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V ZB 275/11

BUNDESGERICHTSHOF V ZB 275/11 BESCHLUSS vom 30. August 2012 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. August 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub und die Richterin Weinland beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 8. November 2011 zu Ziffer 1 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Simmern vom 23. August 2011 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Rhein-HunsrückKreis auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

Der Betroffene, ein albanischer Staatsangehöriger, wurde am 22. August 2011 auf dem Flughafen Hahn festgenommen, nachdem er versucht hatte, mit einer verfälschten griechischen Identitätskarte nach Großbritannien einzureisen und von den dortigen Grenzbehörden zurückgewiesen worden war.

Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht am 23. August 2011 Sicherungshaft für die Dauer von 90 Tagen angeordnet. Die Beschwerde des Betroffenen, die er nach seiner Abschiebung am 30. August 2011 auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inhaftierung gerichtet hat, ist von dem Landgericht zurückgewiesen worden. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts war der Haftantrag zulässig und begründet. Es hätten die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG aF vorgelegen. Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft mit der Abschiebung sei eingeholt und in einem Parallelverfahren aktenkundig gemacht worden.

III.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. a) Die Anordnung der Haft war schon deshalb rechtswidrig, weil es an einem zulässigen Haftantrag nach § 417 FamFG fehlte. Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211, Rn. 12; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512, Rn. 7). Der Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO, Rn. 14; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, aaO, Rn. 8; Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 133/10, Rn. 7, juris).

Zu den in dem Haftantrag darzulegenden Abschiebungsvoraussetzungen gehört das nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG notwendige Einvernehmen der Staatsanwaltschaft. Ist - wovon das Beschwerdegericht hier ausgeht - für den Haftrichter erkennbar, dass gegen den Betroffenen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist, muss der Antrag daher Angaben zu dem Vorliegen des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft enthalten (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144, Rn. 9). Anders als das Beschwerdegericht meint, genügt es nicht, dass das Einvernehmen tatsächlich erteilt wurde und dies irgendwo dokumentiert ist. Die in dem Haftantrag enthaltenen Darlegungen sollen dem Betroffenen eine Grundlage für seine Verteidigung geben (Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512, Rn. 12). Er muss daher auch erkennen können, woraus die antragstellende Behörde die Zustimmung der Staatsanwaltschaft entnimmt; andernfalls kann er nicht überprüfen, ob das Einvernehmen für seinen Fall tatsächlich erteilt worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448, Rn. 8).

b) Der Mangel des Haftantrags wäre zwar - mit Wirkung für die Zukunft geheilt worden, wenn die Beteiligte zu 2 die fehlenden Angaben nachgeholt und der Betroffene Gelegenheit erhalten hätte, dazu in einer persönlichen Anhörung Stellung zu nehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. September 2011 - V ZB 61/11, Rn. 8, juris; Beschluss vom 6. Oktober 2011 - V ZB 188/11, Rn. 12 f., juris). Hierzu ist es aber nicht gekommen.

2. a) Darüber hinaus war die Haftanordnung rechtswidrig, weil das Amtsgericht den Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat. Dieser rügt zu Recht, dass ihm der Haftantrag nicht ausgehändigt worden ist. Dabei kann dahinstehen, ob die Eröffnung des Haftantrags erst zu Beginn der Anhörung ausreichend gewesen wäre (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 330, Rn. 16). Denn aus dem Anhörungsprotokoll geht nicht hervor, dass ihm, wie nach der ständigen Rechtsprechung des Senats erforderlich, der Haftantrag vor Erlass der Haftanordnung in Kopie ausgehändigt worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011, 257, Rn. 8 f.; Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11, Rn. 9, juris; Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 48/12, Rn. 10, juris). Festgehalten ist lediglich, ihm sei "der Sachverhalt vorgetragen" worden, also mündlich bekannt gegeben worden. Das genügt nicht (vgl. näher Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11, aaO). Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene nicht in der Lage war, sich zu sämtlichen Angaben der beteiligten Behörde (vgl. § 417 Abs. 2 FamFG) zu äußern.

b) Eine - wiederum nur mit Wirkung ex-nunc mögliche - Heilung des Verstoßes gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs ist nicht erfolgt. Zwar vermochte der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen durch die in dem Beschwerdeverfahren gewährte Akteneinsicht Kenntnis von dem vollständigen Haftantrag erlangen. Infolge der zeitgleich erfolgten Abschiebung konnte der Betroffene hierzu aber nicht mehr angehört werden (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11, Rn. 12, juris).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 u. 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.

Krüger Schmidt-Räntsch Stresemann Czub Weinland Vorinstanzen: AG Simmern, Entscheidung vom 23.08.2011 - 10 XIV 35/11 B LG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 08.11.2011 - 1 T 141/11 -

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1 430 FamFG
1 30 KostO
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