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6 StR 231/23

BUNDESGERICHTSHOF StR 231/23 BESCHLUSS vom 12. Juli 2023 in der Strafsache gegen wegen Mordes ECLI:DE:BGH:2023:120623B6STR231.23.0 Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juli 2023 beschlossen:

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 2. März 2023 aufgehoben; jedoch haben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen Bestand.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den Feststellungen tötete die Angeklagte, die mit ihrem Ehemann und der gemeinsamen drei Monate alten Tochter ein Zimmer in einer Asylbewerberunterkunft bewohnte, sich aber zunehmend allein gelassen und hilflos fühlte, das Kind dort am Abend des 6. August 2022 mit mehreren Messerstichen. Zum Tatzeitpunkt befand sich ihr Ehemann etwa 360 Meter von dem Gebäude, in dem sich das von der Familie bewohnte Zimmer befand, entfernt im Außenbereich des Geländes.

Das Landgericht hat die Tat als Mord gewürdigt. Die Angeklagte habe heimtückisch gehandelt, indem sie die vorübergehende Abwesenheit ihres Ehemannes, der nicht mit einem Angriff auf das Kind gerechnet habe und als schutzbereiter Dritter anzusehen sei, bewusst zur Begehung der Tat ausgenutzt habe.

2. Der Schuldspruch wegen Mordes hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Urteilsfeststellungen belegen das Mordmerkmal der Heimtücke nicht.

a) Bei der Tötung eines wenige Wochen oder Monate alten Kleinkindes kommt es für die Frage der Heimtücke nicht auf dessen Arg- und Wehrlosigkeit an, weil es aufgrund seines Alters noch nicht zu Argwohn und Gegenwehr fähig ist, sondern auf die Arg- und Wehrlosigkeit eines im Hinblick auf das Kind schutzbereiten Dritten (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2014 – 1 StR 340/14, NStZ 2015, 215). Dies ist jede Person, die den Schutz des Kindes vor Leib- oder Lebensgefahr dauernd oder vorübergehend übernommen hat und im Tatzeitpunkt entweder tatsächlich ausübt oder dies deshalb nicht tut, weil sie dem Täter vertraut (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2012 – 2 StR 309/12, NStZ 2013, 158) oder vom Täter ausgeschaltet wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 5 StR 401/05, NStZ-RR 2006, 43).

Der potentiell schutzbereite Dritte muss nach den Umständen des Einzelfalls den Schutz wirksam erbringen können. Dies setzt zwar nicht voraus, dass er unmittelbar zugegen ist, unerlässlich ist aber eine „gewisse räumliche Nähe“ (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 21. November 2012 – 2 StR 309/12, aaO; vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93, 94). An diesem Erfordernis fehlt es jedenfalls dann, wenn aufgrund der räumlichen Entfernung vom Tatort der tödliche Angriff schon gar nicht wahrgenommen werden kann und eine Gegenwehr des Dritten auch deshalb zu spät käme, weil hierfür erst eine erhebliche räumliche Distanz überwunden werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2014 – 1 StR 340/14, aaO).

b) Hieran gemessen begegnet die Ansicht des Landgerichts, der Ehemann der Angeklagten sei im Zeitpunkt des Angriffs auf das Leben des Kindes „schutzbereiter Dritter“ gewesen, durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Aus den bislang getroffenen Feststellungen ergibt sich schon nicht, dass er an seinem Standort im Außenbereich des Geländes die Möglichkeit hatte, einen Angriff auf das Kind – etwa einen Schrei nach einer ersten Verletzung – wahrzunehmen; mit Blick auf die festgestellte Entfernung von 360 Metern liegt dies auch fern.

2. Es kommt wegen dieses Rechtsfehlers nicht mehr darauf an, dass sich die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils zu einem Ausnutzungsbewusstsein der Angeklagten als lückenhaft erweist. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden Erwägungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts.

3. Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen haben Bestand; sie können durch ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.

Feilcke Tiemann Fritsche von Schmettau Arnoldi Vorinstanz: Landgericht Schweinfurt, 02.03.2023 - 1 Ks 11 Js 9519/22

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