XII ZB 503/24
BUNDESGERICHTSHOF XII ZB 503/24 BESCHLUSS vom 8. Oktober 2025 in dem familiengerichtlichen Verfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR:
ja JNEU:
nein GVG §§ 17 a Abs. 2 Satz 3, Abs. 6; FamFG §§ 111 Nr. 6, 210; GewSchG § 1; BGB § 823 G, L, § 1004 a) Stützt der Anspruchsteller einen Verletzungsunterlassungsanspruch nach §§ 823, 1004 BGB auf einen Sachverhalt, der den Tatbestand von § 1 GewSchG erfüllt, ergibt sich hieraus nach §§ 111 Nr. 6, 210 FamFG die zwingende funktionelle Zuständigkeit des Familiengerichts. Es besteht für den Anspruchsteller im persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des Gewaltschutzgesetzes kein Wahlrecht, den Erlass von im Gewaltschutzverfahren ECLI:DE:BGH:2025:081025BXIIZB503.24.0 möglichen Schutzanordnungen entweder vor den Familiengerichten oder - unter Verzicht auf die verfahrensrechtlichen Besonderheiten des Gewaltschutzgesetzes - vor den allgemeinen Zivilgerichten geltend zu machen.
b) Wird dem Familiengericht durch eine fehlerhafte, aber nach § 17 a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 6 GVG bindende Verweisung eine allgemeine Zivilsache aufgedrängt, hat es die volle Rechtsschutzfunktion zu übernehmen, die eigentlich der verweisende Spruchkörper für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten wahrzunehmen gehabt hätte. Es hat den geltend gemachten Anspruch - unter Anwendung der dem Rechtsschutzbedürfnis des Anspruchstellers und dem Verfahrensgegenstand am ehesten gerecht werdenden Verfahrensvorschriften seiner eigenen Gerichtsbarkeit - materiell-rechtlich zu prüfen und zu bescheiden (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 18. September 2024 - XII ZR 116/23 - FamRZ 2025, 42).
BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2025 - XII ZB 503/24 - KG Berlin AG Kreuzberg Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Oktober 2025 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur und die Richterinnen Dr. Krüger und Dr. Recknagel beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers werden die Beschlüsse des 13. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 27. September 2024 und des Amtsgerichts Kreuzberg vom 2. Mai 2024 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die hilfsweise gestellten Unterlassungsanträge des Antragstellers aus der Antragsschrift vom 16. Juni 2022 abgewiesen worden sind und die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Amtsgericht - Abteilung für Familiensachen - Kreuzberg zurückverwiesen. Wert: 2.000 €
Gründe: A.
Der Antragsteller ist Hauptpächter einer Kleingartenparzelle auf dem Vereinsgelände eines Gartenvereins. Er nimmt den Antragsgegner, den ehemaligen Pächter einer anderen Parzelle auf dem Gelände des Gartenvereins, auf Unterlassung in Gestalt von Betretungs- und Näherungsverboten in Anspruch.
Am 19. Februar 2021 verschaffte sich der Antragsgegner unbefugten Zutritt zur Parzelle des Antragstellers, begoss dort mehrere Pflanzenkübel und freistehende Pflanzen mit einer schädlichen Substanz und beschädigte ein auf dem Grundstück abgestelltes Fahrrad. Der Antragsteller erwirkte - ebenso wie die Unterpächter seines Kleingartens - gegen den Antragsgegner am 24. Februar 2021 bei dem Familiengericht K. eine einstweilige Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz, die ein bis zum 24. August 2021 befristetes Betretungs- und Näherungsverbot in Bezug auf die Kleingartenparzelle des Antragstellers aussprach. Am 27. Februar 2021 schlossen die Beteiligten als Ergebnis einer im Gartenverein durchgeführten „Schlichtungsverhandlung“ eine von ihnen und von Vertretern des Gartenvereins unterzeichnete Vereinbarung, die unter anderem das Ausscheiden des Antragsgegners aus dem Gartenverein zum 1. März 2021 beinhaltete und in der es dem Antragsgegner untersagt wurde, die Parzelle des Antragstellers zu betreten oder sich ihr ohne vorherige Zustimmung „auf mehr als“ 20 Meter zu nähern, solange der Antragsteller oder seine Unterpächter Nutzer dieser Parzelle seien. Im Hinblick auf diese Vereinbarung sprach das Familiengericht K. am 7. April 2021 die Erledigung des einstweiligen Anordnungsverfahrens aus. In der Folgezeit kam es innerhalb des Gartenvereins zu Meinungsverschiedenheiten im Hinblick auf einen möglichen Wiedereintritt des Antragsgegners. In einem an die Unterpächterin des Antragstellers gerichteten Schreiben vom 7. Juni 2022 teilte der Antragsgegner mit, dass die gerichtliche Anordnung im August 2021 ausgelaufen sei und er sich durch das „Schreiben zum Vereinsausschluss“ nicht gebunden fühle, da dieses einen unverhältnismäßigen Inhalt habe.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 16. Juni 2022 vor der Zivilabteilung des Amtsgerichts L. Klage erhoben und den Ausspruch von ordnungsmittelbewehrten Betretungs- und Näherungsverboten in Bezug auf sein Kleingartengrundstück beantragt. Das Amtsgericht L. hat mit Beschluss vom 15. September 2022 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren an das Familiengericht K. verwiesen, welches seinerseits mit Beschluss vom 24. November 2022 die Übernahme abgelehnt und die Sache dem Kammergericht zur „Bestimmung des sachlich zuständigen Gerichts“ vorgelegt hat. Das Kammergericht hat mit Beschluss vom 1. Dezember 2022 die angetragene Zuständigkeitsbestimmung mit der Begründung abgelehnt, dass der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts L. mangels Zustellung nicht in Rechtskraft habe erwachsen können, so dass die Sache dort anhängig geblieben sei; im Übrigen hat das Kammergericht auf die Anfechtbarkeit von Rechtswegverweisungen hingewiesen. Gegen den anschließend vom Amtsgericht L. förmlich zugestellten Verweisungsbeschluss vom 15. September 2022 hat sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde gewendet, die das Landgericht mit Beschluss vom 10. März 2023 zurückgewiesen hat.
Im Erörterungstermin vor dem Familiengericht K. am 28. Februar 2024 hat der Antragsteller die Verweisung des Verfahrens an die Zivilprozessabteilung des örtlich zuständigen Amtsgerichts beantragt und hilfsweise den Antrag aus seinem verfahrenseinleitenden Schriftsatz vom 16. Juni 2022 gestellt. Das Familiengericht hat die Anträge durch Beschluss vom 2. Mai 2024 insgesamt zurückgewiesen und dies im Hinblick auf die hilfsweise gestellten Unterlassungsanträge damit begründet, dass Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz mangels Wiederholungsgefahr ersichtlich nicht mehr zu ergreifen und die auf die Schlichtungsvereinbarung vom 27. Februar 2021 gestützten Ansprüche vor den Zivilgerichten geltend zu machen seien. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist vor dem Kammergericht ohne Erfolg geblieben.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen auf den Ausspruch von Betretungs- und Näherungsverboten gerichteten Hilfsantrag weiter.
B.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung der Beschlüsse von Beschwerdegericht und Familiengericht und zur Zurückverweisung der Sache an die Familienabteilung des Amtsgerichts.
I.
Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt:
Die Entscheidung des Familiengerichts hinsichtlich der Ablehnung einer (Weiter-)Verweisung des Verfahrens an ein Zivilgericht sei nicht zu beanstanden. Die Verweisung der Zivilabteilung des Amtsgerichts an das örtlich zuständige Familiengericht sei nach Zurückweisung der sofortigen Beschwerde durch das Landgericht bindend geworden. Die Entscheidung des Landgerichts sei nicht objektiv willkürlich gewesen, sondern maßgeblich auf den verwirrenden Vortrag des Antragstellers in seiner Antragsschrift zurückzuführen. Soweit der Antragsteller im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gegen den Verweisungsbeschluss klargestellt habe, dass es um die Durchsetzung der Schlichtungsvereinbarung gehe, hätte die Berücksichtigung dieses Vortrags möglicherweise zu einer anderen Einschätzung des Landgerichts geführt und es sei deshalb anzuerkennen, dass dessen Entscheidung fehlerhaft gewesen sei. Eine Anhörungsrüge habe der Antragsteller aber nicht eingelegt. Die erneute Verweisung an ein Zivilgericht habe auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Antragsänderung erfolgen können, denn dem Begehren des Antragstellers liege auch nach der Verweisungsentscheidung des Landgerichts ein unveränderter Lebenssachverhalt zugrunde.
Schließlich habe das Amtsgericht ebenfalls mit Recht abgelehnt, zivilrechtliche Ansprüche des Antragstellers „im Rahmen des Gewaltschutzverfahrens“ zu prüfen. Dabei sei umstritten, ob die Prüfung auch zivilrechtlicher Ansprüche nach §§ 823, 1004 BGB jedenfalls dann geboten sei, wenn sich der Antrag neben einem Antrag nach § 1 GewSchG auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt beziehe. Im vorliegenden Fall habe der Antragsteller indessen zu keinem Zeitpunkt Ansprüche nach dem Gewaltschutzgesetz dargelegt, sondern in der Antragsschrift allenfalls in losem Zusammenhang auf eine Wiederholungsgefahr im Sinne des Gewaltschutzgesetzes hingewiesen. Wäre das Verfahren nur deshalb nach den Vorschriften des Familienverfahrensrechts zu führen, hätte es der Anspruchsteller in der Hand, durch bloße Benennung des Gewaltschutzgesetzes die erleichterten Verfahrensvorschriften in Familiensachen - insbesondere den Amtsermittlungsgrundsatz und die erleichterten Beweismöglichkeiten - für sich zu nutzen. Die Voraussetzungen dafür seien nicht gegeben.
II.
Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Das Beschwerdegericht geht ersichtlich selbst davon aus, dass das Verfahren keine in die Zuständigkeit der Familiengerichte fallende Gewaltschutzsache im Sinne von §§ 111 Nr. 6, 210 FamFG zum Gegenstand hat. Gegen diese Beurteilung lassen sich keine durchgreifenden Bedenken erheben.
a) Nach § 1 GewSchG hat das Gericht auf Antrag die zum Schutz des Geschädigten erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn der Täter vorsätzlich den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person widerrechtlich verletzt hat (§ 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG). Dem steht es gleich, wenn der Täter mit einer solchen Verletzungshandlung widerrechtlich gedroht hat (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewSchG) oder in die Wohnung oder in das befriedete Besitztum einer anderen Person widerrechtlich und vorsätzlich eingedrungen ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. a GewSchG) oder eine andere Person durch wiederholtes Nachstellen oder die Nutzung von Fernkommunikationsmitteln unzumutbar belästigt hat (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG). Stützt der Geschädigte seinen Anspruch auf einen Sachverhalt, der den Tatbestand des § 1 GewSchG erfüllt, ergibt sich hieraus nach §§ 111 Nr. 6, 210 FamFG die Zuständigkeit des Familiengerichts, das sein Verfahren nach den Regeln zu führen hat, die sich aus dem allgemeinen Teil des Familienverfahrensgesetzes und ergänzend aus den §§ 211 bis 216 a FamFG ergeben.
Es besteht für den Anspruchsteller im persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des Gewaltschutzgesetzes kein Wahlrecht, den Erlass von im Gewaltschutzverfahren möglichen Schutzanordnungen entweder vor den Familiengerichten oder - unter Verzicht auf die verfahrensrechtlichen Besonderheiten des Gewaltschutzgesetzes - vor den allgemeinen Zivilgerichten geltend zu machen (aA Johannsen/Henrich/Althammer/Dürbeck Familienrecht 7. Aufl. § 210 FamFG Rn. 7; Schwab FS Picker S. 743, 759). Zwar hat der Gesetzgeber § 1 GewSchG als ausschließlich verfahrensrechtliche Vorschrift konzipiert
(vgl. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2014 - XII ZB 373/11 - FamRZ 2014, 825 Rn. 13) und die dort regelbeispielhaft genannten Schutzanordnungen könnten beim Vorliegen eines materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruchs analog §§ 823, 1004 BGB - wie vor dem Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes - ohne weiteres auch von einem allgemeinen Zivilgericht ausgesprochen werden (vgl. MünchKommBGB/Duden 9. Aufl. § 3 GewSchG Rn. 4; Cirullies/Cirullies Schutz bei Gewalt und Nachstellung 3. Aufl. Rn. 20; Löhnig/Gietl Zivilrechtlicher Gewaltschutz 3. Aufl. Rn. 80). Der Gesetzgeber hat indessen die Frage nach der funktionellen Zuständigkeit im Verhältnis der Spruchkörper für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten und Familiensachen untereinander durch § 17 a Abs. 6 GVG ausdrücklich den Regeln über die Rechtswegzuständigkeit unterstellt. Der Rechtsweg unterliegt nicht der Disposition der Beteiligten (vgl. BGH Beschluss vom 7. November 1996 - IX ZB 15/96 - NJW 1997, 328) und ein Wahlrecht des Anspruchstellers in Bezug auf den eröffneten Rechtsweg ist dem Gesetz daher grundsätzlich fremd. Im Übrigen kann ein Beteiligter den Verfahrensgegenstand und damit auch die Rechtsanwendung durch das Gericht grundsätzlich nicht auf eine bestimmte rechtliche Bewertung eines Sachverhalts begrenzen (vgl. Stein/Jonas/Kern ZPO 23. Aufl. vor § 128 Rn. 190); ebenso wenig kann dem Anspruchsteller ohne eine besondere gesetzliche Grundlage zugestanden werden, gegen die Anwendung eines eigentlich einschlägigen Verfahrensrechts zu optieren.
b) Ob bei Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs im Zusammenhang mit Gewalt oder Nachstellungen eine Gewaltschutzsache oder eine allgemeine Zivilsache vorliegt, ist nach allgemeinen Grundsätzen durch Auslegung des Antrags zu ermitteln (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 251; Cirullies in Dutta/Jacoby/Schwab FamFG 4. Aufl. § 210 Rn. 6).
Die von dem Antragsteller einleitend auf „§§ 823 Abs. 1 i.V.m. 1004 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 303, 123 StGB i.V.m. 1004 BGB, §§ 241, 311 BGB“ gestützte Begründung seiner Klage vom 16. Juni 2022 hat für sich genommen allerdings mehrere Deutungen zugelassen. Einerseits hat sich der Antragsteller darauf bezogen, dass der Antragsgegner am 19. Februar 2021 widerrechtlich in die von ihm gepachtete Kleingartenparzelle eingedrungen sei, und insoweit auf obergerichtliche Rechtsprechung hingewiesen, wonach die Verwirklichung des Tatbestandes von § 1 Abs. 1 und 2 GewSchG die Wiederholungsgefahr indiziere. Andererseits hat der Antragsteller auf den Inhalt der „Schlichtungsvereinbarung“ vom 27. Februar 2021 und darauf verwiesen, dass in jedem Fall der dort „vergleichsweise geregelte Abstand von 20 Metern vollstreckungsfähig“ ausgestaltet werden müsse, weil der Antragsgegner sich an die von ihm unterschriebene Vereinbarung ausweislich seines Schreibens vom 7. Juni 2022 nicht mehr gebunden fühle.
Bei dem auf die Anlasstat vom 19. Februar 2021 gegründeten Verletzungsunterlassungsanspruch wegen Wiederholungsgefahr (der als Gewaltschutzsache in die Zuständigkeit der Familiengerichte fallen würde) und dem auf die Vereinbarung vom 27. Februar 2021 gestützten vertraglichen Unterlassungsanspruch (der vor den allgemeinen Zivilgerichten zu verfolgen wäre) handelt es sich schon deshalb um verschiedene Verfahrensgegenstände und damit um verschiedene prozessuale Ansprüche, weil sie auf unterschiedlichen Lebenssachverhalten beruhen. Welcher der beiden in Betracht kommenden prozessualen Ansprüche von dem Antragsteller geltend gemacht werden sollte oder ob möglicherweise sogar eine Anspruchshäufung - mit der Folge, dass das angegangene Gericht für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten (nur) den rechtswegfremden Anspruch abzutrennen und an das zuständige Familiengericht zu verweisen gehabt hätte (vgl. auch Senatsbeschluss vom 21. Oktober 2021 - XII ZB 276/20 FamRZ 2021, 113 Rn. 13 ff.) - beabsichtigt war, lässt sich der Klagebegründung selbst nicht eindeutig entnehmen. Die zulässige (Mit-)Verfolgung eines in die familiengerichtliche Zuständigkeit fallenden Verletzungsunterlassungsanspruchs vor der angerufenen Zivilprozessabteilung des Amtsgerichts aufgrund eines von dem Antragsteller möglicherweise ausgeübten Wahlrechts kommt - wie bereits dargelegt - aus Rechtsgründen nicht in Betracht.
Das Beschwerdegericht hat indessen zur Auslegung des Rechtsschutzbegehrens ergänzend auch die im Schriftsatz vom 14. Februar 2023 enthaltene Stellungnahme des Antragstellers im Rechtswegbeschwerdeverfahren herangezogen, wonach es ihm „um die Umsetzung bzw. Durchsetzung der Schlichtungsvereinbarung vom 27. Februar 2021“ gehe und insofern die „Angelegenheit in den Bereich der ordentlichen Gerichte fallen“ dürfte. Die darauf beruhende Beurteilung des Beschwerdegerichts, dass der Antragsteller mit seinem Antrag nur einen schuldrechtlichen Unterlassungsanspruch und keinen als Gewaltschutzsache in die Zuständigkeit der Familiengerichte fallenden Verletzungsunterlassungsanspruch verfolgt, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Auch die Rechtsbeschwerde hält dies für richtig.
2. Das Beschwerdegericht hat ebenfalls zutreffend angenommen, dass der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts L. vom 15. September 2021 nach seiner rechtskräftigen Bestätigung im Rechtswegbeschwerdeverfahren durch den Beschluss des Landgerichts vom 10. März 2023 nach § 17 a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 6 GVG hinsichtlich der funktionellen Zuständigkeit der Familiengerichte bindend geworden ist.
Ein Beschluss zur Verweisung des Rechtsstreits an das Gericht eines anderen Rechtswegs unter Erklärung der Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs ist dabei der nochmaligen Überprüfung im weiteren Verfahren des Emp- fangsgerichts entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Sofern das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt oder zurückgenommen worden oder erfolglos geblieben ist, wird die Verweisung für das Empfangsgericht hinsichtlich des eröffneten Rechtswegs gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend; dies gilt gemäß § 17 a Abs. 6 GVG für das Verhältnis der für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten zuständigen Spruchkörper zu den Familiengerichten entsprechend. Diese Bindungswirkung entfällt - anders als bei Verweisungsbeschlüssen nach § 281 ZPO oder § 3 FamFG - wegen der nach § 17 a Abs. 4 Satz 3 bis 6 und Abs. 6 GVG gegebenen Anfechtungsmöglichkeiten auch dann nicht ohne weiteres, wenn sich die Verweisung als objektiv willkürlich erweist (vgl. BGH Beschlüsse vom 19. Mai 2015 - X ARZ 61/15 - NJW-RR 2015, 957 Rn. 9 und vom 29. April 2014 - X ARZ 172/14 - NJW 2014, 2125 Rn. 12). Zutreffend ist die Beurteilung des Beschwerdegerichts, dass selbst ein Gehörsverstoß im Rechtswegverweisungsverfahren, der dort durch eine Anhörungsrüge hätte geltend gemacht werden können, die Bindungswirkung der Verweisung nicht in Frage stellen kann (vgl. auch BGH Beschluss vom 8. Juli 2003 - X ARZ 138/03 - NJW 2003, 2990, 2991 zu Gehörsverstößen des Ausgangsgerichts).
3. Indessen hat das Beschwerdegericht - wie die Rechtsbeschwerde zutreffend beanstandet - die (weiteren) Rechtswirkungen einer zu Unrecht ausgesprochenen, für das Empfangsgericht aber bindenden Verweisung nicht in ihrem vollen Umfang erkannt.
a) Wie der Senat bereits entschieden hat, führt eine fehlerhafte, aber gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 6 GVG bindende Rechtswegverweisung jedenfalls im Verhältnis der für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten und Familiensachen zuständigen Spruchkörper der ordentlichen Gerichtsbarkeit untereinander dazu, dass das Empfangsgericht bei der Fortführung des Verfahrens grundsätz- lich die Prozess- oder Verfahrensordnung seiner eigenen Gerichtsbarkeit („Hausverfahrensordnung“) anzuwenden hat, und zwar nicht nur in der ersten Instanz, sondern auch in den Rechtsmittelinstanzen (vgl. Senatsbeschluss vom 18. September 2024 - XII ZR 116/23 - FamRZ 2025, 42 Rn. 20 ff.). Wird danach - wie hier - eine in die Zuständigkeit der Spruchkörper für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten fallende allgemeine Zivilsache rechtsfehlerhaft, aber bindend an die Familiengerichtsbarkeit verwiesen, haben die Familiengerichte ihr weiteres Verfahren nach den Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu führen. Dem entspricht das Verfahren der Instanzgerichte grundsätzlich, wenn auch das Familiengericht in erster Instanz möglicherweise der irrigen Auffassung war, ihm sei als Verfahrensgegenstand (auch) ein als Gewaltschutzsache zu behandelnder Verletzungsunterlassungsanspruch angefallen.
b) Das Beschwerdegericht hat indessen verkannt, dass mit der rechtsfehlerhaften, aber bindenden Verweisung auch in materiell-rechtlicher Hinsicht eine Erweiterung der Prüfungskompetenz des Empfangsgerichts verbunden ist. Dieses hat als Folge der bindenden Verweisung die volle Rechtsschutzfunktion zu übernehmen, die eigentlich das verweisende Ausgangsgericht wahrzunehmen gehabt hätte. Insbesondere hat das Empfangsgericht - im Rahmen seiner eigenen Verfahrensordnung - das für den Verfahrensgegenstand tatsächlich einschlägige materielle Recht anzuwenden (vgl. Senatsbeschluss vom 18. September 2024 - XII ZR 116/23 - FamRZ 2025, 42 Rn. 26; vgl. auch BVerwG NJW 1967, 2128, 2130; BFH Rpfleger 1992, 82; OLG Hamm OLGZ 1990, 291, 295 f.; OLG Karlsruhe OLGZ 1986, 129, 131). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass das Beschwerdegericht den an sich „rechtswegfremden“ schuldrechtlichen Unterlassungsanspruch des Antragstellers materiell-rechtlich zu prüfen und zu bescheiden gehabt hätte. Um dem Rechtsschutzanspruch des Anspruchstellers trotz der fehlerhaften Verweisung gerecht werden zu können, durfte das Beschwerdegericht von dieser Prüfung nicht mit der Begründung absehen, dass der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt Ansprüche nach dem Gewaltschutzgesetz dargelegt habe und ihm daher die Verfahrenserleichterungen des Familienverfahrensrechts nicht zugutekommen dürften.
Auf die vom Beschwerdegericht in diesem Zusammenhang für entscheidungserheblich und zulassungsrelevant erachtete Rechtsfrage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Familiengericht in einer Gewaltschutzsache unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der rechtswegübergreifenden Entscheidungskompetenz entsprechend § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG berechtigt ist, (auch) über einen in die Zuständigkeit der allgemeinen Zivilgerichte fallenden Unterlassungsanspruch zu entscheiden, wenn sich dieser Anspruch und der von dem Anspruchsteller im Rahmen eines Gewaltschutzverfahrens geltend gemachte Unterlassungsanspruch auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt beziehen, kommt es nicht an. Denn die Kompetenz der Familiengerichte, über den von dem Antragsteller (allein) geltend gemachten vertraglichen Unterlassungsanspruch zu befinden, ergibt sich unter den hier obwaltenden Umständen bereits aus der Bindungswirkung der Verweisung nach § 17 a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 6 GVG.
4. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Sie ist gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an die Familienabteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen, um diesem Gelegenheit zu geben, das Verfahren nach den Regeln über die Familienstreitsachen unter weitgehender Anwendung von Vorschriften der Zivilprozessordnung (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG) zu führen, weil dies dem Wesen des Rechtsstreits bei einer irrtümlich an die Familiengerichte verwiesenen allgemeinen Zivilprozesssache am ehesten gerecht wird (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 18. September 2024 - XII ZR 116/23 - FamRZ 2025, 42 Rn. 23 und 26). Der Senat sieht entsprechend dem Rechtsgedanken von § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 ZPO und §§ 128 Abs. 4, 577 Abs. 6 Satz 1 ZPO von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren der Rechtsbeschwerde ab, weil über den vom Antragsteller geltend gemachten vertraglichen Unterlassungsanspruch bislang noch keine Sachentscheidung ergangen ist.
Guhling Krüger Nedden-Boeger Recknagel Botur Vorinstanzen: AG Kreuzberg, Entscheidung vom 02.05.2024 - 149 F 6082/23 KG Berlin, Entscheidung vom 27.09.2024 - 13 UF 65/24 -