19 W (pat) 55/10
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 55/10 Verkündet am 20. Februar 2013
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
BPatG 154 05.11 betreffend das Patent 198 57 683 hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Hartung, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dr.-Ing. Scholz und Dipl.-Ing. Müller beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 55 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Dezember 2009 aufgehoben und das Patent 198 57 683 widerrufen.
2. Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Auf die am 14. Dezember 1998 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents am 28. Juni 2007 veröffentlicht worden.
Es betrifft ein Verfahren zur Sicherheitsüberwachung von Steuerungseinrichtungen.
Gegen das Patent hat mit Schreiben vom 11. September 2007, beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen am 14. September 2007, die Firma L… l1… GmbH + Co. KG in F…, heute L… e… GmbH & Co. KG in O…,
Einspruch erhoben, mit der Begründung, der Gegenstand des Patents sei nicht neu.
Die Einsprechende hat ihren Vortrag auf die folgenden Druckschriften gestützt:
D1 DE 198 15 148 A1 D2 DE 44 12 653 C2 D3 DE 198 15 147 A1.
Durch am Ende der mündlichen Anhörung am 16. Dezember 2009 verkündeten Beschluss hat die Patentabteilung 1.55 des Deutschen Patent- und Markenamtes das Patent im Umfang eines Hilfsantrags 1 beschränkt aufrechterhalten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden vom 26. April 2010, sowie die Beschwerde der Patentinhaberin vom 11. Mai 2010.
Die Einsprechende beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 55 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Dezember 2009 aufzuheben und das Patent im vollen Umfang zu widerrufen, sowie die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.
Die Patentinhaberin beantragt,
den angefochtenen Beschluss der Patentabteilung aufzuheben und das Patent im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten und die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen,
hilfsweise das angegriffene Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:
Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag 1 vom 16. Dezember 2009, Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Patentansprüche 1 und 3 bis 9 gemäß Hilfsantrag 2 vom 16. Dezember 2009, Patentansprüche 1 und 3 bis 9 gemäß Hilfsantrag 2 vom 16. Dezember 2009, mit der Ergänzung auf Seite 1a zu Patentanspruch 1 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrag, übrige Unterlagen zu den Hilfsanträgen jeweils wie erteilt,
sowie die Beschwerde der Einsprechenden im Übrigen zurückzuweisen.
Der erteilte Patentanspruch 1 (Hauptantrag) lautet unter Einfügung einer Gliederung in Anlehnung an eine Gliederung durch die Einsprechende:
„a) Verfahren zur Sicherheitsüberwachung von Steuerungseinrichtungen,
b) bei denen speicherprogrammierbare Steuerungen oder Mikrorechner über ein Bus-System dezentrale Einheiten ansprechen, die einen Prozeß regeln, steuern oder überwachen,
wobei c) - eine Überwachungseinheit (2) als Hörer an den Bus geschaltet wird, d) - die sicherheitsbehafteten Funktionen des Prozesses (12) mit der notwendigen Logik zur Überwachung gefahrbringender Abläufe oder Bewegungen (13) hinzugefügt werden, e) - die Überwachungseinheit mit sicherheitsgerichteten dezentralen Einheiten (7, 9) kommuniziert und parallel zum Gesamtprozeß alle Sicherheitsfunktionen überwacht, f) - die Überwachungseinheit im Fehlerfall einen sicheren Systemzustand herbeiführt, und wobei g) - der sichere Systemzustand über die dezentralen Einheiten (7, 9) herbeigeführt wird.“
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, überreicht am 16. Dezember 2009 lautet unter Einfügung einer Gliederung:
„a) Verfahren zur Sicherheitsüberwachung von Steuerungseinrichtungen a1) eines Automatisierungssystems b) bei denen speicherprogrammierbare Steuerungen oder Mikrorechner über ein Bus-System dezentrale Einheiten ansprechen, die einen Prozeß regeln, steuern oder überwachen,
wobei c) - eine Überwachungseinheit (2) als Hörer an den Bus geschaltet wird, d) - die sicherheitsbehafteten Funktionen des Prozesses (12) mit der notwendigen Logik zur Überwachung gefahrbringender Abläufe oder Bewegungen (13) hinzugefügt werden, e) - die Überwachungseinheit mit sicherheitsgerichteten dezentralen Einheiten (7, 9) kommuniziert und parallel zum Gesamtprozeß alle Sicherheitsfunktionen überwacht, e1) indem die Überwachungseinheit über die auf dem Bus laufenden Daten über alle Zustände und Abläufe im Prozess informiert ist und Fehler erkennt, wenn eine Steuerungseinheit als Verursacher fungiert, f) - die Überwachungseinheit im Fehlerfall einen sicheren Systemzustand herbeiführt, h) - die dezentralen Einheiten ihre eigene Funktion in einem redundanten Prozess abfragen, die eigene Funktion überwachen und bei fehlerhafter Ein- oder Ausgabe oder bei Ausfall des Bus-Systems eine Sicherheitsabschaltung ausführen und wobei g) - der sichere Systemzustand über die dezentralen Einheiten (7, 9) herbeigeführt wird.“
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 20. Februar 2013, lautet unter Einfügung einer Gliederung:
„a) Verfahren zur Sicherheitsüberwachung von Steuerungseinrichtungen a1) eines Automatisierungssystems b) bei denen speicherprogrammierbare Steuerungen oder Mikrorechner über ein Bus-System dezentrale Einheiten ansprechen, die einen Prozeß regeln, steuern oder überwachen, wobei c) - eine Überwachungseinheit (2) als Hörer an den Bus geschaltet wird, d) - die sicherheitsbehafteten Funktionen des Prozesses (12) mit der notwendigen Logik zur Überwachung gefahrbringender Abläufe oder Bewegungen (13) hinzugefügt werden, e) - die Überwachungseinheit mit sicherheitsgerichteten dezentralen Einheiten (7, 9) kommuniziert und parallel zum Gesamtprozeß alle Sicherheitsfunktionen überwacht, e1) indem die Überwachungseinheit über die auf dem Bus laufenden Daten über alle Zustände und Abläufe im Prozess informiert ist und Fehler erkennt, wenn eine Steuerungseinheit als Verursacher fungiert, f) - die Überwachungseinheit im Fehlerfall einen sicheren Systemzustand herbeiführt, h) - die dezentralen Einheiten ihre eigene Funktion in einem redundanten Prozess abfragen, die eigene Funktion überwachen und bei fehlerhafter Ein- oder Ausgabe oder bei Ausfall des Bus-Systems eine Sicherheitsabschaltung ausführen und wobei g’) - der sichere Systemzustand über die dezentralen Einheiten (7, 9) herbeigeführt wird,
i) wobei eine Steuerungseinheit (1) einen Prozess steuert oder regelt, der sicherheitsrelevante Vorgänge enthält, bei denen Bewegungen erfolgen, die eine Gefahr für Mensch oder Maschine darstellen, wobei die Steuerungseinheit über das angeschlossene Bussystem Daten zum Prozess ausgibt, und j) wobei die dezentralen Einheiten vorgelagerte Ein- /AusgabeBaugruppen sind, und wobei die Steuerungseinheit in ihrem Programm logische Funktionen für die Sicherheitsverknüpfungen, die für die sicherheitsrelevanten Vorgänge notwendig sind, enthält.“
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2, überreicht am 16. Dezember 2009 lautet unter Einfügung einer Gliederung:
„a) Verfahren zur Sicherheitsüberwachung von Steuerungseinrichtungen a1) eines Automatisierungssystems b) bei denen speicherprogrammierbare Steuerungen oder Mikrorechner über ein Bus-System dezentrale Einheiten ansprechen, die einen Prozeß regeln, steuern oder überwachen, wobei c) - eine Überwachungseinheit (2) als Hörer an den Bus geschaltet wird, d) - die sicherheitsbehafteten Funktionen des Prozesses (12) mit der notwendigen Logik zur Überwachung gefahrbringender Abläufe oder Bewegungen (13) hinzugefügt werden, e) - die Überwachungseinheit mit sicherheitsgerichteten dezentralen Einheiten (7, 9) kommuniziert und parallel zum Gesamtprozeß alle Sicherheitsfunktionen überwacht,
e1) indem die Überwachungseinheit über die auf dem Bus laufenden Daten über alle Zustände und Abläufe im Prozess informiert ist und Fehler erkennt, wenn eine Steuerungseinheit als Verursacher fungiert,
f) - die Überwachungseinheit im Fehlerfall einen sicheren Systemzustand herbeiführt,
h) - die dezentralen Einheiten ihre eigene Funktion in einem redundanten Prozess abfragen, die eigene Funktion überwachen und bei fehlerhafter Ein- oder Ausgabe oder bei Ausfall des Bus-Systems eine Sicherheitsabschaltung ausführen und wobei g’) - der sichere Systemzustand über die dezentralen Einheiten (7, 9) durch Unterbrechung oder Kurzschluss des BusSystems herbeigeführt wird.“
Der Patentanspruch 1 gemäß ergänztem Hilfsantrag 2, gestellt in der mündlichen Verhandlung am 20. Februar 2013 lautet unter Einfügung einer Gliederung:
„a) Verfahren zur Sicherheitsüberwachung von Steuerungseinrichtungen a1) eines Automatisierungssystems b) bei denen speicherprogrammierbare Steuerungen oder Mikrorechner über ein Bus-System dezentrale Einheiten ansprechen, die einen Prozeß regeln, steuern oder überwachen, wobei c) - eine Überwachungseinheit (2) als Hörer an den Bus geschaltet wird, d) - die sicherheitsbehafteten Funktionen des Prozesses (12) mit der notwendigen Logik zur Überwachung gefahrbringender Abläufe oder Bewegungen (13) hinzugefügt werden,
e) - die Überwachungseinheit mit sicherheitsgerichteten dezentralen Einheiten (7, 9) kommuniziert und parallel zum Gesamtprozeß alle Sicherheitsfunktionen überwacht,
e1) indem die Überwachungseinheit über die auf dem Bus laufenden Daten über alle Zustände und Abläufe im Prozess informiert ist und Fehler erkennt, wenn eine Steuerungseinheit als Verursacher fungiert,
f) - die Überwachungseinheit im Fehlerfall einen sicheren Systemzustand herbeiführt,
h) - die dezentralen Einheiten ihre eigene Funktion in einem redundanten Prozess abfragen, die eigene Funktion überwachen und bei fehlerhafter Ein- oder Ausgabe oder bei Ausfall des Bus-Systems eine Sicherheitsabschaltung ausführen und wobei g’) - der sichere Systemzustand über die dezentralen Einheiten (7, 9) durch Unterbrechung oder Kurzschluss des BusSystems herbeigeführt wird.
i) wobei eine Steuerungseinheit (1) einen Prozess steuert oder regelt, der sicherheitsrelevante Vorgänge enthält, bei denen Bewegungen erfolgen, die eine Gefahr für Mensch oder Maschine darstellen, wobei die Steuerungseinheit über das angeschlossene Bussystem Daten zum Prozess ausgibt, und j) wobei die dezentrale Einheiten vorgelagerte Ein- /AusgabeBaugruppen sind, und wobei die Steuerungseinheit in ihrem Programm logische Funktionen für die Sicherheitsverknüpfungen, die für die sicherheitsrelevanten Vorgänge notwendig sind, enthält.“
In der Patentschrift (Absatz [0012]) ist angegeben, der Erfindung liege die Aufgabe zu Grunde, die Steuerungseinrichtung und die Sicherheitsfunktion vollkommen zu trennen.
Mit der Erfindung werde es möglich, den Steuerungsteil vollständig vorher aufzubauen, zu testen und in Betrieb zu nehmen. Die sicherheitsrelevanten Komponenten ließen sich dann nachträglich hinzufügen, ohne die Steuerungsfunktion zu ändern. Auch nach der Installation beider Systeme (Steuerungseinrichtung und Sicherheitssystem) ließen sich Steuerungsfunktionen ändern, hinzufügen oder heraustrennen, ohne dass die Sicherheitsfunktion davon betroffen sei. Insbesondere bestehe die Möglichkeit, alle Sicherheitsverknüpfungen im Einzelnen unabhängig zu prüfen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden hat Erfolg, da sie zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zum Widerruf des Patents führt.
Die zulässige Beschwerde der Patentinhaberin hat keinen Erfolg.
1. Den Vorwurf der Patentinhaberin, den sie im Einspruchsverfahren vor dem DPMA erhoben hat, der Einspruch sei nicht hinreichend substantiiert und daher als unzulässig zu verwerfen, hat sie im Beschwerdeverfahren nicht erneuert. Auch der Senat sieht keinerlei Anhaltspunkte für eine mangelhafte Substantiierung des Einspruchs oder für andere formale Mängel des Einspruchs. Vielmehr hat die Einsprechende den Einspruch frist- und formgerecht eingereicht und anhand von drei vorveröffentlichten Druckschriften jeweils zu allen im erteilten Patentanspruch 1 genannten Merkmalen Stellung genommen.
2. Als Fachmann legt der Senat einen Dipl.-Ing. (FH) oder Techniker der Fachrichtung Automatisierungstechnik zugrunde, der sich mit der Verbesserung von Sicherheitskonzepten für Prozessautomatisierungssysteme beschäftigt.
3. Der Wortlaut des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag lässt verschiedene Lesarten zu, die jeweils einer Überprüfung des Patents anhand der in § 21 PatG aufgezählten Widerrufsgründe standhalten müssen.
Auch die von der Patentabteilung in ihrer Beschlussbegründung zugrunde gelegte Betrachtungsweise ist eine Variante, die vom Wortlaut des Patentanspruchs 1 umfasst ist.
Demnach ist das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht neu oder beruht zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist deshalb nicht patentfähig (§ 1 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 3 und 4 PatG):
Aus der Entgegenhaltung D1 = DE 198 15 148 A1 ist nämlich, in Worten des Patentanspruchs 1 ausgedrückt, Folgendes bekannt: ein a) Verfahren zur Sicherheitsüberwachung von Steuerungseinrichtungen 3 (Spalte 2, Zeilen 11 – 36),
b) bei denen speicherprogrammierbare Steuerungen 3 über ein Bus-System 1 dezentrale Einheiten 2 ansprechen, die einen Prozeß regeln, steuern oder überwachen (Spalte 2 Zeilen 13 bis 17; 37 bis 44),
wobei c) - eine Überwachungseinheit 8 als Hörer an den Bus 1 geschaltet wird (Spalte 1, Zeilen 51 bis 55; Spalte 3, Zeilen 9 bis 17), d) - die sicherheitsbehafteten Funktionen des Prozesses (Spalte 2, Zeilen 13 bis 21) mit der notwendigen Logik zur Überwachung gefahrbringender Abläufe oder Bewegungen hinzugefügt werden (Spalte 3, Zeilen 30 bis 46; Spalte 5, Zeilen 33 bis 48),
e) - die Überwachungseinheit 8 mit sicherheitsgerichteten dezentralen Einheiten 2 kommuniziert und parallel zum Gesamtprozeß alle Sicherheitsfunktionen überwacht (Spalte 1, Zeilen 51 bis 55; Spalte 3, Zeilen 14 bis 17),
f) - die Überwachungseinheit im Fehlerfall einen sicheren Systemzustand herbeiführt, (Spalte 2, Zeilen 19 bis 21 in Verbindung mit Spalte 7, Zeilen 40 bis 48).
In der DE 198 15 148 A1 ist zwar nicht im Detail ausgeführt, wie das Arbeitsgerät bei einem Personeneingriff abgeschaltet wird (Spalte 2, Zeilen 19 bis 21). Hierzu sind lediglich die Ausgänge 11, 12 gezeigt und beschrieben (Spalte 3, Zeilen 22 bis 29), über die die Inbetriebsetzung des Arbeitsgerät erfolgen solle. Hier liest jedoch der Fachmann selbstverständlich mit, dass die Abschaltung zum Herbeiführen eines gefahrlosen Zustands, also des sicheren Systemzustands im Sinne des Streitpatents, ebenso über die die Ausgänge 11, 12 bewerkstelligt wird.
Weiter ist selbstverständlich, dass die Inbetriebsetzung des Arbeitsgerätes über die in der DE 198 15 148 A1 genannten Aktoren (Spalte 2, Zeilen 12, 39), die über ein Bus-System angesteuert werden, erfolgt. Somit wird zwangsläufig auch die Abschaltung über diese Aktoren herbeigeführt. Wohl nicht direkt über das in der DE 198 15 148 A1 gezeigt Bussystem 1, das ausschließlich der Kommunikation mit den Sensoren 2 dient, dennoch mittelbar durch die Ausgänge 11, 12 des Auswertegeräts 8, die über ein anderes Bussystem die Aktoren ansteuern, die dann den sicheren Systemzustand entsprechend Merkmal g herbeiführen.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob damit das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag unmittelbar und eindeutig durch die DE 198 15 148 A1 vorweggenommen ist und es somit an dessen Neuheit fehlt. Jedenfalls kommt der Fachmann bei der konkreten Anwendung des Sicherheitskonzeptes gemäß DE 198 15 148 A1 zu einem Verfahren, wie es im Patentanspruch 1 nach Hauptantrag angegeben ist, so dass es zumindest an der erfinderischen Tätigkeit fehlt.
Somit ist der Beschluss der Patentabteilung hinsichtlich der Untersuchung des Streitgegenstandes auf Patentfähigkeit im Ergebnis nicht zu beanstanden.
4. Folgt der Senat bei der Auslegung des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag der Patentinhaberin, wonach die Überwachungseinheit bei dem in Merkmal g genannten Verfahrensschritt über dasselbe Bus-System auf die dezentralen Einheiten einwirkt, um den gewünschten sicheren Systemzustand herbeizuführen, über das auch gemäß Merkmal b der Prozess geregelt, gesteuert und überwacht wird, kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass ein solches Verfahren in der Patentschrift nicht so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann es ausführen kann (§ 21 Abs. 2 PatG).
Es ist nämlich in der ganzen Schrift nicht angegeben, wie in einem beliebigen Fehlerfall ein Gesamtsystem, hierzu sind in der Beschreibungseinleitung (Absatz 0004) beispielhaft Roboter, Dreh- oder Fräseinrichtungen, Rotationseinrichtungen sowie chemische Anlagen genannt, durch eine passive, rein hörende Auswerteeinheit über ein einziges Bus-System, in einen sicheren, also für Mensch und Maschinen gefahrlosen Zustand gebracht werden kann.
Schon der Beschreibung (Absätze [0020] bis [0022]) selbst ist zu entnehmen, dass die Überwachungseinheit nicht in der Lage ist, in der in Merkmal f genannten Allgemeinheit in (beliebigen) Fehlerfällen einen sicheren Systemzustand herbeizuführen. Vielmehr werden demnach von der Überwachungseinheit ausschließlich Fehler erkannt, die von der Steuerungseinheit verursacht werden, nicht jedoch Fehler im Prozess oder in den dezentralen Einheiten (Sensoren sowie Aktoren bzw. deren vorgelagerte Elektronik). Selbst wenn in der Streitpatentschrift eine nacharbeitbare Lösung für einen Fehlerfall in der Steuerung offenbart wäre, mangelte es an einer Lösung für die anderen Fehlerfälle, für den der Patentanspruch 1 aufgrund seiner Allgemeinheit ebenfalls Schutz entfaltet.
Abgesehen davon, sind die in der Beschreibung angegebenen Maßnahmen, durch die bei einem Fehler in der Steuerungseinheit ein sicherer Systemzustand herbeigeführt werden soll, nicht hinreichend, um die behauptete Wirkung zu erzielen.
So ist zwar angegeben, es sei denkbar, den Prozessablauf langsam herunterzufahren (Absatz [0022], letzter Satz). Wie demselben Absatz zu entnehmen ist, bedarf es jedoch hierzu einer speziellen Projektierung. Eine derartige spezielle Projektierung geht nach Überzeugung des Senats über das routinemäßige Handeln des Fachmanns hinaus, er muss also selbst noch erfinderisch tätig werden. Hinzu kommt, dass nach Darlegung der Patentinhaberin ein Fehler in der Steuerung vorauszusetzen ist. Welche Fehlerfälle wie in der Projektierung berücksichtigt werden sollen, ist aber den gesamten Unterlagen nicht zu entnehmen.
Die beiden anderen in Absatz [0022] vorgeschlagenen Maßnahmen, nämlich das Bus-System zu unterbrechen oder kurzzuschließen oder die Stromversorgung abzuschalten, sind nach Überzeugung des Senats hierfür gänzlich ungeeignet, einen sicheren Systemzustand herbeizuführen.
Ein bloßes Abschalten der Stromversorgung wäre, abgesehen vom undefinierten Zustand der Steuerung, mit erheblichen Gefahren verbunden, da zumindest bei dynamischen Vorgängen die Energie, die im Prozess gespeichert ist, unkontrolliert an die Umgebung oder an den Prozess abgegeben wird. Diese Maßnahme führt also noch keineswegs zu einem sicheren Systemzustand.
Auch das Unterbinden der Datenübertragung an die dezentralen Einheiten führt nicht zu einem sicheren Zustand eines Gesamtsystems. Selbst wenn man der Patentinhaberin zugutehalten wollte, dass der Fachmann spezielle Aktoren kennt, die eine „Fail-Safe-Funktion“ aufweisen bzw. auslösen, weiß er damit nur, dass er damit den Bereich, der diesem einzelnen Aktor zugeordnet ist, in einen sicheren Zustand bringen kann. Dieses Fachwissen ist im Übrigen auch in der Patentschrift mit „Sicherheitsabschaltung im Fehlerfall“ wiedergegeben (Absatz [0021] sowie Patentanspruch 6).
Ein sicherer Systemzustand geht jedoch über die Summe des sicheren Zustands einzelner dezentraler Einheiten - die Patentinhaberin meint hier Aktoren, die jeweils für sich eine Sicherheitsabschaltung durchführen - hinaus, da bei einem Gesamtsystem regelmäßig, abhängig vom augenblicklichen Zustand zum Zeitpunkt des Fehlerfalls, unterschiedlichen Scenarien durchlaufen werden müssen. Wie das bei Unterbrechung der Datenübertragung möglich sein soll, lässt die Patentschrift ebenfalls offen. Die Patentinhaberin konnte auch in der mündlichen Verhandlung nicht nachvollziehbar darlegen, wie der Fachmann ohne eine funktionierende Datenübertragung zurechtkommt.
Somit kommt der Senat auch bei Auslegung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag, wonach es nur einen einzigen Datenbus gibt und es sich bei den dezentralen Einheiten 7, 9 um Aktoren mit Fail-Safe-Funktion handelt, zu dem Ergebnis, dass dieser nicht bestandsfähig ist, da die darin beanspruchte Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Abs. 2 PatG).
5. Da die vorstehend aufgezeigten Mängel in der Offenbarung der Erfindung auch die jeweiligen Patentansprüche 1 aller Hilfsanträge betreffen, der Hilfsantrag 2 sowie der ergänzte Hilfsantrag 2 mit Merkmal g‘ sogar ausdrücklich auf die Unterbrechung oder den Kurzschluss des Bus-Systems gerichtet sind, gilt das Vorstehende auch für sämtliche Hilfsanträge.
Daher sind die Gegenstände dieser Patentansprüche ebenfalls in der Patentschrift nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Abs. 2 PatG).
Deshalb kann keinem der Hilfsanträge der Patentinhaberin stattgegeben werden.
6. Eine Zurückverweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG kommt trotz Begründungsmängeln nicht in Betracht – so hat die Patentabteilung trotz entgegenstehender Behauptung der Patentinhaberin weder begründet, warum sie den Einspruch für zulässig hält, noch warum sie, anders als die Einsprechende, das Verfahren gemäß dem von ihr gewährten Hilfsantrag 1 für ausführbar hält.
Durch die mündliche Verhandlung vor dem Bundespatentgericht wurde den Beteiligten ausreichend rechtliches Gehör gewährt. Dem Senat waren auch alle Tatsachen bekannt, die zu einer abschließenden Entscheidung erforderlich waren.
Somit war die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen. Der Beschwerde der Einsprechenden war dagegen stattzugeben.
Dr. Hartung Kirschneck Dr. Scholz J. Müller Pü