V ZR 206/24
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES V ZR 206/24 Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR:
ja JNEU:
nein WEG § 28 Abs. 2 URTEIL in dem Rechtsstreit a) Zur Erstellung von Jahresabrechnungen ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet; als ausführendes Organ muss der bestellte Verwalter auch ausstehende Abrechnungen für Vorjahre erstellen.
b) Daneben kann auch der frühere Verwalter aus dem Verwaltervertrag weiterhin verpflichtet sein, die Jahresabrechnung zu erstellen, sofern die Pflicht der Gemeinschaft bereits während seiner Amtszeit entstanden ist.
c) Die Pflicht der Gemeinschaft zur Erstellung der Jahresabrechnung entsteht am 1. Januar des folgenden Kalenderjahres; der frühere Verwalter, dessen Amtszeit zum 31. Dezember des Vorjahres geendet hat, ist nicht zur Erstellung der Jahresabrechnung für das Vorjahr verpflichtet.
BGH, Urteil vom 26. September 2025 - V ZR 206/24 - LG Dortmund AG Bielefeld ECLI:DE:BGH:2025:260925UVZR206.24.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2025 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterinnen Haberkamp, Laube und Dr. Grau für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 8. November 2024 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand: 1 Die Beklagte war bis Ende Dezember 2022 die Verwalterin der klagenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). In der Eigentümerversammlung vom 8. Dezember 2022 wurde mit Wirkung ab dem 1. Januar 2023 eine neue Verwalterin gewählt. Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte - soweit von Interesse - auf Erstellung der Jahresabrechnung 2022 in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Erstellung der Jahresabrechnung 2022 aus § 28 Abs. 2 Satz 2 WEG. Die Pflicht zur Abrechnung setze den Ablauf des Kalenderjahres voraus und könne daher erst am 1. Januar 2023 entstehen. Mit Ablauf des 31. Dezember 2022 sei die Beklagte aber bereits aus ihrem Amt ausgeschieden. Zur Erstellung der Jahresabrechnung für das Jahr 2022 sei deshalb die neue Verwalterin verpflichtet. Aus dem Verwaltervertrag ergebe sich nichts anderes. Fehle es, wie hier, an einer ausdrücklichen Regelung, entspreche es regelmäßig den Interessen der GdWE, dass die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung den Verwalter treffe, der im Zeitpunkt der Entstehung der Abrechnungspflicht das zuständige Organ sei.
II.
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Die Beklagte war im Verhandlungstermin vor dem Senat nicht vertreten. Gleichwohl ist über die Revision der Klägerin nicht durch Versäumnisurteil, sondern durch Endurteil (unechtes Versäumnisurteil) zu entscheiden, da sich die Revision auf der Grundlage des von dem Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts als unbegründet erweist (vgl. Senat, Urteil vom 26. Februar 2021 - V ZR 33/20, NZM 2021, 475 Rn. 5 mwN).
2. Das Berufungsgericht verneint rechtsfehlerfrei einen Anspruch der GdWE gegen die Beklagte auf Erstellung der Jahresabrechnung 2022.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich die Klage auf Erstellung der Jahresabrechnung 2022 gegen die Beklagte nicht auf § 28 Abs. 2 Satz 2 WEG stützen lässt.
aa) Nach der bis zum 30. November 2020 gültigen Rechtslage hatte der Verwalter nach Ablauf des Kalenderjahres eine Abrechnung zu erstellen (§ 28 Abs. 3 WEG aF). Bei der Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung nach § 28 Abs. 3 WEG aF handelte es sich um eine persönliche Pflicht des Verwalters; dieser wurde nicht als Vertreter des Verbands tätig (vgl. Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR 171/11, ZfIR 2012, 635 Rn. 14). Deshalb stellte sich bei einem Verwalterwechsel die Frage, wer die Jahresabrechnung für das abgelaufene Kalenderjahr zu erstellen hatte. Die Pflicht traf denjenigen Verwalter, der im Zeitpunkt des Entstehens der Abrechnungspflicht Amtsinhaber war. Schied der Verwalter im Laufe des Kalenderjahres aus seinem Amt aus, schuldete er - vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung - nach § 28 Abs. 3 aF die Jahresabrechnung für das abgelaufene Kalenderjahr (vgl. Senat, Urteil vom 16. Februar 2018 - V ZR 89/17, NJW 2018, 1969 Rn. 11 ff.). Die umstrittene Frage, wann die Abrechnungspflicht bei einem Verwalterwechsel zum Jahresende entstand, hat der Senat zum alten Recht offengelassen (vgl. Urteil vom 16. Februar 2018 - V ZR 89/17, aaO Rn. 17 ff.).
bb) Mit dem am 1. Dezember 2020 in Kraft getretenen Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) hat der Gesetzgeber die Aufgaben und Befugnisse des Verwalters und das Verhältnis zu der GdWE grundlegend neu ausgestaltet (eingehend Senat, Urteil vom 21. Juli 2023 - V ZR 90/22, BGHZ 239, 1 Rn. 11 f.); dies betrifft auch die neu gefasste Vorschrift des § 28 WEG.
(1) Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG beschließen die Wohnungseigentümer nach Ablauf des Kalenderjahres über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Zu diesem Zweck hat nach § 28 Abs. 2 Satz 2 WEG der Verwalter eine Abrechnung über den Wirtschaftsplan (Jahresabrechnung) aufzustellen, die darüber hinaus die Einnahmen und Ausgaben enthält. Dem Wortlaut nach richtet sich die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung zwar an den Verwalter. Zur Erstellung von Jahresabrechnungen ist aber die GdWE verpflichtet. § 28 Abs. 2 Satz 2 WEG normiert keinen Anspruch gegen den Verwalter, sondern eine von dem Verwalter auszuführende Pflicht der GdWE, die nunmehr nach dem Regelungsgefüge des WEMoG für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ausschließlich zuständig ist (§ 18 Abs. 1 WEG). Mit der Nennung des Verwalters wird lediglich das für die Erfüllung dieser Aufgabe zuständige Organ bestimmt (vgl. Senat, Urteil vom 21. Juli 2023 - V ZR 90/22, BGHZ 239, 1 Rn. 11). Infolgedessen richtet sich, wie der Senat bereits entschieden hat, auch der Anspruch eines einzelnen Wohnungseigentümers auf Erstellung der Jahresabrechnung nicht mehr gegen den Verwalter, sondern gegen die GdWE (vgl. Senat, Urteil vom 19. April 2024 - V ZR 167/23, ZWE 2024, 420 Rn. 12).
(2) Als ausführendes Organ muss der bestellte Verwalter auch ausstehende Abrechnungen für Vorjahre erstellen; denn die Pflicht der GdWE erstreckt sich zweifelsfrei auch darauf, dass zurückliegende Jahre abgerechnet werden. Bei einem Verwalterwechsel während oder - wie hier - zum Ende eines Kalenderjahres ist der ausgeschiedene Verwalter nicht mehr das für die Aufstellung der Jahresabrechnung nach § 28 Abs. 2 Satz 2 WEG zuständige Organ. Eine nach Ende der Amtszeit fortwirkende Organpflicht gibt es nicht (zutreffend AG Kassel, ZMR 2022, 505 Rn. 12; LG Berlin II, Grundeigentum 2025, 152 Rn. 26; BeckOK WEG/Bartholome [1.7.2025], § 28 Rn. 50; Staudinger/Lehmann-Richter, BGB [2023], § 28 WEG Rn. 201; Mediger, ZWE 2022, 229, 230 f.). Dass der ausgeschiedene Verwalter die Verwaltung geführt hat und die Erstellung der Abrechnung für den neuen Verwalter mit praktischen Schwierigkeiten oder Haftungsrisiken verbunden sein kann, ist nach der gesetzgeberischen Konzeption des § 28 Abs. 2 WEG ohne Bedeutung.
cc) Daneben kann aber auch der frühere Verwalter aus dem Verwaltervertrag weiterhin verpflichtet sein, die Jahresabrechnung zu erstellen, sofern die Pflicht der Gemeinschaft bereits während seiner Amtszeit entstanden ist (so auch AG Wiesbaden, ZMR 2023, 755; Bärmann/Becker, WEG, 16. Aufl., § 28 Rn. 129; Hügel/Elzer, WEG, 4. Aufl., § 28 Rn. 108; Jennißen in Jennißen, WEG, 8. Aufl., § 28 Rn. 202a; Drasdo, NJW-Spezial 2022, 195; Greiner, ZWE 2025, 246, 247; Westphal, ZWE 2021, 395, 401). Die Gegenansicht (vgl. AG Kassel, ZMR 2022, 505 Rn. 12; LG Berlin II, Grundeigentum 2025, 152 Rn. 26; Staudinger/LehmannRichter, BGB [2023], § 28 WEG Rn. 201; MüKoBGB/Skauradszun, 9. Aufl., § 28 WEG Rn. 93) kann nicht überzeugen.
(1) Der Verwaltervertrag ist ein auf Geschäftsbesorgung gerichteter Dienstvertrag (vgl. Senat, Urteil vom 18. Februar 2011 - V ZR 197/10, NZM 2011, 454 Rn. 18). Aus ihm schuldet der Verwalter gegenüber der GdWE als erfolgsbezogene Tätigkeit die Aufstellung der Jahresabrechnung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 WEG (vgl. Senat. Urteil vom 26. Februar 2021 - V ZR 290/19, ZfIR 2021, 334 Rn. 8). Richtig ist zwar, dass seine Organpflicht mit der Abberufung endet. Davon zu unterscheiden sind aber die im Verhältnis zu der GdWE als seiner Vertragspartnerin bereits entstandenen vertraglichen Verwalterpflichten. Endet das Verwalteramt zu einem Zeitpunkt, zu dem die Pflicht der GdWE zur Erstellung der Jahresabrechnung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG und damit zugleich die vertragliche Pflicht des Verwalters gegenüber der GdWE bereits entstanden ist, bleibt der Verwalter vertraglich weiterhin zur Erstellung der Jahresabrechnung verpflichtet. Denn die einmal entstandene vertragliche Pflicht des Verwalters zur Erstellung der Jahresabrechnung geht nur durch Erfüllung (§ 362 BGB) oder durch die Geltendmachung von Sekundäransprüchen (§ 281 Abs. 4 BGB) unter. Nur in diesem Zusammenhang kommt es weiterhin darauf an, wann die Pflicht der GdWE zur Erstellung der Jahresabrechnung entsteht.
(2) Wann die Pflicht der GdWE zur Erstellung der Jahresabrechnung entsteht, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird vertreten, die Pflicht entstehe mit Ablauf des 31. Dezember des Kalenderjahres (vgl. Erman/Grziwotz, BGB, 17. Aufl., § 28 WEG Rn. 4; Jennißen in Jennißen, WEG, 8. Aufl., § 28 Rn. 202). Nach überwiegender Ansicht entsteht sie am 1. Januar des Folgejahres (vgl. LG Frankfurt a. M., ZWE 2025, 290 Rn. 6; Abramenko/Riecke/Schneider, WEG, 6. Aufl., § 28 Rn. 127; Bärmann/Becker, WEG, 16. Aufl., § 28 Rn. 130; Bärmann/ Pick/Emmerich, WEG, 21. Aufl., § 28 Rn. 92; Hügel/Elzer, WEG, 4. Aufl., § 28 Rn. 113; MüKoBGB/Skauradszun, WEG, 9. Aufl., § 28 Rn. 94; Greiner, ZWE 2024, 436, 440).
(3) Die zuletzt genannte Ansicht trifft zu. Die Pflicht der GdWE zur Erstellung der Jahresabrechnung entsteht am 1. Januar des folgenden Kalenderjahres; der frühere Verwalter, dessen Amtszeit zum 31. Dezember des Vorjahres geendet hat, ist nicht zur Erstellung der Jahresabrechnung für das Vorjahr verpflichtet. Das entspricht dem Wortlaut von § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG. Danach beschließen die Wohnungseigentümer „nach Ablauf“ und nicht „mit Ablauf“ des Kalenderjahres über die Jahresabrechnung. Die von der Gegenauffassung vorgebrachten Argumente, es liege im Interesse der GdWE, dass der Verwalter mit der Jahresabrechnung über seine wirtschaftliche Tätigkeit Rechenschaft ablege, und dass die Erstellung der Jahresabrechnung für Vorjahre für den neuen Verwalter mit praktischen Schwierigkeiten und Haftungsrisiken verbunden sei, sind nach dem Konzept des WEMoG ohne Bedeutung (vgl. oben Rn. 10).
(4) Ist der Verwalter - wie hier - ausgeschieden, bevor die Verpflichtung der GdWE zur Erstellung der Abrechnung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG entstanden ist, ist er - vorbehaltlich einer ausdrücklichen abweichenden Vereinbarung (vgl. unten Rn. 16) - nicht aus dem Verwaltervertrag zur Erstellung der Jahresabrechnung verpflichtet. Der ausgeschiedene Verwalter wird jedoch nicht aus jeder Verantwortung entlassen. Er schuldet der GdWE Rechnungslegung nach §§ 675, 666, 259 BGB und muss, gegebenenfalls auch durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, dafür einstehen, dass er die im Abrechnungszeitraum angefallenen Einnahmen und Ausgaben vollständig und richtig erfasst und mitgeteilt hat (vgl. Senat, Urteil vom 16. Februar 2018 - V ZR 89/17, NJW 2018, 1969 Rn. 19; Urteil vom 26. Februar 2021 - V ZR 290/19, ZfIR 2021, 334 Rn. 17). Dazu ist die Beklagte bereits rechtskräftig verurteilt worden.
b) Der rechtsfehlerfreien und auch von der Revision unbeanstandeten Würdigung des Berufungsgerichts zufolge hat es die Beklagte nicht vertraglich übernommen, im Falle ihres Ausscheidens die Jahresabrechnung 2022 zu erstellen. In dem Verwaltervertrag kann zwar vereinbart werden, dass der Verwalter die Jahresabrechnung auch dann zu erstellen hat, wenn die Abrechnungspflicht der GdWE gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG erst nach seinem Ausscheiden entsteht. Dann wäre die Jahresabrechnung Aufgabe sowohl des ausgeschiedenen Verwalters (aus Vertrag) als auch des neuen Verwalters (als Organ), und der neue Verwalter könnte, statt selbst tätig werden, den ausgeschiedenen Verwalter dazu auffordern. Das bedarf jedoch einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung.
III. 17 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Brückner Laube Göbel Grau Haberkamp Vorinstanzen:
AG Bielefeld, Entscheidung vom 15.03.2024 - 5 C 65/23 LG Dortmund, Entscheidung vom 08.11.2024 - 17 S 45/24 - Verkündet am: 26. September 2025 Langendörfer-Kunz, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle