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I ZR 98/21

BUNDESGERICHTSHOF I ZR 98/21 BESCHLUSS vom 13. Oktober 2022 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren ECLI:DE:BGH:2022:131022BIZR98.21.0 Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Oktober 2022 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, die Richterin Dr. Schwonke, den Richter Feddersen, die Richterin Dr. Schmaltz und den Richter Odörfer beschlossen:

Die Erinnerung gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel am 6. September 2021 durch den Urkundsbeamten des Bundesgerichtshofs wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Schuldnerin ist durch Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 4. Juni 2021 (WRP 2021, 1221), berichtigt durch Beschluss vom 9. August 2021, wegen der unzulässigen Nachahmung eines Regalsystems für den Ladenbau in Form einer unangemessenen Beeinträchtigung der Wertschätzung unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform unter anderem zur Unterlassung und Auskunftserteilung verurteilt worden. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Senat mit Beschluss vom 24. Februar 2022 zurückgewiesen.

Auf Antrag der Gläubigerin hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Bundesgerichtshofs am 6. September 2021 eine mit der Vollstreckungsklausel versehene vollstreckbare Ausfertigung des Berufungsurteils erteilt. Hiergegen wendet sich die Schuldnerin mit der von ihren zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten eingelegten Erinnerung.

II. Die Erinnerung ist statthaft. Mit ihrer Einwendung einer fehlenden Bestimmtheit des Vollstreckungstitels hat die Schuldnerin aber keinen Erfolg.

1. Die Erinnerung der Schuldnerin gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel ist nach § 732 Abs. 1 Satz 1 ZPO statthaft. Sie bedurfte gemäß § 78 Abs. 3 ZPO nicht der Mitwirkung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalts, weil sie zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2015 - III ZB 96/15, juris Rn. 2; Lackmann in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 732 Rn. 7).

2. Die Erinnerung ist jedoch unbegründet.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der von der Schuldnerin erhobene Einwand, die titulierte Unterlassungsverpflichtung sei mangels ausreichender Bestimmtheit nicht vollstreckungsfähig, im Wege der Klauselerinnerung nach § 732 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgebracht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2015 - III ZB 96/15, juris Rn. 4 mwN).

b) Entgegen der Auffassung der Schuldnerin erweist sich das titulierte Unterlassungsgebot in Anbetracht der im Tenor in Bezug genommenen konkreten Verletzungsform sowie des in den Gründen zweifelsfrei zum Ausdruck kommenden Charakteristischen der Verletzungsform als ausreichend bestimmt und vollstreckungsfähig.

aa) Ein Titel ist für gewöhnlich hinreichend bestimmt, wenn darin auf die konkrete Verletzungsform Bezug genommen wird und der Tenor zumindest unter Heranziehung der Urteilsgründe unzweideutig erkennen lässt, in welchen Merkmalen des angegriffenen Verhaltens die Grundlage und der Anknüpfungspunkt für den Wettbewerbsverstoß und damit das Unterlassungsgebot liegen soll (zur hinreichenden Bestimmtheit des Klageantrags gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - I ZR 97/21, GRUR 2022, 1336 [juris Rn. 12] = WRP 2022, 1246 - dortmund.de, mwN).

bb) Im Rahmen der dem Prozessgericht obliegenden Zwangsvollstreckung eines Unterlassungstitels (§ 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ist durch Auslegung des Vollstreckungstitels zu ermitteln, welche Verhaltensweisen dieser erfasst. Die Auslegung hat vom Tenor der zu vollstreckenden Entscheidung auszugehen; erforderlichenfalls sind ergänzend die Entscheidungsgründe und unter bestimmten Voraussetzungen auch die Antrags- oder Klagebegründung und der Parteivortrag heranzuziehen. Umstände, die außerhalb des Titels liegen, sind bei der Auslegung wegen der Formalisierung des Vollstreckungsverfahrens grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Insbesondere ist es ohne Bedeutung, welche sachlich-rechtlichen Ansprüche der Gläubigerin zustehen (vgl. BVerfG, GRUR 2022, 1089 [juris Rn. 19]; BGH, Beschluss vom 5. März 2015 - I ZB 74/14, GRUR 2015, 1248 [juris Rn. 20 f.]).

cc) Das in einem Unterlassungstitel ausgesprochene Verbot umfasst über die mit der verbotenen Form identischen Handlungen hinaus auch im Kern gleichartige Abwandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. Das gilt auch dann, wenn das Verbot auf die konkrete Verletzungsform beschränkt ist (vgl. BVerfG, GRUR 2022, 1089 [juris Rn. 22]; BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - I ZR 177/07, GRUR 2010, 855 [juris Rn. 17] = WRP 2010, 1035 - Folienrollos; Beschluss vom 3. April 2014 - I ZB 42/11, GRUR 2014, 706 [juris Rn. 11] = WRP 2014, 719 - Reichweite des Unterlassungsgebots).

Dies ändert jedoch nichts daran, dass das Charakteristische der konkreten Verletzungsform, das für die Bestimmung des Kerns der verbotenen Handlung maßgeblich ist, auf das beschränkt ist, was bereits Prüfungsgegenstand im Erkenntnisverfahren gewesen ist (vgl. BVerfG, GRUR 2022, 1089 [juris Rn. 25]; BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 - I ZB 79/11, GRUR 2013, 1071 [juris Rn. 14] = WRP 2013, 1485; BGH, GRUR 2014, 706 [juris Rn. 13] - Reichweite des Unterlassungsgebots; KG, GRUR-RR 2021, 547 [juris Rn. 16]). Ist das nicht der Fall, muss die Zuordnung einer Handlung zum Kernbereich des Verbots unterbleiben (vgl. BGH, GRUR 2013, 1071 [juris Rn. 18]; KG, GRUR-RR 2021, 547 [juris Rn. 16]; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 12 Rn. 5.4). Das gilt auch dann, wenn das Gericht in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich offengelassen hat, ob die Voraussetzungen eines (weiteren) Wettbewerbsverstoßes erfüllt sind. Eine entsprechende Verletzungshandlung war dann zwar Teil des Erkenntnisverfahrens, ist aber nicht in die Verurteilung einbezogen worden (vgl. BGH, GRUR 2014, 706 [juris Rn. 12] - Reichweite des Unterlassungsgebots; KG, GRUR-RR 2021, 547 [juris Rn. 16]) und kann nicht als bereits implizit mitgeprüft erachtet werden. Das jedoch ist Voraussetzung für die Einbeziehung in den Kernbereich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 1990 - 2 BvR 1253/90, juris Rn. 1; Teplitzky/Feddersen, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 57 Rn. 12).

dd) Nach diesen Maßstäben erweist sich der Unterlassungstitel im Streitfall als hinreichend bestimmt.

(1) Der Tenor des Titels enthält eine Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform in Form einer Vielzahl von Abbildungen des beanstandeten Regalsystems.

(2) In den Entscheidungsgründen hat das Berufungsgericht offengelassen, ob ein Unterlassungsanspruch auch unter dem Gesichtspunkt einer vermeidbaren Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UWG aF (§ 4 Nr. 3 Buchst. a UWG nF) und/oder einer unangemessenen Ausnutzung der Wertschätzung nach § 4 Nr. 9 Buchst. b Fall 1 UWG aF (§ 4 Nr. 3 Buchst. b Fall 1 UWG nF) gegeben ist und hat die Verurteilung der Schuldnerin allein auf eine unangemessene Beeinträchtigung der Wertschätzung der nachgeahmten Ware gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b Fall 2 UWG aF (§ 4 Nr. 3 Buchst. b Fall 2 UWG nF) gestützt. Zur Begründung hat es ausgeführt, das von der Schuldnerin vertriebene Regalsystem bleibe nach dem Sachverständigengutachten in einzelnen Teilen (Rückwände, Fußteile, Fachböden unter bestimmten Bedingungen) qualitativ hinter dem Regalsystem der Gläubigerin zurück. Bei bestimmten Mischungen von Regalteilen der Parteien (Rückwände untereinander; Kombination von Säulen der Gläubigerin und Fußteilen der Schuldnerin) entstünden außerdem Qualitätsbeeinträchtigungen, so dass die Teile der Beklagten letztlich nicht mit denen der Klägerin kompatibel seien.

Danach liegt im Streitfall das Charakteristische der konkreten Verletzungsform in der qualitativen Minderwertigkeit des Regalsystems der Beklagten sowie der fehlenden Kompatibilität einzelner Teile. Dagegen ist die Gefahr einer Herkunftstäuschung entgegen der Auffassung der Gläubigerin nicht vom Unterlassungstitel umfasst; das Berufungsgericht hat eine solche nach Zurückverweisung durch den Senat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - I ZR 136/11, GRUR 2013, 951 = WRP 2013, 1188 - Regalsystem) in seinem zweiten Berufungsurteil nicht (mehr) festgestellt.

(3) Vom Titel als identisch mit der konkreten Verletzungsform erfasst ist mithin der Vertrieb eines im Tenor des Vollstreckungstitels als konkrete Verletzungsform wiedergegebenen und vom Sachverständigen als qualitativ minderwertig festgestellten Regalsystems. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichts zur fehlenden Kompatibilität einzelner Teile ergibt sich außerdem, dass entgegen der Auffassung der Schuldnerin nicht nur der Vertrieb von zusammengebauten Regalen, sondern auch der Vertrieb qualitativ minderwertiger und/oder nicht mit dem Regalsystem der Gläubigerin kompatibler Einzelteile vom Unterlassungstitel erfasst wird. Ein Verbot des Vertriebs qualitativ gleichwertiger und mit den Teilen der Gläubigerin kompatibler Einzelteile fällt dagegen unter Berücksichtigung des Charakteristischen der konkreten Verletzungsform nicht in den Kernbereich des Vollstreckungstitels.

(4) Inwieweit der Vollstreckungstitel neben dem vom Sachverständigen geprüften und im Tenor abgebildeten freistehenden Regal mit einer Breite von 100 cm sowie dessen qualitativ minderwertigen und/oder nicht kompatiblen Einzelteilen auch Regalsysteme und/oder Einzelteile einer anderen Breite als kerngleich im Sinne der oben dargestellten Maßstäbe (Rn. 10 f.) erfasst, hat das Vollstreckungsgericht im Rahmen der Auslegung zu prüfen. Dabei wird es insbesondere die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den vom Sachverständigen festgestellten Mängeln berücksichtigen und die Frage beantworten müssen, ob diese Mängel auf Regalsysteme und/oder Einzelteile anderer Breite zu übertragen sind. Der Umstand, dass der Titel insoweit vom Prozessgericht als Vollstreckungsgericht (§ 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO) anhand der Entscheidungsgründe ausgelegt werden muss, hindert nicht seine Bestimmtheit (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 1989 - I ZR 85/87, BGHZ 107, 136 [juris Rn. 24] - Bioäquivalenz-Werbung).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Koch Schwonke Feddersen Schmaltz Odörfer Vorinstanzen: LG Köln, Entscheidung vom 11.08.2010 - 84 O 116/09 OLG Köln, Entscheidung vom 04.06.2021 - 6 U 152/10 -

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