Paragraphen in V ZB 42/17
Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit | Paragraph | |
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3 | 426 | FamFG |
1 | 74 | FamFG |
1 | 420 | FamFG |
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1 | 74 | FamFG |
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BUNDESGERICHTSHOF V ZB 42/17 BESCHLUSS vom 1. Juni 2017 in der Abschiebungshaftsache ECLI:DE:BGH:2017:010617BVZB42.17.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Juni 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Weinland, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein vom 31. Januar 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Am 10. November 2016 reiste der Betroffene ohne gültige Papiere und Einreisedokumente mit dem Zug aus Österreich nach Deutschland ein, wo er bei einer grenzpolizeilichen Kontrolle festgenommen wurde. Er gab an, ägyptischer Staatsangehöriger zu sein. Die beteiligte Behörde ordnete am selben Tag die Zurückschiebung des Betroffenen nach Österreich an, befristete das Einreiseverbot auf den 10. November 2018 und schob ihn nach Österreich zurück. Am Abend desselben Tages reiste dieser erneut mit dem Zug aus Österreich ohne gültige Papiere in das Bundesgebiet ein. Er wurde wieder festgenommen und gab diesmal an, tunesischer Staatsangehöriger mit den eingangs dieses Beschlusses festgestellten Personalien zu sein. Die beteiligte Behörde ordnete mit Bescheid vom 11. November 2016 die Abschiebung des Betroffenen nach Tunesien an und beantragte die Anordnung von Haft für sechs Monate zur Sicherung dieser Abschiebung.
Mit Beschluss vom 11. November 2016 hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der verfügten Abschiebung für die Dauer von sechs Monaten angeordnet. Am 20. Dezember 2016 hat der Betroffene die Aufhebung der Haft beantragt. Das Amtsgericht hat diesen Antrag als Beschwerde gewertet und unter Nichtabhilfe dem Landgericht vorgelegt. Dieses wies die beteiligte Behörde zunächst darauf hin, dass die Ausführungen zur beantragten Dauer der Haft unzureichend sein könnten, gab die vermeintliche Beschwerde dann aber dem Amtsgericht zur Entscheidung über den Aufhebungsantrag zurück. Das Amtsgericht hat den Aufhebungsantrag mit Beschluss vom 11. Januar 2017 zurückgewiesen. Die Beschwerde des Betroffenen ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde möchte der - am 8. März 2017 abgeschobene - Betroffene die Feststellung der Rechtswidrigkeit der über den 20. Dezember 2016 hinausgehenden Haft erreichen.
II.
Das Beschwerdegericht hält den Haftaufhebungsantrag für unbegründet. Ein solcher Antrag könne nur auf neue Umstände, nicht aber auf Einwände gegen die Anordnung der Haft gestützt werden. Der Bundesgerichtshof habe dies in früheren Entscheidungen zwar anders gesehen. Es erachte diese Rechtsprechung aber insbesondere wegen der Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 10. April 2014 (V ZB 110/13) und vom 15. September 2016 (V ZB 43/16) für überholt. Deshalb könne sich der Betroffene weder darauf stützen, dass die erforderliche Dauer der Haft in dem Haftantrag der beteiligten Behörde nicht ausreichend begründet worden sei, noch darauf, dass es an einer Unterrichtung der konsularischen Vertretung Tunesiens fehle. Beides betreffe die ursprüngliche Haftanordnung und könne im Haftaufhebungsverfahren nicht mehr gerügt werden. Nach Erlass der Haftanordnung eingetretene Umstände, die ihre Aufhebung erforderten, lägen nicht vor.
III.
Diese Erwägungen halten im entscheidenden Punkt einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Die gegebene Begründung trägt die Zurückweisung des Haftaufhebungsantrags des Betroffenen nicht.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Haftaufhebungsantrag gemäß § 426 Abs. 1 FamFG nicht nur auf neue Umstände, sondern auch auf Einwände die Anordnung der Haft gestützt werden. Der Senat hat die unter Geltung des durch den heutigen § 426 FamFG abgelösten § 10 FreihEntzG umstrittene Frage mit Beschluss vom 18. September 2008 (V ZB 129/08, BGH-Report 2008, 1232) im beschriebenen Sinne entschieden und an der bisherigen Rechtsprechung auch unter Geltung von § 426 FamFG festgehalten (Beschlüsse vom 28. April 2011 - V ZB 292/10, FGPrax 2011, 200 Rn. 17, vom 26. Mai 2011 - V ZB 318/10, juris Rn. 16, vom 15. Dezember 2011 - V ZB 302/10, juris Rn. 13 und vom 29. November 2012 - V ZB 115/12, InfAuslR 2013, 158 Rn. 4). Er hat lediglich präzisiert, dass die formelle Rechtskraft der Entscheidung über die Haftanordnung nicht durch einen Antrag auf Haftaufhebung durchbrochen werden kann. Folge dessen ist, dass die Rechtswidrigkeit der Haft erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Haftaufhebungsantrags bei Gericht festgestellt werden kann (Senat, Beschluss vom 29. November 2012 - V ZB 170/12, InfAuslR 2013, 157 Rn. 7); dies hat der Betroffene bei der Antragstellung beachtet.
b) Diese Rechtsprechung hat der Senat nicht aufgegeben. Er ist von ihr auch nicht stillschweigend abgerückt. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts auch nicht aus den Beschlüssen des Senats vom 10. April 2014 (V ZB 110/13, juris) und vom 15. September 2016 (V ZB 43/16, NVwZ 2016, 1824). Dies hat der Senat in seinem Beschluss vom 1. Juni 2017 (V ZB 39/17 z. Veröff. best.) in einer gleich gelagerten Sache im Einzelnen erläutert; hierauf wird Bezug genommen.
c) Von dieser Rechtsprechung abzuweichen geben die Erwägungen des Beschwerdegerichts keine Veranlassung.
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als richtig (§ 74 Abs. 2 FamFG).
a) Der Betroffene macht im Ansatz zu Recht geltend, dass die Haftanordnung nicht hätte ergehen dürfen, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.
b) Im Haftaufhebungsverfahren ist allerdings zu berücksichtigen, dass Fehler im Haftanordnungsverfahren für die Zukunft heilbar sind. Deshalb ist eine rechtskräftige, aber mangels zulässigen Haftantrags rechtswidrige (rechtskräftig gewordene) Haftanordnung nicht aufzuheben, wenn die beteiligte Behörde die fehlenden Angaben im Aufhebungsverfahren nachholt und das mit dem Aufhebungsverfahren befasste Gericht die erforderlichen Feststellungen nachholt; einer persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 420 FamFG bedarf es in diesem Fall nicht (dazu Senat, Beschluss vom 1. Juni 2017 - V ZB 39/17, z. Veröff. best.).
c) Die von dem Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Zurückweisung des Haftaufhebungsantrags und des Antrags auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung für den Zeitraum ab dem 20. Dezember 2016 nicht. Die Behörde hat allerdings die fehlenden Darlegungen zur erforderlichen Dauer der Haft nachgeholt. Der nachgeholte Vortrag ist auch ausreichend. Das Beschwerdegericht hat sich aber - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - mit diesem ergänzenden Vortrag nicht befasst und deshalb auch nicht festgestellt, ob die Haft auf dieser Grundlage und insbesondere auch im Hinblick auf die geänderte Einschätzung der beteiligten Behörde (fünf statt der beantragten und angeordneten sechs Monate) im Zeitpunkt seiner Entscheidung (noch) gerechtfertigt war.
IV.
Die Sache ist deshalb nicht zur Endentscheidung reif. Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Stresemann Schmidt-Räntsch Weinland Göbel Haberkamp Vorinstanzen:
AG Rosenheim, Entscheidung vom 11.01.2017 - 1 XIV 155/16 LG Traunstein, Entscheidung vom 31.01.2017 - 4 T 296/17 -
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