10 W (pat) 7/11
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 7/11
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend das Patent 100 57 270 wegen Wiedereinsetzung hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 18. April 2013 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und die Richterin Dr. Kober-Dehm beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 152 08.05 Gründe I.
Auf die am 18. November 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Anmeldung wurde dem Patentinhaber das Patent 100 57 270 mit der Bezeichnung „Verfahren und Vorrichtung zur schonenden Lagerung von Patienten“ erteilt.
Das Patentamt wies den Patentinhaber mit Bescheid vom 16. April 2010 (überschrieben mit „Wichtige Mitteilung!“) darauf hin, dass die 10. Jahresgebühr nicht innerhalb der zuschlagfreien Zahlungsfrist von 2 Monaten nach Fälligkeit entrichtet worden sei. Die Jahresgebühr (350 €) mit Verspätungszuschlag (50 €) sei bis zum 31. Mai 2010 zu entrichten, anderenfalls erlösche das Patent. Der Patentinhaber zahlte den genannten Betrag jedoch erst am 24. Juni 2010.
Auf den Hinweis des Patentamts mit Bescheid vom 7. September 2010, wonach das Patent wegen der nicht rechtzeitigen Zahlung der 10. Jahresgebühr erloschen sei, hat der Patentinhaber mit Schreiben vom 23. September 2010, eingegangen am 25. September 2010, Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Zur Begründung ist angegeben, er habe die Zahlungsfrist nicht einhalten können, weil er sich zu dieser Zeit länger dienstlich im Ausland befunden habe. Nach seiner Rückkehr habe er umgehend die Zahlung angewiesen, die am 24. Juni 2010 eingegangen sei. Auf den weiteren Hinweis des Patentamts, dass der Wiedereinsetzungsantrag keine schlüssige Darstellung der Umstände enthalte, aus denen sich Zulässigkeit und Begründetheit der Wiedereinsetzung ergäben und die Angaben zum Auslandsaufenthalt ergänzungsbedürftig seien, hat der Patentinhaber mit Schreiben vom 9. November 2010 seine dienstlichen Reisen in den letzten 6 Wochen vor dem Ende der Zahlungsfrist näher angegeben (u. a. 17. bis 19. Mai, 20. bis 21. Mai, 27. bis 28. Mai, jeweils Österreich). Er hat weiter vorgetragen, es sei hinzugekommen, dass in diesen 6 Wochen ein Systemwechsel und ein Computerwechsel stattgefunden habe und er keinen Laptop für OnlineAnweisungen zur Verfügung gehabt habe. Durch eine unfallbedingte längerfristige Erkrankung seiner Sekretärin seien fast alle ausstehenden Terminangelegenheiten in Verzug geraten.
Das Deutsche Patent- und Markenamt – Patentabteilung 09 – hat durch Beschluss vom 5. Januar 2011 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, der Wiedereinsetzungsantrag enthalte keine schlüssige Darlegung aller Umstände, aus denen ersichtlich sei, warum der Patentinhaber nicht in der Lage gewesen sei, die anfallende Jahresgebühr fristgerecht zu überweisen. Aus seinen Angaben zu den Auslandsaufenthalten gehe hervor, dass sich der Patentinhaber zwischenzeitlich in Deutschland aufgehalten habe. Auch der Unfall seiner Sekretärin stelle keinen Hinderungsgrund dar, die Zahlung fristgerecht anzuweisen. Er hätte die Möglichkeit gehabt, durch eine Einzugsermächtigung bzw. durch Vorabüberweisung die anfallenden Gebühren rechtzeitig zu entrichten können. Die angeführten Gründe für die Fristversäumung lägen alleine im Aufgaben-, Verantwortungs- und Entscheidungsbereich des Patentinhabers.
Hiergegen wendet sich der Patentinhaber mit der Beschwerde, mit der er sinngemäß beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Die Beschwerde begründet der Patentinhaber mit der unglücklich verlaufenen Umstellung der Gebührenüberwachung in seinem Büro. In der Vergangenheit habe er die Gebührenüberwachung selbst vorgenommen. Wegen häufiger Dienstreisen in letzter Zeit habe er seine Sekretärin mit der Gebührenüberwachung beauftragt. In dieser Übergangsphase habe seine Sekretärin einen Unfall erlitten, so dass die geplante Umstellung bei der Gebührenüberwachung ohne sein Verschulden nicht korrekt habe durchgeführt werden können.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Patentamt hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Zahlung der 10. Jahresgebühr zu Recht zurückgewiesen.
1. Der Patentinhaber hat die Frist zur Zahlung der 10. Jahresgebühr mit Zuschlag versäumt. Die nach § 7 Abs. 1 PatG zu zahlende 10. Jahresgebühr ist – ausgehend vom Anmeldetag 18. November 2000 - gemäß § 3 Abs. 2 PatKostG am 30. November 2009 fällig gewesen und konnte gemäß § 7 Abs. 1 PatKostG bis zum 31. Januar 2010 zuschlagfrei, bis zum 31. Mai 2010 mit Verspätungszuschlag gezahlt werden. Der Patentinhaber hat die Jahresgebühr in Höhe von 350 € und den Verspätungszuschlag in Höhe von 50 € jedoch erst am 24. Juni 2010 und damit verspätet gezahlt. Wegen der nicht rechtzeitigen Zahlung der Jahresgebühr ist das Patent 100 57 270 kraft Gesetzes mit Wirkung vom 1. Juni 2010 erloschen (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 PatG).
2. Der vom Patentinhaber wegen Versäumung der Zahlungsfrist gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung ist bereits wegen Überschreitung der zweimonatigen Antragsfrist unzulässig.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Der Wegfall des Hindernisses tritt nicht erst mit positiver Kenntnis von der Fristversäumung, etwa infolge einer Unterrichtung durch das Patentamt, ein, sondern bereits dann, wenn die Säumnis bei Beachtung der zu erwartenden Sorgfalt hätte erkannt werden können (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 123 Rdn. 27). Hiervon ausgehend ist der Wegfall des Hindernisses für eine fristgerechte Zahlung der Jahresgebühr und damit der Beginn der Antragsfrist für die Wiedereinsetzung schon zu dem Zeitpunkt anzunehmen, als der Patentinhaber die Überweisung für die 10. Jahresgebühr tatsächlich getätigt hat, die am 24. Juni 2010 beim Patentamt eingegangen ist. Dass diese Zahlung im Juni 2010 erst nach Fristablauf erfolgte, hätte der Patentinhaber bei der gebotenen Sorgfalt erkennen können, zumal nach seinen Angaben im Wiedereinsetzungsantrag und in den weiteren Schreiben nicht die Unkenntnis von der Zahlungsfrist der fristgerechten Zahlung entgegen gestanden hat, sondern andere Umstände, die spätestens bei Vornahme der geschuldeten Zahlung entfallen sind. Die zweimonatige Antragsfrist für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags hat demnach im Juni 2010 zu laufen begonnen und war damit bei Stellung des Wiedereinsetzungsantrags im September 2010 bereits abgelaufen.
3. Auch wenn zugunsten des Patentinhabers angenommen wird, dass sein am 25. September 2010 eingegangener Wiedereinsetzungsantrag fristgerecht gestellt ist, wäre der Antrag aber jedenfalls unbegründet. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG darf Wiedereinsetzung nur gewährt werden, wenn der Säumige die Frist ohne Verschulden versäumt hat. Der Vortrag des Patentinhabers ist jedoch nicht geeignet, ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Zahlung der 10. Jahresgebühr auszuschließen.
Verschulden umfasst Vorsatz und jeden Grad von Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer nicht die für einen gewissenhaften, seine Belange sachgerecht wahrnehmenden Verfahrensbeteiligten gebotene und ihm nach den konkreten Umständen zumutbare Sorgfalt aufbringt (vgl. Schulte, a. a. O., § 123 Rdn. 77 ff.). Ein solcher Fall liegt vor. Die im Wiedereinsetzungsantrag vom 23. September 2010 angegebenen dienstlichen Auslandsreisen, die der Patentinhaber im weiteren Schreiben vom 9. November 2010 näher aufgeschlüsselt hat, hat das Patentamt zu Recht nicht als Wiedereinsetzungsgrund angesehen. Denn der Patentinhaber ist auch in den Wochen vor dem Ablauf der Zahlungsfrist immer wieder für einige Tage in Deutschland gewesen und hätte die Möglichkeit gehabt, die Zahlung selbst vorzunehmen, zumindest wäre es ihm aber möglich gewesen, jemand anderen rechtzeitig zu beauftragen. Soweit der Patentinhaber nunmehr in der Beschwerdebegründung angibt, er habe seine Sekretärin mit der Gebührenüberwachung beauftragt, kann dies grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden. Die Tatsachen, die die Wiedereinsetzung begründen, müssen nämlich innerhalb der zweimonatigen Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG vorgetragen werden. Außerhalb der Frist nachgebrachte Tatsachen können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie innerhalb der Frist gemachten unklare Angaben erläutern oder ergänzen (vgl. Schulte, a. a. O., § 123 Rdn. 41), was hier hinsichtlich der erstmalig in der Beschwerdebegründung vorgetragenen Beauftragung der Sekretärin nicht der Fall ist. Im Übrigen würde auch dieser neue Vortrag den Patentinhaber nicht entlasten, da weder konkret dargetan ist, ob die Beauftragung der Sekretärin mit der Gebührenüberwachung bereits die hier in Rede stehende 10. Jahresgebühr betraf und ob sie die Vornahme etwa fälliger Zahlungen einschloss noch wann die Sekretärin den Unfall erlitten hat; gegebenenfalls hätte der Patentinhaber jemand anderen beauftragen müssen. Auch die angegebenen Computerprobleme und die fehlende Möglichkeit des Onlinebanking vermögen nicht die Wiedereinsetzung zu begründen, weil es andere Möglichkeiten zur Vornahme der Zahlung gegeben hätte. Unter diesen Umständen kann die Versäumung der Frist nicht als unverschuldet angesehen werden.
Somit hätte der Antrag auf Wiedereinsetzung selbst bei unterstellter Zulässigkeit keinen Erfolg haben können.
Rauch Püschel Kober-Dehm prö