfläche des Wärmeverteilers freiliegt. Es besitzt zudem eine Durchgangsöffnung, die in einem nicht peripheren Bereich ausgebildet ist, und die sich unter Umgehung des Leistungshalbleiterelements und des Wärmeverteilers durch die erste Hauptfläche sowie die zweite Hauptfläche des Formharzgehäuses erstreckt.
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wird zudem angegeben, dass das Formharzgehäuse aus einem unter Wärme ausgehärteten Harzmaterial gebildet ist, wobei das Material des Formharzgehäuses und das Material des Wärmeverteilers so gewählt sind, dass das Ausmaß des Schrumpfens aufgrund von Aushärten und das Ausmaß an durch den Formvorgang bedingtem Schrumpfen des Materials des Formharzgehäuses größer ist als das Ausmaß an Wärmeschrumpfen des Materials des Wärmeverteilers. Zudem ist der lineare Ausdehnungskoeffizient des Materials des Formharzgehäuses niedriger als der lineare Ausdehnungskoeffizient des Materials des Wärmeverteilers.
Wird ein Kunstharz ausgehärtet, so zieht es sich auf Grund der dabei stattfindenden Vernetzung der Moleküle zusammen. Geschieht dies unter Wärme, so zieht sich das Kunstharz beim nach dem Aushärten erfolgenden Abkühlen, also im ausgehärteten Zustand, nochmals weiter entsprechend seinem linearen Wärmeausdehnungskoeffizienten zusammen. Dies gilt auch für das beanspruchte Formharzgehäuse. Beim Abkühlen zieht sich auch der Wärmeverteiler, welcher vom Formharzgehäuse überdeckt wird, entsprechend seinem linearen Wärmeausdehnungskoeffizienten zusammen, wohingegen er beim Aushärten des Kunstharzes seine Abmessungen nicht verändert. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 gibt nun eine spezielle Wahl der beiden Materialien an. So ist der lineare Wärmeausdehnungskoeffizient des Harzmaterials geringer als der des Wärmeverteilers. Trotzdem soll die Kombination des Zusammenziehens auf Grund des Aushärtens und des anschließenden Zusammenziehens des Kunstharzes beim Abkühlen das Zusammenziehen des Wärmeverteilers beim Abkühlen übersteigen. Dies bedeutet, dass das geringere Schrumpfen des Gehäuses beim Abkühlen von der Aushärtetemperatur auf die Umgebungstemperatur gegenüber dem Wärmeverteiler durch die Schrumpfung beim Aushärten überkompensiert wird.
Auf diese Weise erhält man, wenn von einem ebenen Wärmeverteiler ausgegangen wird, eine Krümmung des Gehäuses derart, dass der sich weniger stark zusammenziehende Wärmeverteiler und auch die erste Hauptfläche des Formharzgehäuses in der Mitte nach außen gewölbt werden. Bei Erwärmung verstärkt sich auf Grund des geringeren linearen Wärmeausdehnungskoeffizienten des Harzmaterials gegenüber dem Material des Wärmeverteilers dieser Effekt.
Außerdem ist die erste Hauptfläche des Formharzgehäuses in der gleichen Ebene wie die zweite Hauptfläche des Wärmeverteilers angeordnet. In den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 1 und 2 ist dabei klargestellt, dass dies dann der Fall ist, wenn die Teile zusammengebaut sind.
Die Schraube, welche einen Kopf aufweist, ist in die Schraubenöffnung des Kühlkörpers und die Durchgangsöffnung einschraubbar, so dass das Formharzgehäuse mit seiner ersten Hauptfläche gegen die obere Oberfläche gedrückt werden kann.
Im Weiteren wird in den verschiedenen Ansprüchen 1 der einzelnen Anträge dann angegeben, mit welcher Form das Formharzgehäuse ausgebildet wird und welche Ursachen zu dieser Form führen.
Das Formharzgehäuse kann gemäß dem im Streitpatent erteilten Anspruch 1 alternativ zwei verschiedene Formen besitzen. Es kann zum einen derart gekrümmt sein, dass ein zentraler Bereich seiner ersten Hauptfläche relativ zu seinem Randbereich vorsteht oder dass ein zentraler Bereich seiner zweiten Hauptfläche relativ zu seinem Randbereich vorsteht. In beiden Fällen ist das Formharzgehäuse gewölbt und wirkt wie eine Art Tellerfeder, wenn es auf den Kühlkörper gedrückt wird. Unter der Krümmung sind nicht die bei ebenen Flächen auf Grund von Fertigungsungenauigkeiten immer vorhandenen Krümmungen zu verstehen, sondern es ist eine Krümmung darunter zu verstehen, die gezielt hergestellt wird oder sich zumindest auf Grund des Herstellungsverfahrens zwingend ergibt und die Herstellungstoleranzen für eine ebene Fläche übersteigt.
Im Anspruch 1 der beiden Hilfsanträge wird die Form darauf beschränkt, dass ein zentraler Bereich der ersten Hauptfläche relativ zu seinem Randbereich vorsteht.
Dabei wird klargestellt, dass dies im nicht zusammengebauten Zustand der Anordnung der Fall ist. Die zweite Möglichkeit kommt in den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge nicht mehr vor. Im Hilfsantrag 1 wird diese Möglichkeit in Anspruch 2 weiterverfolgt.
3. Als zuständiger Fachmann ist ein berufserfahrener Physiker oder Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss zu definieren, der über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Leistungshalbleiterbauelemente und deren Verkapselung verfügt.
4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruht auf keiner erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns, so dass er nicht patentfähig ist (§ 21 Abs. 1 Nr. 1, § 4 PatG).
Die Frage der Zulässigkeit der Ansprüche des Hauptantrags kann aus diesem Grund dahingestellt bleiben (Vgl. hierzu BGH GRUR 1991, 120, 121 li.Sp. Abs. 3 „Elastische Bandage“).
Aus der Druckschrift D2 ist in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 eine 1. Halbleitervorrichtung (Vgl. die Bezeichnung „Semiconductor Device“), bekannt, die folgendes aufweist:
1.1 einen Wärmeverteiler („heat sink plate“ 13, siehe Fig. 1 bis 3), der eine erste Hauptfläche (Oberseite in Fig.1) und eine zweite Hauptfläche (Unterseite in Fig. 1) aufweist, die einander gegenüberliegend sind;
1.2‘ ein Halbleiterelement („semiconductor pellet“ 15), das auf der ersten Hauptfläche (Oberseite des Wärmeverteilers 13 in Fig. 1) vorgesehen ist;
1.3 ein Formharzgehäuse („resin sealed unit“ 17)
1.3.1 mit einer ersten Hauptfläche (Oberseite in Fig. 2 und 3 und damit Unterseite des Bauelements) und einer zweiten Hauptfläche (Unterseite in Fig. 2 und 3 und damit Oberseite des Bauelements), die gegenüberliegend zu der ersten Hauptfläche angeordnet ist,
1.3.2 wobei das Formharzgehäuse den Wärmeverteiler (13) und das Halbleiterelement (15) überdeckt, während die zweite Wärmeverteiler-Hauptfläche freiliegt (Die Zusammenfassung gibt zwar an, dass noch ein Überzug aufgebracht wird, doch wird die Wärmesenke 13 zusammen mit dem Überzug als Wärmeverteilerplatte angesehen.);
1.4‘ mindestens eine Durchgangsöffnung (18), die in einem nicht peripheren Bereich des Formharzgehäuses (17) ausgebildet ist und die sich unter Umgehung des Halbleiterelements (15) durch die erste Hauptfläche sowie die zweite Hauptfläche des Formharzgehäuses (17) erstreckt;
1.7 wobei die erste Hauptfläche des Formharzgehäuses (17) in der gleichen Ebene wie die zweite Hauptfläche des Wärmeverteilers (13) angeordnet ist (Vgl. Fig.3).
Damit unterscheidet sich der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 von dem in Druckschrift D2 offenbarten durch folgende Merkmale, die nicht unmittelbar und eindeutig der Druckschrift D2 zu entnehmen sind:
1. Es handelt sich bei der Halbleitervorrichtung um eine Leistungshalbleitervorrichtung und damit bei dem Halbleiterelement um ein Leistungshalbleiterelement; 2. die Durchgangsöffnung umgeht auch den Wärmeverteiler (Merkmal 1.4); 3. die Leistungshalbleitervorrichtung weist eine Wärmeabstrahlungs-Rippeneinrichtung mit einer oberen Oberfläche auf, wobei die Wärmeabstrahlungs-Rippeneinrichtung eine in ihrer oberen Oberfläche ausgebildete Schraubenöffnung aufweist (Merkmal 1.5);
4. die Leistungshalbleitervorrichtung weist eine Schraube mit einem Kopf auf, die in die Schraubenöffnung und in die mindestens eine Durchgangsöffnung einschraubbar ist, um das Formharzgehäuse mit seiner ersten Hauptfläche gegen die obere Oberfläche der Wärmeabstrahlungs-Rippeneinrichtung zu drücken (Merkmal 1.6); und 5. das Formharzgehäuse ist derart gekrümmt ausgebildet, dass ein zentraler Bereich seiner ersten Hauptfläche relativ zu seinem Randbereich vorsteht, oder dass ein zentraler Bereich seiner zweiten Hauptfläche relativ zu seinem Randbereich vorsteht (Merkmal 1.8).
Diese Unterschiede beruhen jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.
So liegt es für den Fachmann nahe, dass als Halbleiterelement (15) ein Leistungshalbleiterelement verwendet wird, denn das gezeigte Gehäuse ist typisch für Leistungshalbleiterelemente, die einer Kühlung bedürfen.
Auch ist es dem Fachmann bekannt, eine Halbleitervorrichtung wie die in Druckschrift D2 gezeigte mittels einer Schraube auf einem Kühlkörper zu befestigen (Merkmal 1.6), denn die Öffnung (18) dient offensichtlich dem Zweck der Befestigung des Bauelements. Dass diese Schraube dann einen Kopf aufweisen muss, ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass eine Schraube ohne Kopf nicht in der Lage wäre, die Leistungshalbleitervorrichtung zu halten.
In diesem Zusammenhang ist auf Druckschrift D3 hinzuweisen, die einen Kühlkörper mit Kühlrippen (Vgl. beispielsweise Bezugszeichen 12 in Fig. 1) zeigt, so dass dem Fachmann auch eine Wärmeabstrahlungs-Rippeneinrichtung mit einer oberen Oberfläche bekannt ist, wobei die Wärmeabstrahlungs-Rippeneinrichtung eine in ihrer oberen Oberfläche ausgebildete Schraubenöffnung aufweist (Merkmal 1.5). In diese Schraubenöffnungen ist jeweils eine Schraube einschraubbar. Für den Fachmann ist es naheliegend, unter dem verkapselten Halbleiterelement aus Druckschrift D2 einen derartigen Kühlkörper vorzusehen, um das Halbleiterelement darauf mittels einer Schraube zu befestigen und zu kühlen.
Im Falle der Druckschrift D2 umgeht die Durchgangsöffnung (18) den Wärmeverteiler (13) nicht, was zur Folge hat, dass die üblicherweise metallische Schraube im zusammengebauten Zustand auf demselben Potential liegt wie der mittlere Kontakt (12). Da es sich bei den Kühlkörpern meist um metallische Kühlkörper handelt, würde damit auch der Kühlkörper auf dieses Potential gebracht. Dies ist in vielen Fällen unerwünscht, insbesondere dann, wenn mehrere Halbleiterelemente auf einem Kühlkörper angebracht werden sollen, welche dann vom Kühlkörper miteinander elektrisch verbunden würden. In diesem Fall liegt die elektrische Isolation der Befestigungsschraube vom Wärmeverteiler nahe, was am einfachsten erfolgt, indem das Durchgangsloch den Wärmeverteiler umgeht (Merkmal 1.4).
Die Merkmale 1.4, 1.5 und 1.6 sind damit für den Fachmann genauso naheliegend wie die Ausführung des Halbleiterelements als Leistungshalbleiterelement.
Weiter gibt die englischsprachige Zusammenfassung der Druckschrift D2 an, dass es sich bei dem in Fig. 1 gezeigten Teil um einen Leiterrahmen handelt, also um ein Metallteil, während es sich bei dem Material für das Gehäuse um ein Epoxidharz handelt („Then the frame 11 is molded with resin by using epoxy resin,…“). Das Metall des Leiterrahmens, meist Kupfer, hat einen geringeren linearen Wärmeausdehnungskoeffizienten als das Epoxidharz und zudem weist das Epoxidharz bei seinem Aushärten einen Volumenschwund auf. Damit ergibt sich üblicherweise eine Verformung des Bauelements, so dass ohne Gegenmaßnahmen das stärkere Zusammenziehen des Epoxidharzes gegenüber dem Leiterrahmen zu einer Verformung des Bauelements derart führt, dass ein zentraler Bereich der ersten Hauptfläche des Formharzgehäuses relativ zu seinem Randbereich vorsteht. Druckschrift D2 beschreibt keine Gegenmaßnahmen gegen diese Verfor- mung, weshalb der Fachmann davon ausgehen wird, dass sie beim in Druckschrift D2 gezeigten Bauelement vorhanden ist.
Damit kommt der Fachmann, ohne erfinderisch tätig zu werden, zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 des Hauptantrags, so dass dieser nicht patentfähig ist.
5. Auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 beruht auf keiner erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns, so dass er ebenfalls nicht patentfähig ist (§ 21 Abs. 1 Nr. 1, § 4 PatG).
Die Frage der Zulässigkeit der geltenden Ansprüche kann aus diesem Grund auch für ihn dahingestellt bleiben (Vgl. hierzu BGH GRUR 1991, 120, 121 li.Sp. Abs. 3 „Elastische Bandage“).
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 enthält in den Merkmalen 1.7‘ und 1.8‘ nur die Klarstellungen, wann die beiden sich auf den ersten Blick widersprechenden Merkmale 1.7 und 1.8 des erteilten Anspruchs 1 gegeben sein sollen. Die Merkmale 1.7 und 1.8 waren bei der Beurteilung gegenüber dem Stand der Technik auch schon im Anspruch 1 des Hauptantrags so interpretiert worden, so dass sich durch den neuen Wortlaut hier keine andere Beurteilung ergibt.
In Merkmal 1.6‘ wird zusätzlich zum Merkmal 1.6 des Hauptantrags noch eine Andrückplatte beansprucht. Auch eine solche ist dem Fachmann beispielsweise in Form einer Beilagscheibe bekannt (Vgl. z.B. Fig. 2 der Druckschrift D1, die eine als Andrückplatte verwendete Beilagscheibe (flat metalic washer 26, vgl. Sp. 4, Z. 25 bis 29: „A flat metalic washer 26, placed between screw 25 and the encapsulent 22, may be utilized for distributing the torquing pressure resulting from tightening of the mechanical fastener screw member 25.“), wobei Druckschrift D1 auch deren Einsatz als Andrückplatte bei Halbleiterbauelementen zeigt. Aber auch speziell an Halbleitervorrichtungen angepasste Ausführungsformen sind dem Fachmann bekannt (Siehe das Druckstück 30 in Fig. 1 der Druckschrift E1). Schon auf Grund der Weichheit des Formharzgehäuses gegenüber den üblicherweise verwendeten metallischen Schrauben liegt es für den Fachmann nahe, eine Andrückplatte zu verwenden und den Druck auf eine möglichst große Fläche des Formharzgehäuses zu verteilen, so dass bei der Verwendung der Andrückplatte die untere Fläche des Formharzgehäuses auch eben gedrückt wird.
Damit liegt insgesamt der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 für den Fachmann ebenfalls nahe, weshalb er nicht patentfähig ist.
6. Die geltenden Ansprüche gemäß Hilfsantrag 2 sind gegenüber der ursprünglichen Offenbarung nicht unzulässig erweitert (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG), ihre Lehren sind ausführbar (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) und ihre Gegenstände sind patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG). Zudem ist der Schutzbereich gegenüber dem erteilten Patent nicht erweitert worden (§ 22 Abs. 1 PatG).
6.1 Die geltenden Ansprüche sind zulässig (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG und § 22 Abs. 1 PatG). So geht der geltende Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 (Merkmale 1 bis 1.4 und 1.7‘), 7 (Merkmal 1.8‘), 8 (Merkmal 1.9), 9 (Merkmal 1.10) und 10 (Merkmal 1.5 und 1.6‘), der Fig. 7, die die Ausbildung der Schraube mit einem Kopf zeigt, sowie dem Abs. S. 7, Z. 22 bis 26 der geltenden Beschreibung (entspricht Absatz [0050] der Patantschrift), wo ein unter Wärme aushärtendes Harzmaterial beschrieben wird, welches folglich beim fertigen Formharzgehäuse ausgehärtet sein muss, hervor. Der scheinbare Widerspruch zwischen den Merkmalen 1.7 und 1.8 des erteilten Anspruchs 1 wurde in den Merkmalen 1.7‘ und 1.8‘ des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 mittels der in den Fig. 7 und 9 gezeigten Ausführungsformen und dem diese verbindenden Absatz auf S. 9, Z. 11 bis 17 der Beschreibung (entspricht Absatz [0060] der Patantschrift) dahingehend aufgelöst, dass es sich bei den Angaben der beiden Merkmale um unterschiedliche Zustände der Leistungshalbleitervorrichtung handelt, nämlich einmal um den zusammengebauten Zustand und einmal um den zerlegten Zustand.
Damit ist der in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 beanspruchte Gegenstand ursprünglich offenbart.
Der Schutzbereich des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 geht nicht über den Schutzbereich des erteilten Anspruchs 1 hinaus, denn dieser wurde durch Weglassen der Möglichkeit im Merkmal 1.8‘, dass der zentrale Bereich der zweiten Hauptfläche relativ zu seinem Randbereich vorsteht, und durch die weiteren aufgenommenen Merkmale, insbesondere die Merkmale 1.9 und 1.10 gegenüber dem erteilten Anspruch 1 eingeschränkt. Auch war für den Fachmann beim erteilten Anspruch 1 auf Grund der Beschreibung, insbesondere Abs. [0066] der Patentschrift und der Figuren 7 und 9 bereits zu erkennen, dass sich die beiden scheinbar widersprechenden Merkmale 1.7 und 1.8 auf unterschiedliche Zustände der Leistungshalbleitervorrichtung beziehen, so dass es sich bei den in den Merkmalen 1.7‘ und 1.8‘ vorgenommenen Änderungen zur Auflösung des scheinbaren Widerspruchs um eine Klarstellung des Anspruchs handelt, ohne dass dadurch eine inhaltliche Änderung erfolgt ist.
Damit ist der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 zulässig.
Auch die Unteransprüche 2 bis 6 des Hilfsantrags 2 sind zulässig. So gehen diese Ansprüche aus den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 6 bzw. erteilten Ansprüchen 2 bis 6 hervor und schränken den Anspruch 1 weiter ein.
6.2 Das Patent offenbart die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 beanspruchte Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Abs. 1, Nr. 2 PatG). Insbesondere ist die von der Einsprechenden bemängelte Formulierung, dass das Formharzgehäuse derart gekrümmt ausgebildet ist, dass ein zentraler Bereich seiner ersten Hauptfläche relativ zu seinem Randbereich vorsteht, für den Fachmann nacharbeitbar, denn die Fig. 9 und 12 des Streitpatents zeigen ihm zumindest eine Möglichkeit, wie dieses Merkmal verwirklicht werden kann.
Was die in den Merkmalen 1.9 und 1.10 beanspruchten Eigenschaften des Formharzgehäuses angeht, geben die Absätze [0059] bis [0060] der Patentschrift eine Anleitung, wie vorzugehen ist, nämlich durch Verwendung einer Mischung aus kristallinem und geschmolzenen Siliziumdioxid als Füllstoff in Phenol-NovolacEpoxymaterialien. Damit ist es möglich, die Verhältnisse wie in den Merkmalen 1.9 und 1.10 beansprucht, einzustellen.
6.3 Der gewerblich anwendbare (§ 5 PatG) Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 ist hinsichtlich des ermittelten Standes der Technik neu (§ 3 PatG) und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns (§ 4 PatG).
So wurde zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 bereits ausgeführt, dass dieser gegenüber dem nächstliegenden ermittelten Stand der Technik, der Druckschrift D2, neu ist. Er beruht gegenüber dem ermittelten Stand der Technik aber auf keiner erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns. Dieser Gegenstand ist nunmehr durch die weiteren Merkmale 1.9 und 1.10 eingeschränkt. Wie bereits dargestellt besteht das Formharzgehäuse in Druckschrift D2 aus einem Epoxidharz (Siehe die englischsprachige Zusammenfassung: „Then, the frame 11 is molded with resin by using epoxy resin,…“). Da Epoxidharz einen höheren linearen Wärmeausdehnungskoeffizienten als Metalle besitzt, aus denen die Leadframes bestehen, ergibt sich das Merkmal 1.9 in naheliegender Weise, nicht aber das Merkmal 1.10, das genau das umgekehrte beansprucht, nämlich dass das Material des Formharzgehäuses einen niedrigeren linearen Ausdehnungskoeffizienten aufweist als das Material des Wärmeverteilers.
Der lineare Ausdehnungskoeffizient lässt sich durch die Zugabe von Füllstoffen verringern. Dies ist dem Fachmann bekannt, der auch in Epoxidharzen üblicherweise Füllstoffe, wie beispielsweise Kohlenstoff, verwenden wird, um das Epoxidharz einzufärben. Durch diese Zugabe verringert sich aber auch das Schrumpfen beim Aushärten und anschließenden Abkühlen, denn die Füllstoffe verändern beim Aushärten ihr Volumen nicht, so dass den Erfordernissen des Merkmals 1.9 entgegengewirkt wird. Die Merkmale 1.9 und 1.10 erfordern somit eine besondere Auswahl des Harzmaterials, der Menge und der Art der Füllstoffe. Auf eine solche besondere Auswahl gibt es in Druckschrift D2 aber keinen Hinweis.
Auch die übrigen ermittelten Druckschriften geben darauf keinen Hinweis. So wird in Druckschrift D1 für das Verkapselungsmaterial (encapsulant 22) lediglich angegeben, dass es aus einem geeigneten Plastik, beispielsweise Epoxidharz oder jeglichem anderen bekannten Kunstharz mit guten Isolationseigenschaften bestehen kann (Vgl. Sp. 4, Z. 1 bis 3: „The encapsulant itself may be any suitable form of plastic, e.g., epoxy, or any other known synthtic resin encapsulant having good insulating properties.“). Eine Angabe über den linearen Wärmeausdehnungskoeffizienten des Verkapselungsmaterials oder das Schrumpfen beim Aushärten macht Druckschrift D1 nicht.
Im Gegensatz dazu macht Druckschrift D3 eine Aussage über den linearen Wärmeausdehnungskoeffizienten des Gehäusematerials. Sie gibt an, dass dieser größer als der der Metallbasis ist (Vgl. Abs. [0004] der englischsprachigen Maschinenübersetzung: „Generally compared with the metal base 1, alpha of the organic resin case 11 Since it is large, In a high temperature case, the case 11 made of organic resin expands by a modular thermal change after the metal base 1 and the case 11 adhesion made of organic resin, in a back surface, in the case of low temperature, in concave direction, the case 11 made of organic resin contracts, and a back surface deforms into a convex.“) Dies ist genau das Gegenteil von Merkmal 1.10. Daran wird auch bei der in Druckschrift D3 geschilderten Lösung des daraus resultierenden Verformungsproblems nichts geändert, denn die Lösung besteht in zusätzlichen Verschraubungen, die der Verformung entgegenwirken (Vgl. Abs. [0009] und [0010] der Maschinenübersetzung: „The mounting hole for the module fixing at the time of mounting is provided in addition to [one or more] a modular periphery, and a base material is directly fixed with a bolt. By fixing a base material directly with the bolt which provides a mounting hole in addi- tion to [one or more] a modular periphery, the cambered amount at the time of module mounting can be reduced, and heat leakage can be improved.”). Damit kann auch Druckschrift D3 keinen Hinweis auf die gleichzeitige Erfüllung der Merkmale 1.9 und 1.10 geben.
Druckschrift D4 beschäftigt sich mit einer weichen Zwischenschicht (Interfaceeinrichtung 16) und einer Klebeschicht (Klebeschicht 17) zwischen der Basis eines Halbleiterbauelements und einer Unterlage, um so Unebenheiten auszugleichen. Mit dem Material des eigentlichen Gehäuses und insbesondere dessen linearen Wärmeausdehnungskoeffizienten beschäftigt sich diese Druckschrift nicht, so dass der Fachmann ihr keine Anregungen bezüglich der gemeinsamen Erfüllung der Merkmale 1.9 und 1.10 entnehmen kann.
Auch die Druckschrift E1, welche ein Gehäuse für ein Leistungshalbleiterbauelement zeigt, macht keine Angaben über einen linearen Wärmeausdehnungskoeffizienten des Gehäusematerials oder dessen Schrumpfen beim Aushärten, so dass auch diese Druckschrift die Kombination der Merkmale 1.9 und 1.10 und damit erst recht den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 nicht nahelegen kann.
Dies gilt auch für die Druckschrift E2, die ein ähnliches Modul wie das in Druckschrift E1 offenbarte ausführlicher beschreibt und zusätzlich ein Material offenbart, das zwischen das Halbleitermodul und eine Wärmesenke eingebracht wird, um den Wärmefluss zwischen den beiden zu verbessern. Zwar wird in dieser Druckschrift auch auf die unterschiedlichen Wärmeausdehnungen einzelner Materialien eingegangen (Siehe Fig. 4), die Wärmeausdehnung des Gehäuses ist jedoch nicht dabei, so dass der Fachmann auch dieser Druckschrift keinen Hinweis auf die Merkmalskombination 1.9 und 1.10 entnehmen kann.
Ebenfalls keinen dahingehenden Hinweis kann die Druckschrift E3 geben, denn sie befasst sich nicht näher mit dem Material des das Gehäuse darstellenden Moduldeckels (27).
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 wird somit weder durch eine der ermittelten Druckschriften für sich noch durch die Zusammenschau der ermittelten Druckschriften nahegelegt. Er ist somit patentfähig.
6.4 Die Unteransprüche 2 bis 6 beanspruchen vorteilhafte, nicht platt selbstverständliche Weiterbildungen der Leistungshalbleitervorrichtung, so dass sie sich anschließen können.
6.5 In der geltenden Beschreibung zu Hilfsantrag 2 ist der Stand der Technik, von dem die Erfindung ausgeht, angegeben und die Erfindung anhand der Zeichnung ausreichend erläutert.
7. Bei dieser Sachlage waren der angefochtene Beschluss der Patentabteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben, der Hauptantrag sowie der Hilfsantrag 1 zurückzuweisen und das Patent im Umfang des Hilfsantrags 2 beschränkt aufrechtzuerhalten.
III. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel gerügt wird, nämlich
1. dass das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. dass bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. dass, einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. dass ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. dass der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. dass der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses schriftlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen oder durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten in elektronischer Form bei der elektronischen Poststelle des BGH, www.bundesgerichtshof.de/erv.html. Das elektronische Dokument ist mit einer prüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz oder mit einer prüfbaren fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen. Die Eignungsvoraussetzungen für eine Prüfung und für die Formate des elektronischen Dokuments werden auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs www.bundesgerichtshof.de/erv.html bekannt gegeben.
Dr. Strößner Brandt Dr. Hoppe Dr. Zebisch Hu